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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 389

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 676/24, Beschluss v. 21.01.2025, HRRS 2025 Nr. 389


BGH 6 StR 676/24 - Beschluss vom 21. Januar 2025 (LG Magdeburg)

Betrug, versuchter Betrug (sog. Tankbetrug; Versuch und Vollendung; Irrtum: Bemerken des Tankvorgangs durch Tankstellenbeschäftigten).

§ 263 Abs. 1 StGB, § 22 StGB; § 23 Abs. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme der Tatvollendung in Fällen eines sogenannten Tankbetruges voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen seiner Zahlungsbereitschaft bei einem Tankstellenbeschäftigten einen Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. Hierfür ist die Feststellung erforderlich, dass der Tankvorgang vom Personal überhaupt bemerkt wurde. Fehlt eine entsprechende Feststellung, ist mangels Irrtumserregung nur ein versuchter Betrug gegeben.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 22. August 2024, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass er in den Fällen II.3 bis 6 der Urteilsgründe jeweils wegen versuchten Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt ist.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. und die Revision des Angeklagten St. werden als unbegründet verworfen.

3. Der Angeklagte St. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Hinsichtlich des Angeklagten S. wird von der Auferlegung der Kosten und Auslagen im Revisionsverfahren abgesehen; jedoch hat auch er die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit Fahren ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen (Fälle II.3 bis 6 der Urteilsgründe) zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Es hat überdies angeordnet, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen, und Einziehungsentscheidungen getroffen. Den Angeklagten St. hat es wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten S. hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie ebenso wie die Revision des Angeklagten St. unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten S. wegen vollendeten Betruges in den Fällen II.3 bis 6 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den Feststellungen zu diesen vier Fällen betankte der Angeklagte „wie ein zahlungsfähiger und -williger Kunde“ den Pkw seiner Schwester an einer Tankstelle und entrichtete - wie von vornherein beabsichtigt - den hierfür zu bezahlenden Betrag nicht, sondern fuhr nach Ende des Tankvorgangs davon.

b) Diese Feststellungen tragen die Bewertung als vollendete Betrugstaten nicht. Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme der Tatvollendung in Fällen eines sogenannten Tankbetruges voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen seiner Zahlungsbereitschaft bei einem Tankstellenbeschäftigten einen Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. Hierfür ist die Feststellung erforderlich, dass der Tankvorgang vom Personal überhaupt bemerkt wurde. Fehlt - wie hier - eine entsprechende Feststellung, ist mangels Irrtumserregung nur ein versuchter Betrug gegeben (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. Mai 1983 - 4 StR 121/83, NJW 1983, 2827; Beschlüsse vom 13. Januar 2016 - 4 StR 532/15, NJW 2016, 1109, Rn. 4; vom 21. August 2019 - 3 StR 221/18, Rn. 21; vom 9. März 2021 - 6 StR 74/21).

c) Der Senat ändert den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

d) Der Rechtsfolgenausspruch kann hingegen bestehen bleiben. Die Jugendkammer hat die Erforderlichkeit einer Jugendstrafe (§ 17 JGG) unter anderem auf die Schwere der Schuld gestützt und hierfür maßgeblich auf die Taten in den Fällen II.1 und 2 der Urteilsgründe abgestellt. Auch hinsichtlich der Dauer der Einheitsjugendstrafe (§ 18 JGG) hat das Landgericht nicht der Vollendung der vier Betrugstaten Bedeutung beigemessen, sondern sich bei der Bestimmung der Strafhöhe - insbesondere unter Berücksichtigung der Schwere der ersten beiden Taten - vor allem an dem Erfordernis der erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten orientiert. Der Senat kann daher ausschließen, dass das Landgericht unter Berücksichtigung von vier lediglich versuchten Betrugstaten eine niedrigere Strafe verhängt hätte. Schließlich beruht auch die mit Blick auf § 21 Abs. 1 StVG angeordnete isolierte Sperrfrist nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB nicht auf dem teilweise geänderten Schuldspruch.

2. Unter den festgestellten tat- und täterbezogenen Umständen ist es angezeigt, auch den Angeklagten S. als Heranwachsenden mit den dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu belasten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. November 2023 - 4 StR 363/23; vom 24. Oktober 2018 - 4 StR 314/18, Rn. 5).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 389

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede