HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2021
22. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zur Strafbarkeit des (Einzel-)Rasens

Zugleich Anmerkung zu HRRS 2021 Nr. 342

Von PD Dr. Scarlett Jansen, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn[*]

I. Einleitung

"Raserfälle" haben in den letzten Jahren die Rechtsprechung, den Gesetzgeber und nicht zuletzt die Wissenschaft beschäftigt. In der Rechtsprechung ging es insbesondere um die Frage, ob Raser bzw. Teilnehmer an illegalen Autorennen mit Tötungsvorsatz handeln.[1] Der Gesetzgeber hat durch die Einführung von § 315d StGB im Jahr 2017 einen neuen Tatbestand geschaffen.[2]

Mit dem vorliegenden Urteil beschäftigt sich der BGH nicht nur erneut mit dem Tötungsvorsatz, sondern erstmals auch mit § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, dem "Raserparagraphen", sowie mit der Erfolgsqualifikation des § 315d Abs. 5 StGB und nimmt Stellung zu einer Vielzahl von umstrittenen Auslegungsproblemen. Der BGH bestätigt die Verurteilung durch das LG Stuttgart wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs.

II. Zum Sachverhalt[3]

Der Angeklagte fuhr in einem gemieteten, hochmotorisierten Fahrzeug in Stuttgart auf einer Straße, auf der die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gilt und bei der aus seiner Fahrtrichtung gesehen von rechts mehrere Stichstraßen einmünden. Er war ortskundig; wusste also, dass auch zu dieser Nachtzeit (fast Mitternacht) mit Fußgängern und Fahrzeugverkehr zu rechnen war.

Der Angeklagte hatte vor, die Straße unter bewusster Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit der maximal zu erreichenden Geschwindigkeit entlang zu fahren, um seinen Beifahrer zu beeindrucken und seine Fähigkeit zu demonstrieren, mit dem Fahrzeug auch gefährliche Situationen zu meistern. Andere Verkehrsteilnehmer (Autofahrer oder Fußgänger) waren ihm völlig gleichgültig. Deren Gefährdung erkannte der Angeklagte und nahm diese zumindest billigend in Kauf. Ca. 100 Meter vor der späteren Unfallstelle erreichte er bei vollständig durchgedrücktem Gaspedal eine Geschwindigkeit von min. 163 km/h. Ihm war zu diesem Zeitpunkt klar, dass er bei dieser Geschwindigkeit nicht rechtzeitig auf ein- bzw. abbiegende Fahrzeuge werde reagieren können und deshalb die Gefahr bestand, mit einem solchen Fahrzeug zu kollidieren. Dabei hielt er es für möglich, dass ein solcher Zusammenstoß zum Tod eines oder mehrerer Unfallbeteiligten führen könnte. Der Angeklagte war überzeugt, dass er das Fahrzeug auch bei hohen Geschwindigkeiten in gefährlichen Situationen sicher beherrschen kann, vertraute (in Überschätzung seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten) aber nicht ausschließbar auf das Ausbleiben eines tödlichen Erfolgs.

Ca. 100 Meter vor der Unfallkreuzung erkannte der Angeklagte einen ihm entgegenkommenden Pkw. Dieser wollte nach links in eine Stichstraße abbiegen und hatte damit begonnen, die Fahrspur des Angeklagten zu queren. Um eine Kollision mit dem abbiegenden Fahrzeug zu verhindern, wich der Angeklagte auf die Gegenfahrspur aus. Er schlug das Lenkrad bei einer Geschwindigkeit von 150 km/h nach links ein, so dass sein Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von noch 138 km/h über die Abbiegespur und die Gegenfahrspur fuhr. Dann lenkte er stark nach rechts, um das Fahrzeug auf der Fahrbahn zu halten; es bewegte sich jedoch geradeaus weiter, überfuhr einen Grünstreifen und fuhr auf einer Parkplatzausfahrt mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von mindestens 90 km/h frontal in die Beifahrerseite eines Fahrzeugs, das in der Parkplatzausfahrt stand oder sich jedenfalls nur mit minimaler Geschwindigkeit bewegte. Infolge der Kollision erlitten der Fahrer dieses Fahrzeugs und die Beifahrerin schwerste Verletzungen, die zu deren Tod führten.

III. Darstellung und Analyse

1. Tötungsvorsatz

Nachdem der BGH bislang in Zusammenhang mit den Raserfällen vor allem zum Vorliegen eines Tötungsvorsatzes Stellung bezogen hatte,[4] nimmt dieses Problem im vorliegenden Urteil nur sehr wenig Raum ein. Die mögli-

chen Indizien, die für oder gegen einen Tötungsvorsatz nach der Rechtsprechung der BGH heranzuziehen sind, wie namentlich die Eigengefährdung des Fahrers,[5] werden im vorliegenden Urteil nicht erwähnt. Der BGH geht hier nur knapp darauf ein, dass die Ablehnung des bedingten Tötungsvorsatzes rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Gerügt worden war, dass das Landgericht auf der einen Seite konstatierte, dass der Angeklagte nicht ausschließbar darauf vertraute, dass er das Fahrzeug sicher beherrschen könne und der Tod anderer Personen nicht eintrete. Auf der anderen Seite führte das Landgericht aus, dass er erkannte, dass die Gefahr bestand, mit ein- oder abbiegenden Fahrzeugen zu kollidieren. Es ist dem BGH im Ergebnis zuzustimmen, dass darin nicht zwingend ein Widerspruch liegt. Die Begründung des BGH vermag jedoch nicht zu überzeugen. Er verneint einen Widerspruch, weil es zwar möglich sei, dass er die Gefahr einer Kollision mit ein- oder abbiegenden Fahrzeugen erkannte, sich aber "die konkrete zum Tod der beiden Tatopfer führende Kollision außerhalb der Fahrbahn ereignete". Damit bliebe aber offen, ob der Angeklagte denn mit Tatentschluss in Bezug auf ein- oder abbiegende Fahrzeuge handelte, was eine Versuchsstrafbarkeit begründen könnte. Zudem lässt das Landgericht Ausführungen dazu vermissen, ob der Angeklagte auch die Gefahr eines Ausweichmanövers erkannte und billigend in Kauf nahm[6] (dazu noch u. zur Erfolgsqualifikation des § 315d Abs. 5). Indes lässt sich eine Widerspruchsfreiheit der Ausführungen damit begründen, dass nach den Feststellungen des Landgerichts der Angeklagte nur die Gefahr erkannte, nicht aber den Erfolg billigend in Kauf nahm. Insoweit erscheint es möglich, dass der Angeklagte zwar eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere abbiegender Fahrzeuge, billigend in Kauf nahm, nicht aber einen tödlichen Erfolg. Einen entsprechenden Gefährdungsvorsatz bedarf es für die Verwirklichung des § 315d Abs. 5 StGB.

2. Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB

Der BGH setzt sich mit mehreren Tatbestandsmerkmalen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB auseinander und nutzt damit die Gelegenheit, zu einigen Auslegungsproblemen Stellung zu nehmen. Von besonderer Relevanz sind die in diesem Tatbestand verwendeten Geschwindigkeitsbegriffe.

a) Objektiver Tatbestand: Nicht angepasste Geschwindigkeit

Zunächst setzt das Einzelrasen ein Fortbewegen mit nicht angepasster Geschwindigkeit voraus. Diesen Geschwindigkeitsbegriff legt der BGH weit aus und versteht darunter "jede der konkreten Verkehrssituation nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht mehr entsprechende Geschwindigkeit", so dass sowohl Verstöße gegen § 3 Abs. 1 StVO als auch gegen § 3 Abs. 3 StVO erfasst sind. Der BGH beruft sich insoweit auf die Gesetzesmaterialien. Der Wortlaut, der sich auf die angepasste Geschwindigkeit bezieht, spricht aber gegen diese Auslegung, denn § 3 StVO unterscheidet zwischen der Geschwindigkeit, bei der das Fahrzeug noch ständig beherrscht wird, weil sie an die jeweiligen Verhältnisse und Fähigkeiten angepasst ist (§ 3 Abs. 1 StVO) und der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (§ 3 Abs. 3 StVO). Der BGH differenziert im Ergebnis in § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB – wie auch einige Stimmen im Schrifttum[7] – nicht zwischen diesen beiden Geschwindigkeitsbegriffen und wendet sich damit gegen die herrschende Meinung im Schrifttum und der bisherigen Rechtsprechung, ohne sich mit dieser auseinanderzusetzen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist nach der bislang herrschenden Meinung von der angepassten Geschwindigkeit abzugrenzen und kann nur ein Indiz dafür darstellen.[8] Auch bei Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit kann noch eine angepasste Geschwindigkeit vorliegen, denn Geschwindigkeitsbegrenzungen beruhen nicht nur auf Erwägungen, die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffen, sondern können auch dem Schutz der Anwohner vor Lärmbelästigungen dienen,[9] so etwa eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h auf bestimmten Autobahnstrecken. Indem der BGH allerdings auf Überschreitungen der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten in § 3 Abs. 3 StVO Bezug nimmt und nicht auf jegliche Überschreitung der konkret durch Einzelfallregelungen zugelassenen Höchstgeschwindigkeit, sind solche Konstellationen nicht erfasst, sondern gemeint sind danach nur allgemein geltende Höchstgeschwindigkeitsbegrenzungen, wie beispielsweise die Grenze von 50 km/h innerorts. Deren Überschreitung kann jedoch ebenfalls nur ein Indiz sein für eine nicht angepasste Geschwindigkeit, denn eine sichere Beherrschung des Fahrzeugs schließt es nicht aus.

Eine Folge dieser Auslegung durch den BGH liegt darin, dass die zu treffenden Feststellungen etwas erleichtert werden, denn die Überschreitung der allgemein zugelassenen Höchstgeschwindigkeit ist demnach nicht nur ein Indiz, sondern reicht alleine aus, um eine nicht angepasste Geschwindigkeit zu begründen. Dem Wortlaut von § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie § 3 StVO wird diese Auslegung jedoch nicht gerecht.

b) Objektiver Tatbestand: grob verkehrswidrig

Ein weiteres Auslegungsproblem des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB betrifft das Merkmal "grob verkehrswidrig". Dieses Tatbestandsmerkmal ist durch ein "und" mit dem objektiven Tatbestandsmerkmal der nicht angepassten Geschwindigkeit verbunden, bezieht sich nach dem Wortlaut daher eigentlich nicht auf diese Geschwindigkeit, sondern auf das Fortbewegen. Daraus hatte das AG Düsseldorf in einem anderen Fall die Konsequenz gezogen, dass die grobe Verkehrswidrigkeit nicht allein in der

erhöhten Geschwindigkeit liegen dürfe, sondern zusätzlich ein erheblicher Verkehrsverstoß festgestellt werden müsse.[10] Dieser Auslegung widerspricht die herrschende Meinung im Schrifttum. Sie verlangt für die Verwirklichung des Merkmals der groben Verkehrswidrigkeit bei § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, dass der Täter viel schneller fährt als angemessen wäre.[11] Dafür spricht, dass ein Gleichlauf zur Auslegung des § 315c StGB zu fordern ist,[12] so dass sich die grobe Verkehrswidrigkeit auf den jeweiligen Verkehrsverstoß, der bei § 315d StGB in der nicht angepassten Geschwindigkeit liegt, beziehen muss.

Der BGH schließt sich dem einerseits an, indem er betont, dass sich die grobe Verkehrswidrigkeit "allein aus der besonderen Massivität des Geschwindigkeitsverstoßes" ergeben könne. Alternativ können dafür nach seiner Ansicht aber auch anderweitige Verkehrsverstöße ausreichen, wenn sie in einem inneren Zusammenhang mit der nicht angepassten Geschwindigkeit stehen. Danach wäre mit anderen Worten eine grobe Verkehrswidrigkeit also auch zu bejahen, wenn keine erhebliche, sondern nur eine leichte Überschreitung der angepassten Geschwindigkeit vorliegt, aber andere Verkehrsverstöße begangen werden, die mit dieser Überschreitung in einem Zusammenhang stehen. Damit könnte die Auslegung des BGH beispielsweise das Schneiden der Kurve erfassen, um die (leicht) überhöhte Geschwindigkeit nicht drosseln zu müssen. Folge davon könnte in solchen Ausnahmefällen eine Erweiterung bzw. Vorverlagerung der Strafbarkeit sein, denn bei einer nur leicht überhöhten Geschwindigkeit handelt es sich noch nicht um ein "Rasen". Das Merkmal der groben Verkehrswidrigkeit soll verdeutlichen, dass nicht jede Überschreitung der angepassten Geschwindigkeit erfasst sein soll, sondern nur eine erhebliche.[13] Lässt man hierfür auch andere Verkehrsverstöße ausreichen, führt dies zu niedrigen Anforderungen an die Tatbestandsverwirklichung, die nicht mit dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmen, das Einzelrasen zu pönalisieren. Kombiniert man diese weite Auslegung des Merkmals der groben Verkehrswidrigkeit mit dem ebenfalls weit gefassten Verständnis des BGH in Bezug auf die nicht angepasste Geschwindigkeit, so wäre der objektive Tatbestand bereits erfüllt, wenn man innerorts mit 51 km/h die Kurve schneidet, um seine Geschwindigkeit nicht verringern zu müssen. Eine Abgrenzung zwischen dem strafbaren Rasen nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB und nur verkehrswidrigem Verhalten bliebe allein dem subjektiven Tatbestand überlassen, was angesichts von dessen Schwächen (dazu noch sogleich) und dem Erfordernis einer restriktiven Auslegung nicht zu befürworten ist. Folglich sollten anderweitige Verkehrsverstöße alleine nicht die grobe Verkehrswidrigkeit begründen können; sie könnten aber wiederum ein Indiz dafür sein.[14] Denn wenn es nötig ist, eine Kurve zu schneiden, spricht dies für eine stark überhöhte Geschwindigkeit.

c) Subjektiver Tatbestand: höchstmögliche Geschwindigkeit
aa) Relativ höchstmögliche Geschwindigkeit

Das als überschießende Innentendenz ausgestaltete subjektive Merkmal der höchstmöglichen Geschwindigkeit wirft die wohl größten Probleme des Tatbestands auf.

Zunächst stellt der BGH entsprechend der herrschenden Meinung[15] fest, dass die höchstmögliche Geschwindigkeit relativ nach den jeweiligen Verhältnissen zu bestimmen ist. Relevant sind die konkreten Gegebenheiten, insbesondere die Motorisierung des Fahrzeugs, die Verkehrslage, der Streckenverlauf sowie die Witterungs- und Sichtverhältnisse. Den vereinzelt gebliebenen Gegenstimmen[16] ist der im Ausschussbericht deutlich gewordene Wille des Gesetzgebers entgegenzuhalten, nach dem solche konkret-situativen Parameter zu berücksichtigen seien.[17] Zudem würden ansonsten Täter mit hoch motorisierten Fahrzeugen privilegiert.[18]

bb) Einschränkung: "unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten nicht ganz unerhebliche Wegstrecke"

Zusätzlich verlangt der BGH, dass sich die "Zielsetzung des Täters nach seinen Vorstellungen auf eine unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten nicht ganz unerhebliche Wegstrecke bezieht". In ähnlicher Weise war auch schon in der Literatur vorgeschlagen worden, dass es sich objektiv um ein "länger andauerndes Verhalten" handeln müsse, in dem eine Absicht, die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, umgesetzt werden könne.[19] Während sich dieser Vorschlag allerdings auf den objektiven Tatbestand, auf das Fortbewegen, bezieht,[20] schränkt der BGH die überschießende Innentendenz weiter ein. Beide Auslegungen verweisen zur Begründung auf die Absicht des Gesetzgebers, ein Nachstellen eines Rennens zu erfassen.[21] Der BGH führt zudem einen zu fordernden "Renncharakter" an.[22] Warum dieser zu fordern ist, legt der BGH jedoch nicht dar. Die nachfolgenden Ausführungen, dass sich die abstrakte Gefährlichkeit bei § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB aus dem "unbedingten Willen des Täters" ergebe, "sein Fahrzeug bis zur relativen Grenzgeschwindigkeit zu beschleunigen" liefert

dafür keine Argumentation. Einen Renncharakter hatten auch zuvor schon einige andere Gerichte gefordert, wobei dessen dogmatische Verortung nicht einheitlich vorgenommen wurde. Während das LG Stade diesen Renncharakter in die höchstmögliche Geschwindigkeit hineingelesen hatte, so dass ein Ausreizen der technischen sowie physikalischen Grenzen erforderlich sei,[23] bejahte das LG Berlin einen Renncharakter aufgrund sonstigen Fahrverhaltens.[24]

Dass überhaupt ein solcher Renncharakter zu fordern ist, ergibt sich jedoch nicht aus den Gesetzgebungsmaterialien, die auch so verstanden werden können, dass das Merkmal der höchstmöglichen Geschwindigkeit eingefügt wurde, um bloßes zu schnelles Fahren aus dem Tatbestand herauszufiltern.[25] Aus der Überschrift des § 315d StGB, die allgemein von "Verbotenen Kraftfahrzeugrennen" spricht, lässt sich ebenfalls kein irgendwie gearteter Renncharakter herleiten, denn ein Einzelrasen wird auch nicht durch eine Absicht oder eine bestimmte Fahrweise zu einem "Rennen".[26] Dass die Überschrift so lautet, ist wohl damit zu erklären, dass § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB erst spät im Gesetzgebungsverfahren als Vorschlag eingebracht und die Überschrift nicht entsprechend angepasst wurde. Auch der Wortlaut lässt keinen Renncharakter erkennen, sondern legt die Abgrenzung zwischen schnellem Fahren und strafbarem Rasen überwiegend in das Merkmal der höchstmöglichen Geschwindigkeit.

Selbst wenn man einen solchen Renncharakter fordern würde, ist fraglich, warum sich daraus ergeben sollte, dass sich die Absicht der höchstmöglichen Geschwindigkeit auf eine unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten nicht unerhebliche Wegstrecke beziehen muss. Hierzu fehlen Ausführungen des BGH, der sich auch nicht mit den anderen Ansätzen zur dogmatischen Verortung des Renncharakters auseinandersetzt. Ausgeschieden werden sollen offenbar Bagatellen. Wie lang eine solche Strecke in der Vorstellung des Täters sein muss, erklärt der BGH ebenfalls nicht.[27]

Ob eine solche Restriktion praktische Relevanz haben wird, erscheint zudem fraglich. Bei einer Strecke von nur wenigen Metern wäre der Nachweis der überschießenden Innentendenz einerseits ohnehin kaum zu führen. Andererseits kann durch den Bezug auf die Verkehrssicherheit schon eine kurze Strecke nicht mehr unerheblich sein, weil beispielsweise Kreuzungen, Parkbuchten oder Fußgängerüberwege zu passieren sind, so dass die Gefahr von Unfällen naheliegt. Dieses zusätzliche Element wird daher wohl kaum praktische Bedeutung entfalten. Zudem stellt sich die Frage, warum es nicht erfasst sein soll, wenn der Fahrer in der Innenstadt kurzzeitig (die nach seiner Vorstellung relativ höchstmögliche Geschwindigkeit von) 180 km/h erreichen will, um zu zeigen, was das Auto zu leisten vermag, dann aber die Geschwindigkeit wieder verringern will.[28] Dass der Gesetzgeber auch solche Verhaltensweisen wegen des Gefährdungspotentials erfassen wollte, liegt nahe.

cc) Notwendiges Zwischenziel und Polizeifluchtfälle

Zum Merkmal der höchstmöglichen Geschwindigkeit stellt sich außerdem die Frage, ob die vorausgesetzte Absicht das End- oder Hauptziel des Täters sein muss. Der BGH entscheidet sich auch hier mit der herrschenden Meinung[29] dafür, dass es ausreicht, wenn der Täter aus seiner Sicht die höchstmögliche Geschwindigkeit als notwendiges Zwischenziel zu erreichen sucht. Die Gegenansicht[30] begründet ihre Sichtweise damit, dass der Gesetzgeber das Nachstellen eines Rennens erfassen wollte und das Erreichen der höchstmöglichen Geschwindigkeit daher Hauptziel sein müsse.[31] Eine solch restriktive Auslegung ist jedoch auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention nicht notwendig, denn dieser wird man schon dadurch gerecht, dass es überhaupt um diese höchstmögliche Geschwindigkeit geht.[32] Zudem entspricht die Auslegung der herrschenden Meinung auch derjenigen, die ansonsten bei kupierten Erfolgsdelikten vorgenommen wird.[33]

In einem obiter dictum nimmt der BGH auch Stellung zu den so genannten Polizeifluchtfällen. Dabei geht es um Fallkonstellationen, in denen der Täter mit dem Kraftfahrzeug vor der Polizei in einer Verfolgungsfahrt flieht. Das Endziel ist dabei die erfolgreiche Flucht. Wenn man der (hier und durch den BGH abgelehnten) Ansicht folgen würde, die verlangt, dass das Erreichen der höchstmöglichen Geschwindigkeit das Hauptziel und nicht nur als ein notwendiges Zwischenziel ist, wäre in diesen Fällen eine Verwirklichung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu verneinen.[34] Einige Gerichte hatten jedoch bereits wegen § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in solchen Fällen verurteilt.[35] Dieser Rechtsprechung folgt der BGH insoweit als Polizeifluchtfälle unter diese Norm subsumiert werden könnten. Allerdings betont er, dass der Täter es als notwendiges Zwischenziel anstreben müsse, über eine nicht ganz unerhebliche Strecke die höchstmögliche Ge-

schwindigkeit zu erreichen. Als Hinweis fügt der BGH hinzu, dass nicht ohne weiteres vom Fluchtmotiv darauf geschlossen werden kann, dass der Täter auch eine relativ höchstmögliche Geschwindigkeit erreichen will. So kann es zum einen sein, dass die Flucht eher durch ein geschicktes Fahrmanöver gelingt oder weil man eine günstige Verkehrslage, wie eine sich schließende Bahnschranke, ausnutzen kann.[36] Zum anderen ist es denkbar, dass auch eine geringere Geschwindigkeit als die relativ höchstmögliche genügt, denn für eine erfolgreiche Flucht reicht es aus, dass man schneller ist als der Verfolger; man muss dafür nicht unbedingt schnellstmöglich sein.[37]

3. Erfolgsqualifikation, § 315d Abs. 5 StGB

Der BGH bejaht zudem die Erfolgsqualifikation nach § 315d Abs. 5 StGB. Diese knüpft an das konkrete Gefährdungdelikt nach § 315d Abs. 2 StGB an, das als Vorsatz-Vorsatz-Kombination ausgestaltet ist.[38] Für das konkrete Gefährdungdelikt nach § 315d Abs. 2 StGB ist demnach Vorsatz in Bezug auf den Grundtatbestand nach § 315d Abs. 1 StGB erforderlich sowie Vorsatz hinsichtlich des Gefährdungserfolgs. Darauf aufbauend verlangt die Erfolgsqualifikation eine Vorsatz-Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination,[39] bei der zusätzlich Fahrlässigkeit in Bezug auf den Todeserfolg zu verlangen ist. Zudem muss ein spezifischer Gefahrzusammenhang bestehen.

Im dem hier zugrunde liegenden Fall ist zunächst an zwei Gefahrerfolge i.S.d. § 315d Abs. 2 StGB zu denken: zum einen die tatsächlich erfolgte Kollision mit dem in der Parkplatzausfahrt befindlichen Fahrzeug aufgrund eines Ausweichmanövers und zum anderen der Beinahe-Unfall mit dem entgegenkommenden Linksabbieger, der damit begonnen hatte, die Fahrspur des Angeklagten zu queren und der zu diesem Ausweichmanöver führte. Sowohl der Vorsatz in Bezug auf den Gefahrerfolg als auch der Gefahrzusammenhang sind für die Gefahrerfolge einzeln zu prüfen. Das lässt der BGH vermissen. Er führt lediglich aus, dass eine "von seinem Vorsatz umfasste konkrete Gefahrenlage für die Tatopfer" bestand, die sich "in deren Tod verwirklichte" und dass der "jeweils erforderliche Gefahrverwirklichungszusammenhang zwischen Tathandlung gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, Gefahrenerfolg nach § 315d Abs. 2 StGB und qualifizierender Folge nach § 315d Abs. 5 StGB bestehe".

Zunächst zum Gefahrerfolg, der in die Kollision mündete und auf den der BGH offenbar abstellt, indem er auf die Gefahr für die Tatopfer abstellt, deren Tod eintrat: Probleme bereitet hier der Vorsatz in Bezug auf den Gefahrerfolg. Die Feststellungen enthalten allgemein die Formel, dass der Angeklagte die Gefährdung von Autofahrern und Fußgängern billigend in Kauf nahm. Hinsichtlich des Gefahrerfolgs, der in der tatsächlich erfolgten Kollision mündete, fehlt es an Feststellungen, die über diesen allgemein gehaltenen Satz hinausgehen. Ob der Angeklagte diesen Gefahrerfolg billigend in Kauf nahm, wird nicht näher ausgeführt. Ob die Feststellungen Vorsatz in Bezug auf diese Gefahr tragen, ist zweifelhaft, denn die Ausführungen des Gerichts, dass der Angeklagte davon überzeugt war, das Fahrzeug auch in gefährlichen Situationen sicher beherrschen zu können, sprechen dafür, dass er mit einem Ausweichmanöver, das zu einer Kollision oder zumindest zu einem Beinahe-Unfall führt, eher nicht gerechnet hat. Zudem führt der BGH zum Tötungsvorsatz aus, dass sich die konkrete zum Tod führende Kollision außerhalb der Fahrbahn ereignet habe und sieht deshalb keinen Widerspruch zwischen den Ausführungen des Landgerichts zur Feststellung der subjektiven Tatseite (s.o. III. 1.). Das Landgericht konstatierte auf der einen Seite, dass der Angeklagte darauf vertraute, das Auto sicher beherrschen zu können, er auf der anderen Seite aber die Gefahr eines Zusammenstoßes mit ein- oder abbiegenden Fahrzeugen erkannte. Der BGH erblickt also insoweit zwischen den beiden Gefahrerfolgen einen Unterschied im subjektiven Bereich. Die Feststellung könnten so gedeutet werden, dass der Angeklagte zwar die Gefahr einer Kollision mit ein- oder abbiegenden Fahrzeugen erkannte und billigend in Kauf nahm, nicht aber die Gefahr einer Kollision mit anderen Fahrzeugen, etwa in Parkbuchten. Der BGH geht hingegen auf den Vorsatz nicht gesondert ein, sondern meint, er sei nach den Feststellungen belegt. Das ist im Hinblick auf die übrigen Ausführungen widersprüchlich. Wenn man dem allerdings folgte, wäre auch ein Gefahrzusammenhang zu bejahen.[40]

Wenn man hingegen einen Vorsatz in Bezug auf diesen Gefahrerfolg verneint, käme noch der andere Gefahrerfolg in Betracht: der Beinahe-Unfall mit dem Linksabbieger, dem der Angeklagte ausweichen konnte. Insoweit lassen sich die Feststellungen so deuten, dass er diesbezüglich Vorsatz hatte. Dafür spricht etwa die Feststellung, dass er die Gefahr einer Kollision mit ein- oder abbiegenden Fahrzeugen erkannte. Zudem war ihm nach den Feststellungen klar, dass er nicht rechtzeitig auf solche Fahrzeuge werde reagieren können, die an der Straße, wo sich tatsächlich der Linksabbieger befand, ein- oder abbiegen wollten, und mit "unkalkulierbarer Wahrscheinlichkeit die Gefahr bestand, mit einem ein- oder abbiegenden Fahrzeug zu kollidieren".

Lässt sich diesbezüglich der Vorsatz bejahen, stellt sich aber noch die Frage nach dem Gefahrzusammenhang. Wie dieser ausgestaltet ist, ist bislang kaum beleuchtet worden.[41] Eine Diskussion zum Gefahrzusammenhang bei einer Vorsatz-Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination findet sich lediglich zu den Erfolgsqualifikationen in § 221 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 StGB. Hier wird teils als ausreichend erachtet, dass die Gefährlichkeit der Handlung die schwere Folge herbeiführt.[42] Übertragen auf § 315d Abs. 5 StGB wäre es ausreichend, dass der Tod auf das Rennen oder Rasen zurückzuführen ist; er müsste nicht auf der Gefahr i. S. eines Beinahe-Unfalls beruhen. Es bedürfte nur einer fahrlässigen Tötung sowie

eines vorsätzlich herbeigeführten konkreten Gefahrerfolgs, der in beliebiger Weise hinzukommt.[43] Damit handelte es sich entgegen der Gesetzesfassung mit dem Verweis auf § 315d Abs. 2 StGB im Ergebnis jedoch nicht mehr um eine Vorsatz-Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination, sondern um eine Verwirklichung einer Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination mit einer Vorsatz-Vorsatz-Kombination des § 315d Abs. 2 StGB.[44] Da § 315d Abs. 5 StGB am konkreten Gefährdungdelikt des § 315d Abs. 2 StGB anknüpft, ist auf den Zusammenhang von konkretem Gefahrerfolg und dem Eintritt der schweren Folge abzustellen,[45] wie es die wohl herrschende Ansicht zu § 221 StGB vertritt.[46] Folglich muss nicht die Gefahr des Rasens, sondern der vorsätzliche Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls die Gefahr geschaffen haben, aus der sich der (hier: tödliche) Erfolg entwickelte.[47]

Auch insoweit stellt sich die Frage, ob dies vorliegend gegeben ist. Einerseits hat sich die Gefahr für das Leben des Linksabbiegers nicht in dessen Tod realisiert, sondern im Tod der Insassen eines anderen Fahrzeugs, das sich in einer Parkplatzausfahrt befand. Andererseits führte die Gefahr für das Leben des Linksabbiegers zu dem Ausweichmanöver, das in der Kollision mit diesem Fahrzeug und dem Tod der Insassen mündete. Fraglich ist mithin, wie eng dieser Gefahrzusammenhang zu verstehen ist: Muss sich die Gefahr für das konkrete Rechtsgut an diesem Rechtsgut realisiert haben, die Gefahr also in die schwere Folge umgeschlagen sein[48] oder reicht es aus, wenn die konkrete Gefahr für die benannten Rechtsgüter zu einer schweren Folge auch bei anderen Rechtsgütern geführt hat? Die erste Sichtweise wäre in gewisser Weise vergleichbar mit der Letalitätslehre, die bei der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) verlangt, dass es sich um eine tödliche Wunde handelt.[49] Hier ginge es nicht um einen Verletzungserfolg, der sich im Tod realisiert, sondern um einen Gefährdungserfolg. Während für die Letalitätstheorie im Rahmen des § 227 StGB u.a. spricht, dass nach dem Wortlaut der Tod der "verletzten" Person eintreten muss,[50] spricht im Rahmen des § 315d Abs. 5 StGB der Wortlaut gegen eine solch enge Auslegung. Durch die Tat muss der "Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen" verursacht werden. Die schwere Folge muss nach dem Wortlaut aber nicht bei der zuvor gefährdeten Person eingetreten sein, sondern bei einem Menschen. Erforderlich ist danach auch nicht, dass bei einer Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen diese bereits alle konkret gefährdet waren. Auch der Schutzzweck spricht für eine weite Auslegung innerhalb der Erfolgskausalität: Auf Beinahe-Unfälle folgen regelmäßig Ausweichmanöver. Die sich daraus ergebenden Gefahren stehen in einem engen Zusammenhang mit der Gefährdung, entstehen also nicht nur gelegentlich. Es handelt sich um ein einheitliches Unfallgeschehen. Dass der Gesetzgeber die schweren Folgen, die auf ein Ausweichmanöver folgen, nicht erfassen wollte, erscheint fernliegend.

Folglich ist für den Gefahrzusammenhang zu fordern, dass die schwere Folge auf dem Gefahrerfolg beruht, was aber auch der Fall sein kann, wenn sich die Folge an einem anderen als dem zuvor gefährdeten Rechtsgut realisiert, insbesondere weil sie auf einem Ausweichmanöver resultiert. Im zu entscheidenden Fall ist mithin der Gefahrzusammenhang zu bejahen, da der Zusammenstoß mit dem Fahrzeug in der Parkplatzsausfahrt auf dem Ausweichmanöver beruht, das der Angeklagte wiederum aufgrund des Gefahrerfolgs in Form des Beinahe-Unfalls mit dem Linksabbieger durchführte.

IV. Fazit und Ausblick

Das erste Urteil des BGH zu § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB hat bei einigen Tatbestandsmerkmalen für eine Festigung der Rechtsprechung gesorgt, bei anderen jedoch auch neue Wege beschritten.

Hinsichtlich des Merkmals der nicht angepassten Geschwindigkeit und der groben Verkehrswidrigkeit nimmt der BGH eine Auslegung vor, die die Feststellungen der Fachgerichte erleichtern wird: Ausreichend für eine nicht angepasste Geschwindigkeit (und nicht nur ein Indiz) ist das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach § 3 Abs. 3 StVO. Die grobe Verkehrswidrigkeit kann sich nach seiner Ansicht entweder daraus ergeben, dass der Geschwindigkeitsverstoß besonders massiv ist oder daraus, dass anderweitige Verkehrsverstöße begangen werden, wenn sie in einem inneren Zusammenhang mit der nicht angepassten Geschwindigkeit stehen. Eine restriktive Auslegung des objektiven Tatbestands ist damit nicht erreicht, so dass diese im subjektiven Tatbestand zu erfolgen hat.

Der BGH schließt sich der herrschenden Ansicht an, dass das Erreichen der höchstmöglichen Geschwindigkeit als notwendiges Zwischenziel ausreicht[51] und dass es um eine konkret-situativ höchstmögliche Geschwindigkeit geht.[52] Auch Polizeifluchtfälle können demnach unter § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB fallen. Einen neuen Ansatz wählt der BGH mit der einschränkenden Auslegung, das sich die "Zielsetzung des Täters[…]auf eine unter Verkehrssicherheitsgesichtspunkten nicht ganz unerhebliche Wegstrecke bezieht". Ob diese Restriktion praxistauglich ist, muss sich noch erweisen.

Außerdem bot der vorliegende Fall Gelegenheit, sich mit der Erfolgsqualifikation auseinanderzusetzen. Die nur kursorischen Ausführungen des BGH lassen hier Genauigkeit vermissen. In Zukunft wird man sich mit der Vorsatz‑Vorsatz‑Fahrlässigkeitskombination näher auseinandersetzen und Gefahrerfolge und Gefahrzusammenhänge untersuchen müssen.

In diesem Jahr ist zu erwarten, dass sich das Bundesverfassungsgericht aufgrund einer Vorlage des AG Villingen-Schwenningen[53] mit Bedenken gegen § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in Bezug auf den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG auseinandersetzt.[54] Das AG Villingen-Schwenningen hielt das Tatbestandsmerkmal der höchstmöglichen Geschwindigkeit für unbestimmt und berief sich unter anderem auch darauf, dass es hierzu an einer Präzisierung durch die Rechtsprechung fehle.[55] Nachdem nun der BGH sowie weitere Oberlandesgerichte zum Merkmal der höchstmöglichen Geschwindigkeit Ausführungen gemacht haben, befindet sich hier die Rechtsprechung zumindest auf dem Wege einer Festigung. Insoweit besteht innerhalb der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des BGH Einigkeit, dass das Erreichen der höchstmöglichen Geschwindigkeit als notwendiges Zwischenziel ausreicht[56] und dass es um eine konkret-situativ höchstmögliche Geschwindigkeit geht.[57] Mit der übrigen Rechtsprechung[58] lehnt der BGH die Verfassungswidrigkeit ab. Mittels Auslegung ist auch das Tatbestandsmerkmal der höchstmöglichen Geschwindigkeit hinreichend bestimmbar. In rechtspolitischer Hinsicht mag man zwar mit der Tatbestandsfassung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht zufrieden sein,[59] eine Verfassungswidrigkeit begründet dies jedoch nicht. Möglich wären aber Hinweise zu einer verfassungskonformen Auslegung des Tatbestands.[60]


[*] Die Autorin Frau PD Dr. Scarlett Jansen ist Geschäftsführerin des Instituts für Medizinstrafrecht der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

[1] Vgl. nur BGHSt 63, 88 = HRRS 2018 Nr. 289; NStZ 2019, 276 = HRRS 2019 Nr. 406; NJW 2020, 2900 = HRRS 2020 Nr. 1008.

[2] BGBl. I, S. 3532.

[3] BGH 4 StR 225/20 – Beschluss v. 17. Februar 2021 (LG Stuttgart) = HRRS 2021 Nr. 342.

[4] Vgl. nur BGHSt 63, 88 = HRRS 2018 Nr. 289; NJW 2020, 2900 = HRRS 2020 Nr. 1008; s. aktuell das Urteil vom Tag nach dem zu besprechenden Urteil: BGH BeckRS 2021, 4973 = HRRS 2021 Nr. 345.

[5] Vgl. BGHSt 63, 88 = HRRS 2018 Nr. 289; NJW 2020, 2900 = HRRS 2020 Nr. 1008.

[6] Vgl. hierzu: Hoven NJW 2021, 1176.

[7] König, in: LK-StGB, 13. Aufl. (2021), § 315d Rn. 24; Zieschang NZV 2020, 489, 490; ders., JR 2021, 282, 283.

[8] OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 10847; KG DAR 2020, 149, 150; AG Villingen-Schwenningen BeckRS 2020,  167 Rn. 58 f.; Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 315d Rn. 14; Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 315d Rn. 8; Jansen NZV 2019, 285, 286; Kulhanek, in: BeckOK-StGB, 49. Edition (Stand: 01. Februar 2021), § 315d Rn. 35; Kusche NZV 2017, 414, 417; Pegel, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. (2019) § 315d Rn. 24; Zopfs DAR 2020, 9, 11.

[9] Jansen NZV 2019, 285, 286; Zopfs DAR 2020, 9, 11; vgl. auch zur Differenzierung: AG Essen BeckRS 2018, 31460.

[10] AG Düsseldorf BeckRS 2019, 22800.

[11] Jansen jurisPR StrafR 2019, Anm. 20; König, in: LK-StGB (Fn 7 ), § 315d Rn. 25; Kusche NZV 2017, 414, 417; Preuß NZV 2018, 537, 539; Ruhs SVR 2018, 286, 288; Stam StV 2019, 464, 469.

[12] OLG Köln NStZ-RR 2020, 224, 226; Jansen jurisPR StrafR 2019, Anm. 20; Kusche NZV 2017, 414, 417.

[13] Stam StV 2019, 464, 469.

[14] Kulhanek, in: BeckOK‑StGB (Fn 8 ), § 315d Rn. 36.

[15] KG BeckRS 2019, 8319; KG BeckRS 2019, 35362; OLG Stuttgart NJW 2019, 2787; OLG Köln NStZ-RR 2020, 224, 226; Eisele KriPoZ 2018, 32, 36; Fischer (Fn 8 ), § 315d Rn. 17; Jansen NZV 2019, 285, 286; König, in: LK-StGB (Fn 7 ), § 315d Rn. 31; Kulhanek, in: BeckOK-StGB (Fn 8 ), § 315d Rn. 42; Pegel, in: MüKo-StGB (Fn 8 ), § 315d Rn. 26; Schefer/Schülting HRRS 2019, 458, 459; Weigend, in Festschrift für Fischer (2018), 569, 577; Zieschang NZV 2020, 489, 491.

[16] LG Stade DAR 2018, 577, 578; Nestler JA 2019, 557.

[17] BT-Drs. 18/12964, S. 5 f.

[18] Eisele KriPoZ 2018, 32, 36; Jansen NZV 2019, 285, 286.

[19] Zopfs DAR 2020, 9, 11; kritisch insoweit: König, in: LK-StGB (Fn 7 ), § 315d Rn. 24.

[20] S. auch den Tatbestandsvorschlag von Zopfs DAR 2020, 9, 11 dort Fn. 26.

[21] BGH HRRS 2021 Nr. 342, Rn. 15; Zopfs DAR 2020, 9, 11, der allerdings dabei den Begriff "Renncharakter" ablehnt, den der BGH jedoch verwendet.

[22] BGH HRRS 2021 Nr. 342, Rn. 15.

[23] LG Stade DAR 2018, 577, 578.

[24] LG Berlin VRS 2017, 15, 17.

[25] Jansen NZV 2019, 285, 287; vgl. BT-Drs. 18/12964, S. 6.

[26] Jansen NZV 2019, 285, 287; vgl. auch Zopfs DAR 2020, 9, 11, dort Fn. 26.

[27] Kritisch in Bezug auf die mit diesem Kriterium verbundenen Unsicherheiten: Pschorr jurisPR-StrafR 9/2021, Anm. 4; Zieschang, JR 2021, 282, 284.

[28] Vgl. mit einem ähnlichen Beispiel auch: König, in: LK-StGB (Fn 7 ), § 315d Rn. 24.

[29] OLG Köln NStZ-RR 2020, 224, 226; OLG Stuttgart NJW 2019, 2787, 2788; Dahlke/Hoffmann-Holland KriPoZ 2017, 307, 309; Jansen NZV 2019, 285, 287 f.; König, in: LK-StGB (Fn 7 ), § 315d Rn. 29; Kulhanek, in: BeckOK‑StGB (Fn 8 ), § 315d Rn. 42; Zieschang NZV 2020, 489, 493; ders, JR 2021, 282, 285; Zopfs DAR 2020, 9, 11.

[30] Hecker, in: Schönke/Schröder (Fn 8 ), § 315d Rn. 9; ders. JuS 2019, 596, 597; Hoven NJW 2021, 1176; Krenberger NZV 2019, 317; ders., NZV 2021, 318, 319; Schefer/Schülting HRRS 2019, 458, 461; Weigend, in: FS Fischer (Fn 15 ), 569, 577.

[31] Hecker, in: Schönke/Schröder (Fn 8 ), § 315d Rn. 9; ders. JuS 2019, 596, 597; Hoven NJW 2021, 1176; Krenberger NZV 2019, 317; Schefer/Schülting HRRS 2019, 458, 461.

[32] BGH HRRS 2021 Nr. 342, Rn. 16; Jansen NZV 2019, 285, 288.

[33] Jansen NZV 2019, 285, 287.

[34] Hecker, in: Schönke/Schröder (Fn 8 ), § 315d Rn. 9; Schefer/Schülting HRRS 2019, 458, 461 f.

[35] OLG Köln NStZ-RR 2020, 224; OLG Stuttgart NJW 2019, 2787; AG Waldbröl BeckRS 2019, 4035.

[36] Zopfs NJW 2019, 2788, 2789.

[37] Jansen NZV 2019, 285, 288; Schefer/Schülting HRRS 2019, 458, 462, die allerdings auch voraussetzen, dass die höchstmögliche Geschwindigkeit als Endziel angestrebt werden müsse.

[38] Rengier, in: Festschrift für Kindhäuser (2019), 779.

[39] Rengier, in: FS Kindhäuser (Fn 38 ), 779, 786.

[40] Dies gilt unabhängig davon, wie der Gefahrzusammenhang verstanden wird, s. noch sogleich.

[41] S. nur Rengier, in: FS Kindhäuser (Fn 38 ), 779 ff.

[42] Heger ZStW 119 (2007), 593, 620.

[43] Rengier, in: FS Kindhäuser (Fn 38 ), 779, 788.

[44] Rengier, in: FS Kindhäuser (Fn 38 ), 779, 788.

[45] Rengier, in: FS Kindhäuser (Fn 38 ), 779, 789; vgl. auch Hecker in Schönke/Schröder (Fn 8 ), § 315d Rn. 14.

[46] Hardtung, in: MüKo-StGB (Fn 8 ), § 221 Rn. 40; Krüger, in: LK-StGB (Fn 7 ), § 221 Rn. 78; Mitsch, in: AnwKomm, 3. Aufl. (2020), § 221 Rn. 23; Wengenroth JA 2012, 584, 589.

[47] Rengier, in: FS Kindhäuser (FS 38 ), 779, 789.

[48] So wohl Rengier, in: FS Kindhäuser (Fn 38 ), 779, 791 f.

[49] Bussmann GA 1999, 21, 30; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 10 Rdn. 115 f.; Stree/Sternberg‑Lieben, in: Schönke/Schröder (Fn 8 ), § 227 Rn. 5; Schild JuS 1989, 649, 654; vgl. auch Puppe, Die Erfolgszurechnung im Strafrecht (2000), S. 226 f., mit einer abgewandelten Form der Letalitätstheorie: Der Körperverletzungserfolg müsse notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Bedingung für den Eintritt des Todes sein.

[50] Vgl. zu den Argumenten: Jansen ZStW 130 (2018), 1087, 1100 f. mwN.

[51] BGH HRRS 2021 Nr. 342, Rn. 16; OLG Köln NStZ-RR 2020, 224, 226; OLG Stuttgart NJW 2019, 2787, 2788.

[52] BGH HRRS 2021 Nr. 342, Rn. 15; KG BeckRS 2019, 8319; KG BeckRS 2019, 35362; OLG Stuttgart NJW 2019, 2787; OLG Köln NStZ-RR 2020, 224, 226.

[53] AG Villingen-Schwenningen DAR 2020, 218 ff.

[54] https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/J ahresvorausschau/vs_2021/vorausschau_2021_node.html , letzter Zugriff am 20.08.2021.

[55] AG Villingen-Schwenningen DAR 2020, 218, 219; dem zustimmend: Pschorr jurisPR-StrafR 9/2021, Anm. 4.

[56] BGH HRRS 2021 Nr. 342, Rn. 16; OLG Köln NStZ-RR 2020, 224, 226; OLG Stuttgart NJW 2019, 2787, 2788;

[57] BGH HRRS 2021 Nr. 342, Rn. 15; KG BeckRS 2019, 8319; KG BeckRS 2019, 35362; OLG Stuttgart NJW 2019, 2787; OLG Köln NStZ-RR 2020, 224, 226.

[58] OLG Köln NStZ-RR 2020, 224, 225; KG DAR 2020, 149; LG Aachen BeckRS 2021, 2225.

[59] Dahlke/Hoffmann-Holland KriPoZ 2017, 306, 309; Eisele KriPoZ 2018, 32, 36; Hecker JuS 2019, 569, 597; Jansen NZV 2019, 285, 288 f.; König, in: LK-StGB, § 315d Rn. 23; Ruhs SVR 2018, 286, 290; Weigend, in: FS Fischer (Fn 15 ), 569, 578; Zehetgruber NJ 2018, 360, 364; Zopfs DAR 2020, 9, 12.

[60] Jahn JuS 2020, 277, 280.