HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2020
21. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH


I. Materielles Strafrecht - Allgemeiner Teil


Entscheidung

24. BGH 2 StR 139/19 – Urteil vom 23. Oktober 2019 (LG Wiesbaden)

Versuch (Unmittelbares Ansetzen bei notwendigen Beiträgen eines Tatmittlers); Bandentat (Abgrenzung zwischen Mittäter, Anstifter oder Gehilfe); Mittäterschaft (keine Mitwirkung am Ort des eigentlichen Tatgeschehens erforderlich); Urteilsgründe (Mitteilung der für erwiesen erachteten Tatsachen).

§ 22 StGB; § 25 Abs. 2 StGB; § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 263 StGB; § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO

1. Bezieht der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan ein, so liegt ein Ansetzen des Täters zur Begehung der Tat im Allgemeinen zwar schon dann vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, dass der Tatmittler seinerseits durch eigene Handlungen zur Tat ansetzt. Ein unmittelbares Ansetzen ist vielmehr im Regelfall schon gegeben, wenn der Tatmittler vom Täter in der Vorstellung entlassen wird, dieser werde die tatbestandsmäßige Handlung in engem Zusammenhang mit dem Abschluss seiner Einwirkung vornehmen. Jedoch fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen des Täters zur Begehung der Tat bereits durch den Abschluss seiner Einwirkung auf den Tatmittler, wenn dies erst nach längerer Zeit zur Tatbegehung führen soll oder wenn ungewiss bleibt, ob und wann es die gewünschte Folge hat, also wann eine konkrete Gefährdung des angegriffenen Rechtsguts eintritt. In diesen Fällen der Verzögerung oder Ungewissheit der Tatausführung durch den Tatmittler beginnt der Versuch erst, wenn der Tatmittler seinerseits unmittelbar zur Erfüllung des Tatbestands ansetzt.

2. Für jede Bandentat ist nach allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich ein Bandenmitglied hieran entweder als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe beteiligt oder aber keinen strafbaren Beitrag geleistet hat. Insbesondere die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft an oder Beihilfe zu der jeweiligen Einzeltat ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen, die von der Vorstellung des jeweiligen Bandenmitglieds umfasst sind. Maßgeblich sind insbesondere sein Interesse an der Durchführung der Tat sowie der Umfang seiner Tatherrschaft oder jedenfalls sein Wille dazu. Das beurteilt sich danach, ob objektiv oder jedenfalls aus der Sicht des Tatbeteiligten die Ausführung der Tat wesentlich von seiner Mitwirkung abhängt.

3. Mittäterschaft erfordert zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Ort des eigentlichen Tatgeschehens; aber allein der Umstand, dass der Täter die Ausführung der eigentlichen Tathandlung fördert, reicht für das Vorliegen von Mittäterschaft nicht aus. Auch führt die Einbindung des Täters in den Tatplan nicht schon zur Annahme von Mittäterschaft. Gleiches gilt für ein irgendwie geartetes finanzielles Interesse, da dieses auch der Beweggrund für das Handeln eines Teilnehmers sein kann.


Entscheidung

15. BGH 2 StR 122/19 – Beschluss vom 30. Juli 2019 (LG Wiesbaden)

Vorsatz; Totschlag (bedingter Tötungsvorsatz: Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts, äußerst gefährliche Gewalthandlungen, Spontanhandlungen; unentbehrliche Gesamtwürdigung).

§ 15 StGB; § 212 StGB

1. Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Ziels willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet (Willenselement), mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein. Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen.

2. Zwar liegt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit des Todes des Tatopfers rechnet und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalls an. Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes – nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise – erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. In diese Gesamtschau sind insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen.

3. Auch bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen, die den Schluss auf einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz nahelegen, kann im Einzelfall das voluntative Element des bedingten Tötungsvorsatzes fehlen, obwohl der

Täter alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, etwa auch bei einem unter der enthemmenden Wirkung von Alkohol spontan ausgeführten Messerstich. Zwar stellt das Wissen um die Gefährlichkeit des Messerangriffs zugleich ein zentrales Indiz für die Annahme des voluntativen Vorsatzelements dar, das den Schluss auf das Wollen der Tatfolgen nahelegt. Allerdings müssen auch insoweit gegenläufige vorsatzkritische Faktoren bedacht werden. Zu den insoweit erörterungsbedürftigen Umständen zählt eine Alkoholbeeinflussung des Täters.

4. Insbesondere bei spontanen, unüberlegt oder in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus der Kenntnis der Gefahr des möglichen Todeseintritts nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass das – selbstständig neben dem Wissenselement stehende – voluntative Vorsatzelement gegeben ist.

5. Zwar liegt es in der Natur der Sache, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung eines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv verfügt; die Art der Beweggründe kann jedoch für die Prüfung von Bedeutung sein, ob der Täter nach der Stärke des ihn treibenden Handlungsimpulses bei der Tatausführung eine Tötung billigend in Kauf nahm.


Entscheidung

26. BGH 2 StR 156/19 – Beschluss vom 18. September 2019 (LG Erfurt)

Mittäterschaft (Tatentschluss: Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht); gefährliche Körperverletzung (hinterlistiger Überfall: Voraussetzungen); Dauer der Jugendstrafe (Ausrichtung an erzieherischen Gesichtspunkten).

§ 25 Abs. 2 StGB; § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB; § 18 Abs. 2 JGG

1. Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss. Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Tatgeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob ein Tatbeteiligter als Mittäter eine Tat begeht, ist nach den gesamten Umständen, die von der Verurteilung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung können gefunden werden im Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der Tatbeteiligung und in der Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen.

2. Die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung „mittels eines hinterlistigen Überfalls“ gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt die Ausnutzung eines Überraschungsmoments durch planmäßiges Verbergen der Verletzungsabsicht voraus, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen. Da der besondere Unrechtsgehalt der Tatbestandsvariante daraus resultiert, dass der Angriff für das Opfer völlig unvorhergesehen kommt, ist der Tatbestand nicht erfüllt, wenn der Täter, der sich durch List Zutritt zur Wohnung verschafft hat, das Opfer später offen angreift.

3. Nach § 18 Abs. 2 JGG ist die Höhe der Jugendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, inwieweit dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folge der Strafe für die weitere Entwicklung des Jugendlichen/Heranwachsenden abgewogen worden ist. Hieran fehlt es, wenn die Begründung wesentlich oder gar ausschließlich mit solchen Zumessungserwägungen vorgenommen wird, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen. Eine abschließende lediglich formelhafte Erwähnung der erzieherischen Erforderlichkeit der verhängten Jugendstrafe genügt den Erfordernissen des § 18 Abs. 2 JGG nicht.


Entscheidung

7. BGH 3 StR 322/19 – Urteil vom 31. Oktober 2019 (LG Wuppertal)

Objektive und subjektive Voraussetzungen der Beihilfe (Förderung der Haupttat; Kausalitätserfordernis; Vorbereitungsstadium; anwerbende und vermittelnde Tätigkeit; Gehilfenvorsatz; Konkretisierung; unzutreffende Vorstellungen von der Haupttat).

§ 27 StGB

1. Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich. Die Beihilfe kann schon im Vorbereitungsstadium der Tat geleistet werden, selbst wenn der Haupttäter zur Tatbegehung noch nicht entschlossen ist.

2. Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Einzelheiten der Haupttat muss er dabei nicht kennen und keine bestimmten Vorstellungen von ihr haben. Allerdings ist ein Mindestmaß an Konkretisierung erforderlich. Der Hilfeleistende muss die zentralen Merkmale der Haupttat, namentlich den wesentlichen Unrechtsgehalt und die wesentliche Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen. Zudem muss der Hilfeleistende wissen, dass seine Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern.

3. Hat der Gehilfe hinreichend bestimmte Vorstellungen, so ist es unschädlich, wenn diese in den Einzelheiten unzutreffend sind, sofern der Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der vorgestellten und der begangenen fremden Tat im Wesentlichen übereinstimmen.


Entscheidung

63. BGH 4 StR 449/19 – Beschluss vom 19. November 2019 (LG Halle)

Mittäterschaft (Maßstab).

§ 25 Abs. 2 StGB

Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter dieses enge Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür können gefunden werden im Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der Tatbeteiligung und in der Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen. In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für diese Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre.


II. Materielles Strafrecht – Besonderer Teil


Entscheidung

75. BGH 1 StR 219/17 – Urteil vom 31. Oktober 2019 (LG München I)

Prozessbetrug (prozessrechtsakzessorische Auslegung der Tatbestandsmerkmale: Bestimmen einer Täuschung nach dem Umfang der zivilprozessualen Wahrheitspflicht, Geltung für informatorische Anhörungen und Parteivernehmung, Versuchsbeginn erst mit Stellen der Anträge in der mündlichen Verhandlung; hier: Kirch-Verfahren); tatrichterliche Beweiswürdigung (revisionsrechtliche Überprüfbarkeit).

§ 263 Abs. 1 StGB; § 138 ZPO; § 141 ZPO; §§ 445 ff. ZPO; § 137 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 22 StGB; § 23 Abs. 1 StGB; § 261 StPO

1. Die zivilprozessuale Wahrheitspflicht bildet die Grenze der Strafbarkeit wegen Prozessbetruges, da das Zivilgericht als (Haupt-)Erklärungsempfänger dieses Sachvortrags nicht mehr und nicht weniger als einen den Vorgaben des § 138 ZPO entsprechenden Sachvortrag erwartet. Die Strafbarkeit wegen Prozessbetruges durch unzutreffenden Sachvortrag setzt daher die Verletzung der in § 138 ZPO normierten zivilprozessualen Wahrheitspflicht voraus.

2. Im Zivilprozess dürfen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Verstoß gegen § 138 ZPO auch nur vermutete Tatsachen vorgetragen werden (st. Rspr.). Die Partei darf Tatsachen behaupten, über die sie kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich oder jedenfalls für möglich hält. Dies gilt ebenso für nicht mehr erinnerte eigene Handlungen oder Wahrnehmungen der Partei, und auch wenn Vortrag der Gegenseite substantiiert bestritten werden soll. Die Grenze zum unzulässigen Sachvortrag ist erst erreicht, wenn willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher Anhaltspunkte für den vorgetragenen Sachverhalt vorliegen. In solchen Fällen ist zumindest bedingt vorsätzliches Handeln der Partei zu bejahen, weil das voluntative Vorsatzelement (billigende Inkaufnahme der Unwahrheit) ebenfalls vorliegt.

3. Für die mündlichen Angaben der Partei bei ihrer informatorischen Anhörung nach § 141 ZPO gelten keine anderen Grundsätze. Denn diese ist kein Beweismittel, sondern dient – auch wenn sie als Inbegriff der mündlichen Verhandlung nach § 286 ZPO zu berücksichtigen ist – in erster Linie der Klarstellung und Präzisierung des Sachvortrags. Anders als bei einer Parteivernehmung (§§ 445 ff. ZPO) muss die angehörte Partei daher lediglich die durch § 138 Abs. 1 ZPO gezogenen Grenzen einhalten, darf also insbesondere eine vermutete Tatsache als gegeben behaupten.

4. Wegen der Prozessrechtsakzessorietät des Betrugstatbestands ist die Versuchsstrafbarkeit im Zivilprozess an die Antragstellung in der mündlichen Verhandlung mitsamt der (konkludenten) Bezugnahme auf die vorbereitenden Schriftsätze nach § 137 Abs. 1, 3 Satz 1 ZPO geknüpft.


Entscheidung

12. BGH 5 StR 466/19 – Urteil vom 13. November 2019 (LG Bremen)

Mord (Ausnutzungsbewusstsein bei Heimtücke; Ableitung aus dem objektiven Tatgeschehen; spontane Tat; Erkenntnis des Bedeutungsgehalts der Tatsituation; heftige Gemütsregung; niedrige Beweggründe; Maßgeblichkeit der inländischen Rechtsordnung; Ansprechen einer Frau durch anderen Mann als Tötungsmotiv); Beweiswürdigung (Beweiswert der gegenüber einem Sachverständigen abgegebenen Einlassung des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten).

§ 211 StGB; § 261 StPO

1. Für das zur Bejahung des Mordmerkmals der Heimtücke erforderliche Ausnutzungsbewusstsein gilt (vgl. zum Ganzen zuletzt auch BGH HRRS 2019 Nr. 1258):

a) Es ist ausreichend, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Arglosigkeit gegenüber einem Angriff auf Leib und Leben schutzlosen Menschen zu überraschen.

b) Das Ausnutzungsbewusstsein kann im Einzelfall bereits aus dem objektiven Bild des Geschehens abgeleitet werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter zur Tatzeit auf der Hand liegt. Das gilt in objektiv klaren Fällen selbst dann, wenn der Täter die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat.

c) Bei erhaltener Fähigkeit zur Unrechtseinsicht ist auch die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt. Anders kann es zwar bei heftigen Gemütsbewegungen liegen, jedoch sprechen auch eine Spontaneität des Tatentschlusses sowie eine affektive Erregung des Angeklagten nicht zwingend gegen ein bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers. Maßgeblich sind die in der Tatsituation bestehenden tatsächlichen Auswirkungen des psychischen Zustands des Täters auf seine Erkenntnisfähigkeit.

2. Mit den Werten des durchweg auf Gleichberechtigung und gegenseitige personelle Achtung angelegten deutschen Rechts ist es unvereinbar, das Ansprechen einer Frau durch einen anderen Mann auf der Grundlage einer Art von „Besitzanspruch“ als schwere Provokation auszulegen. Für ein solches, nach den Maßstäben der hiesigen Rechtsgemeinschaft somit harmloses Tun einen anderen Menschen zu töten, stellt wegen des eklatanten Missverhältnisses zwischen Anlass und Tat – vorbehaltlich der vorzunehmenden Gesamtwürdigung – grundsätzlich einen niedrigen Beweggrund dar.


Entscheidung

36. BGH 2 StR 337/19 – Beschluss vom 9. Oktober 2019 (LG Erfurt)

Betrug (Konkurrenzen: mehrere Vermögensverfügungen infolge derselben Irrtumserregung); Anordnung des Berufsverbots (Anforderungen).

§ 263 StGB; § 70 StGB

1. Werden durch dieselbe Irrtumserregung mehrere Vermögensverfügungen bewirkt, liegt rechtlich nur eine Tat vor.

2. Das Berufsverbot ist ein schwerwiegender Eingriff, mit dem die Allgemeinheit, sei es auch nur ein bestimmter Personenkreis, vor weiterer Gefährdung geschützt werden soll. Es darf nur dann verhängt werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten werden soll, zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Voraussetzung hierfür ist, dass eine – auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte – Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten den Richter zu der Überzeugung führt, dass die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Verhängung eines Berufsverbots dann ausscheidet, wenn zu erwarten ist, dass der Angeklagte bereits durch die Verurteilung zu der verhängten Strafe oder jedenfalls durch deren Verbüßung von weiteren Taten abgehalten werden kann.


Entscheidung

82. BGH 1 StR 395/19 – Beschluss vom 9. Oktober 2019 (LG Stuttgart)

Betrug (Vermögensschaden: Prinzip der Gesamtsaldierung, Berücksichtigung anderer Grundlagen für einen (teilweisen) Anspruch auf die erschlichene Leistung; Abrechnungsbetrug).

§ 263 Abs. 1 StGB

Bereits auf Tatbestandsebene ist beim Betrug schadensmindernd zu berücksichtigen, ob der abzuurteilende Sachverhalt Elemente enthält, die nach Austausch der Rechtsgrundlage jedenfalls einen teilweisen Anspruch auf die Leistung ergeben. Diese Schadensbestimmung unter Durchführung einer fiktiven Berechnung ist keine eigentliche Kompensation, sondern lässt den Schaden von Anfang an niedriger entstehen.


Entscheidung

53. BGH 4 StR 146/19 – Urteil vom 12. September 2019 (LG Aachen)

Revisionsbegründung (Ermittlung des Angriffsziels durch Auslegung); Kognitionspflicht (revisionsgerichtliche Anforderungen); Gefährdung des Straßenverkehrs (Fahrunsicherheit; Begriff des geistigen oder körperlichen Mangels); Tatmehrheit (Zäsurwirkung einer unerledigten Verurteilung).

§ 344 StPO; § 264 StPO; § 315c Abs. 1 Nr. 1b) StGB; § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB

1. Fahrunsicherheit im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 1b) StGB liegt vor, wenn die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge des geistigen oder körperlichen Mangels soweit herabgesetzt ist, dass er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, und zwar auch bei plötzlichem Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern.

2. Der Begriff des geistigen oder körperlichen Mangels im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 1b) StGB ist umfassend zu verstehen; er erfasst sämtliche psychopathologischen und körperlichen Defektzustände, die die Gefahr einer Aufhebung der Fahrsicherheit mit sich bringen. Unerheblich ist dabei, ob der Mangel dauerhafter oder nur vorübergehender Natur ist. Auch Anfallsleiden, die zwar außerhalb akuter Phasen keine beeinträchtigenden Wirkungen entfalten, aber die erhebliche Gefahr jederzeit auftretender Anfälle und damit einer plötzlich eintretenden Fahrunsicherheit begründen, unterfallen der Vorschrift. Von § 315c Abs. 1 Nr. 1b) StGB werden insbesondere auch seelische Anomalien wie Psychosen, Persönlichkeitsstörungen und abnorme Erlebnisreaktionen (Neurosen) erfasst.

3. Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln.

4. Die Kognitionspflicht gebietet, dass der – durch die zugelassene Anklage abgegrenzte – Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird. Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen. Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlich-rechtlichen Mangel dar.

5. Die Zäsurwirkung einer unerledigten Verurteilung entfällt nicht deshalb, weil das Tatgericht von der Möglichkeit Gebrauch macht, eine der zäsurbildenden Verurteilung zugrundeliegende Geldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gesondert neben Freiheitsstrafe bestehen zu lassen.


Entscheidung

11. BGH 5 StR 409/19 – Urteil vom 13. November 2019 (LG Berlin)

Anforderungen an den Eventualvorsatz bei der Geldwäsche (keine genauen Vorstellungen von Vortrat und Vortäter erforderlich; andere Katalogtat; Gleichgültigkeit hinsichtlich der für möglich gehaltenen Herkunft).

§ 261 StGB; § 15 StGB

Bei der Geldwäsche muss der (bedingte) Vorsatz des Täters sich insbesondere darauf erstrecken, dass der Gegenstand, auf den sich die Tathandlung bezieht, aus einer in § 261 Abs. 1 S. 2 StGB genannten Tat herrührt. Insoweit reicht es aus, wenn der Täter Umstände kennt oder sich vorstellt, aus denen sich in groben Zügen bei rechtlich richtiger Bewertung, die er nur laienhaft erfasst haben muss, eine Katalogtat als Vortat ergibt. Der Vorsatz muss weder den konkreten Vortäter noch die genauen Umstände der Vortat umfassen. Stellt sich der Täter Umstände im Sinne einer anderen Katalogtat als der wirklich begangenen vor, so steht dies seinem Vorsatz ebenfalls nicht entgegen. Zudem ist bereits die Gleichgültigkeit des Angeklagten gegenüber der für möglich gehaltenen Herkunft für die Bejahung des Willenselements des bedingten Vorsatzes ausreichend.


Entscheidung

56. BGH 4 StR 289/19 – Beschluss vom 15. August 2019 (LG Frankenthal)

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (Begriff des Eindringens).

§ 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB

Der Begriff des Eindringens in den Körper in § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB beschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung. Er ist nicht auf den Beischlaf, den Anal- oder den Oralverkehr beschränkt, sondern erfasst auch die Penetration mit anderen Körperteilen oder Gegenständen. Auch eine Penetration mit Körpersekreten kann ein Eindringen im Sinne dieser Vorschrift sein. Da § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB ein Tätigkeitsund kein Erfolgsdelikt ist, setzt dies aber voraus, dass gerade (auch) in dem Eindringen von Körpersekret jedenfalls aus Sicht des Täters die Sexualbezogenheit des Vorgangs liegt. Allein der Umstand, dass im Zusammenhang mit einer sexuellen Handlung im Sinne des § 176 Abs. 1 und 2 StGB Körpersekrete des einen Beteiligten in den Körper des jeweils anderen gelangen, erfüllt deshalb – selbst wenn der Täter dies billigend in Kauf nimmt – für sich genommen noch nicht den Tatbestand des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB.


Entscheidung

20. BGH 2 StR 83/19 – Beschluss vom 8. Oktober 2019 (LG Aachen)

Betrug (Kontoeröffnungsbetrug: Gefährdungsschaden bei Überlassung einer EC-Karte)

§ 263 StGB

Zwar kann in Fällen des Kontoeröffnungsbetrugs ein Schaden in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung schon dann vorliegen, wenn der Täter unter Vorlage eines gefälschten Ausweises und Täuschung über seine Zahlungswilligkeit bei einer Bank Konten eröffnet und ihm antragsgemäß Kreditkarten oder EC-Karten ausgehändigt werden bzw. wenn ihm ein Überziehungskredit eingeräumt wird. Bei der Überlassung von EC-Karten muss es sich für die Annahme eines Gefährdungsschadens allerdings um eine Karte handeln, für die die kartenausgebende Bank eine Garantie für die Zahlung übernommen hat. Ist dies nicht der Fall, tritt ein etwaiger Schaden durch die Kartennutzung nicht bei der Bank, sondern beim jeweiligen Geschäftspartner ein.


Entscheidung

48. BGH 2 StR 490/19 – Beschluss vom 3. Dezember 2019 (LG Erfurt)

Gefährliche Körperverletzung (Begriff des gefährlichen Werkzeugs).

§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB

Ein Gegenstand ist nur dann ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn er sowohl nach seiner Beschaffenheit als auch nach der Art seiner Benutzung geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Je nach den Umständen, etwa bei Schlägen gegen besonders verletzliche oder empfindliche Körperteile, kann ein Gürtel ein gefährliches Werkzeug sein.


Entscheidung

8. BGH 3 StR 7/19 – Beschluss vom 21. August 2019 (LG Verden)

Konkurrenzverhältnis zwischen Urkundenunterdrückung durch Beschädigen und Urkundenfälschung durch verfälschen einer echten Urkunde (Konsumtion; Tateinheit; Gesetzeseinheit); Gutachten über die Fahreignung im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung als Urkunde.

§ 267 StGB; § 274 StGB; § 52 StGB

1. Die Urkundenunterdrückung in der konkreten Begehungsweise des Beschädigens einer Urkunde gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB tritt hinter der Urkundenfälschung in Form des Verfälschens einer echten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1 Var. 2 StGB im Wege der Konsumtion zurück.

2. Dem steht nicht entgegen, dass beide Delikte unterschiedliche Rechtsgüter schützen (§ 267 StGB: Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden; § 274 StGB: Schutz des individuellen Rechts, mit einer Urkunde Beweis zu führen). Entscheidend ist vielmehr, dass das Beschädigen einer Urkunde eine typische Begleitform von deren Verfälschung darstellt. Es ist nämlich kein Fall denkbar, in dem eine Urkunde verfälscht wird, ohne dass sie dadurch zugleich beschädigt, d.h. in ihrem Beweisgehalt geändert wird.

3. Werden durch dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt, ist grundsätzlich von Tateinheit gemäß § 52 StGB

auszugehen. Auf diese Weise wird der Klarstellungsfunktion Rechnung getragen, indem die verletzten Normen im Schuldspruch des Urteils zum Ausdruck kommen.

4. Die Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Fallgruppen der Gesetzeseinheit. Diese verbindet der Gedanke, dass ein Verhalten zwar mehrere Strafvorschriften erfüllt, jedoch zur Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat bereits die Anwendung eines Tatbestands ausreicht. Von maßgeblicher Bedeutung für diese Wertung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine – wenn auch nicht notwendige, so doch regelmäßige – Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestands sein.


Entscheidung

21. BGH 2 StR 87/19 – Urteil vom 6. November 2019 (LG Frankfurt am Main)

Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei (Maßstab; Abgrenzung zum Bandendiebstahl; Bandenabrede).

§ 244 Abs. 1 Nr. 2; § 244a Abs. 1 StGB; § 260 Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 260a Abs. 1 StGB

1. Die Straftatbestände der Bandenhehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei (§ 260a Abs. 1 StGB) erfassen zum einen – anders als bei den entsprechenden Diebstahlstatbeständen (§§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a Abs. 1 StGB) – nicht nur Taten im Rahmen einer Verbindung mehrerer Täter zu einer reinen Hehlerbande, sondern auch Fälle, in denen ein Hehler als Mitglied einer Diebes- oder Räuberbande handelt sowie Hehlereitaten in sog. gemischten Banden, die aus Dieben bzw. Räubern und Hehlern bestehen. Zum anderen ist für den Tatbestand der Bandenhehlerei oder der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei nicht erforderlich, dass die Tat unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begangen wird. Ausreichend ist vielmehr, dass ein Bandenmitglied die Hehlerei allein, ohne Mitwirkung anderer Bandenmitglieder, oder gemeinsam mit bandenfremden Personen begeht, sofern dies „als Mitglied“ der Bande geschieht, also entweder im Rahmen der Bandenabrede oder im mutmaßlichen Einverständnis der weiteren Bandenmitglieder zur Förderung des Bandenzwecks. Dementsprechend kann ein Hehler gleichzeitig Mitglied mehrerer Banden sein, etwa einer Hehlerbande und (als ein auf Gehilfentätigkeiten beschränktes Mitglied) einer Diebesbande.

2. Ob eine Bandenabrede anzunehmen ist, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung zu entscheiden, die die maßgeblichen für und gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände in den Blick zu nehmen und gegeneinander abzuwägen hat. Sind einzelne oder mehrere Umstände gegeben, die für das Vorliegen einer Bandenabrede sprechen (z.B. ein gleichartiger Tatablauf oder arbeitsteiliges Zusammenwirken, das Bereithalten von Verstecken für eine zu erwartende Tatbeute, die Vielzahl der verübten Taten sowie ein beträchtlicher Tatzeitraum), bedeutet dies noch nicht, dass damit ohne Weiteres vom Vorliegen einer Bandenabrede auszugehen ist. Ebenso wenig schließt das Vorliegen grundsätzlich gegen eine Bandenabrede sprechender Indizien eine solche im Einzelfall aus. Insbesondere in Grenzfällen, in denen die Abgrenzung zwischen einer auf einer konkludent getroffenen Bandenabrede beruhenden Bandentat und bloßer Tatbeteiligung schwierig sein kann, ist eine sorgfältige und umfassende Würdigung aller im konkreten Einzelfall für und gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände erforderlich.

3. Zwar kann für eine Mitgliedschaft in der Bande sprechen, wenn ein Veräußerer des Diebesgutes den Erlös an andere auszukehren hat; hat er demgegenüber die Sache von anderen aufgekauft und auf eigenes Risiko mit Gewinn weiterveräußert, kann dies gegen eine Bandenabrede sprechen. Welche der beiden Konstellationen vorliegt, hat der Tatrichter nach Bewertung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.


Entscheidung

77. BGH 1 StR 355/19 – Beschluss vom 23. Oktober 2019 (LG München II)

Bedrohung (Verhältnis zum Versuch des Verbrechens: Gesetzeskonkurrenz bei zeitlichem Zusammentreffen); Strafzumessung (kein Verbot der Doppelverwertung mildernder Umstände bei der Strafzumessung im engeren Sinne).

§ 241 Abs. 1 StGB; § 46 StGB; § 50 StGB

1. Trifft die Bedrohung zeitlich unmittelbar mit dem Versuch oder der Vollendung des angedrohten Verbrechens zusammen, tritt die Bedrohung hinter dem angedrohten Verbrechen zurück. Der Versuch des Verbrechens und die Bedrohung stehen nicht im Verhältnis der Tateinheit, vielmehr besteht Gesetzeskonkurrenz.

2. Das Verbot der Doppelverwertung gemäß § 50 StGB gilt nur für die Strafrahmenbestimmung. Für die konkrete Strafzumessung ist hingegen eine Gesamtbetrachtung aller Umstände geboten, darunter auch derjenigen, die eine Strafrahmenmilderung bewirkt haben; diese sind mit verringertem Gewicht in die Gesamtwürdigung einzustellen (st. Rspr.).