HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

April 2011
12. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

429. BGH 1 StR 676/10 - Beschluss vom 15. Februar 2011 (LG München II)

BGHSt; Vollendung bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln auf dem Postweg (objektive Zurechnung; Vorsatz: wesentlicher Irrtum über den Kausalverlauf; Mittäterschaft); unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; Versagungen der Strafmilderung des Versuchs bei nicht zurechenbarer Vollendung.

§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG; § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG; § 16 StGB; § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 4 Nr. 2 BtMG; § 25 Abs. 2 StGB; § 23 Abs. 2 StGB

1. Die Einfuhr von Betäubungsmitteln auf dem Postweg ist nicht vollendet, wenn die Betäubungsmittel bei einer Zollkontrolle im Ausland entdeckt und aufgrund einer Absprache der ausländischen und der deutschen Zollbehörden im Wege eines bewachten Weitertransports nach Deutschland gebracht werden; insoweit kommt jedoch eine Strafbarkeit wegen einer versuchten Einfuhr - ggf. in Tateinheit mit vollendetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln - in Betracht. (BGHSt)

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen nicht einheitlich verwendete Begriff der „Einfuhr“ jeweils nach seinem speziellen Sinn und Zweck ausgelegt werden. Im Betäubungsmittelstrafrecht ist dies der Schutz der inländischen Bevölkerung vor den Gefahren der Drogensucht (vgl. BGHSt 34, 180, 181). Einfuhr i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bedeutet danach das Verbringen eines Betäubungsmittels aus dem Ausland über die Grenze in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Vollendung tritt daher grundsätzlich in dem Moment ein, in dem das Betäubungsmittel diese Grenze passiert (st. Rspr.; BGHSt 31, 252, 254). (Bearbeiter)

3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine wesentliche, den Vorsatz ausschließende Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf vor, wenn diese sich nicht mehr in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält und aufgrund eines insoweit veränderten Unrechtsgehalts eine andere rechtliche Bewertung der Tat erfordert (BGHSt 38, 32, 34; vgl. auch BGHSt 48, 34, 37; jew. mwN). (Bearbeiter)

4. Anders liegt der Fall, wenn die Strafverfolgungsbehörden etwa unter dem Einsatz eines V-Mannes schon im Vorfeld Kenntnis von einer geplanten Betäubungsmitteleinfuhr erlangen und diese, ohne in den Tatablauf einzugreifen, lediglich überwachen. (Bearbeiter)

5. Der Tatbestand der Einfuhr von Betäubungsmitteln verlangt kein eigenhändiges Verbringen des Rauschgifts nach Deutschland. Mittäter kann daher auch derjenige sein, der sich die Betäubungsmittel aus dem Ausland mit der Post schicken lässt (st. Rspr.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Täter nicht nur fremdes Tun fördern will. Sein Tatbeitrag muss vielmehr Teil einer gemeinschaftlichen, auf die gemeinsame Herbeiführung des Taterfolgs gerichteten Tätigkeit sein. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von seinem eigenen Erfolgsinteresse, vom Umfang seiner Tatbeteiligung, von seiner Tatherrschaft oder von seinem Willen zur Tatherrschaft ab (BGHSt 38, 32, 34; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 20 mwN). (Bearbeiter)


Entscheidung

486. BGH 5 StR 514/09 - Beschluss vom 24. Februar 2011 (LG Leipzig)

BGHSt; progressive Kundenwerbung (Europäisierung; richtlinienkonforme Auslegung: vollharmonisierende Richtlinien und Mindestschutz); Strafaussetzung zur Bewährung; Strafklageverbrauch (Einstellung unter Opportunitätsgesichtspunkten; prozessuale Tat); Ablehnung eines Beweisantrages (Konnexität bei fortgeschrittener Beweisaufnahme); Unternehmer; Verbraucher; Verbotsirrtum (Ausrichtung auf eine rechtliche Grauzone).

§ 16 Abs. 2 UWG; § 56 StGB; § 244 StPO; § 153a StPO; § 264 StPO; § 2 Abs. 2 UWG; § 13 BGB; § 14 BGB; § 17 StGB

1. Verbraucherbegriff bei progressiver Kundenwerbung. (BGHSt)

2. Für die Abgrenzung von Unternehmern und Verbrauchern ist nicht der innere Wille des Handelnden entscheidend; vielmehr gilt ein objektivierter Maßstab. Ob eine Tätigkeit als selbständige zu qualifizieren ist, bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Rechtsgeschäfts. In diese Auslegung sind erforderlichenfalls die Begleitumstände einzubeziehen. (Bearbeiter)

3. Handeln als Unternehmer und nicht als Verbraucher liegt auch dann vor, wenn das maßgebliche Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird. Dies gilt jedoch nicht, solange die getroffene Maßnahme noch nicht Bestandteil der Existenzgründung selbst ist, sondern sich im Vorfeld einer solchen bewegt und die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen soll, erst vorbereitet. Bewegt sich das rechtsgeschäftliche Handeln im Vorfeld einer Existenzgründung, über die noch nicht definitiv entschieden ist, so ist es noch nicht dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen. (Bearbeiter)

4. Da nach § 16 Abs. 2 UWG das Verhalten im Vorgriff auf den Abschluss eines Rechtsgeschäftes unter Strafe gestellt wird, bestimmt sich danach auch der Verbraucherbegriff. Maßgeblich ist deshalb, ob die Adressaten in dem Zeitpunkt, in welchem sie durch die Werbemaßnahmen angesprochen werden, Verbraucher sind. (Bearbeiter)

5. Dieser Verbraucherbegriff ist im Verhältnis zu dem der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG, ABl. L 149, 22) zugrunde liegenden Verbraucherbegriff möglicherweise umfassender. Der europäische Verbraucherbegriff begrenzt aber den Anwendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Die im Übrigen einschlägige Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung (RL 84/450/EWG, ABl. L 250, 17) gibt dagegen nur einen Mindestschutz vor. Eine Verstärkung des Verbraucherschutzes über den Standard der Richtlinien hinaus ist daher mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. (Bearbeiter)

6. Aufgrund der Ausgestaltung des Straftatbestandes des § 16 Abs. 2 UWG als Unternehmensdelikt ist die Tat bereits vollendet, wenn der Täter versucht, das Werbe- und Vertriebssystem in Gang zu setzen. (Bearbeiter)

7. Ausreichende Unrechtseinsicht liegt bereits dann vor, wenn der Täter bei der Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in

Kauf nimmt. Es genügt also das Bewusstsein, die Handlung verstoße gegen irgendwelche, wenn auch im Einzelnen nicht klar vorgestellte gesetzliche Bestimmungen. (Bearbeiter)

8. Richtet ein Angeklagter sein Handeln bewusst darauf aus, eine von ihm so verstandene rechtliche Grauzone auszunutzen, so setzt dies regelmäßig eine gedankliche Auseinandersetzung mit den Grenzen strafbaren Verhaltens voraus. Dies schließt - wenn höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht vorliegen – auch die Möglichkeit mit ein, sich bei einer Fehlinterpretation der Gesetzeslage strafbar zu machen. (Bearbeiter)


Entscheidung

417. BGH 1 StR 24/10 - Beschluss vom 8. Februar 2011 (LG Hamburg)

BGHR; Steuerhinterziehung durch Geltendmachung von Vorsteuer bei einer missbräuchlichen innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. der Lieferung in einem Umsatzsteuerkarussell (Auslegung des Unternehmerbegriffs; Vorsteuererstattung; Vereinbarkeit mit dem Gesetzlichkeitsprinzip: Bestimmtheitsgrundsatz); Abwesenheit eines mit der Aufgabe betrauten Urkundsbeamten.

Art. 103 Abs. 2 GG; Art. 7 EMRK; § 1 StGB; § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; § 15 Abs. 1 UStG; § 338 Nr. 5 StPO; § 153 Abs. 5 GVG; § 226 StPO

1. Jedenfalls dann, wenn derjenige, für den eine Lieferung ausgeführt wird, weiß, dass diese Teil eines auf Hinterziehung von Umsatzsteuer angelegten Systems ist, so ist er hinsichtlich dieser Lieferung nicht als Unternehmer i.S.d. § 15 UStG tätig. Macht er dennoch die in einer Rechnung für diese Lieferung ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 15 UStG als Vorsteuer geltend, begeht er eine Steuerhinterziehung. (BGHR)

2. Gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der „Sechste(n) Richtlinie 77/388 EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage“ (ABl. Nr. L 145 S. 1) darf der Steuerpflichtige (Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie; vgl. zum Begriff des Steuerpflichtigen auch EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006, C-439/04, C-440/04, Rechtssache Kittel u.a. Rn. 41 mwN) „die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer“ (unter anderem) „für Gegenstände“ abziehen, „die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden ...“. Der Anspruch auf diesen Vorteil entfällt jedoch, wenn er in betrügerischer Weise geltend gemacht wird, da eine betrügerische oder sonst missbräuchliche Berufung (auch) auf Gemeinschaftsrecht verboten ist. Die Sechste Richtlinie soll auch das Ziel fördern, Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und damit vergleichbare sonstige Missbräuche zu bekämpfen. Ein derartiger betrügerischer Missbrauch liegt jedenfalls vor, wenn sich der Steuerpflichtige bewusst an einem in eine Mehrwert- bzw. Umsatzsteuerhinterziehung einbezogenen Umsatz beteiligt: dabei kommt es nicht darauf an, ob er auch schon die (frühere) Umsatzsteuerhinterziehung selbst begangen hat, sondern es genügt, wenn ihm diese bekannt ist (vgl. EuGH aaO Rn. 54 ff., 61 mwN). (Bearbeiter)

3. Das Vorliegen eines Unternehmers i.S.d. § 15 Abs. 1 UStG ist in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch bei wirtschaftlicher Betätigung zu verneinen, die sich durch bewusste Beteiligung an und bewusste Ausnutzung von anderweitigen Steuerstraftaten steuerrechtliche Vorteile verschafft, wie etwa hier „Umsatzsteuergewinne“ auf der Grundlage von Umsatzsteuerhinterziehungen, die innerhalb einer eigens zu diesem Zweck geschaffenen Lieferkette begangen wurden. (Bearbeiter)

4. Jedenfalls für die Adressaten des Umsatzsteuergesetzes – ausschließlich Unternehmer, die auf Grund von Ausbildung und (oder) praktischer Erfahrung über das einschlägige Fachwissen verfügen – ist dieser Normzusammenhang, als zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm, ohne weiteres erkennbar. Sie sind als regelmäßig dazu im Stande anzusehen, den Regelungsgehalt dieses Gesetzes zu verstehen und ihm konkrete Verhaltensanweisungen zu entnehmen (vgl. BVerfGE 48, 48, 56 f. mwN; BVerfG wistra 2010, 396, 404). Deswegen haben sie auch insoweit die Möglichkeit, das Verbot bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen und die staatliche Reaktion vorauszusehen. (Bearbeiter)

5. Nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG und des BGH bestehen an der hinreichenden Bestimmtheit von § 370 AO selbst keine Zweifel (vgl. nur BVerfGE 37, 201; BGHSt 37, 266 ff.). Insoweit hat der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell hinreichend bestimmt über die Strafbarkeit entschieden. Es gibt keinen Steueranspruch des Staates, der nach dem Willen des Gesetzes nicht gegen eine rechtswidrige und schuldhafte Verkürzung strafrechtlich geschützt sein soll. Dies gilt umso mehr, als das materielle Steuerrecht selbst aufgrund seines Eingriffscharakters dem allgemeinen, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Bestimmtheitsgebot unterliegt (Gesetzmäßigkeit der Besteuerung). (Bearbeiter)

6. Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Recht zum Vorsteuerabzug auch mit der Begründung zu verneinen sein könnte, dass unter den gegebenen Umständen (trotz möglicherweise durchgeführter Warenbewegung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG) auch keine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen, zum Vorsteuerabzug berechtigenden Sinne vorliegt. (Bearbeiter)

7. Eine Betrauung mit der Aufgabe eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle muss erfolgen, bevor der Betraute diese Aufgabe wahrnimmt. Sie ist nicht rückwirkend möglich. Zu den Anforderungen an eine hinreichend klare Betrauung. (Bearbeiter)


Entscheidung

485. BGH 3 StR 491/10 - Beschluss vom 15. Februar 2011 (LG Verden)

BGHR; unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; Anbau (Versuch); versuchter Anbau; Heranschaffen von Saatgut; Bestimmtheitsgrundsatz; intertemporales Strafrecht.

§ 29 BtMG; § 29a BtMG; § 22 StGB; § 23 StGB; Art. 103 Abs. 2 GG; § 31 BtMG; § 2 StGB

1. Zur Abgrenzung von strafloser Vorbereitung und (versuchtem) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei Errichtung einer Indoor-Plantage zum Anbau von Cannabis, das nach der Ernte gewinnbringend veräußert werden soll. (BGHR)

2. Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit. Hiervon sind solche Handlungen abzugrenzen, „die lediglich typische Vorbereitungen darstellen, weil sie weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen“. (Bearbeiter)

3. Die Aufzucht von Cannabispflanzen kann den Tatbestand des Handeltreibens erfüllen, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt. (Bearbeiter)

4. Der Senat lässt offen, ob die Beschaffung von Setzlingen oder Samen für eine geplante Cannabis-Plantage bereits als vollendetes (unerlaubtes) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln anzusehen wäre. (Bearbeiter)


Entscheidung

427. BGH 1 StR 640/10 - Beschluss vom 19. Januar 2011 (LG Wiesbaden)

Vollendung der Steuerhinterziehung bei Fälligkeitssteuern und Veranlagungssteuern; Tenorierung bei der Steuerhinterziehung.

§ 370 AO; § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO

1. Eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ist bei Fälligkeitssteuern, die wie die Umsatzsteuer als Anmeldungssteuern ausgestaltet sind, mit Ablauf des Fälligkeitszeitpunktes vollendet. Liegt die als Steuerfestsetzung geltende Steueranmeldung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht vor, ist zu diesem Zeitpunkt die Steuer i.S.v. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO verkürzt (stRspr).

2. Bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen tritt – sofern nicht vorher ein Schätzungsbescheid ergangen ist – der Taterfolg der Steuerverkürzung zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Veranlagung stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung pflichtgemäß eingereicht worden wäre (st. Rspr.). Dies ist spätestens dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat. Maßgeblich sind die konkreten Verhältnisse in dem für die Veranlagung des Steuerpflichtigen zuständigen Finanzamt. Von Bedeutung sind aber auch die konkreten steuerlichen Verhältnisse des jeweiligen Angeklagten. Der Senat hat insofern erwogen, ob zumindest bei einfach gelagerten Sachverhalten (und sofern keine Besonderheiten, die Abweichungen rechtfertigen könnten, festgestellt sind) von einer Zeitspanne der Bearbeitung fristgerecht eingereichter Steuererklärungen von längstens einem Jahr auszugehen ist. Es ist nach seiner – nicht tragenden – Auffassung von Rechts wegen nicht geboten, Tatvollendung stets erst zum Zeitpunkt der Tatbeendigung anzunehmen, wenn also das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat und demzufolge nicht mehr mit einer Veranlagung zu rechnen ist (vgl. BGHSt 47, 138).

3. Die Art der hinterzogenen Steuer muss nicht im Tenor angegeben werden, nach § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO genügt die Angabe der rechtlichen Bezeichnung der Tat. Daher reicht die Bezeichnung „Steuerhinterziehung“ aus (BGH wistra 2010, 484, 493; 2007, 388, 391).


Entscheidung

411. BGH 5 StR 563/10 - Beschluss vom 9. Februar 2011 (LG Berlin)

Gewerbsmäßiger Betrieb von Bankgeschäften (Einlagengeschäft: Fälligkeit, Rückforderung; mangelnde Erlaubnis).

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG; § 32 Abs. 1 KWG

Eine Einlage im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG liegt in der Regel vor, wenn jemand von einer Vielzahl von Geldgebern, die keine Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG sind, fremde Gelder aufgrund typisierter Verträge zur unregelmäßigen Verwahrung, als Darlehen oder in ähnlicher Weise ohne Bestellung banküblicher Sicherheiten laufend annimmt und die Gelder nach Fälligkeit von den Gläubigern jederzeit zurückgefordert werden können. Eine Einlage ist dabei regelmäßig dadurch geprägt, dass das eingelegte Geld dem damit finanzierten Aktivgeschäft dient. Notwendig ist jedenfalls, dass nach den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Abreden das angelegte Geld nach Fälligkeit zurückzuzahlen ist.


Entscheidung

410. BGH 5 StR 555/10 - Beschluss vom 26. Januar 2011 (LG Chemnitz)

Unerlaubter Anbau von Betäubungsmitteln; unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Cannabisplantage); Besitz; Täterschaft; Beihilfe.

§ 29a BtMG; § 25 StGB; § 27 StGB

1. Ein Schuldspruch wegen unerlaubten Anbaus von oder Handeltreibens mit Betäubungsmitteln setzt das Vorliegen der vom Gesetz verlangten Merkmale des Besitzes als eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses und den Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Betäubungsmittel im Sinne einer sicheren Verfügungsmacht zu erhalten.

2. Die den Besitz von Betäubungsmitteln begründende tatsächliche Verfügungsmacht über das Rauschgift liegt vor, wenn sie es dem Täter ermöglicht, mit den Betäubungsmitteln nach Belieben zu verfahren, insbesondere sie zu verbrauchen, abzugeben, zu verstecken oder zu vernichten.