HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

August 2005
6. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen


Das Recht auf Verfahrensbeschleunigung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK in Strafverfahren und dessen Verhältnis zum Recht auf wirksame Beschwerde gemäß Art. 13 EMRK in der Rechtsprechung des EGMR - Teil 1

(Reihe strafprozessuale Leitfälle zur EMRK)

Von Oberassistentin Dr. Daniela Demko (LLM), Zürich.

Einleitung

Gegenstand der folgenden Besprechung ist das vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am häufigsten gerügte Recht auf Verfahrensbeschleunigung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, wonach jede Person ein Recht darauf hat, dass "innerhalb angemessener Frist verhandelt wird". Im ersten Teil der Besprechung werden zunächst anhand von drei Leitfällen des EGMR die sich in seiner Rechtsprechung herausgebildeten Prüfungskriterien zur Feststellung einer Verletzung des Rechts auf Verfahrensbeschleunigung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK dargestellt (unter I.). Nach einer sich anschließenden, die Spruchpraxis des Gerichtshofs würdigenden Zusammenfassung (unter II.) folgt eine Auseinandersetzung mit zwei bis heute bestehenden Widersprüchen zwischen der deutschen Rechtsprechung und der des Gerichtshofs (unter III.). Der zweite Teil der Besprechung widmet sich dem Verhältnis zwischen dem Recht auf Verfahrensbeschleunigung gemäß des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK und dem Recht auf wirksame Beschwerde gemäß Art. 13 EMRK, wobei die Darstellung der sich insofern geänderten neuen Rechtsprechung des EGMR durch eine Auseinandersetzung mit den mit Art. 13 EMRK zusammenhängenden Rechtsprinzipien abgerundet wird. Dieser zweite Teil wird in einer folgenden Ausgabe der HRRS publiziert.

Erster Teil: Zur Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK in Strafverfahren durch den EGMR

I. Leitfälle des EGMR zur überlangen Verfahrensdauer in Strafsachen

A. Der Fall Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland

Ein klassischer Leitfall zur überlangen Verfahrensdauer in Strafsachen stellt der Fall Hans und Marianne Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland [1] dar. In diesem griff der EGMR diejenigen Kriterien auf, die er bereits im - ein verwaltungsgerichtliches Verfahren betreffenden - Fall König [2] entwickelt hatte und fügte diesen weitere, speziell auf Strafverfahren bezogene Konkretisierungen und Ergänzungen hinzu.

1. Sachverhalt

Hans Eckle gründete 1952 die Baufirma "Hans Eckle, Holz, Stahl und Baumaterialien" im Saarland, in der er zusammen mit seiner Frau arbeitete, und richtete in der folgenden Zeit mehrere Zweigstellen an verschiedenen

Orten ein. Unter Verwendung eines bis dahin im Baumaterialienhandel nicht benutzten Systems, das der Beschwerdeführer selbst "das System Eckle" nannte, bestand sein Firmengeschäft darin, "bauwillige kapitalschwache Kunden mit Baugrundstücken und Baumaterial auf Kreditbasis zu versorgen".[3] Der Bedarf des Unternehmens wurde von 1962 an durch Grundschulden gesicherte Kredite von Privatpersonen gedeckt. Nachdem von 1965 an die finanziellen Schwierigkeiten der Firma wuchsen, stellte der Beschwerdeführer Mitte 1966 die Zahlung an seine Gläubiger ein. Die Gesamtsumme, die zu dieser Zeit geschuldet wurde, betrug etwa 10 Millionen Mark.

Jene Geschäftspraktiken des Beschwerdeführers waren Gegenstand getrennter Strafverfahren in Trier, Saarbrücken und Köln, wobei die Rüge der die "angemessene Frist" i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK überschreitenden Verfahrensdauer vom EGMR nur bezüglich der Strafverfahren in Trier und Köln entschieden wurde.[4]

2. Prüfungsaufbau und -kriterien des EGMR

Gleich zu Beginn stellte der EGMR heraus, dass es in einem so gearteten Streit "wichtig (ist), genau jede Stufe der zur Anklage führenden Verfahren aufzulisten".[5] Der EGMR beließ es damit nicht bei einer bloßen Ermittlung und Bewertung der Gesamtverfahrensdauer, die im Trierer Verfahren beachtliche 17 Jahre und 3 Wochen und im Kölner Verfahren 10 Jahre, 4 Monate und 10 Tage betrug.[6] Vielmehr führte er im Einzelnen die verschiedenen Verfahrensstufen in detaillierter und ausführlicher Weise auf, indem er bezüglich des Trierer Verfahrens zwischen folgenden Verfahrensstufen unterschied: 1. von der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens bis zur endgültigen Anklage, 2. von der endgültigen Anklageerhebung bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens, 3. Verfahren vor dem Trierer Landgericht, 4. Revisionsverfahren, 5. Verfahren, auf das sich die Verfassungsbeschwerde bezog, 6. Gesamtstrafenbildung.[7] Bezüglich des Kölner Verfahrens trennte der EGMR zwischen der Verfahrensstufe des Beginns des Ermittlungsverfahrens bis zur Anklageerhebung einerseits und der Verfahrensstufe von der Anklageerhebung zur Eröffnung des Hauptverfahrens andererseits.[8] Bereits jenes Vorgehen deutete an, was der EGMR auch teilweise in anderen Urteilen bestätigte, nämlich dass er die Prüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK nicht stets und ausschließlich nur mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer vornimmt.[9]

Die Beurteilung der Rüge des Beschwerdeführers, wonach die Verfahrensdauer im Trierer und Kölner Strafverfahrens die "angemessene Frist" i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EMRK überschritten habe und Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK daher verletzt sei, nimmt der EGMR nicht nur, was den formalen Aufbau und die Prüfungsreihenfolge betrifft, sondern auch hinsichtlich der von ihm herangezogenen inhaltlichen Beurteilungskriterien in einer Art und Weise vor, wie sie sich auch in späteren Entscheidungen zur überlangen Verfahrensdauer wieder findet.[10]

a. Erster Prüfungsschritt: Die Verfahrensdauer

Bereits im Fall König hieß es insofern, dass der Gerichtshof, um "eine Entscheidung fällen zu können, … zunächst den Zeitraum umgrenzen (muß), der für die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 in Betracht zu ziehen ist".[11]

Dem entsprechend diente auch im Fall Eckle der erste Prüfungsschritt des EGMR der Bestimmung der "Verfahrensdauer", [12] wobei sich der EGMR hier den inhaltlichen Kriterien widmete, mittels derer der Beginn und das Ende der zu untersuchenden Zeitabschnitte zu beurteilen ist.

aa. Der Beginn des Verfahrens

Hinsichtlich des Beginns der zu untersuchenden Zeitabschnitte stellte er fest, dass die angemessene Frist i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK in Strafsachen "in dem Augenblick (beginnt), in dem eine Person zum "Angeklagten" wird; hierbei kann es sich um einen früheren Zeitpunkt handeln, als um die Anklageerhebung vor Gericht …, insbesondere um den der Verhaftung, der Inculpation und der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens".[13] In diesem Sinne definierte er die "Anklage" i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK als "die offizielle amtliche Anzeige der zuständigen Behörde an den Betroffenen …", dass ihm die Begehung einer Straftat angelastet werde, wobei der EGMR betont, dass dies "… insoweit auch dem Begriff der "wesentlichen Auswirkungen auf die Situation" des Verdäch-

tigen entspricht".[14] Für den EGMR ist damit für den Beginn der Verfahrensdauer maßgeblich, "von welchem Zeitpunkt an die Betroffenen offiziell Kenntnis vom Ermittlungsverfahren oder von dessen Auswirkungen erlangt haben".[15]

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass es der EGMR für die Bestimmung des Beginns der Verfahrensdauer nicht für notwendig hielt, zwischen Herrn Eckle und Frau Eckle zu unterscheiden, obwohl "das Ermittlungsverfahren nicht von Anbeginn an gegen Frau Eckle gerichtet gewesen zu sein schien".[16] Der EGMR begründete dies damit, dass Frau Eckle "doch alle Auswirkungen im gleichen Maße, wie ihr Ehemann, (hat) erdulden müssen".[17]

Da der EGMR für jene offizielle Kenntnis vom Ermittlungsverfahren oder dessen Auswirkungen nun das Erreichen eines bestimmten Ausmaßes eines Ermittlungsverfahrens bzw. eine "wirkliche Ermittlungstätigkeit"[18] verlangte, ließ er dafür im Trierer Verfahren das Datum der Strafanzeige vom 28.10.1959 nicht genügen. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Staatsanwaltschaft die Strafanzeige zu den Akten gelegt habe, nachdem sie sich bei den zuständigen Verwaltungsbehörden über das Existieren von Höchstpreisen im Baumaterialienhandel sachkundig gemacht hatte; zudem hatten weder die Staatsanwaltschaft noch die Polizei Zeugen oder die Beschuldigten vernommen.

Eine "wirkliche Ermittlungstätigkeit"[19] nahm der EGMR vielmehr erst mit der Vernehmung zahlreicher Zeugen im August 1960 an. Dieses Zeugenverhör zielte nun laut Kommission nicht darauf ab, herauszufinden, "ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden sollte; es war vielmehr Teil dieses Verfahrens".[20] Als Besonderheit des Falles Eckle gegen Deutschland bleibt insofern zu bemerken, dass der EGMR hervorhob, dass es "nichtsdestoweniger unmöglich war",[21] den Zeitpunkt der offiziellen Kenntnis vom Ermittlungsverfahren oder dessen Auswirkungen sicher festzustellen. In Übereinstimmung mit der Kommission nahm er deshalb "als Zeitpunkt für den Beginn des Laufs der "Frist" den 1. Januar 1961 an".[22]

Für das Kölner Strafverfahren wurde das Datum der Zustellung des Beschlagnahmebeschlusses gegen Herrn und Frau Eckle als für den Beginn der Verfahrensdauer maßgeblich angesehen, nicht jedoch erst das spätere Datum des Beginns der Untersuchungshaft von Herrn Eckle.[23]

bb. Das Ende des Verfahrens

Hinsichtlich der Bestimmung des Zeitpunktes, an dem das Verfahren endet, griff der EGMR seine bereits im Fall König geäußerte Ansicht auf, wonach der Zeitraum, für den Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK in Strafsachen anwendbar ist, "das gesamte Verfahren in der Sache, einschließlich der Rechtsmittelverfahren"[24] umfasst.

Während das Kölner Verfahren mit dem Einstellungsbeschluss des Landgerichts abgeschlossen wurde,[25] war es im Trierer Verfahren noch notwendig, Gesamtstrafen zu bilden. Mit dem Hinweis, dass es im "Falle einer Verurteilung … im Sinne von Art. 6 Abs. 1 keine endgültige "Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage" (gibt), solange die Strafe nicht abschließend bestimmt ist",[26] kam der EGMR zu dem Ergebnis, dass der hier zu beurteilende Zeitabschnitt mit den Urteilen des OLG Koblenz endete, "in welchen die Gesamtstrafenbildung des Landgerichts …bestätigt wurde".[27]

Ein weiterer besonderer Umstand des Falles Eckle gegen Deutschland war die Tatsache, dass die Beschwerdeführer ihre deliktischen Tätigkeiten noch während der Trierer Ermittlungen fortgesetzt hatten. Das darauf abgestützte Ersuchen der Bundesregierung, jene Zeit, während der neue Delikte begangen worden sind, von der vom EGMR ermittelten Gesamtlänge der Verfahren abzuziehen, lehnte der EGMR im Ergebnis jedoch ab. Nicht bereits im Rahmen der Bestimmung der "Verfahrensdauer", sondern vielmehr erst im Rahmen des vom EGMR entwickelten zweiten Prüfungsschrittes sei jener besondere Fallumstand heranzuziehen, den der Gerichtshof lediglich als eines der Elemente ansah, "die für die Beurteilung der "Angemessenheit der Frist" von Bedeutung"[28] seien.

b. Zweiter Prüfungsschritt: Die Angemessenheit der Dauer der Verfahren

In dem sich anschließenden zweiten Prüfungsschritt widmete sich der EGMR unter Anknüpfung an die be-

reits im Fall König entwickelten Beurteilungskriterien der Frage der "Angemessenheit" der Verfahrensdauer, wobei die dafür einschlägigen Beurteilungskriterien näher konkretisiert und ausgestaltet wurden.

Hieß es insofern im Fall König noch etwas allgemein gehaltener, dass die Angemessenheit der Dauer des Verfahrens "jeweils nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden muss",[29] fügte der EGMR im Fall Eckle ergänzend hinzu, dass jene Angemessenheit der Verfahrensdauer "in jeder Instanz gemäß den Umständen des konkreten Falles beurteilt werden"[30] muss. Durch jenen wörtlichen Zusatz wie zudem durch die Art und Weise, in der der EGMR bei seiner Überprüfung der "Angemessenheit" der Verfahrensdauer nicht nur auf die Gesamtverfahrensdauer abstellte, sondern vielmehr die einzelnen Verfahrensabschnitte und -schritte erwähnte,[31] deutet sich bei genauem Lesen der Urteilsbegründung des EGMR an, dass es ihm im Fall Eckle nicht allein auf die Beurteilung einer insgesamt angemessenen Verfahrensdauer anzukommen schien.[32]

aa. Inhaltliche Beurteilungskriterien für die Angemessenheit der Verfahrensdauer

Hinsichtlich der einzelnen Beurteilungskriterien für die Angemessenheit der Verfahrensdauer, die seither zur ständigen Spruchpraxis des EGMR[33] gehören, heißt es, dass der Gerichtshof "sein Augenmerk (insbesondere) … auf die Komplexität des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das der Justizbehörden"[34] zu richten habe.

Diese Kriterien zog der EGMR sodann für das Trierer und das Kölner Strafverfahren heran und beurteilte deren Vorliegen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles:

(1.) Das Kriterium der Komplexität des Falles

Zum Kriterium der Komplexität des Falles hieß es etwa, dass im Trierer Verfahren zwar die "Rechtsproblematik relativ einfach war",[35] der Fall jedoch - insbesondere im Hinblick auf das Ausmaß der Aktivitäten der Beschwerdeführer und der findigen Art, in der sie die Finanzierungsmethoden bei Kaufverträgen darstellten - ernste und komplexe Probleme aufwarf.[36] Erkennbar ist, dass sich die Komplexität des Falles damit zum einen aus besonderen rechtlichen Schwierigkeiten und zum anderen aus tatsächlichen Ermittlungs-/Aufklärungsschwierigkeiten abgeleitet werden kann.[37]

(2.) Das Kriterium des Verhaltens der zuständigen Behörden bei der Behandlung des Falles

Hinsichtlich des Umstandes, dass es sich bei dem Fall Eckle um einen der ersten Fälle auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität handelte, weshalb - so der Einwand der Bundesregierung - den Behörden "die notwendige Erfahrung sowie Mittel (fehlten), um diese Art von Delikten schnell und effizient zu bekämpfen",[38] verbindet sich das Kriterium der Komplexität des Falles mit dem des Verhaltens der zuständigen Justizbehörden bei der Behandlung des Falles. Der EGMR räumte ein, "daß zu Anfang die spezifischen Ausformungen der Wirtschaftskriminalität die Justizbehörden vor gewisse Probleme gestellt haben, insbesondere was eine sorgfältige … und zuverlässige … Abwicklung von Strafverfahren betrifft".[39] Zudem fanden auch die von der Bundesrepublik auf gesetzgeberischer und administrativer Ebene getroffenen "sicher verdienstvollen"[40] Anstrengungen zur schnelleren und effektiveren Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität die ausdrückliche Anerkennung seitens des EGMR.[41] Dennoch betonte der Gerichtshof, dass er "(N)ichtsdestoweniger … bei der Entscheidung im vorliegenden Fall diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht beimessen (kann), weil die Situation, mit der die zuständigen Behörden konfrontiert waren, keineswegs ungewöhnlich war".[42] Trotz Anerkennung des Bemühens der Behörden, "die Mängel der anhängigen Verfahren vor dem Landgericht durch die Erhöhung der Zahl der Kammern von zwei (1973) auf sechs (1977) zu mindern …", könne sich die Bundesregierung "… in Anbetracht der Länge der vergangenen Zeit nicht auf die Arbeitsbelastung, die für sich genommen, nicht ungewöhnlich ist, berufen".[43]

Mit Bezug auf das Verhalten der Justizbehörden stellte der EGMR für das Trierer und Kölner Verfahren fest, dass "die zuständigen Behörden nicht die notwendige Sorgfalt und Zügigkeit an den Tag gelegt haben".[44] Jene mangelnde Sorgfalt und Zügigkeit der Justizbehörden bei der Behandlung des Falles stellte der EGMR nun anhand einzelner Verfahrensabschnitte und -schritte näher heraus, indem er ausführt, dass es für die jeweiligen zeitlichen Verzögerungen etwa im Ermittlungsverfahren, bei der Rücknahme der Anklage nach Eröffnung des Ermittlungsverfahrens, bei der Urteilszustellung oder auch im Revisionsverfahren (Trierer Strafverfahren) bzw. zwischen der Klageschrifteinreichung und der Eröffnung des Hauptverfahrens (Kölner Strafverfahren) "keine hinreichende Erklärung"[45] gibt.[46] Jener Bezug des EGMR auf die einzelnen Verfahrensstufen und -schritte lässt erkennen, dass sich der Gerichtshof bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer nicht allein an der Gesamtverfahrensdauer orientierte, sondern vielmehr den einzelnen Zeitabschnitten des Verfahrens selbständige Bedeutung einräumte.

Wenn sich der EGMR im Fall Eckle zwar nicht ausdrücklich zum Verhältnis zwischen Gesamtverfahrensdauer und der Dauer der einzelnen Verfahrensabschnitte sowie der Frage nach einer etwaigen Kompensationsmöglichkeit äußerte, so deutete sich in seiner Prüfungsweise - wenn auch noch eher vorsichtig und verdeckt - jedoch das bereits an, was der EGMR in späteren Urteilen mit klareren Worten zum Ausdruck brachte: nämlich, dass jedem der einzelnen Verfahrensstufen bei der Beurteilung der "Angemessenheit" der Verfahrensdauer ein eigenständiges Gewicht zukommt.[47]

(3.) Das Kriterium des Verhaltens des Beschwerdeführers

In Bezug auf das Kriterium des Verhaltens des Beschwerdeführers betonte der EGMR zunächst, dass Herr und Frau Eckle weit davon entfernt gewesen seien, zu einer Beschleunigung des Verfahrens beigetragen zu haben, sondern umgekehrt "immer mehr zu prozeßverzögerndem Verhalten"[48] griffen, wobei er etwa die systematische Richterablehnung oder die "viele(n) Anträge und Rechtsmittel, häufig begleitet von Bitten um Verlängerung der für die Schriftsätze vorgesehenen Fristen"[49] anführte bzw. von Aktionen sprach, von denen einige "sogar als Demonstration einer bewußten Verschleppungstaktik verstanden werden könnten".[50]

Im Anschluss betonte der EGMR jedoch, dass Art. 6 Abs. 1 EMRK "in Wahrheit keine aktive Kooperation der Betroffenen mit den Justizbehörden (fordert). Noch kann ihnen ein Vorwurf wegen der vollen Ausnutzung ihrer nach deutschem Recht gegebenen prozessualen Möglichkeiten gemacht werden".[51] Gleichwohl stelle jenes Verhalten des Beschwerdeführers nach Ansicht des EGMR ein "objektives Faktum …" dar, welches jedoch auch "… dem beklagten Staat nicht angelastet …" und diesem daher nicht zugerechnet werden könne, "… sondern berücksichtigt werden muß bei der Entscheidung über die Frage, ob das Verfahren, oder ob es nicht die angemessene Frist nach Art. 6 Abs. 1 überschritten hat".[52]

(4.) Das Kriterium der Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer

Hingewiesen sei darauf, dass ein weiteres Beurteilungskriterium, dass vom EGMR bereits im Fall König, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch von der Sache her angesprochen wurde und sich auch in späteren Entscheidungen wieder findet, im Fall Eckle keiner weitergehenden Berücksichtung und Überprüfung durch den EGMR unterlag. Angesprochen ist das Kriterium der Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer, das sich im Fall König hinter den flüchtigen Worten des EGMR "unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es bei dem Rechtsstreit um die berufliche Existenz Dr. Königs ging",[53] verbarg.

bb. Abschließende Gesamtbewertung der verschiedenen Beurteilungskriterien

Im Anschluss an die isolierte Betrachtung und Untersuchung der einzelnen Beurteilungskriterien nahm der EGMR eine Art abschließende Gegenüberstellung dieser und eine Abwägung ihres Gewichts bzw. ihrer Bedeutung für die eingetretenen Verfahrensverzögerungen vor: So hieß es, dass der Gerichtshof im Lichte der gesamten Umstände bzw. auf der Grundlage aller vorangegangen Überlegungen zum Schluss gelange, "daß die Schwierigkeiten bei der Ermittlung und das Verhalten der Beschwerdeführer für sich allein nicht für die Länge des Verfahrens verantwortlich sind: einer der Hauptgründe hierfür findet sich in der Art, mit welcher die Justizbehörden den Fall betrieben haben".[54]

Eine solche abschließende "Gesamtbewertung der verschiedenen Umstände"[55] fand sich bereits im Fall König, in dem der EGMR in einer Gegenüberstellung der Kriterien des Verhaltens der Behörden, der Komplexität des Falles und des Verhaltens des Beschwerdeführers zum Ergebnis gelangte, dass seiner Ansicht nach "die Hauptursache für die lange Dauer des Verfahrens in der Lei-

tung des Prozesses",[56] d.h. im Kriterium des Verhaltens der Behörde bei der Behandlung des Falles zu suchen sei.

Aufgrund jener Gesamtbewertung der verschiedenen Beurteilungskriterien, in dessen Rahmen das Verhalten der den Fall behandelnden Behörden vom EGMR als die Hauptursache für die lange Verfahrensdauer angesehen wurde, kam der EGMR zum Ergebnis, dass im Hinblick auf die Dauer des Verfahrens Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt worden sei.[57]

B. Die Fälle Kudła gegen Polen und Hennig gegen Österreich

Da sich die Fälle Kudła gegen Polen und Hennig gegen Österreich bei den einzelnen Prüfungskriterien des EGMR gut ergänzen, werden beide im folgenden gemeinsam dargestellt.

1. Sachverhalte

Der Fall Kudła gegen Polen[58] betraf ein Strafverfahren gegen einen selbstmordgefährdeten Beschuldigten, der zunächst im Juni 1995 vom Landgericht Krakau wegen Betrugs und Urkundenfälschung verurteilt wurde. Nach Aufhebung dieses Urteils im Februar 1996 durch das OLG Krakau und Zurückweisung zur erneuten Verhandlung verurteilte das Landgericht den Beschwerdeführer erneut. Auf Berufung des Beschwerdeführers wurde die Strafe im Oktober 1999 herabgesetzt. Im Zeitpunkt der Entscheidung des EGMR war die Revision des Beschwerdeführers noch anhängig.[59] Neben einer Verletzung der Art. 3 und Art. 5 EMRK wegen nicht ausreichender psychiatrischer Behandlung während der Untersuchungshaft und unangemessen langer Dauer der Untersuchungshaft[60] machte der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK geltend, da sein Recht auf ein Verfahren innerhalb "angemessener Frist" missachtet worden sei. Zudem rügte er die Verletzung des Art. 13 EMRK, da er "keine wirksame Beschwerde gehabt (habe), mit der er die überlange Dauer des Verfahrens in seiner Sache vor einer innerstaatlichen Instanz habe rügen können".[61]

Der Fall Hennig gegen Österreich[62] betraf ein Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren: im Zusammenhang mit umfangreichen Ermittlungen zu einem Großbetrug bei der "WEB/IMMAG"- Gruppe, die der Beschwerdeführer als Wirtschaftstreuhänder beraten hatte, ermittelten die Steuerbehörden gegen den Beschwerdeführer wegen Steuerhinterziehung. Im sich anschließenden gerichtlichen Verfahren folgte sodann eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung.[63] Vor dem EGMR machte der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wegen der Dauer des gegen ihn geführten Strafverfahrens geltend.

2. Prüfungsaufbau und -kriterien des EGMR

In den Fällen Kudła und Hennig griff der EGMR zur Überprüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK im Hinblick auf eine überlange Verfahrensdauer auf den gleichen Prüfungsaufbau sowie diejenigen Beurteilungskriterien zurück, den bzw. die er bereits in den Fällen König und Eckle herangezogen hatte und die sich seitdem in den Entscheidungen des EGMR zur überlangen Verfahrensdauer zu dessen ständigen Spruchpraxis entwickelt haben.[64]

a. Erster Prüfungsschritt: Die Verfahrensdauer

aa. Der Beginn des Verfahrens

Für den Beginn des Verfahrens wurde im Fall Kudla - zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig - das Datum, an dem "Anklage gegen den Bf. erhoben wurde",[65] als maßgeblich angesehen.

Im Fall Hennig wiederholte der EGMR, dass eine "Anklage" i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK die offizielle Mitteilung einer zuständige Behörde an die betroffene Person sei, dass ihr die Begehung einer Straftat vorgeworfen werde, "wobei diese Definition mit dem Test übereinstimmt, nachdem "die Lage des [Verdächtigen]substantiell beeinträchtigt sein" …" müsse.[66]

bb. Das Ende des Verfahrens

Im Fall Hennig hieß es zum Abschluss des Verfahrens nur kurz, dass dieses mit der Zustellung der schriftlichen

Urteilsfassung an den Verteidiger des Beschwerdeführers endete.[67]

Weniger klar und auch zwischen den Verfahrensbeteiligten umstritten war hingegen im Fall Kudła, ob und wann das Verfahren als abgeschlossen zu betrachten sei, um so die in Betracht zu ziehende Verfahrensdauer zu ermitteln.

Während der Beschwerdeführer der Ansicht war, dass das Verfahren mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK noch als anhängig anzusehen sei, weil "das Verfahren zur Prüfung der Begründetheit seiner Revision noch vor dem Obersten Gerichtshof anhängig"[68] und daher über die gegen ihn erhobene strafrechtliche Anklage noch nicht entscheiden worden sei, hielt die Regierung das Verfahren für abgeschlossen. Nach deren Ansicht habe das Verfahren am 27.10.1999 "mit Erlass des endgültigen Urteils durch das OLG Krakau geendigt; es sei unerheblich, ob der Bf. Revision zum Obersten Gerichtshof eingelegt habe oder nicht, denn diese Revision sei ein außerordentlicher Rechtsbehelf, mit dem nur rechtskräftige Urteile angegriffen werden könnten".[69]

Der EGMR führte dazu aus, dass die Konventionsstaaten nach Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar nicht dazu verpflichtet seien, "Berufungs- oder Revisionsgerichte einzurichten. Wenn sie dies aber tun, müssen sie sicherstellen, dass die Parteien vor ihnen die in Art. 6 EMRK aufgeführten weiteren Garantien genießen".[70] Der EGMR differenzierte dahingehend, dass "nicht zweifelhaft sein (kann), dass Art. 6 EMRK auf Berufungs- und Revisionsverfahren anwendbar ist …", während hingegen die Frage des "Wie", d.h. die "… Art und Weise, in der Art. 6 EMRK auf Berufungs- und Revisionsgerichte angewendet werden muss, … von den Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens an(hängt)".[71]

Als eine Besonderheit kommt im Fall Kudła hinsichtlich der vom EGMR zu berechnenden Verfahrensdauer hinzu, dass der Gerichtshof "wegen der Beschränkung seiner Gerichtsbarkeit ratione temporis"[72] nur den Zeitraum berücksichtigen kann, der seit dem Wirksamwerden der Erklärung Polens über die Anerkennung des Rechts der Individualbeschwerde nach dem früheren Art. 25 EMRK verstrichen ist, "… wenngleich er den an diesem Tage erreichten Verfahrensstand in Betracht zieht".[73]

b. Zweiter Prüfungsschritt: Die Angemessenheit der Dauer der Verfahren

Hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer wiederholte der EGMR im Fall Kudła, dass er diese "nach den besonderen Umständen des Falles unter Berücksichtigung der in seiner Rechtsprechung entwickelten Kriterien, insbesondere der Schwierigkeit des Falles und des Verhaltens des Bf. und der zuständigen Behörden"[74] überprüfe.

Im Gegensatz zum Fall Eckle fügte der Gerichtshof sodann jedoch ausdrücklich auch das vierte, vom ihm herangezogene Kriterium hinzu, indem es hieß, dass "(A)uch die Bedeutung der Sache für den Bf. … berücksichtigt werden"[75] müsse.

Auch in der späteren Entscheidung Hennig formulierte der EGMR in klarer ausdrücklicher Weise, dass "die Angemessenheit der Verfahrensdauer im Lichte der besonderen Umstände des Einzelfalles zu würdigen ist und dass dabei auf die im Case Law des Gerichtshofs niedergelegten Kriterien zurückzugreifen ist, insbesondere auf die Komplexität des Falles, das Verhalten des Bf. und der maßgeblichen Behörden und auf die Bedeutung dessen, was für den Bf. im Verfahren auf dem Spiel stand".[76]

Trotz jener mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des EGMR sind in der deutschen Spruchpraxis bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt dennoch weiterhin Unklarheiten und Widersprüche in Bezug auf die Beurteilung des Rechts auf Verfahrensbeschleunigung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK zu finden.[77]

aa. Inhaltliche Beurteilungskriterien für die Angemessenheit der Verfahrensdauer und Gesamtbewertung dieser

Der EGMR überprüfte im Fall Kudła jedes einzelne der vier Beurteilungskriterien auf dessen Vorliegen im betreffenden Einzelfall und äußerte sich in diesem Zusammenhang - wenn auch nur recht kurz - zudem zugleich zu dem Gewicht bzw. der Bedeutung, das bzw. die dem jeweiligen Kriterium im Vergleich zu den anderen mit Bezug auf die Dauer des Verfahrens zukam. Ebenso wie im Fall Eckle nahm der Gerichtshof im Fall Kudła mithin von der Sache her auch eine Gesamtbewertung seiner Beurteilungskriterien vor, wenn diese Gesamtbewertung auch nicht Gegenstand eines abgetrennten eigenständigen Prüfungspunktes war, sondern vom EGMR unmittelbar bei der Untersuchung des jeweiligen Kriteriums angesprochen wurde.

Ebenso findet sich im Fall Hennig jene Gegenüberstellung und Gesamtabwägung der Beurteilungskriterien wieder, wonach die durch das Verhalten des Beschwerdeführers herbeigeführten Verzögerungen "den beträchtlichen Verzögerungen gegenübergestellt werden müs-

sen",[78] die durch das Verhalten der den Fall behandelnden Behörde vor Anfertigung der Anklageschrift aufgetreten sind. Zudem führte der EGMR zum Abschluss der Urteilsbegründung aus, dass die vorliegenden Indizien zeigen, dass die unverhältnismäßigen Verzögerungen "hauptsächlich den nationalen Behörden zuzurechnen sind".[79]

(1.) Das Kriterium der Komplexität des Falles

Zum Kriterium der Komplexität des Falles hieß es im Fall Kudła recht kurz, "dass der Fall zwar von einiger Schwierigkeit war, aber nicht angenommen werden kann, dass dies allein die Gesamtdauer des Verfahrens rechtfertigen kann".[80]

Im Fall Hennig war das Kriterium der Komplexität des Falles hingegen Gegenstand ausführlicherer Ausführungen: Danach konnte das Verfahren gegen den Beschwerdeführer, welches Teil von im Allgemeinen "zweifellos komplexeren"[81] Ermittlungen in einer Wirtschaftsstrafsache war, von diesen unterschieden werden. Das Verfahren gegen den Beschwerdeführer, das mit solchen komplexen Ermittlungen zwar im Zusammenhang stand, jedoch von diesen abtrennbar war, sei nach Ansicht des EGMR deshalb nicht komplex gewesen, weil "der Fall des Bf. lediglich drei Finanztraktionen betraf …", zu deren Bewältigung der Beschwerdeführer zudem selbst die erforderlichen "… Informationen gegeben hatte".[82]

Zwar war sich der EGMR der Schwierigkeiten bewusst, "die den Staaten bei der angemessen sorgfältigen Durchführung von Wirtschaftsstrafverfahren … begegnen".[83] Dennoch reiche "selbst eine gewisse Komplexität …" solcher Wirtschaftsstrafverfahren "… für sich genommen"[84] zur Rechtfertigung einer beträchtlichen Verfahrensdauer nicht hin. Erneut betonte der Gerichtshof, was sich in wiederholter Weise bereits in früheren Urteilen[85] fand, nämlich, dass "Art. 6 I der Konvention den Vertragsstaaten die Pflicht auferlegt, ihre Rechtsordnungen in einer solchen Weise zu organisieren, dass ihre Gerichte jedem Erfordernis dieser Vorschrift entsprechen können, einschließlich der Verpflichtung, Verfahren in angemessener Frist zu entscheiden".[86]

(2.) Das Kriterium des Verhaltens des Beschwerdeführers

In Bezug auf das Verhalten des Beschwerdeführers räumte der Gerichtshof im Fall Kudła ein, dass das Verfahren infolge Nichterscheinens des Beschwerdeführers vor Gericht (im Februar und März 1993) zwar bis Oktober 1993 vertagt werden musste. Jedoch seien keine Anhaltspunkte zu finden, "dass sich der Bf. in irgendeinem späteren Verfahrensstadium verzögernd verhalten oder sonst den geordneten Verfahrensablauf gestört hätte".[87]

Mit jener Bezugnahme auf irgendein späteres Verfahrensstadium deutet sich erneut, wenn auch hier nur in vorsichtiger Weise - wie schon im Fall Eckle - an, dass der Gerichtshof bei der Überprüfung einer Verfahrensverzögerung nicht einzig und allein die Gesamtverfahrensdauer beachtet, sondern auch den einzelnen Verfahrenabschnitten ein bedeutendes Gewicht beimisst. Für jene Annahme spricht zudem die Prüfungsweise des EGMR im Rahmen seiner Beurteilung des Kriteriums des Verhaltens der den Fall behandelnden Behörde.[88]

Der EGMR gelangte zum Ergebnis, dass bei jenen Fallumständen das Verhalten des Beschwerdeführers "nicht wesentlich" zur Dauer des Verfahrens beigetragen habe, mithin im Vergleich zu den anderen Kriterien nicht die Hauptursache für die Verfahrensdauer darstellte.[89]

(3.) Das Kriterium des Verhaltens der zuständigen Behörden bei der Behandlung des Falles

Dass der EGMR den einzelnen Verfahrensabschnitten bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer eine große Beachtung schenkt, machte er im Fall Kudła durch seine Prüfungsweise bezüglich des Kriteriums des Verhaltens der den Fall behandelnden Behörden deutlich. So führte er zunächst das Vorbringen der Regierung an, wonach "die Gerichte … zwar für einige Verzögerungen verantwortlich (seien), … insgesamt aber das Verfahren innerhalb angemessener Frist abgeschlossen"[90] hätten. Jene Argumentation der Regierung und die damit aufgeworfene Frage, ob Verzögerungen in einem Verfahrensabschnitt durch eine jedenfalls insgesamt angemessene Verfahrensdauer kompensiert werden können, fand in den anschließenden Ausführungen des EGMR jedoch keine Bestätigung bzw. Zustimmung. Vielmehr bezog sich der EGMR gerade umgekehrt wieder allein auf einzelne Verfahrensabschnitte, die er für die Prüfung der angemessenen Verfahrensdauer für wichtig und im Ergebnis für die von ihm bejahte Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK für ausschlaggebend hielt:

So hieß es zunächst, dass in erster Linie die Gerichte die Pflicht gehabt hätten, zügig Recht zu sprechen. Anschließend konzentrierte sich die Argumentation des ERMR nicht auf die Beobachtung einer jedenfalls insgesamt angemessenen Verfahrensdauer, sondern er stellte auf einzelne Verfahrensabschnitte ab, indem er zum einen davon sprach, dass der Beschwerdeführer "während wesentlicher Verfahrensabschnitte"[91] in Haft war und an Depressionen litt. Zum anderen legte der EGMR das Hauptgewicht seiner Begründung darauf, dass "die erneute Verhandlung nach der Aufhebung der ursprünglichen Verurteilung des Bf. am 22.2.1996 für den 10.10.1996 terminiert war, aber erst am 18.3.1997 begann, also nachdem mehr als ein Jahr verstrichen war; sie wurde dann auf Oktober 1997 vertagt".[92] Zwar sei die Vertagung zumindest zum Teil von den Mitangeklagten des Beschwerdeführers zuzurechnenden Ereignissen verursacht worden. "Trotzdem war die Folge des Verfahrensstillstands eine Verzögerung von fast einem Jahr und acht Monaten, für die der Gerichtshof keine ausreichende Rechtfertigung findet und die er mit der nach Art. 6 I EMRK erforderlichen Sorgfalt für unvereinbar hält".[93]

Die Verletzung des Beschleunigungsgebots knüpfte der EGMR damit bereits an die unangemessene und nicht genügend gerechtfertigte Verzögerung eines einzelnen Verfahrensabschnitts, hier des Verfahrensstillstands bis zur erneuten Verhandlung. Trotz ausdrücklichen Hinweises seitens der Regierung, welchen der EGMR zudem seiner eigenen Prüfung voranstellte, sprach er sich damit im Ergebnis nicht für eine etwaig mögliche Heilung durch eine jedenfalls insgesamt angemessene Verfahrensdauer aus.[94]

Das, was sich durch die Prüfungsweise des EGMR im Fall Kudła andeutete, fand im Fall Hennig sodann ausdrückliche Bestätigung: Hier wurde zwar "(A)nders als das Ermittlungsverfahren … das gerichtliche Verfahren mit angemessener Sorgfalt durchgeführt".[95] Der Gerichtshof stellte dann aber ausdrücklich heraus, dass ihm "die zügige Durchführung des gerichtlichen Verfahrens nicht hin(reicht), um die beträchtlichen Verzögerungen auszugleichen, die im Vorverfahren bereits aufgetreten waren".[96] Bereits der Umstand, dass die Regierung " die in diesem Verfahrensabschnitt …", bevor die Anklageschrift angefertigt worden war, "… aufgetretenen Verzögerungen nicht hinreichend erklärt"[97] hatte, genügte dem EGMR im Ergebnis für die von ihm angenommene Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK. Hingegen sprach er sich weder für eine mögliche Kompensation von Verzögerungen in einem Verfahrensabschnitt durch besonders beschleunigt durchgeführte andere Verfahrensabschnitte aus, noch bejahte er eine mögliche Heilung von Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten durch eine jedenfalls insgesamt angemessene Verfahrensdauer.[98]

(4.) Das Kriterium der Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer

Hinsichtlich der Bedeutung des Falles für den Beschwerdeführer war im Fall Kudła einschlägig, dass der Beschwerdeführer "in Haft war und an schweren Depressionen litt".[99] An jene besonderen Umstände anknüpfend, betonte der EGMR ausdrücklich, dass dies von den Gerichten "besondere Sorgfalt (verlangte)".[100]

Darüber hinausgehende erklärende Ausführungen zum allgemeinen Bedeutungsgehalt jenes Beurteilungskriteriums oder etwa das Anführen von Beispielsfällen, um jenem Beurteilungskriterium für die Zukunft konkretere Konturen zu vermitteln, fanden sich aber weder im Fall Kudła noch im Fall Hennig.

Da die unverhältnismäßigen Verfahrensverzögerungen im Wesentlichen nicht dem Verhalten des Beschwerdeführers, sondern hauptsächlich den den Fall behandelnden Behörden zuzurechnen waren, kam der EGMR in den Fällen Kudła und Hennig zum Ergebnis einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK.[101]

II. Zusammenfassendes zu der vom EGMR gewählten Prüfungsreihenfolge und den Beurteilungskriterien zur Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer in Strafverfahren

Wie die nur beispielhaft herausgegriffenen Fälle Eckle, Kudła und Hennig ersichtlich machen, hat der EGMR sowohl eine spezielle zweistufige Prüfungsreihenfolge als auch bestimmte inhaltliche Beurteilungskriterien entwickelt, die er zur Bestimmung einer angemessenen Verfahrensdauer i.S. von Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK in nun-

mehr gefestigter Rechtsprechung heranzieht und die auch Gegenstand zahlreicher Besprechungen im Schrifttum wurden.[102]

Die dabei stets vorangehende Betonung des Gerichtshofs, dass auf jene Beurteilungskriterien "im Lichte der besonderen Umstände des Einzelfalles"[103] zurückzugreifen sei, findet nicht nur seine Entsprechung in dem Umstand, dass der EGMR keine abstrakten, d.h. vom konkreten Einzelfall losgelösten und absolut geltenden Zeitspannen für bestimmte Strafverfahren festgelegt hat.[104] Vielmehr macht jene Betonung der "Einzelfallbetrachtung"[105] deutlich, dass es nicht genügt, die bisher entwickelten Kriterien einfach in einer Art "mathematischem Schema" hintereinander durchzuprüfen, ohne den einschlägigen Fall mit seinen Besonderheiten insgesamt im Auge zu behalten. Der Gerichtshof verweist mithin von der Sache her darauf, die Beurteilungskriterien als, wenn auch notwendige Teilelemente der erforderlichen "einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung"[106] zu begreifen.[107]

Beschreibt der EGMR mit den vier Beurteilungskriterien, auf die er seit dem Fall König "in nunmehr unzähligen Fällen"[108] in unveränderter Weise zurückgreift, nun zwar eine prinzipiell konsistente Rechtsprechung, so schließt dies gleichwohl den Wunsch - wohl nicht nur der Verfasserin - nicht aus, dass jene bisher entwickelten inhaltlichen Vorgaben in Zukunft eine weitere erklärende wie klärende Ausgestaltung durch den Gerichtshof finden,[109] was sich insbesondere auf die bestehenden Unklarheiten und Widersprüche zwischen dem EGMR und der deutschen Rechtsprechung bezieht. Wie im abschließenden Gliederungspunkt dieser Besprechung (unter III.) noch darzustellen sein wird, wäre es insofern insbesondere für die Auflösung des unter III. B. dargestellten Widerspruchs zwischen der deutschen Rechtsprechung und der des EGMR hilfreich, wenn in der zukünftigen Spruchpraxis des Gerichtshofs der sich aus der Ratio des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK folgende übergeordnete, gemeinsame Funktionszusammenhang, in welchen die vier Beurteilungskriterien eingebettet sind, klarer herausgestellt werden würde.

III. Bestehende Widersprüche zwischen der Spruchpraxis des EGMR und der deutschen Rechtsprechung bei der Beurteilung einer Verletzung des Rechts auf Verfahrensbeschleunigung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK

Trotz mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des EGMR sind in der deutschen Rechtsprechung bis heute verschiedene Unklarheiten und Widersprüche bei der Beurteilung, ob das Recht auf Verfahrensbeschleunigung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verletzt sei, zu finden.

Wenn auch eine ausführliche Stellungnahme zu jenen Widersprüchen den Rahmen dieser Besprechung übersteigen würde, so verbindet sich mit der folgenden Darstellung dennoch die Hoffnung, einen Anstoß zu möglichen und erforderlichen Rechtsprechungskorrekturen geben zu können. Betont sei dabei vorweg, dass nicht nur das Bestehen dieser Widersprüche als solche bereits kritisch zu würdigen ist, sondern auch, dass in der deutschen Rechtsprechung an diesen Widersprüchen festgehalten wird, ohne die insofern gegenteiligen Ansichten des Gerichtshofs aufzugreifen und sich mit diesen ausführlich auseinanderzusetzen.

A. Die Frage einer möglichen Heilung durch eine "jedenfalls insgesamt angemessene Verfahrensdauer"

Wie bereits die nur beispielhaft aufgezeigten drei Fälle Eckle, Kudła und Hennig zeigten, knüpfte der EGMR für die Beurteilung einer Verletzung des Rechts auf Verfahrensbeschleunigung bereits an die unangemessene und nicht genügend gerechtfertigte Verzögerung eines einzelnen Verfahrensabschnitts an und sprach sich im Ergebnis weder für eine mögliche Kompensation von Verzögerungen in einem Verfahrensabschnitt durch besonders beschleunigt durchgeführte andere Verfahrensabschnitte aus, noch bejahte er eine mögliche Heilung von Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten durch eine jedenfalls insgesamt angemessene Verfahrensdauer.

Wenn der EGMR in anderen Urteilen für die Feststellung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK auch auf

die Unangemessenheit der Gesamtverfahrensdauer abstellte[110], so zeigen aber gerade solche Fälle wie Eckle, Kudła und Hennig, dass dem Gerichtshof für eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK die Unangemessenheit eines einzelnen Verfahrensabschnitts bereits genügt.

Im Widerspruch dazu hieß es in der Rechtsprechung des BGH, dass "die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 6 I 1 MRK … vielmehr voraus(setzt), dass die Sache insgesamt nicht in angemessener Frist verhandelt worden ist".[111] Das Schwergewicht damit auf die Gesamtverfahrensdauer legend, führte er dies bestätigend aus, dass eine "gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitts ... jedoch nicht zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (führt), sofern die angemessene Frist insgesamt nicht überschritten wird".[112] Der BGH hält damit eine Art kompensatorische Heilung von gewissen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten durch eine jedenfalls "insgesamt noch gerade akzeptable(n) Verfahrensdauer"[113] für möglich. Er setzt sich damit in deutlichen Widerspruch zum EGMR, welcher eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK eben bereits dann für gegeben hält, wenn sich die Dauer eines einzelnen Verfahrensabschnitts als unangemessen lang erwiesen hat, ohne dass dies durch eine jedenfalls insgesamt angemessene Verfahrensdauer geheilt werden könne.

Nicht nur, dass fraglich ist, wie eine Gesamtverfahrendauer noch angemessen sein soll, wenn sich die Dauer eines einzelnen Verfahrensabschnitts als notwendiger Bestandteil der Gesamtverfahrensdauer als unangemessen erwiesen hat, scheint der BGH von der Vorstellung auszugehen, dass es doch so etwas wie eine allgemein geltende, vielleicht durch Vergleich mit anderen Strafverfahren ermittelte, jedenfalls abstrakte Größe für die Bestimmung der Angemessenheit der Verfahrensdauer gibt, die dann mehr oder weniger versteckt als Messlatte und Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer in konkret zu entscheidenden Fall herangezogen wird. Dies widerspricht nun nicht nur dem Umstand, dass abstrakte und absolut geltende Zeitspannen für Strafverfahren als eine Art "mathematische Größe" nicht anzuerkennen sind, sondern verstößt darüber hinaus gerade gegen das, was der EGMR seiner Beurteilung einer Verletzung des Rechts auf Verfahrensbeschleunigung stets betonend voranstellt, nämlich dass für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer die besonderen Umstände und Konstellationen allein des konkret zu entscheidenden Falles ausschlaggebend sind.[114]

Hinzu kommt, dass der EGMR durch sein Abstellen auf die einzelnen Verfahrensabschnitte im Ergebnis einen höheren Maßstab als die deutsche Rechtsprechung an die Verpflichtung der Vertragsstaaten anlegt, ihre Rechtsordnung in einer solchen Weise zu organisieren, dass die nationalen Behörden ihrer Pflicht gerecht werden, Verfahren in angemessener Frist zu entscheiden.[115] Denn indem dem EGMR schon unangemessene Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten für eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK genügen, werden die in den jeweiligen Verfahrensabschnitten tätigen Behörden stärker in die Pflicht genommen, alles ihnen Mögliche und Zumutbare zur Vermeidung von Verzögerungen zu tun, während der BGH über den Umstand aufgetretener, durch das Verhalten der Behörden veranlasster Verzögerungen mit dem ihm genügenden Hinweis einer jedenfalls im Ergebnis ja noch insgesamt angemessenen Verfahrensdauer schlicht hinweggeht .[116]

Zu guter letzt sei kritisch angemerkt, dass es sich bei der Formulierung des BGH von der "gewissen" Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitts um eine schwammige, unbestimmte Formulierung handelt, mit der sich der BGH nicht nur einer klare Stellungnahme entzieht, ob die Dauer des betreffenden Verfahrensabschnitts nun für sich betrachtet noch als angemessen oder bereits als unangemessen anzusehen ist. Vielmehr lässt der BGH durch jene unbestimmte Formulierung seinen "heilenden" Lösungsansatz selbst insgesamt wieder vage und unbestimmt werden, da gerade offen bleibt, wie lang oder kurz eben jene "gewisse" Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitt zu sein hat, um noch von der heilenden Möglichkeit einer jedenfalls insgesamt angemessenen Verfahrensdauer erfasst zu werden.

B. Die "Schuld des Angeklagten" als weiteres Beurteilungskriterium für die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer?

Hingewiesen sei auf einen weiteren Widerspruch zur Spruchpraxis des EGMR, der sich bis heute in der deutschen Rechtsprechung wieder findet und dabei nicht nur die Tatbestandsseite der Feststellung, dass eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK vorliegt, betrifft, sondern sich auf der Rechtsfolgenseite bei den Konsequenzen, die eine Verletzung nach sich zieht, fortsetzt.[117] Eingegangen werden soll und kann an dieser Stelle nur auf den die Feststellung einer Verletzung des Rechts auf Verfahrensbeschleunigung betreffenden Widerspruch zwischen EGMR und deutscher Rechtsprechung, da eine zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgenseite differenzierende Aufarbeitung jener Widersprüchlichkeit den Rahmen vorliegender Besprechung übersteigen würde und zudem Gegenstand der vorliegenden Besprechung allein die Voraussetzungen für eine festzustellende Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK waren.

Mit jenem weiteren Widerspruch zu Spruchpraxis des EGMR ist die Frage angesprochen, ob und inwieweit die Schuld des Angeklagten ein weiteres Beurteilungskriterium für die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer darstellen könnte.

Obwohl sich in der Rechtsprechung des EGMR jenes Kriterium der "Schuld bzw. der Schuldschwere des Angeklagten" für die Beurteilung einer überlangen Verfahrensdauer nicht wieder findet, wird in Urteilen des BGH und der BVerfG jenes Kriterium neben den anderen, auch vom EGMR herangezogenen Kriterien genannt. So heißt es etwa, dass "weder die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK noch die Entscheidung darüber, in welcher Weise sich dieser Verstoß auf das Verfahrensergebnis auswirken muss, unabhängig von den Umständen des Einzelfalles, namentlich auch vom Maß der Schuld des Angekl. möglich ist"[118] bzw. dass "die Tatsache und das Gewicht des Verstoßes nur in einer Gesamtabwägung und mit Blick auf die dem Verfahren zugrundeliegende Beschuldigung und das Maß des Verschuldens bestimmt werden können".[119] Auch das BVerfG äußerte sich im Zusammenhang mit der Frage, "ob eine dem Grundgesetz widerstreitende Verfahrensverzögerung vorliegt, und bei der Bestimmung der daraus zu ziehenden Folgerungen"[120] in etwas vorsichtiger und abwägender Weise dahingehend, dass "zunächst jene Verfahrensverlängerungen, die durch Verzögerungen der Justizorgane verursacht worden sind, sodann die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeiten des Verfahrensgegenstandes sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des Verfahrens verbundenen Belastung des Beschuldigten"[121] zu berücksichtigen seien.

Natürlich würde man es sich zu einfach machen, nun allein aus der formalen Tatsache, dass der EGMR jenes Kriterium der "Schuld des Angeklagten" bisher in seine Überprüfung einer vorliegenden Verletzung des Art. 6 Abs.1 S. 1 EMRK nicht ausdrücklich einbezogen hat, zu schließen, dass schon deshalb die deutsche Rechtsprechung der des Gerichtshofs widerspreche.[122] Denn zum einen sprach sich der EGMR nicht ausdrücklich gegen die Anerkennung jenes "Schuldkriteriums" aus und zum anderen sprach er den von ihm bisher herangezogenen Beurteilungskriterien keinen abschließenden Charakter zu,[123] sondern betonte dessen Heranziehung als "Aspekte"[124] bzw. Teilelemente der ausschlaggebenden Einzelfallbetrachtung.

Dass dennoch ein Widerspruch zur Rechtsprechung des EGMR vorliegt, folgt vielmehr daraus, dass mit der "Schuld" bzw. "Schwere der Schuld" des Angeklagten ein Kriterium herangezogen wird, das dem speziellen Wesen bzw. der Eigenart, das bzw. die den vom EGMR entwickelten Beurteilungskriterien gemeinsam ist, von der Sache her nicht entspricht. Bereits Kempf - und dies aufgreifend Imme Roxin[125] - legte im Zusammenhang mit den Konsequenzen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK dar, dass es gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK verstoße, wenn für die Einstellung des Verfahrens als Folge einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK auf die Tatschuld abgestellt werde.[126] Ohne hier näher ausführen zu können, ob jene Begründung auch bereits für die Feststellung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK heranzuziehen und genügend ist, lässt sich der sachliche Widerspruch der deutschen Rechtsprechung zu der des EGMR jedoch aus einer nicht hinreichenden Beachtung der Ratio des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK im Zusammenhang mit dem Recht auf Verfahrensbeschleunigung ableiten. Jene Ratio des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK wiederum strahlt auf das Verständnis der einzelnen Beurteilungskriterien zur Bestimmung einer unangemessenen Verfahrensdauer aus, indem diese die einzelnen Beurteilungskriterien in einen gemeinsamen, übergeordneten Funktions- und Bedeutungszusammenhang stellt bzw. ihnen einen teleologischen Bezugsrahmen gibt, innerhalb dessen diese zu präzisieren sind.[127]

Der Rechtsprechung des EGMR[128] und der zutreffenden Formulierung des BGH von dem "in Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK kodifizierten Menschenrecht(s) auf eine rechtsstaatliche Behandlung und Entscheidung über die erhobene strafrechtliche Anklage innerhalb angemessener Frist"[129] entsprechend, heißt es auch im Schrifttum, dass "Ratio dieser Bestimmung ist …, die Dauer von Rechtsstreitigkeiten möglichst kurz zu halten und sie bald dem Rechtsfrieden zuzuführen".[130] Zudem sei jene Garantie der angemessenen Verfahrensdauer "Bestandteil des Gebots effizienten gerichtlichen Rechtsschutzes"[131] und erhöhe "die Glaubwürdigkeit und Effizienz der Gerichtsbarkeit".[132] Es geht im Strafverfahren darum, dass "der" Angeschuldigte und nicht der - erst im Anschluss an das Verfahren in einem dieses beendenden Urteil - "gering oder schwer schuldig Gesprochene" davor geschützt wird, "zu lange im Ungewissen über den Ausgang des Strafverfahrens"[133] bleiben zu müssen. Enthält Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK aber mit Blick auf die "effektive Gewährleistung der Konventionsrechte"[134] eine objektive Pflicht zu staatlichen, etwaige Verfahrensverzögerungen vermeidenden Beschleunigungsmaßnahmen und stellt zudem ein "Individualrecht"[135], ein "Menschenrecht auf Verfahrensbeschleunigung"[136] dar, müssen auch die Kriterien zur Beurteilung einer angemessenen Verfahrensdauer folglich streng und im engen Sinne "verfahrens-bezogen", nicht hingegen weitergehend auch "verfahrensergebnis-bezogen" verstanden werden.

Ohne vom EGMR nun ausdrücklich ausgesprochen oder gar problematisiert zu werden, ist sämtlichen der von ihm entwickelten Kriterien gerade jener spezielle Bezug auf den Prozess, den Ablauf des Verfahrens als solchen gemeinsam: Sowohl die Komplexität des Verfahrens, das Verhalten der Justizbehörden als auch das Verhalten des Beschwerdeführers werden vom EGMR in ihrer unmittelbaren und tatsächlichen Auswirkung auf den Ablauf und die Dauer des Verfahrens untersucht. Ebenso wird das Kriterium der Bedeutung des Falles für den Beschwerdeführer im Hinblick auf jenen direkten Wechselbezug zur Dauer des Verfahrens, nicht hingegen in Bezug auf das Ergebnis des Verfahrens geprüft.

Bei dem von der deutschen Rechtsprechung herangezogenen Kriterium der "Schuld/der Schwere der Schuld des Angeklagten" handelt es sich jedoch um etwas, was erst im Anschluss an das Verfahren rechtskräftig festgestellt wird, also zu einem Zeitpunkt, in dem das Verfahren selbst schon nicht mehr andauert. Die nachträgliche Feststellung einer "schweren oder leichten Schuld" des Angeklagten hat im Unterschied zu den Kriterien des EGMR keine direkte Auswirkung auf den Ablauf des Verfahrens mehr wie auch umgekehrt von einer kurzen oder langen Dauer des Strafverfahrens nicht die Feststellung einer leichten oder scheren Tatschuld des Angeklagten abhängt/abhängen darf. Die Heranziehung des Kriteriums der "Schuldschwere des Angeklagten" bedeutet im Ergebnis nicht anderes als der unzulässige Versuch einer nachträglichen Korrektur einer an sich festzustellenden unangemessenen Verfahrensdauer und damit einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK. Schon Imme Roxin stellte insofern zutreffend heraus, dass "die Schuld des Angeklagten … jedoch kein Gesichtspunkt (ist), der die Justizbehörden berechtigen würde, ein Verfahren besonders in die Länge zu ziehen und sich unnötige Verfahrensverzögerungen zu erlauben. Auch derjenigen Angeklagte, der verdächtigt wird, sich schwer schuldig gemacht zu haben, steht unter dem Schutz der MRK und des GG und hat einen Anspruch auf den Abschluß seines Verfahrens innerhalb angemessener Frist".[137]

Es geht bei der Verfahrensbeschleunigung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK nach der Ratio jener Bestimmung weder um Tatunrecht noch um Tatschuld des Angeklagten, sondern allein um eine Art "Verfahrens-Unrecht",[138] zu dessen Beurteilung folglich auch nur streng "verfahrensbezogene", nicht hingegen - in nachträglich korrigierender Weise - auch "verfahrensergebnisbezogene" Kriterien heranzuziehen sind. Nichts anderes macht von der Sache her auch der EGMR, wenn er für die Prüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK die von ihm entwickelten, mit dem Verfahrensablauf selbst in unmittelbarer Wechselbeziehung stehenden Einzelkriterien aufgreift und für die Feststellung eines Konventionsverstoßes auf das Ausmaß der dem Staat, den Justizorganen zuzurechnenden Verzögerungen abstellt.[139]

C. Schlussbemerkung

Für die Zukunft bleibt mithin eine verstärkt inhaltlich-teleologische Auseinandersetzung mit der Garantie der Verfahrensbeschleunigung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1

EMRK zu wünschen, so dass sich weitere Widersprüchlichkeiten zwischen der nationalen Rechtsprechung und der des EGMR vermeiden lassen. Mit der vorliegenden Besprechung verbindet sich die Hoffnung, dazu einen anregenden Beitrag geleistet zu haben.


[1] EGMR, Urt. v. 15. Juli 1982, Hans und Marianne Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371 ff.

[2] EGMR, Urt. v. 28. Juni 1978, Fall König, EuGRZ 1978, 406 ff.

[3] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 372 N 9.

[4] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 372 N 10, 378 N 61.

[5] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 372 N 10.

[6] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 79.

[7] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 372 - 375 N 11 - 36.

[8] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 375 - 377 N 37 - 56.

[9] Siehe dazu die weiteren Ausführungen bei der Fällen Kudła und Hennig sowie unter III. A.

[10] Vgl. beispielhaft aus der Vielzahl der Entscheidungen: Tomasi gegen Frankreich, EuGRZ 1994, 101, 105 N 123-125; Pretto gegen Italien, EuGRZ 1985, 548, 550 N 29-37; Pammel gegen Deutschland, EuGRZ 1997, 310, 314 N 43-73; Süßmann gegen Deutschland, EuGRZ 1996, 514, 518 N 31-62; Obermeier gegen Österreich, EuGRZ 1990, 209, 210 N 71-72.

[11] EGMR, Fall König, EuGRZ 1978, 406, 417 N 98.

[12] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 379 N 72-79.

[13] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 379 N 73.

[14] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 379 N 73.

[15] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 74.

[16] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 74.

[17] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 74.

[18] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 74.

[19] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 74.

[20] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 74.

[21] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 74.

[22] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 74.

[23] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 379 N 72, 380 N 75.

[24] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 76; EGMR, Fall König, EuGRZ 1978, 406, 417 N 98.

[25] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 78.

[26] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 77.

[27] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 77.

[28] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 79.

[29] EGMR, Fall König, EuGRZ 1978, 406, 417 N 99.

[30] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 80.

[31] Siehe dazu die folgenden Ausführungen bei der Darstellung des Kriteriums des "Verhaltens der Justizbehörden"; vgl. zudem die weiteren Ausführungen des EGMR zu jenen einzelnen Verfahrensabschnitten, EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 84, 382 N 92.

[32] Vgl. zu diesem Problem die näheren Ausführungen unter III. A..

[33] Vgl. beispielhaft aus der Vielzahl der Entscheidungen: Tomasi gegen Frankreich, EuGRZ 1994, 101, 105 N 123-125; Pretto gegen Italien, EuGRZ 1985, 548, 550 N 29-37; Pammel gegen Deutschland, EuGRZ 1997, 310, 314 N 43-73; Süßmann gegen Deutschland, EuGRZ 1996, 514, 518 N 31-62; Obermeier gegen Österreich, EuGRZ 1990, 209, 210 N 71-72.

[34] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 80; so bereits EGMR, Fall König, EuGRZ 1978, 406, 417 N 99.

[35] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 81; vgl. auch 381 N 89.

[36] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 81.

[37] Vgl. auch der Hinweis bei Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, 2003, S. 124: "Die Komplexität des Falles (sachverhaltsmäßig und rechtlich)".

[38] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 85.

[39] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 85.

[40] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 382 N 92.

[41] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 85, 382 N 92.

[42] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 85.

[43] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 382 N 92.

[44] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 84; 382 N 92.

[45] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 84; 381 N 84.

[46] Vgl. zu den weiteren Ausführungen zu jenen einzelnen Verfahrensabschnitten, EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 84, 382 N 92.

[47] Vgl. zu diesem Problem die näheren Ausführungen unter III. A..

[48] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 82.

[49] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 90.

[50] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 82.

[51] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 N 82.

[52] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 380 f. N 82.

[53] EGMR, Fall König, EuGRZ 1978, 406, 420 N 111.

[54] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 86, ebenso 382 N 93.

[55] EGMR, Fall König, EuGRZ 1978, 406, 419 N 105.

[56] EGMR, Fall König, EuGRZ 1978, 406, 419 N 105: ohne das der EGMR "dabei der einen oder der anderen Handlung des Gerichts eine entscheidende Bedeutung beimißt."

[57] EGMR, Eckle gegen Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 1983, 371, 381 N 88, 382 N 95 sowie rechte Spalte.

[58] EGMR, Urt.v. 26.10.2000 - 30210/96, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694 ff.

[59] Zur ausführlichen Sachverhaltsdarstellung vgl. EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2694.

[60] Gegenstand der vorliegenden Besprechung zum Recht auf Verfahrensbeschleunigung ist allein die Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK (im ersten Teil) sowie des Art. 13 EMRK mit der insofern geänderten Rechtsprechung des EGMR (im zweiten Teil).

[61] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2698 N 132 mit weiteren Ausführungen.

[62] EGMR, Urt.v. 2. Oktober 2003, Beschwerde Nr. 41444/98, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177 ff.

[63] Zur ausführlichen Sachverhaltsdarstellung, vgl. EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 178 N 9-27.

[64] Vgl. beispielhaft aus der Vielzahl der Entscheidungen: Tomasi gegen Frankreich, EuGRZ 1994, 101, 105 N 123-125; Pretto gegen Italien, EuGRZ 1985, 548, 550 N 29-37; Pammel gegen Deutschland, EuGRZ 1997, 310, 314 N 43-73; Süßmann gegen Deutschland, EuGRZ 1996, 514, 518 N 31-62; Obermeier gegen Österreich, EuGRZ 1990, 209, 210 N 71-72.

[65] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 119.

[66] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 178 N 32 mit weiteren Ausführungen.

[67] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 178 N 32.

[68] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 120.

[69] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 121.

[70] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 122.

[71] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 122.

[72] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 123; vgl. auch 2696 N 103.

[73] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 123; vgl. zu Besonderheiten bei der Berechnung der Verfahrensdauer auch Kühne, StV 2001, 529, 530 linke Spalte.

[74] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 124.

[75] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 124.

[76] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 178 N 31; vgl. auch EGMR, Urt. v. 31. Mai 2001, Metzger gegen Deutschland, StV 2001, 489, 490 N 36, wo jedoch auf das vierte Kriterien der Bedeutung der Sache nicht hingewiesen wurde.

[77] Siehe dazu unter III. A. und B.

[78] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 179 N 34.

[79] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 179 N 38.

[80] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 130.

[81] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 178 N 33.

[82] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 178 N 33.

[83] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 179 N 37.

[84] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 178, 179 N 33.

[85] Vgl. z.B. EGMR, Süßmann gegen Deutschland, EuGRZ 1996, 514, 519 N 55.

[86] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 179 N 38.

[87] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 130.

[88] Siehe unter (3.) Das Kriterium des Verhaltens der zuständigen Behörde bei der Behandlung des Falles.

[89] Vgl. auch EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 179 N 38, wo die Verzögerung hauptsächlich den Behörden, nicht aber dem Beschwerdeführer zugerechnet wurde.

[90] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697 N 130, vgl. auch N 129.

[91] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2698 N 130.

[92] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2698 N 130.

[93] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2698 N 130.

[94] Hinzu kommt, dass sich im Fall Kudła eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht aus einer unangemessenen Gesamtverfahrensdauer, sondern nur aus unangemessenen einzelnen Verfahrensabschnitten ergeben konnte, weil aufgrund der Fortdauer des noch nicht beendeten Verfahrens eine Bewertung des Gesamtverfahrens noch nicht möglich war; vgl. EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2698 N 120 ff.; darauf weist auch Gaede hin, wistra wistra 2004, 166, 169.

[95] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 179 N 36.

[96] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 179 N 36

[97] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 179 N 35; vgl. auch das ablehnende Sondervotum des Richters Vajic, wistra 2004, 177, 179 rechte Spalte, in dem es heisst, dass der EGMR "hinsichtlich dieses Teils des Strafverfahrens" - gemeint sind die 11 Monate für die Vorbereitung eines schriftlichen Urteils von 12 Seiten - keine Verletzung angenommen hat; auch hier wird damit ein einzelner Verfahrensabschnitt erwähnt, nicht aber die Gesamtverfahrensdauer.

[98] Vgl. dazu auch deutlich Burhoff, HRRS (2/2005), 52, 54, Checkliste 1, Punkt 7.

[99] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2698 N 130.

[100] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2698 N 130.

[101] EGMR, Kudła gegen Polen, NJW 2001, 2694, 2697, 2698 N 130, 131; EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 179 N 38.

[102] Zur näheren Darstellung der Prüfungsweise des EGMR und der herangezogenen Beurteilungskriterien zur Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer vgl. etwa Paeffgen, in: SK/StPO, 35.Aufbau-Lfg. (Januar 2004), Art. 6 EMRK Rdn. 116 ff; Kühne, StV 2001, 529 ff.; Wohlers/Gaede, NStZ 2004, 9 ff.; Gaede, wistra 2004, 166 ff.; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 2005, § 24 N 68 ff.; Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, 2003, S. 123 ff.; Meyer-Ladewig, EMRK-Handkommentar, 2003, Art. 6 N 71 ff; Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1999, § 20 N 452 ff.; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, 1996, Art. 6 N 136 ff.; Haefliger/Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 1999, S. 199 ff.; Donatsch, in: Thürer/Weber/Zäch (Hrsg.), Aktuelle Fragen zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Zürich 1994, S. 69 ff.; Ress, in: Grundfragen staatlichen Strafens, Festschrift für Heinz Müller-Dietz, 2001, 627 ff.

[103] EGMR, Hennig gegen Österreich, wistra 2004, 177, 178 N 31.

[104] Darauf verweisen z.B. Grabenwarter (Fn.102), § 24 N 70; Meyer-Ladewig (Fn.102), Art. 6 N 77; Kühne, StV 2001, 529, 530; Gaede, wistra 2004, 166, 169.

[105] Grabenwarter, § 24 N 69.

[106] Gaede, wistra 2004, 166, 168; vgl. auch Villiger (Fn. 102), § 20 N 453: "relatives Konzept".

[107] Zuzustimmen ist Grabenwarter, § 24 N 70, wonach "die konkrete Konstellation des Einzelfalls" ausschlaggebend sei, die vier Beurteilungskriterien "für sich jedoch keine Messlatte" bilden.

[108] Gaede, wistra 2004, 166, 169 Fn. 52; vgl. auch Villiger (Fn. 102), § 20 N 459: "unverändert in nunmehr tausenden von Fällen".

[109] Siehe auch die Ausführungen von Kühne in der Anmerkung zum Fall Eckle gegen Deutschland, EuGRZ 1983, 382 ff. zu in jenem Urteil seiner Ansicht nach offen gelassenen Fragen bez. der Wiedergutmachung von Verfahrensverzögerungen.

[110] Vgl. z.B. EGMR, Obermeier gegen Österreich, EuGRZ 1990, 209, 210 f. N 72; darauf verweist auch Grabenwarter (Fn. 102), § 24 N 70.

[111] BGH, Beschl.v.18.4.2002, NStZ-RR 2002, 219.

[112] BGH, Beschl. v.11.5.2004, wistra 2004, 339; ebenso bereits BGH, NStZ-RR 2002, 219: "eine gewisse Untätigkeit innerhalb eines einzelnen Verfahrensabschnitts (führt) dann nicht zu einer Verletzung des Art. 6 I 1 MRK …, wenn dadurch die Gesamtdauer des Verfahrens nicht unangemessen lang wird".

[113] Ress (Fn. 102), S. 645, der ebenfalls auf dieses "immer wiederkehrende(s) Problem" hinweist; vgl. auch den deutlichen Hinweis bei Burhoff, HRRS (2/2005), 52, 54, Checkliste 1., Punkt 7 und die ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik mit weiteren Nachweisen auf Schrifttum und Rechtsprechung bei Gaede, wistra 2004, 166, 171 f., der sich dafür ausspricht, dass die angemessene Verfahrensdauer "letztlich nach der Ratio auf das einzelne Verfahren und dabei auf die Fortführungsentscheidungen in den einzelnen Verfahrensstadien" zu beziehen ist; vgl. ebenso den zuzustimmenden Ausführungen bei Grabenwarter (Fn. 102), § 24 N 70, wonach der EGMR in einer pauschalen Beurteilung eine Verletzung annimmt, wenn sich diese aus der Gesamtverfahrensdauer ergibt, andererseits auf die Beurteilung des Verfahrens insgesamt verzichtet, wenn ein bestimmter Verfahrensabschnitt zu lang dauerte; dies bestätigte sich in dem Fall Obermeier gegen Österreich, EuGRZ 1990, 209, 210 f. N 72 einerseits und den oben angeführten Leitfällen Eckle, Kudła und Hennig andererseits; siehe auch Kühne, StV 2001, 529, 530, wonach sich der EGMR "zwei(er) Techniken" bediene.

[114] Dies ebenso hervorhebend, Gaede, wistra 2004, 166, 172 sowie Grabenwarter (Fn. 102), § 24 N 70.

[115] Dieser Umstand findet sich von der Sache auch in der geänderten Rechtsprechung des EGMR zum Verhältnis des Art. 6 EMRK zu Art. 13 EMRK wieder, vgl. dazu die Ausführungen im zweiten Teil dieser Besprechung.

[116] Vgl. auch schon Gaede, wistra 2004, 166, 172, 174.

[117] Dies ebenso herausstellend, I. Roxin, StV 2001, 490, 491f.

[118] BGH, Urt.v. 25.10.2000, StV 2001, 89, 92.

[119] BGH, Urt.v. 25.10.2000, StV 2001, 89, 91.

[120] BVerfG, Beschl.v. 19.4.1993, StV 1993, 352, 353.

[121] BVerfG, Beschl.v. 19.4.1993, StV 1993, 352, 353; vgl. zu weiteren Entscheidungen: BVerfG, NJW 1984, 967; NJW 1992, 2472; NJW 1995, 1277.

[122] Jenen Umstand, dass der EGMR auf die Schuld des Angeklagten in seinen Entscheidungen nicht abstellte, hingegen hervorhebend, I. Roxin, StV 2001, 490, 491.

[123] Vgl. auch Gaede, wistra 2004, 166, 169 Fn. 52: der EGMR lege sich "nicht darauf fest, dass die vier Kriterien abschließend sind …", unter Betonung, dass es "… (G)leichwohl … tatsächlich die Kriterien (sind), von denen er in nunmehr unzähligen Fällen ausgegangen ist"; vgl. auch Villiger (Fn. 102), § 20 N 459.

[124] Grabenwarter (Fn. 102), § 24 N 70.

[125] I.Roxin, StV 2001, 490, 492.

[126] Kempf, StV 2001, 134, 135 f.

[127] Vgl. auch Gaede, wistra 2004, 166, 168, 171.

[128] Vgl. EGMR, Urt. v. 10.11.1969, Stögmüller gegen Österreich, Serie A 9, § 5: " its aim is to protect them against excessive procedural delays; in criminal matters, especially, it is design to avoid that a person charged should remain too long in a state of uncertainty about his fate"; EGMR, Urt. v. 27.6.1968, Wemhoff gegen Deutschland, Serie A 7, § 18: " the precise aim of this provision in criminal matters is to ensure that accused persons do not have to lie under a charge for too long"; vgl. zudem EGMR, Urt. v. 12.7.1988, Schenk gegen Schweiz, Serie A 140, §§ 45, 46; EGMR, Urt. v. 12.5.2000, Khan gegen Großbritannien, Nr. 35394/97, § 34; EGMR, Urt. v.18.2.1999, Beer u. Regan gegen Deutschland, Nr. 28934/95, § 44.

[129] BGH, Urt. 25.10.2000, StV 2001, 89, 92.

[130] Villiger (Fn. 102), § 20 N 452; ebenso Peters (Fn. 102), S. 123.

[131] Grabenwarter (Fn. 102), § 24 N 68.

[132] Villiger (Fn. 102), § 20 N 452; siehe auch Peters (Fn. 102), S. 123.

[133] Villiger (Fn. 102), § 20 N 452; ebenso Grabenwarter (Fn. 102), § 24 N 68.

[134] Grabenwarter (Fn. 102), § 24 N 71.

[135] Grabenwarter (Fn. 102), § 24 N 71.

[136] Gaede, wistra 2004, 166, 166; vgl. auch S. 168: "Recht auf Verfahrensbeschleunigung".

[137] I.Roxin, StV 2001, 490, 491.

[138] Vgl. auch im Zusammenhang mit den Konsequenzen einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, Kempf, StV 2001, 134, 135: "Verfahrensunrecht überlanger Verfahrensdauer" unter Hinweis auf Hillenkamp, JR 1975, 133 und NJW 1989, 2841.

[139] I.Roxin, StV 2001, 490, 491 f.; vgl. auch Kempf, StV 2001, 134, 135 bezüglich der Konsequenzen einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK.