HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2005
6. Jahrgang
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IV. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

536. BGH 5 StR 36/05 - Urteil vom 12. Mai 2005 (LG Stuttgart)

BGHR; Steuerhinterziehung (fehlender Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung bei Gefährdung des Steueraufkommens in einem anderen Mitgliedstaat der EU; richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Strafrechts und Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; rechtsgutsbezogene Auslegung; redaktioneller Hinweis).

§ 4 Nr. 1 lit. b UStG; § 6a Abs. 3 UStG; § 370 Abs. 1 AO; Art. 6 II EUV

1. Das Fehlen eines Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung führt jedenfalls dann nicht zu einer Steuerbefreiung, wenn dadurch das Steueraufkommen in einem anderen Mitgliedstaat der EU gefährdet wird. (BGHR)

2. Bei der richtlinienkonformen Auslegung im Strafrecht ist der auch gemeinschaftsrechtlich geltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. (Bearbeiter)


Entscheidung

548. BGH 5 StR 283/04 - Urteil vom 12. Mai 2005 (LG Berlin)

BGHR; erhebliche Umstände im Sinne des § 264a Abs. 1 StGB (Bedeutung für einen durchschnittlichen Anleger nach den Erwartungen des Kapitalmarkts; Vorsatz); Betrugsvorsatz bei Kreditgewährungen (Eventualvorsatz); Vortragspflicht gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (Zulässigkeit der Verfahrensrüge der Staatsanwaltschaft: selektives Vorgehen bei möglicherweise entlastenden Unterlagen); Beweiswürdigung.

§ 264a Abs. 1 StGB; § 263 StGB; § 15 StGB; § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; § 261 StPO

1. Erhebliche Umstände im Sinne des § 264a Abs. 1 StGB sind nur solche Gesichtspunkte, die nach Art des Geschäfts für einen durchschnittlichen Anleger von Bedeutung sein können; maßgeblich sind dabei die Erwartungen des Kapitalmarkts. (BGHR)

2. Die Erheblichkeit eines anlagerelevanten Umstands ist ein normatives Tatbestandsmerkmal, bezüglich dessen ein Täter nicht nur die tatsächlichen Umstände kennen, sondern zugleich die rechtliche Wertung der Erheblichkeit nachvollziehen muss, um vorsätzlich zu handeln. (Bearbeiter)

3. Bei komplexen Entscheidungsprozessen kann gerade im Zusammenhang mit Kreditgewährungen bei der Prüfung der insoweit allein in Betracht kommenden Vorsatzform des "dolus eventualis" nicht allein auf die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts abgestellt werden. Maßgeblich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls, bei denen insbesondere die Motive und die Interessenlage der Angeklagten zu beachten sind (BGHSt 46, 30, 34 f.; 48, 331, 346 ff.). (Bearbeiter)


Entscheidung

501. BGH 3 StR 112/05 - Beschluss vom 21. April 2005 (LG Oldenburg)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln; Feststellung von Teilmengen (Eigenverbrauch; Weiterverkauf).

§ 29 BtMG; § 29a BtMG

Die rechtliche Einordnung von Betäubungsmittelerwerbsvorgängen mit unterschiedlicher Zweckbestimmung - teilweise Weiterveräußerung, teilweiser Eigenverbrauch - richtet sich nach den jeweiligen Einzelmengen, so dass die Teilmengen und ihre Wirkstoffgehalte - notfalls unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung - festzustellen sind. Denn bei einer nicht geringen Handelsmenge liegt Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG vor. Ist auch die restliche Eigenverbrauchsmenge nicht gering, ist Tateinheit mit Besitz einer nicht geringen Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegeben, bei einer darunterliegenden Eigenverbrauchsmenge dagegen Tateinheit mit Erwerb nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG.