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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2005
6. Jahrgang
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Bei einem unbeendeten Versuch muss der Verzicht auf weitere unerkannt untaugliche Versuche zur Straffreiheit entsprechend § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB führen, da sonst der gefährlichere Täter, der auf tatsächlich taugliche weitere Tatanläufe verzichtet, sachwidrig bevorzugt würde.
1. Voraussetzung für die Tateinheit infolge Klammerwirkung ist, dass die Ausführungshandlungen zweier an sich selbständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und dass zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbständigen Delikte und dem sie verbindenden Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht oder die verklammernde Tat die schwerste ist.
2. Der Wertevergleich ist nicht nach einer abstrakten generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen (vgl. BGHSt 33, 4 f.). Gegenüber Morden mit der absoluten Strafandrohung des § 211 Abs. 1 StGB ist die versuchte räuberische Erpressung mit Todesfolge nicht annähernd wertgleich.
3. Eine natürliche Handlungseinheit liegt dann vor, wenn mehrere, im wesentlichen gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so miteinander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden auch für einen Dritten als einheitliches Geschehen darstellt (vgl. BGHSt 10, 230, 231). Ausnahmsweise kann eine natürliche Handlungseinheit auch dann vorliegen, wenn es um die Beeinträchtigung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen geht (vgl. BGH NJW 1985, 1565; BGH NStZ 2001, 219, 220); sie ist dann anzunehmen, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene.
1. Ist eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden, so ist ein Härteausgleich wegen der nicht mehr möglichen Gesamtstrafenbildung wie bei einer vollstreckten Freiheitsstrafe zu gewähren, da der Angeklagte durch die Verbüßung einen Nachteil erlitten hat. Dem steht nicht entgegen, dass bei einer gemeinsamen Aburteilung aller Taten möglicherweise neben der Freiheitsstrafe gesondert auf Geldstrafe hätte erkannt werden können.
2. Jeder Mittäter haftet für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht. Ein Exzess der anderen fällt ihm nicht zur Last (vgl. BGHSt 36, 231, 234). Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seines Tatgenossen gleichgültig ist.
3. Die Steigerung des Vorsatzes von bedingtem Vorsatz zur Absicht bei einem Mittäter hindert die Zurechnung des Erfolges zu einem nur bedingt vorsätzlichen handelnden anderen Mittäter nicht, sofern die Vorsatzänderung nicht auch zu einer vom lediglich bedingt vorsätzlich handelnden Mittäter nicht mehr vorgestellten Qualität der tatbestandlichen Ausführungshandlungen führt.
1. Auf die vom Großen Senat für Strafsachen im Wege verfassungskonformer Rechtsanwendung eröffnete Möglichkeit, anstatt der an sich verwirkten lebenslangen Freiheitsstrafe eine Strafe aus dem in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestimmten Strafrahmen zuzumessen, darf nicht voreilig ausgewichen werden (BGH NStZ 2003, 482; 484; NStZ 1984, 20).
2. Vielmehr kann das Gewicht des Mordmerkmals der Heimtücke nur durch Entlastungsfaktoren, die den Charakter außergewöhnlicher Umstände haben, so verringert werden, dass jener Grenzfall eintritt, in welchem die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe trotz der Schwere des tatbestandsmäßigen Unrechts wegen erheblich gemilderter Schuld unverhältnismäßig wäre (vgl. BGH NStZ 1982, 69). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Tatrichter aufgrund einer umfassenden Würdigung der Tat sowie der zu ihr hinführenden Umstände zu prüfen (BGH NStZ 1982, 69; BGH NStZ 1984, 20; BGHR StGB § 211 Abs. 1 Strafmilderung 2 und 3).
3. Die Rechtsfolgenlösung des BGH hat nicht allgemein einen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle eingeführt. Die in dem Beschluss entwickelten Grundsätze für die Anwendung des gemilderten Strafrahmens betreffen nur solche Fälle, in denen das Täterverschulden soviel geringer ist, dass die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe das verfassungsrechtliche Gebot schuldangemessenen Strafens missachten würde. Es müssen schuldmindernde Umstände besonderer Art vorliegen, die in ihrer Gewichtung gesetzlichen Milderungsgründen vergleichbar sind (vgl. BGH NStZ 1984, 20).
1. Die Aufgabe des Willens, ein Gebäude weiter zu bewohnen, durch sämtliche Bewohner nimmt dem Tatobjekt einer Brandstiftung auch dann die von § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorausgesetzte Zweckbestimmung, zur Wohnung von Menschen zu dienen, wenn die Bewohner nicht Eigentümer, sondern nur berechtigte unmittelbare Fremdbesitzer sind (vgl. BGH 2 StR 475/92, Beschluss vom 10. Februar 1992).
2. Darauf, ob ein die Zweckbestimmung eines Wohngebäudes aufgebender Nutzer das Gebäude für den Fall des Fehlschlagens der Brandlegung weiter bewohnen will, kommt es für die Frage der Entwidmung nicht an.
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist, entgegen einer in der Literatur vertretenen einschränkenden Auslegung auch zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands des § 306 b Abs. 2 Nr. 2, 1. Var. StGB nicht erforderlich, dass die zu ermöglichende andere Straftat gerade unter Ausnutzung der spezifischen situativen Auswirkungen des Brandes begangen werden soll. Ausreichend ist vielmehr auch die Absicht, nach Beendigung des Brandes einen Betrug zum Nachteil der Brandversicherung zu begehen (vgl. BGHSt 45, 211, 216 ff.; NStZ 2000, 197, 198; NJW 2000, 3581).
Kommen bei der Prüfung der subjektiven Mordmerkmale verschiedene, möglicherweise zusammenwirkende Motive des Täters in Betracht (sogen. Motivbündel), hat der Tatrichter sämtliche wirkmächtige Elemente in seine Würdigung einzubeziehen. Entscheidend ist, ob der leitende, die Tat prägende Handlungsantrieb für sich betrachtet die Voraussetzungen erfüllt, also "niedrig" ist oder auf Verdeckung einer Straftat gerichtet ist. Für den Tatrichter stellt sich damit die Aufgabe, bei mehreren Zielen und Anlässen der Tat das bewusstseinsdominante Motiv festzustellen. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Verdeckungsmord anerkannt, dass auch die Absicht, durch Tötung eine Entdeckung früherer Straftaten zu vermeiden, mit anderen Beweggründen zusammenfallen kann; sie muss aber für sich gesehen Triebfeder des Täterhandelns sein (BGH MDR bei Dallinger 1976, 15; MDR bei Holtz 1984, 276).
Der Täter muss die Mordmerkmale subjektiv in ihren tatsächlichen Voraussetzungen erfassen. Bei der Prüfung der niedrigen Beweggründe gehört dazu, dass er die Umstände kennt und mit seinem Bewusstsein erfasst, welche die Bewertung seines Handlungsantriebes als niedrig begründen. Die rechtliche Bewertung der Handlungsantriebe als niedrig braucht der Täter hingegen nicht vorzunehmen oder nachzuvollziehen, er muss nur zu einer zutreffenden Wertung überhaupt in der Lage sein. Soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen (wie Wut, Hass oder Zorn) als Handlungsantriebe in Betracht kommen, muss der Täter diese auch gedanklich beherrschen und mit seinem Willen steuern können.