HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

August 2003
4. Jahrgang
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IV. Nebenstrafrecht, Haftrecht und Jugendstrafrecht


Entscheidung

BGH 3 StR 61/02 - 3 StR 243/02 - Beschluss vom 10. Juli 2003

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Vollendung; Versuch; Vorbereitung; Erwerbsverhandlungen; Anfrageverfahren; Neuorientierung an der gesetzlichen Bestimmtheit; Schuldgrundsatz; Idee der Gerechtigkeit; Gebot der verhältnismäßigen Abstufung staatlichen Strafens); Divergenzvorlage.

§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG

1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Für die Annahme vollendeten Handeltreibens reichen auch ernsthafte Verhandlungen über den Erwerb von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln nicht aus, solange über den Ankauf keine Einigung mit dem Lieferanten erzielt wird.

2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fällt unter das Handeltreiben jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit. Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob es zu eigenen Umsatzgeschäften oder auch nur zur Anbahnung bestimmter Geschäfte gekommen ist; auch der Besitz an dem zum Umsatz vorgesehenen Rauschgift ist nicht vorausgesetzt. Es reicht selbst eine einmalige, gelegentliche oder vermittelnde Tätigkeit aus (st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 239 f.;. 30, 359, 361; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28, 29, 31, 41, 50; BGH NStZ 2000, 207 f.). Nach der Rechtsprechung aller Senate reichen für die Annahme vollendeten Handeltreibens ernsthafte Verhandlungen über den Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln aus, sofern nur das Stadium allgemeiner Anfragen verlassen ist.

3. Die durch den Senat zu entscheidenden Fälle geben Anlass, die Abgrenzung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu überprüfen.

4. Nach dem das Strafrecht wesentlich bestimmenden Schuldgrundsatz sind - gemessen an der Idee der Gerechtigkeit - Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abzustimmen (vgl. BVerfGE 50, 205, 214 f.).

5. Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet seinem unmittelbaren Regelungsinhalt nach den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen. Die Vorschrift will neben der Bindung der Rechtsprechung an die Gesetze vor allem auch sicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist (vgl. BVerfGE 92, 1, 12). Dieses Anliegen ist nach Möglichkeit auch bei der obergerichtlichen Auslegung von Straftatbeständen zu berücksichtigen. Ihm wird jedoch die bisherige Definition des Handeltreibens nur unzureichend gerecht.

6. Dem Senat erscheint bei der Bestimmung des Begriffs des Handeltreibens die Schaffung eines Katalogs von handelstypischen Tätigkeiten, der Handlungen im Vorfeld, ausgesprochene Hilfstätigkeiten und nachfolgende Geldtransaktionen ausspart, am ehesten geeignet, die berechtigten kriminalpolitischen Ziele mit dem Erfordernis einer einschränkenden Auslegung in Einklang zu bringen.


Entscheidung

BGH 5 StR 160/03 - Beschluss vom 19. Juni 2003 (LG Hamburg)

BGHR; gewerbsmäßiger / bandenmäßiger Schmuggel (Konkurrenzen zur gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370a AO alter Form; Gesetzeseinheit; Steuerverkürzung "in großem Ausmaß"; minder schwerer Fall); Steuerverkürzung bei Einfuhrdelikten durch Abgabe inhaltlich falscher Anmeldungen bei der zollamtlichen Abfertigung (Versuchsbeginn mit der Vorlage der wahrheitswidrigen - weil unvollständigen - Zollanmeldung; unmittelbares Ansetzen); mildestes Gesetz (lex mitior); Verabredung zur Begehung eines Verbrechen.

§ 370a n.F. AO; § 370a a.F. AO; § 373 AO; § 22 StGB; § 2 Abs. 3 StGB; § 52 StGB; § 30 Abs. 2 StGB

1. Der gewerbs- und bandenmäßige Schmuggel nach § 373 AO stellt gegenüber § 370a AO a.F. die speziellere Norm dar. (BGHR)

2. Soll bei Einfuhrdelikten die beabsichtigte Steuerverkürzung durch Abgabe inhaltlich falscher Anmeldungen bei der zollamtlichen Abfertigung bewirkt werden, so beginnt der Versuch erst mit der Vorlage der wahrheitswidrigen - weil unvollständigen - Zollanmeldung. (BGHR)

3. Bei der Ermittlung des milderen Rechts im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB kommt es maßgebend darauf an, welche Regelung in dem zu entscheidenden Einzelfall nach dessen besonderen Umständen die den Täter schonendere Beurteilung gestattet (vgl. BGHSt 20, 74, 75). (Bearbeiter)

4. Gesetzeseinheit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 31, 380 m. w. N.) dann vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfasst wird. Maßgebend für die Beurteilung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muß eine - wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige - Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestandes sein. (Bearbeiter)

5. Es bleibt offen bleiben, ob der Vorrang des § 373 AO auch im Verhältnis zum neugefassten § 370a AO gilt oder ob durch das zusätzliche Tatbestandsmerkmal des "großen Ausmaßes" nunmehr diese Norm zum spezielleren Tatbestand wird, weil das Merkmal der Einfuhrabgaben dadurch enger gefasst wird. (Bearbeiter)

6. Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung strafloser Vorbereitungshandlungen vom strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Gefährdungshandlungen vor, die nach der Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (BGH NStZ 1989, 473). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (st. Rspr., vgl. BGHSt 48, 34, 35 f. m. w. N.). Dabei ist im Einzelfall bei der Abgrenzung in wertender Betrachtung auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen. (Bearbeiter)

7. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass bei steuerlichen Einfuhrdelikten - anders als bei Betäubungsmitteldelikten (vgl. BGHSt 31, 252, 253 f.) - die Verbringung von zoll- und verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den Freihafen selbst dann noch nicht als versuchte oder sogar vollendete Hinterziehung von Einfuhrabgaben zu werten ist, wenn der Täter plant, die Waren zu einem späteren Zeitpunkt mit falschen Zollanmeldungen in das Gemeinschaftsgebiet weiterzubefördern. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 5 StR 520/02 - Urteil vom 22. Mai 2003 (LG Limburg a. d. Lahn)

BGHR; Steuerhinterziehung (Steuerverkürzungsabsicht; Geltendmachung von Vorsteuer aus Rechnungen von Personen, die nicht Unternehmer sind; Unternehmerbegriff / Scheingeschäfte; Möglichkeiten der Mittäterschaft); Beweiswürdigung (Gesamtwürdigung; Einlassung des Angeklagten); Tat im prozessualen Sinne; Untreue bei einer GmbH durch den Alleingesellschafter.

§ 266 StGB; § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; § 2 Abs. 1 UStG; § 25 Abs. 2 StGB; § 261 StPO; § 264 StPO

1. Eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begeht, wer in Steuerverkürzungsabsicht Vorsteuer aus Rechnungen geltend macht, die von Personen gestellt werden, die nicht Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG sind. (BGHR)

2. Keine Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne sind Personen, die von ihnen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht gegenüber dem Finanzamt anmelden sollen, und die lediglich zu diesem Zweck in der Lieferkette vorgeschaltet wurden. (BGHR)

3. Eine Mittäterschaft bei Steuerhinterziehungen Dritter nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist grundsätzlich möglich: Täter kann auch derjenige sein, den selbst keine steuerlichen Pflichten treffen (BGHSt 38, 37, 41). Etwas anderes gilt aber für den echten Unterlassenstatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Täter kann deshalb nur derjenige sein, den die konkrete Pflicht zur Abgabe der Steueranmeldung trifft. (Bearbeiter)

4. Unternehmer ist grundsätzlich derjenige, der nach außen als Leistender aufgetreten und aus dem Rechtsverhältnis berechtigt und verpflichtet ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn ein vorgeschobenes Strohmanngeschäft vorliegt und die Parteien davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen eintreten sollen (BFHE 198, 208, 213). Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Strohmann und der Dritte kollusiv handeln. (Bearbeiter)

5. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für den Alleingesellschafter anerkannt, dass dieser ohne weiteres Vermögenswerte aus der GmbH ziehen kann. Eine Grenze besteht insoweit, als das Stammkapital nicht beeinträchtigt und insbesondere keine Existenzgefährdung der Gesellschaft hierdurch herbeigeführt werden darf (BGHSt 9, 203, 216; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 23, 37, 45). Dies gilt im übrigen auch dann, wenn bei einer mehrgliedrigen Kapitalgesellschaft sämtliche Gesellschafter einvernehmlich handeln, selbst wenn die Entnahmen zum Zwecke der Steuerhinterziehung verschleiert werden (BGHSt 35, 333, 336 f.; BGH NJW 2000, 154, 155). (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 5 StR 489/02 - Urteil vom 18. Juni 2003 (LG Bochum)

BGHR; Verjährung (Beendigung der Bestechung durch Versprechen eines Vorteils; Verfolgungsverzicht); Angestelltenbestechung (Bestechung im geschäftlichen Verkehr); Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch objektiv neutrale Handlung (Erstreckung auf nicht berufstypische Handlungen; Tipp; Beihilfevorsatz; Konkretisierung der Förderung / der Erleichterung); zugelassene Anklage (Tat im prozessualen Sinne bei der Bestechung); Strafantrag (Nachholung der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses im Revisionsverfahren); Hinweispflicht (sicherer Ausschluss der wirksameren Verteidigung; Beruhen); Untreue (Einverständnis; Vermögensbetreuungspflicht; GmbH: konkrete Existenzgefährdung; Stammkapital; Kommanditgesellschaft; GmbH & Co KG); wirksame Selbstanzeige.

§ 371 AO; § 266 StGB; § 301 StGB; § 27 StGB; § 78a StGB; § 299 StGB; § 370 AO; § 264 StPO; § 265 StPO

1. Zur Beendigung der Bestechung durch Versprechen eines Vorteils. (BGHR)

2. Zur Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch objektiv neutrale Handlung. (BGHR)

3. Nach § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung, sobald die Tat beendet ist. Die Beendigung der Tat tritt erst in dem Zeitpunkt ein, in dem das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluss findet. Die Verjährung kann danach erst einsetzen, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat. Vorher besteht kein Anlass, durch den Beginn der Verjährungsfrist einen Verfolgungsverzicht in Aussicht zu stellen (vgl. BGHSt 43, 1, 7). In den Bestechungsfällen, in denen zwar ein Vorteil versprochen oder gefordert wird, es aber nicht zum Gewähren des Vorteils kommt, ist die Tat beendet, wenn die Forderung oder das Versprechen sich endgültig als "fehlgeschlagen" erwiesen haben und der Täter mit einer Erfüllung nicht mehr rechnet. (Bearbeiter)

4. Die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses kann auch noch im Revisionsverfahren nachgeholt werden (BGHSt 6, 282, 285; vgl. auch BGHSt 46, 310, 315 ff.). (Bearbeiter)

5. Die Rüge der Verletzung von § 265 StPO kann keinen Erfolg haben, wenn sich mit Sicherheit ausschließen lässt, dass sich der Angeklagte bei einem rechtzeitig gegebenen Hinweis anders und erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können. (Bearbeiter)

6. Bevorzugung im Sinne des § 299 Abs. 2 StGB bedeutet die sachfremde Entscheidung zwischen zumindest zwei Bewerbern, setzt also Wettbewerb und Benachteiligung eines Konkurrenten voraus. Dabei kommt es entscheidend nicht auf den Zeitpunkt der Tathandlung, sondern den zukünftigen Zeitpunkt des Bezuges von Waren oder gewerblichen Leistungen an. Hierbei genügt es, wenn die zum Zwecke des Wettbewerbs vorgenommenen Handlungen nach der Vorstellung des Täters geeignet sind, seine eigene Bevorzugung oder die eines Dritten im Wettbewerb zu veranlassen. Dabei bedarf es nicht der Vorstellung eines bestimmten verletzten Mitbewerbers (vgl. BGHSt 10, 358, 367 f. zu § 12 UWG a. F.). Unter dem vom Täter gewährten Vorteil ist jede Leistung zu verstehen, auf die der Empfänger keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert (BGH wistra 2001, 260, 261 m. w. N.). (Bearbeiter)

7. Der Untreuetatbestand bezweckt den Schutz des Vermögens, das der Pflichtige zu betreuen hat. Dieser verletzt dementsprechend seine Pflicht nicht, wenn sein Vorgehen im Einverständnis des Vermögensinhabers erfolgt. Handelt es sich um das Vermögen einer GmbH, fehlt es infolgedessen grundsätzlich an der Pflichtwidrigkeit des Handelns, wenn sich die Gesellschafter mit dem Vorgehen des Pflichtigen einverstanden erklärt haben (vgl. BGH NJW 2000, 154, 155). Im Hinblick auf die eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH (§ 13 Abs. 1 GmbHG) ist anerkannt, dass eine Strafbarkeit wegen Untreue aber dann in Betracht kommt, wenn die Zustimmung der Gesellschafter zu einem Rechtsgeschäft der GmbH gegenüber treuwidrig und somit wirkungslos ist. (Bearbeiter)

8. Bei einer Kommanditgesellschaft kann die Schädigung des Gesamthandsvermögens dann zu einem im Rahmen des § 266 StGB bedeutsamen Vermögensnachteil führen, wenn und soweit sie zugleich das Vermögen der einzelnen Gesellschafter berührt (BGHSt 34, 221, 222 f.). Auch hier schließt ein wirksames Einverständnis aller Gesellschafter die Annahme von Untreue aus (vgl. BGHR aaO). Handelt es sich bei einem der Gesellschafter um eine GmbH (bei einer GmbH & Co. KG regelmäßig der Komplementär), beurteilt sich die Wirksamkeit von deren Einwilligung nach den bei dieser selbst zur wirksamen Zustimmung ihrer Gesellschafter geltenden Grundsätzen. (Bearbeiter)

9. Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 46, 107, 109 m. w. N.). Die Hilfeleistung muss auch nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt schon die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 22 m. w. N.). Das kann grundsätzlich auch durch äußerlich neutrale Handlungen geschehen. Es ist jedoch anerkannt, dass nicht jede Handlung, die sich im Ergebnis objektiv tatfördernd auswirkt, als (strafbare) Beihilfe gewertet werden kann. Vielmehr bedarf es insbesondere in Fällen, die sog. "neutrale" Handlungen betreffen, einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall (BGHR aaO). (Bearbeiter)

10. Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag in jedem Fall als strafbare Beihilfehandlung zu werten. Denn unter diesen Voraussetzungen verliert sein Tun stets den "Alltagscharakter"; es ist als "Solidarisierung" mit dem Täter zu deuten. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung "die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein" ließ (BGHSt 46, 107, 112; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20). (Bearbeiter)

11. In den Fällen, in denen nicht eine "berufstypische", sondern vielmehr eine neutrale Alltagshandlung ohne berufstypischen Bezug vorliegt, bedarf die Beurteilung, ob eine strafbare Beihilfe vorliegt, einer besonders eingehenden Prüfung. Die entwickelten Grundsätze zu den berufstypischen neutralen Handlungen sind jedoch auch hier grundsätzlich anwendbar. (Bearbeiter)

12. Eine Beihilfestrafbarkeit setzt auch bei neutralen berufstypischen Handlungen voraus, dass die Beihilfehandlung nicht nur mit allgemein gehaltenen Feststellungen begründet werden: Die Erleichterung oder Förderung der Haupttat selbst muss festgestellt werden. (Bearbeiter)

13. Eine wirksame Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 1 AO setzt voraus, dass dem Finanzamt durch die Angaben ermöglicht wird, auf ihrer Grundlage ohne langwierige größere Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig zu errechnen (vgl. BGHSt 3, 373, 376; HansOLG Hamburg, wistra 1986, 116). Die Selbstanzeigemöglichkeit besteht auch für den Gehilfen einer Steuerhinterziehung. Offenlassen kann der Senat, inwieweit dieser im Hinblick auf etwaige faktische Gegebenheiten verpflichtet ist, Besteuerungsgrundlagen offen zu legen. Jedenfalls muss der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag offen legen. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 5 StR 169/00 - Beschluss vom 18. Juni 2003 (LG Mannheim)

BGHR; Steuerhinterziehung (Umsatzsteuer; Gesangssolist als "kulturelle Einrichtung" im Sinne von § 4 Nr. 20 lit. a UStG; richtlinienkonforme Auslegung; Gemeinschaftsrecht; Freispruch).

§ 4 Nr. 20 lit. a UStG; § 370 AO

Auch ein Gesangssolist stellt eine "kulturelle Einrichtung" im Sinne von § 4 Nr. 20 lit. a UStG dar (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 3. April 2003, C-144/00 Matthias Hoffmann). (BGHR)


Entscheidung

BGH 1 StR 25/03 - Urteil vom 24. Juni 2003 (LG Mannheim)

Konkurrenzen (unerlaubte Einfuhr und bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln); Mitsichführen einer Waffe ("jederzeit griffbereit").

§ 30 a Abs. 2 BtMG; § 52 StGB

1. Die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln ist ein unselbständiger Teilakt des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, wenn sie im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes erfolgt (st. Rspr., vgl zuletzt BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02).

2. Mitsichführen einer Waffe liegt bereits vor, wenn der Täter den betreffenden Gegenstand bei der Tat bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Ein Verwendungsvorsatz für die konkrete Tat ist dazu nicht erforderlich (BGHSt 43, 8, 14; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 1 und 2).

3. "Jederzeit griffbereit" ist bei einer Fahrt mit einem PKW auch eine Waffe, die sich im Kofferraum des Pkw befindet, während die Betäubungsmittel im Innenraum lagern. Denn der qualifikationsspezifische Gefahrenzusammenhang zwischen Bewaffnung und Handeltreiben ist objektiv gegeben, wenn der Täter im Pkw gleichzeitig die Waffe und die Betäubungsmittel aufbewahrt.