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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
August 2003
4. Jahrgang
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1. Beruft sich ein Zeuge in der Hauptverhandlung zunächst auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Verlobter und sagt später gleichwohl zur Sache aus, um eine frühere richterliche Vernehmung zu entkräften, so macht er die früheren Vernehmungsinhalte zum Gegenstand seiner unter Verzicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht erfolgten Aussage in der Hauptverhandlung; diese sind verwertbar, auch wenn er früher nicht über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt wurde. (BGHSt)
2. Macht ein Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, so darf über den Inhalt einer Aussage, die er bei einer früheren richterlichen Vernehmung nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht gemacht hat, durch Vernehmung des Richters Beweis erhoben werden (vgl. BGHSt 2, 99 ff.). (Bearbeiter)
3. Ist eine Belehrung nicht erfolgt (vgl. BGHSt 14, 159, 160; 23, 221, 223) oder ist das ein Zeugnisverweigerungsrecht begründende Rechtsverhältnis erst später entstanden (vgl. BGHSt 27, 231 ff.), darf auch die Bekundung vor einem Richter nicht in das Verfahren eingeführt und verwertet werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung nach Belehrung gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO aussagt und zumindest konkludent zu erkennen gibt, dass er mit dem Rückgriff auf die frühere Aussage einverstanden ist (BGHSt 20, 234 ff.; BGH NStZ 1999, 91). (Bearbeiter)
4. Das Zeugnisverweigerungsrecht soll nur gewährleisten, dass der zur Zeugnisverweigerung Berechtigte bis zur Hauptverhandlung frei entscheiden kann, ob seine frühere, vielleicht voreilige oder unbedachte, Aussage verwertet werden darf (BGHR StPO § 52 Abs. 3 Satz 1 Belehrung 4). Ihm wird nur die Möglichkeit gewährt, die Aussage insgesamt zu verweigern oder Angaben zu machen. (Bearbeiter)
5. Die Interessen der Allgemeinheit verlangen, dass dem Einfluss eines Zeugen auf ein Strafverfahren dort Grenzen gezogen werden, wo seine eigenen schutzwürdigen Interessen dies nicht mehr zwingend gebieten (BGHSt 2, 99, 108; vgl. BGHSt 25, 176, 177). Insbesondere in Fällen unlauterer Manipulationen gebührt dem Grundsatz der Wahrheitserforschung, der zum Schutz der Allgemeinheit die Aufklärung, Verfolgung und gerechte Ahndung von Straftaten unter Verwendung aller verfügbaren Beweismittel fordert, Vorrang vor den Interessen des Zeugen, der sich pflichtwidrig durch sein Verhalten zum "Herrn des Verfahrens" zu machen sucht, um durch sein Verhalten die gebotene Wahrheitsermittlung zu vereiteln (BGHSt 45, 342, 347). Das gilt auch für den Fall des wahrheitswidrigen Verschweigens eines Verlöbnisses und der späteren Aussagebereitschaft des Zeugen. (Bearbeiter)
6. Der Senat kann offen lassen, ob und bejahendenfalls inwieweit das Revisionsgericht an die tatrichterlichen Feststellungen zum Vorliegen eines Verlöbnisses zwischen einem Zeugen und dem Angeklagten gebunden ist. (Bearbeiter)
7. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es zwar für die Wirksamkeit eines auf Verwandtschaft und Schwägerschaft beruhenden Zeugnisverweigerungsrechts ohne rechtliche Bedeutung, wenn ein Zeuge sich selbst als "mit dem Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert" bezeichnet, weil es auf die Kenntnis des Gerichts von dem bestehenden Angehörigenverhältnis nicht ankommt. Ob an dieser Rechtsprechung auch bei dem auf einem Verlöbnis beruhenden Zeugnisverweigerungsrecht festgehalten werden soll, lässt der Senat offen. Angesichts der bestehenden tatsächlichen Unsicherheiten über das Entstehen und die Dauer des das Zeugnisverweigerungsrecht auslösende Rechtsverhältnisses "Verlöbnis" erscheint vor allem in Fällen der Täuschung über ein Verlöbnis eine Anwendung der genannten Rechtsprechung, die in Fällen eines kraft Gesetzes bestehendes Rechtsverhältnisses (Verwandtschaft, Schwägerschaft) eine sachliche Berechtigung haben kann, fraglich. (Bearbeiter)
1. Es bleibt offen, ob und unter welchen Umständen eine unterbliebene Anhörung der Staatsanwaltschaft - etwa unter dem Aspekt, dadurch sei der Verteidigung die Möglichkeit einer nochmaligen Erwiderung genommen worden - überhaupt ein Verfahren gemäß § 33a StPO auslösen könnte.
2. Das Revisionsgericht darf die Revision auch dann gemäß § 349 Abs. 2 StPO verwerfen, wenn es die Ausführungen des Generalbundesanwalts nur im Ergebnis für zutreffend hält, sich aber nicht in allen Teilen der Begründung anschließt (BGH NJW 2002, 3266). Dementsprechend ist eine erneute Antragstellung nach Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen nicht erforderlich. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG NJW 1982, 925; NStZ 2002, 487; NJW 2002, 814). Das Bundesverfassungsgericht erachtet es dann allerdings für sinnvoll, dass das Revisionsgericht die eigene Rechtsauffassung in einem Zusatz begründet. Eine weitergehende Beteiligung des Revisionsführers verlange Art. 103 Abs. 1 GG nicht.
Die Entscheidung über die Höhe der angemessenen Pauschvergütung lässt einen eventuellen Erstattungsanspruch unberührt. Auslagen werden durch die Pauschvergütung nicht mit abgegolten.
Im Sinne von § 405 Satz 2 StPO ist ein Adhäsionsantrag zur Erledigung im Strafverfahren auch dann nicht geeignet, wenn schwierige bürgerlichrechtliche Rechtsfragen entschieden werden müssten, die die besondere Sachkunde des Zivilrichters erfordern (BGH, Beschl. vom 19. November 2002 - 3 StR 395/02). So kann der Fall liegen, wenn die Bemessung des Schmerzensgeldes, insbesondere die Angemessenheit des Verhältnisses zwischen einem Kapital- und Rentenbetrag, mit erheblichen zivilrechtlichen Schwierigkeiten verbunden ist.
Wird in einem ergänzenden Schriftsatz die Möglichkeit einer späteren Durchsuchung und die Sicherstellung eines Computers angesprochen und daher die Bitte geäußert wurde, dem Beschuldigten rechtliches Gehör nicht zu gewähren, stellt dies keinen Antrag auf Vornahme weiterer richterlicher Untersuchungshandlungen dar.
Gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts, der im Klageerzwingungsverfahren ergeht, ist eine Beschwerde an den Bundesgerichtshof nicht zulässig.