HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2003
4. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zur Strafbarkeit von Kopierschutzmaßnahmen auf Audio-CDs gemäß § 303a StGB

Überlegungen zur Anwendung entsprechender Techniken und deren Umgehung aus der Perspektive des EDV-Strafrechts

von Dr. Tarek Abdallah/Dr. Björn Gercke/Dr. Peter Reinert*

I. Von "Raubkopierern" und "Musikpiraten" - der aktuelle Stand der Diskussion um die Verbreitung kopierter Audio-CDs

Die anhaltende Diskussion um die Verbreitung kopierter Audio-CDs (insbesondere im Internet) und die damit angeblich verbundenen Verstöße gegen das in Deutschland geltende Urheberrecht waren in letzter Zeit Gegenstand einer Vielzahl kontroverser Beiträge in den Medien. Inhaltlich sind die verschiedenen Stellungnahmen vor allem durch den Verweis auf die "...erhebliche Bedrohung der Musikindustrie..."[1] bzw. Gewinneinbrüche der Branche geprägt.[2] Beschäftigt man sich mit dieser Diskussion aus der Perspektive des Strafrechts, dann scheint man geradezu auf eine Quelle schwerkrimineller Verhaltensweisen gestoßen zu sein, die mit diesem Phänomen verbunden sein sollen. So wird die Debatte gerne mit Begriffen wie "Raubkopien" oder "Musikpiraterie" bzw. vergleichbaren Wortschöpfungen angereichert. Betrachtet man sich die Vorgehensweise von "Raubkopierern" und "Musikpiraten" freilich etwas genauer und hat zudem noch einen einigermaßen aktuellen Text des Strafgesetzbuches bei der Hand, dann zeigt sich rasch, dass derartige Begriffskreationen in strafrechtlicher Hinsicht letztlich - vorsichtig ausgedrückt - wenig Sinn machen. So kennt das deutsche Strafrecht beispielsweise den Tatbestand der Piraterie nicht. Ein Raub im Sinne des § 249 StGB setzt per gesetzlicher Umgrenzung die Anwendung von Gewalt gegen eine Person oder doch zumindest die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben voraus, um die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache zu ermöglichen. Mögen sich Juristen hinsichtlich der Einzelheiten des Gewalt- bzw. Drohungsbegriffs auch ausgiebig streiten,[3] es wird niemand ernsthaft behaupten wollen, dass Raubkopierer bei Anfertigung oder Verbreitung der Kopien gewaltsam oder qualifiziert drohend vorgehen. Im übrigen sollte es ebenso unstreitig sein, dass die kopierten Dateien nicht unter den Sachbegriff des StGB fallen.[4] Aus genau diesem Grund ist auch die Anwendung des - vergleichsweise harmlosen - Begriffs des "Musikdiebstahls"[5] eine reichlich unpräzise Kennzeichnung des Phänomens, soweit hierdurch Assoziationen mit der gesetzlichen Regelung des Diebstahls gemäß § 242 StGB hervorgerufen werden sollen, die ihrerseits ebenfalls an den Sachbegriff anknüpft.

Eine solche, auf sprachlicher Ebene ansetzende Kritik mag auf den ersten Blick pedantisch wirken, zumal sich gerade der Begriff der "Raubkopie" mittlerweile als gebrauchsübliche Kennzeichnung der illegalen Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke durchgesetzt zu haben scheint. Ein entsprechender Vorwurf übersähe jedoch die Gefahren, die mit einer - zumindest begrifflich - fehlerhaften Suggestion von schwerkriminellen Verhaltensweisen[6] verbunden sind. Diese äußern sich vor allem in einer einseitigen Fixierung bei der Ursachenanalyse und den hieraus resultierenden Forderungen nach gesetzlichen Maßnahmen, wobei allem voran das privat veranlasste Kopieren von Audio-Dateien thematisiert wird, ohne dass etwa die tatsächlichen Umstände dieser Erscheinung näher beleuchtet werden. So lässt sich beispielsweise die so oft propagierte Gefährdung der Musikindustrie durch Verbreitung kopierter Audio-Dateien im Internet durchaus anders bewerten, wenn man die Ergebnisse einer neuen Umfrage zur Nutzung von Online-Tauschbörsen betrachtet: Die Befragung von 1010 Internet-Nutzern ergab hierbei, dass trotz der Möglichkeit des kostenlosen Austauschs von MP3-Files via Internet 81% der Nutzer von Online-Tauschbörsen ihre Ausgaben für Musik-CDs nicht reduzieren bzw. ein Anteil von 4% gar die Ausgaben für CDs erhöht hat.[7] Es bleibt abzuwarten, ob bzw. wie solche empirische Untersuchungen in der Diskussion aufgenommen werden. Auch wenn derartige Zahlen Überlegungen hinsichtlich der Schadensrelevanz von kopierten Audio-CDs nicht obsolet machen, bieten sie doch zumindest Anlass, über eine umfassende Ursachenforschung nachzudenken, die sowohl andere Gründe für die Krise des Musikmarktes berücksichtigt als auch auf die Verwendung diffuser Schlagworte wie "Raubkopierer" oder "Musikpiraten" verzichtet.

II. Die strafrechtliche Relevanz von Kopierschutzmaßnahmen auf Audio-CDs

Die einseitige Sichtweise bezüglich der Gefährdung der Musikindustrie durch kopierte Audio-Dateien ist aber noch unter einem anderen Gesichtspunkt problematisch, der bislang - soweit ersichtlich - noch nicht diskutiert worden ist. Gemeint ist die Fragestellung, inwieweit die Musikindustrie bei ihrem Versuch, durch Installation von Kopierschutzvorrichtungen auf Musik-CDs die Anfertigung von Kopien zu unterbinden, übersieht, dass hierin möglicherweise ein strafbares Vorgehen liegt.

Dieser Denkansatz mag auf den ersten Blick überraschen. Um seine Hintergründe zu verstehen muss man sich zunächst vergegenwärtigen, dass heutzutage Audio-CDs nicht mehr nur ausschließlich in eigenständigen (stand-alone) CD-Spielern, sondern zunehmend auch in Computerlaufwerken (moderner PCs) zum Einsatz kommen. Für eine derartige Verwendung spricht dabei nicht nur der Umstand, dass hierdurch die Anschaffung von eigenständigen HiFi-Anlagen überflüssig wird, zumal sich der heimische PC mit verhältnismäßig geringem (finanziellen) Aufwand mit hervorragenden Klangqualitäten ausstatten lässt. Viel wichtiger ist der Aspekt, dass die Anfertigung von Sicherungskopien oder aber eine Übertragung von Musiktiteln auf portable Geräte, die mittlerweile in einer Vielzahl von Varianten angeboten werden, letztlich nur unter Verwendung von Computern möglich ist. Zwecks Anfertigung der Kopien wird diesen Geräten regelmäßig die hierfür notwendige Software beigelegt, die sich auf einem Computer installieren lässt. Im übrigen bieten aber auch die für den Betrieb eines modernen Computers erforderlichen Betriebssysteme in aller Regel entsprechende Anwendungen, um Kopien von Musikstücken herzustellen.

1. Die Funktionsweise der aktuellen Kopierschutztechniken

Befindet sich auf einer Audio-CD jedoch ein Kopierschutz, dann bereitet schon das einfache Abspielen der Musikstücke auf handelsüblichen Computern Schwierigkeiten. Der Grund hierfür liegt in der Funktionsweise der Schutzvorrichtungen, von denen sich mittlerweile zwei auf dem Markt durchgesetzt haben, die unter den Bezeichnungen "Cactus Data Shield" bzw. "Key2Audio" bekannt geworden sind. CDs mit Key2Audio-Kopierschutz tragen die Aufschrift Sony DADC auf dem Innenring der CD. Viele PC-Laufwerke erkennen diese Datenträger nicht und liefern Lesefehler. Eine CD mit Cactus Data Shield (100 oder 200) kann schon nicht auf einem PC abgespielt werden. Der letzte Track der CD ist zumeist mehrere GByte groß. Ein manipuliertes Inhaltverzeichnis (TOC, Table of Contents) verwirrt das auslesende Laufwerk.[8] Die mittels dieser Verfahren geschützten CDs enthalten Daten, die nicht der Spezifikation "Compact Disc Digital Audio" entsprechen, wie sie im sogenannten "Red Book" bzw. der deutschen DIN EN 60908 festgelegt wurden.[9] So werden z.B. falsche Daten im Inhaltsverzeichnis angegeben (wie etwa ein extrem großer Track) oder die Anfangs- und Endsequenzen werden so manipuliert, dass ein Computer sie als Daten-CD erkennt - und somit nichts damit anfangen kann. Vor allem ältere Player - aber auch manche neue - weigern sich, solche CDs abzuspielen.

Tückisch ist in diesem Zusammenhang insbesondere eine Variante des "Cactus Data Shield", die Daten der Fehlerkorrektur so verändert, dass man die Musikstücke nicht mehr auf einen Rechner kopieren kann: Befindet sich ein kleiner Kratzer auf der Leseseite und muss der (normale) CD-Player dann auf die Fehlerkorrektur-Daten zugreifen, spielt er die fehlerhaften Musik-Informationen ab. Hieraus resultiert eine stark verkürzte Lebensdauer der CD, weil keine korrekten Fehlerkorrektur-Daten vorhanden sind. Ebenfalls können diese CDs auf Abspielgeräten Probleme verursachen, die auch Daten-CDs lesen - das sind nicht nur Computer-Laufwerke, sondern auch MP3-CD-Player, DVD-Player, in Autoradios integrierte CD-Player und viele portable CD-Player. Für den Käufer einer solchen "CD" ist nicht vorhersehbar, ob er den Tonträger in irgendeinem seiner heimischen Geräte wird abspielen können. Es ist daher grundsätzlich festzustellen, dass bei den heute mehrheitlich eingesetzten Kopierschutzverfahren technisch kein Unterschied zwischen "Kopiersperre" und "Abspielsperre in PC-Laufwerken" besteht.

Zusammengefasst: den marktüblichen Kopierschutzmechanismen ist gemein, dass sie die Nutzung von Audio-CDs zumindest in handelsüblichen Computerlaufwerken vereiteln, ohne hierbei in der Lage zu sein, zwischen dem Interesse am Abspielen der CD, der Herstellung einer Sicherungskopie oder Übertragung der Musikstücke auf portable Geräte etc. einerseits und dem sanktionswürdigem Interesse an der illegalen, massenhaften Kopienanfertigung zu gewerblichen Zwecken andererseits zu differenzieren. Dass hierdurch gerade "normale" Privatanwender im Gebrauch von Audio-CDs betroffen sind, zeigt sich bei einem erneuten Blick auf die Ergebnisse der bereits eingangs angesprochenen Umfrage unter den Nutzern von Internet-Tauschbörsen: ein ganz erheblicher Teil der Befragten gab hierbei an, dass man lediglich solche Musiktitel herunterlädt, die man schon als Audio-CD erworben hat, allerdings aufgrund von Kopierschutzmaßnahmen nicht auf den eigenen Computer überspielen kann.[10]

2. Der Straftatbestand der Datenveränderung, § 303a StGB

Worin liegt aber nun die eingangs angedeutete strafrechtliche Relevanz von Kopierschutzmaßnahmen auf Audio-CDs? Die diesbezüglichen Überlegungen finden ihren Ausgangspunkt in einer auf den ersten Blick recht unscheinbaren Norm des Strafgesetzbuchs, der sogenannten Datenveränderung gemäß § 303a StGB. Nach dieser Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer "...rechtswidrig Daten (§ 202a Abs. 2) löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert." Die Vorschrift wurde im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2.WiKG) im Jahre 1986 eingeführt.[11] Inhaltlich war es vor allem durch den Versuch des damaligen Gesetzgebers geprägt, der zunehmenden Bedeutung des Einsatzes von Datenverarbeitungsanlagen Rechnung zu tragen und die Lücken zu schließen, die das damals geltende Recht gegenüber der neuentstehenden Computerkriminalität aufwies.[12] In Kenntnis dieser im Strafgesetzbuch fixierten Vorschrift und den Auswirkungen kopiergeschützter Audio-CDs auf herkömmliche Computer lässt sich die Eingangsüberlegung dahingehend konkretisieren, dass der vereitelte Zugriff auf die Musikstücke einer CD möglicherweise ein rechtswidriges Unterdrücken von Daten im Sinne des § 303a StGB darstellt.

a) Der Datenbegriff des § 303a StGB und seine Auslegung

Um diese These zu verifizieren, bedarf es der genauen Analyse der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift. Hierbei stellt sich zunächst die Frage, inwieweit die auf einer Audio-CD fixierten Musikstücke überhaupt taugliches Tatobjekt sein können, mithin "Daten" im Sinne des § 303a StGB darstellen. Die Vorschrift verweist zur weiteren Begriffsbestimmung auf die Legaldefinition des § 202a Abs. 2 StGB, die allerdings nicht mehr als eine an formalen Kriterien ausgerichtete Beschränkung des Datenbegriffs enthält, die ihrerseits den Datenbegriff voraussetzt:[13] "Daten...sind solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden." Auch der technische Datenbegriff, wie er in der DIN-Norm 44300 definiert ist, hilft bei der inhaltlichen Umgrenzung nur wenig weiter: Daten sind hiernach durch Zeichen oder kontinuierliche Funktionen aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen dargestellte Informationen, die sich als Gegenstand oder Mittel der Datenverarbeitung für ein EDV-System codieren lassen oder Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs sind.[14] Geht man noch weiter und definiert den Begriff der Information als jede Angabe über einen Gegenstand oder Zustand der realen oder irrealen Welt,[15] dann lässt sich nur der Schluss ziehen, dass der Datenbegriff auf semantischer Ebene uferlos ist und sich jeglichem Versuch seiner inhaltlichen Fixierung bzw. Aussonderung bestimmter Datentypen entzieht.[16] Der Informationsgehalt kann den Datenbegriff nicht umgrenzen.[17] Vor diesem Hintergrund wird der - bewusste - Verzicht des Gesetzgebers auf eine nähere Bestimmung des Datenbegriffs verständlich, zumal es sein erklärtes Anliegen war, einen umfassenden Schutz von als Daten dargestellten Informationen zu erreichen.[18]

Zwecks Restriktion verbleibt damit nur das Kriterium der fehlenden unmittelbaren (sinnlichen)[19] Wahrnehmbarkeit der Speicherung und Übermittlung, ohne dass es hierbei auf eine spezielle, datenverarbeitungstaugliche Codierung oder die Wahrnehmbarkeit des Bedeutungsgehalts ankommt.[20]

Es überrascht somit im Ergebnis nicht, dass ein derart inhaltlich anspruchsloser Datenbegriff Musiktitel auf einer Audio-CD erfasst. Dem kann auch nicht der denkbare Einwand entgegen gehalten werden, dass der Gesetzgeber bei Erlass der Vorschrift derartige Fallgestaltungen, in denen Daten primär Unterhaltungszwecken dienen, nicht in Betracht gezogen hat. Zwar trifft man in den Gesetzesmotiven vereinzelt auf Anmerkungen, die als Gründe für die Reform vor allem den zunehmenden Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen in Wirtschaft und Verwaltung anführen,[21] so dass sich annehmen ließe, dass der Schutz ausschließlich privatgenutzter Daten von dem Schutzbereich des § 303a StGB gar nicht erfasst sei. Zu beachten ist jedoch auch, dass die Gründe für die Reform nicht ausschließlich den Schutz von Wirtschaft und Verwaltung anführen. Gerade in Zusammenhang mit § 303a StGB wird betont, dass durch die Vorschrift alle rechtswidrigen Beeinträchtigungen der Verwendbarkeit von Daten erfasst werden sollen.[22] Insoweit erscheint es kaum zu vertreten, dass der Schutz ausschließlich privatgenutzter Daten von dem Schutzbereich des § 303a StGB nicht erfasst sei. Im übrigen steht einer solchen Annahme eines eingeschränkten Schutzbereichs entgegen, dass weder der Wortlaut noch die systematische Stellung des § 303a StGB eine derartige Differenzierung tragen. Hierbei gilt es vor allem zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der gleichzeitig eingeführten Vorschrift der Computersabotage, § 303b StGB, den Bezug zu Störungen der Datenverarbeitung in Wirtschaft und Verwaltung ausdrücklich hergestellt hat: § 303b StGB pönalisiert nämlich nur die Störung von solchen Datenverarbeitungen, die für fremde Betriebe, fremde Unternehmen oder Behörden von wesentlicher Bedeutung sind, so dass im Gegensatz zu § 303a StGB der wirtschaftliche bzw. behördliche Bezug der jeweiligen Tathandlungen konstitutives Element der Strafbarkeit ist. Wäre der Gesetzgeber von einem ähnlichen eingeengten Schutzbereich des § 303a StGB ausgegangen, hätte dieses auch in der Gestaltung des Tatbestands Ausdruck finden müssen.[23] Zu keinem anderen Ergebnis kommt man im übrigen, wenn man im Hinblick auf die (aus den Artt. 12, 14 GG resultierenden) Belange der Audio-CD-Hersteller verweist und eine verfassungskonforme Auslegung vornehmen will. Diese scheitert nämlich bereits an den notwendigen Voraussetzungen. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass durch die verfassungskonforme Auslegung weder einer dem Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz ein entgegengesetzter Sinn verliehen bzw. der normative Gehalt der auszulegenden Norm neu bestimmt noch das gesetzgeberische Ziel verfehlt werden darf.[24] Sowohl Wortlaut als auch Gesetzesweck und Bedeutungszusammenhang lassen aber - wie aufgezeigt - insoweit keinen Spielraum.

In Anbetracht der Funktionsweise von CD-Laufwerken ist schließlich das Auffangtatbestandsmerkmal der sonstigen, nicht unmittelbar wahrnehmbaren Speicherung erfüllt, soweit die CD in den Bereich der optischen Datenträger einzuordnen ist.

b) Das Schlüsselmerkmal der Rechtswidrigkeit und seine Verknüpfung mit § 53 UrhG

Mag im Hinblick auf einen umfassenden strafrechtlichen Schutz ein inhaltlich undifferenzierter Datenbegriff noch tolerabel sein,[25] so bedarf es keiner langwierigen Überlegungen, um das eigentliche Problem der Tatbestandsformulierung des § 303a StGB auszumachen: Ließe man das schlichte Löschen, Unterdrücken oder Verändern etc. von Daten ausreichen, um von der Erfüllung des Tatbestands auszugehen, dann würde die Vorschrift auch Verhaltensweisen erfassen, die schon auf den ersten Blick nicht im Verdacht stehen, die Schwelle zu strafbarem Unrecht überschritten zu haben.[26] Ganz generell wird man sagen müssen, dass die schlichte Veränderung von Daten allein nicht ausreichen kann, zumal sie schon dem Begriff der elektronischen Datenverarbeitung immanent ist.[27] So lässt sich bspw. nicht ernsthaft annehmen, dass sich der Eigentümer eines Datenträgers gegebenenfalls wegen Löschung von Daten strafbar macht, wenn keinerlei Interesse oder Rechte von dritter Seite an der Unversehrtheit der Daten bestehen.[28] Bei abstrakter Betrachtungsweise liegt somit das eigentliche Problem des § 303a StGB nicht in der inhaltlichen Abgrenzung des Datenbegriffs im StGB, sondern in der fehlenden Zuordnung der Daten im Hinblick auf Interessen bzw. Rechte anderer. Ein strafwürdiges Unrecht liegt nur dann vor, wenn ein anderer als der Täter von der Tat betroffen ist;[29] andernfalls wäre die verfassungsrechtliche Legitimation des Straftatbestandes der Datenveränderung nicht gewährleistet.[30]

Über dieses Ergebnis besteht im Schrifttum Einigkeit, allerdings gehen die Meinungen über die Umsetzung dieser Tatbestandsrestriktion weit auseinander. Betrachtet man sich den Wortlaut des § 303a Abs. 1 StGB, so verbleibt letztlich nur noch ein Merkmal, welches sich für eine Eingrenzung nutzbar machen lässt: das Erfordernis der Rechtswidrigkeit. In der Tat wird von der herrschenden Meinung das Erfordernis einer rechtswidrigen Datenveränderung als einschränkendes Tatbestandsmerkmal interpretiert.[31] Andere wiederum gehen von dem ungeschriebenen Merkmal der Fremdheit der Daten aus[32] bzw. interpretieren das Merkmal "rechtswidrig" als allgemeines Verbrechensmerkmal.[33] Die Frage soll an dieser Stelle nicht vertieft werden, da die dogmatische Verankerung letztlich zweitrangig ist.[34] Allen Ansätzen ist das Folgeproblem gemein, die Einschränkung inhaltlich ausfüllen zu müssen.[35] Es bedarf griffiger Kriterien der rechtlichen Zuordnung,[36] die sich allerdings aus der Tatbestandsformulierung des § 303a StGB nicht entnehmen lassen.

Versucht man in diesem Zusammenhang eine Schnittmenge der verschiedenen Lösungsansätze auszumachen, dann zeigt sich in Rechtsprechung und Literatur zumindest insoweit Einigkeit, als ein Dritter an den Daten eine (eigentümerähnliche) Verfügungs- bzw. Nutzungsbefugnis haben muss,[37] wobei sich diese nach den Regelungen des Zivilrechts richten soll.[38] Freilich ist mit dieser Erkenntnis noch nicht allzu viel gewonnen, denn insbesondere der Begriff der Verfügungsbefugnis ist aufgrund der fehlenden Sachqualität von Daten sicherlich nicht im sachenrechtlichen Sinn zu verstehen;[39] er bleibt ebenso wie der Verweis auf das Nutzungsrecht Dritter an den Daten diffus, als man hierfür wiederum keinen tauglichen Anknüpfungspunkt aufzeigt.

Vor dem Hintergrund dieses Problems haben sich zwecks Lösung in Rechtsprechung und Schrifttum zwei verschiedene Ansätze entwickelt:[40] Zum einen wird verbreitet der Versuch unternommen, generell anwendbare Zuordnungsregeln zu entwickeln, die vom Erwerb der Daten, dem inhaltlichen Betroffensein durch den Inhalt der Daten bis hin zum Eigentum am Datenträger oder die geistige Urheberschaft am Dateninhalt reichen.[41] Zum anderen bedient man sich einer eher induktiven Vorgehensweise, die von dem Versuch geprägt ist, einzelne Fallgruppen unter Abwägung der in ihnen betroffenen Interessen zu lösen.[42]

Ob bzw. welcher dieser Lösungswege erfolgsversprechend ist, kann und soll hier nicht entschieden werden, denn ungeachtet welcher Ansicht man folgt: nach beiden Ansichten ist von einer Verletzung des Nutzungsrechts eines Dritten spätestens dann auszugehen, wenn diesem ein gesetzlicher Anspruch auf den ungehinderten Zugang zu den Daten zusteht. Übertragen auf die vorliegende Problematik bedeutet dies, dass der Tatbestand des § 303a StGB zumindest dann erfüllt ist, wenn dem Erwerber einer Musik-CD ein Anspruch auf ungehinderte Nutzung der CD bzw. ein Recht auf Anfertigung einer oder mehrerer Kopien zusteht.

aa) § 53 UrhG - Nutzungsbefugnis im Sinne des § 303a StGB ?

Die Suche nach einem solchen Anspruch führt in das Urheberrecht, genauer zu der Vorschrift des § 53 UrhG. Mit dieser Vorschrift verbindet sich zum einen das Recht auf freien Werkgenuss. Hierunter ist die Möglichkeit des Erwerbers eines urheberrechtlich geschützten Werkes zu verstehen, das Werk beliebig oft und (hier von besonderem Interesse) in beliebiger Weise zu nutzen, solange es sich nur um eine Privatnutzung handelt.[43] Durch die Vereitelung der Nutzung einer CD in einem Computerlaufwerk mittels Kopierschutz wird jedoch genau diese (eigentümerähnliche) Rechtsposition unterlaufen, da eine beliebige Nutzung der auf der CD befindlichen Daten seitens des Käufers gerade nicht mehr gewährleistet ist.

(1) Das Recht auf Privatkopie nach der bisherigen Rechtslage

Eigentlicher Anknüpfungspunkt des § 53 UrhG ist jedoch die Möglichkeit der Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke. Damit berührt die vorliegende Thematik einen Streitpunkt, der das Urheberrecht schon seit vielen Jahren begleitet: das Recht auf Herstellung einer Privatkopie. Der Stellenwert dieses Streitpunkts ist schon deshalb nicht zu übersehen, weil auch das neueste Reformvorhaben, das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft[44] maßgeblich von dem Versuch geprägt ist, dieser Thematik im Zeitalter digitaler Kopiertechniken gerecht zu werden.[45] Diese Ausgangssituation ist im Grunde genommen nicht neu: als sich der Gesetzgeber Anfang der sechziger Jahre an die Reform des Urhebergesetzes machte, sah er sich mit vergleichbaren Problemen fortschreitender Kopiermöglichkeiten von privater Seite konfrontiert. Sind es aktuell digitale Kopien von Audio-CDs, so waren es damals analoge Kopien von Schallplatten auf Tonbändern, die nach Ansicht des damaligen Gesetzgebers "...völlig gleichwertig..." zum Original seien.[46] Mit Einführung des § 53 UrhG verzichtete der Gesetzgeber jedoch auf jeglichen Versuch, irgendwelche Verbotstatbestände durchzusetzen, sondern erklärte vielmehr die Anfertigung von Kopien zum privaten Gebrauch für zulässig. Als Ausgleich steht seitdem Urhebern, deren Werke eine Vervielfältigung zum privaten Gebrauch erwarten lassen, ein gesetzlicher Anspruch auf eine angemessene Vergütung zu. Dieser Anspruch richtet sich zum einen in Form der sogenannten Geräteabgabe gegen die Hersteller von Geräten, die erkennbar zur Vervielfältigung dienen, zum anderen als sog. Leerkassettenabgabe gegen die Hersteller von Bild- und Tonträgern.[47]

(2) Die Ausgestaltung des reformierten Urheberrechts - Fortfall des Rechts auf Privatkopie ?

Betrachtet man sich hiergegen die eingeleitete Reform des Urheberrechts und die hierum entbrannte Diskussion gerade in Zusammenhang mit der Privatkopie, dann stellt sich auf den ersten Blick die Frage, ob auch künftig noch von einer entsprechenden Rechtsposition ausgegangen werden kann. Der Streit hat mittlerweile soweit geführt, dass im Schrifttum neuerdings schon grundsätzlich die Existenz des Rechts auf Privatkopie geleugnet wird, weil es u.a. dem Sinn des Urheberrechts, dem Rechtsinhaber die Erwerbsmöglichkeiten aus seinen Werken zu sichern, widersprechen würde.[48] Solche und ähnliche Stellungnahmen müssen sich allerdings vorhalten lassen, den Schutzbereich der Urheberrechts auf Aufgaben erstrecken zu wollen, die seiner Grundidee widersprechen, geht es doch primär um den Schutz des Urhebers in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk, wobei dieser Schutz aufgrund der Sozialbindung des (geistigen) Eigentums bzw. die Einbindung des Urhebers in seinen Kulturkreis durch das Interesse anderer bzw. der Allgemeinheit begrenzt ist.[49] Der Ausgleich dieser gegenläufigen Interessen steht im Zentrum dieses Rechtsgebietes, wogegen der Erwerbsschutz vornehmlich Aufgabe des Wettbewerbsrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes ist.

Im Ergebnis verstellen derartige Stellungnahmen zudem nur den Blick für den einzigen aussagekräftigen Ansatzpunkt bei der künftigen rechtlichen Einordnung der Privatkopie: ein genauerer Blick auf die gesetzlichen Grundlagen einschließlich der diesbezüglichen Motive. Tut man dies, dann läßt sich feststellen, dass auch im Hinblick auf die künftige Rechtslage die deutlich gewichtigeren Argumente für den Fortbestand des Rechts auf Privatkopie streiten. Schon die Aussagen der dem Reformvorhaben zu Grunde liegenden EG-Richtlinie (2001/29/EG vom 22. Mai 2001) legen dieses Verständnis nahe, soweit dort in Art. 6 IV Unterabsatz 2 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt wird, bei fehlender freiwilliger Ermöglichung von Privatkopien gegen den Anwender technischer Schutzmaßnahmen geeignete Maßnahmen zu ergreifen.[50] Ganz besonders deutlich wird der Fortbestand des privaten Kopierrechts jedoch bei einem Blick auf die Intentionen des nationalen Gesetzgebers: die Motive des Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft stellen ausdrücklich klar, dass auch die digitale Privatkopie zulässig ist,[51] wenngleich im Gegenzug - in recht widersprüchlicher Weise[52] - durch die Regelung des § 95a UrhG nunmehr technische Schutzvorrichtungen, die das Kopieren verhindern sollen, einem weitreichenden Schutz unterstellt werden. Die umfassende Fürsorge des Gesetzgebers für die technischen Schutzvorrichtungen ändert jedoch nichts an dem für § 303a StGB relevanten rechtlichen Status der Privatkopie: soweit § 53 UrhG durch die Reform Änderungen erfahren hat, sollen diese nämlich nach Vorstellung des Gesetzgebers "…vor allem…" der Klarstellung dienen, dass sich der Schutzbereich des "neuen" § 53 UrhG auch auf die digitale Kopie erstreckt.[53] Letztlich führt somit die Reform des § 53 UrhG sogar zu einer Extension des Schutzbereichs im Vergleich zu der bisherigen Rechtslage. Vor diesem Hintergrund kann auch die von Mayer jüngst dargelegte Interpretation des reformierten § 53 UrhG nicht überzeugen, soweit hiernach das grundsätzliche Recht auf Anfertigung einer digitalen Privatkopie nur bis zum Zeitpunkt der Installation technischer Schutzvorrichtungen Bestand haben soll und es nunmehr im Belieben der "...Urheberrechtsindustrie..." liege, ob Werke kopiert werden können oder nicht.[54] Selbst wenn man die gegenläufigen Gesetzesmotive zu § 53 UrhG einmal ausklammert, spricht die Ausgestaltung des reformierten Urheberrechts gegen die Stichhaltigkeit dieses Kompromißvorschlages, wobei insbesondere die mangelnde Vereinbarkeit mit den - im wesentlichen unverändert fortbestehenden §§ 54 ff. UrhG - ins Auge fällt: Wenn der Urheber nach Mayers Ansicht durch Installation einer technischen Schutzvorrichtung selbst darüber entscheiden kann, ob sein Werk zu privaten Zwecken kopiert werden darf oder nicht, stellt sich die Frage, warum dann noch an dem Abgabensystem der §§ 54 ff. UrhG festgehalten wird, das - wie dargestellt - auf der Erwägung unkontrollierbarer Anfertigung von Privatkopien beruht.

bb) Ergebnis

Ungeachtet aller Widersprüchlichkeiten, die durch den künftig geplanten, umfassenden Schutz technischer Schutzvorrichtungen begründet werden: sowohl die gegenwärtige als auch künftige Ausgestaltung des Urheberrechts lässt sich im Anschluss an Hoeren dahingehend zusammenfassen, dass das Urhebergesetz nach wie vor von einem - auch vom Verfassungsrecht getragenen - Recht auf Privatkopie, einer "...gesetzlichen Lizenz zugunsten des Privatnutzers...", ausgeht.[55] Mehr bedarf es letztlich für die Annahme einer § 303a StGB genügenden Rechtsposition zugunsten der Käufer von CDs nicht.

c) Das Unterdrücken von Daten als maßgebliche Tathandlung

Liegt somit im Hinblick auf die vorliegende Thematik ein entsprechendes Nutzungsrecht des Käufers von Audio-CDs vor, dann bedarf es noch der Überprüfung, ob die Funktionsweise von Kopierschutzvorrichtungen auf Audio-CDs letztlich auch eine im Sinne des § 303a StGB taugliche Tathandlung darstellt. Insoweit ist der Schutzbereich der Norm - den Motiven des Gesetzgebers entsprechend - weit gefasst. Vorliegend kommt die Tatbestandsvariante des Unterdrückens in Betracht. Hierunter fällt das (gegebenenfalls nur zeitweise) Entziehen der Daten aus dem Zugriff des Berechtigten, der hierdurch die Daten nicht mehr verwenden kann. Auf die Art der Entziehung kommt es nicht an.[56] Es wurde bereits im Rahmen der Schilderung der Funktionsweise dargestellt, dass der Zugriff auf die Audio-Daten der CD zumindest im Falle der Nutzung in einem Computerlaufwerk vereitelt wird. Damit ist der objektive Tatbestand erfüllt.

d) Subjektiver Tatbestand

Gleiches gilt im Ergebnis für den subjektiven Tatbestand des § 303a StGB, der nach allgemeiner Ansicht lediglich einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale erfordert.[57] Da es letztlich nur der Zweck von Kopierschutzmaßnahmen sein kann, den Zugriff auf die Daten einer Audio-CD zu vereiteln, ist vorliegend sogar von einer Absicht der Verwender auszugehen. Daneben erfordert der Vorsatz des § 303a StGB, dass der Täter die Nutzungsbefugnis eines anderen zumindest für möglich hält.[58] Nur in den Fällen, in denen der Täter aufgrund einer fehlerhaften Parallelwertung in der Laiensphäre irrtümlich davon ausgeht, dass ihm eine alleinige Verfügungsbefugnis zustehen würde, handelt er nicht vorsätzlich.[59] Für die vorliegende Thematik ließe sich die Tatbestandsmäßigkeit somit nur dann verneinen, wenn von den Verwendern von Kopierschutztechniken nicht einmal nach laienart das Recht auf Privatkopie bzw. der Anspruch auf freien Werkgenuss im Sinne des § 53 UrhG für möglich gehalten wird. Hiervon ist allerdings angesichts einer lang anhaltenden Debatte unter Beteiligung der Musikindustrie nicht auszugehen.

3. Das Fehlen von Rechtfertigungsgründen

Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass die Verwendung von Kopierschutzvorrichtungen auf Audio-CDs den Tatbestand des § 303a StGB erfüllt. Mit dieser Feststellung ist jedoch noch kein abschließendes Urteil darüber gefällt, ob letztlich auch ein strafbares Verhalten vorliegt. Es stellt sich weiterhin die Frage nach der Rechtswidrigkeit bzw. dem eventuellen Vorliegen von Rechtfertigungsgründen, die die durch die Erfüllung des Tatbestandes indizierte Rechtswidrigkeit kompensieren.

Jedoch wird man das Eingreifen von - gesetzlich verankerten oder gewohnheitsrechtlich anerkannten - Rechtfertigungsgründen zugunsten der Kopierschutzverwendung verneinen müssen. Das Urhebergesetz selbst enthält - auch in seiner künftigen Ausgestaltung - keine Erlaubnistatbestände, die die Rechtswidrigkeit der Datenunterdrückung beseitigen könnten. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die neue Vorschrift des § 95a UrhG, die keine Erlaubnis-, sondern eine Verbotsnorm im Hinblick auf die Umgehung technischer Schutzvorrichtungen ist. Zudem muß die Vorschrift auch an dieser Stelle in Zusammenhang mit den Rechten der CD-Käufer aus § 53 UrhG gesehen werden, der seinerseits - wie aufgezeigt - das Recht auf freien Werkgenuß bzw. Privatkopie manifestiert. Der Regelungsgehalt des Urheberrechts ist also - nicht zuletzt ob seiner widersprüchlichen Ausgestaltung - nicht geeignet, die Installation von Kopierschutztechniken zu rechtfertigen.

In Zusammenhang mit der Anwendung der sonstigen in Betracht kommenden Erlaubnisnormen[60] gilt es vor allem zu berücksichtigen, dass diese stets eine Not- bzw. Gefahrenlage voraussetzten. Genau dieses Erfordernis ist jedoch im Hinblick auf die vorliegende Thematik das Problem. Bereits eingangs wurde aufgezeigt, dass entsprechende Kopierschutzmaßnahmen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt effektiv werden, nämlich schon mit Einlegen der CD in ein entsprechendes Laufwerk. Zu diesem Zeitpunkt unterbindet die Funktionsweise von Kopierschutzvorrichtungen schon die Möglichkeit des Käufers einer Audio-CD, von seinem Recht auf freien Werkgenuss bzw. Recht auf Privatkopie Gebrauch zu machen. M.a.W.: Die Kopierschutzvorrichtungen werden schon dann aktiv, wenn überhaupt keine Not- oder Gefahrensituation vorliegt, es also an einem rechtswidrigen Angriff auf die Rechtsgüter des Urheberrechtsinhabers fehlt.[61]

Auch eine Einwilligung der CD-Käufer in die Verletzung der eigenen Rechtsgüter kommt hier nicht in Betracht. Die Annahme einer ausdrücklichen Einwilligung scheitert bereits daran, dass den Käufern von CDs letztlich schon nicht Art bzw. Umfang der eingesetzten Kopierschutzverfahren detailliert vermittelt wird,[62] soweit deren Existenz überhaupt mitgeteilt wird. Abstrakt formuliert fehlt es somit an dem notwendigen Erfordernis, dass der Einwilligende Art, Umfang und Folgen des Rechtsgutseingriffs überblicken muss.[63] Daneben stellt sich aber auch die Frage, inwieweit von einer selbstbestimmten Einwilligung frei von Willensmängeln ausgegangen werden kann, wenn beim Kauf einer CD dem Käufer die Inkaufnahme eines Kopierschutzes geradezu aufgezwungen wird.[64] Aus diesem Grund scheitert auch eine mutmaßliche Einwilligung, zumal diese nach ihrem Grundgedanken ohnehin nur dann eingreift, wenn der Eingriff in die Rechtssphäre des Berechtigten (hier: des Käufers der CD) dessen Interessen dient oder diese nicht berührt werden.[65]

4. Schuld

Es verbleibt letztlich die dritte Ebene der Deliktsprüfung, die Prüfung der Schuld im Sinne eines persönlichen Vorwurfs[66] an die für die Verwendung von Kopierschutzmechanismen verantwortlichen Personen. Überlegenswert erscheint in diesem Zusammenhang allenfalls der Aspekt fehlenden Unrechtsbewusstseins bei der Verwendung des Kopierschutzes. Der damit angesprochene Irrtum über die Rechtswidrigkeit der Tat stellt sich als Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB dar,[67] der allerdings unter Berücksichtigung des Wortlauts der Vorschrift nur dann zur Straflosigkeit führen kann, wenn der Irrtum unvermeidbar war. Vermeidbarkeit ist allerdings schon dann anzunehmen, wenn dem Täter sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken.[68] Nicht zuletzt angesichts dieser hohen Anforderungen an die Unvermeidbarkeit ergeben sich auch hier keine naheliegenden Überlegungen, die eine Strafbarkeit in Frage stellen können.

III. Ergebnis und Konsequenzen für die rechtliche Bewertung der Umgehung von Kopierschutzvorrichtungen

Im Ergebnis lässt sich somit die eingangs aufgeworfene Überlegung bestätigen: Die Anwendung der aktuellen Kopierschutzmaßnahmen auf Audio-CDs wird durch den Straftatbestand der Datenveränderung des § 303a StGB erfasst. Welche rechtlichen Möglichkeiten ergeben sich aber hieraus für den Käufer? Kann es ihm möglicherweise sogar gestattet sein, zwecks Durchsetzung seiner Rechte die Schutzmechanismen zu umgehen? Die Brisanz dieser Fragen liegt auf der Hand, da sie die Vereinbarkeit des vom Reformentwurf vorgesehenen Schutzes technischer Schutzvorrichtungen mit dem geltenden Recht berührt. In den Gesetzesmotiven stellt der Gesetzgeber ausdrücklich klar, dass nach seiner Ansicht Selbsthilferechte zur Umgehung technischer Maßnahmen aus Gründen der Sicherung der Schutzsysteme nicht gewährt werden könnten.[69] Zwar hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen zum eigenen, privaten Gebrauch in §§ 108b, 111a UrhG darüber hinaus unter Strafe zu stellen. Er geht jedoch davon aus, dass zivilrechtliche Schadenersatz- und Unterlassungsansprüchen[70] einen "…folgen- oder sanktionslosen Zustand…" verhindern würden.[71] Vor dem Hintergrund des hier ermittelten Ergebnisses zur Strafbarkeit von Kopierschutzvorrichtungen auf Audio-CDs macht sich der Gesetzgeber die Lösung jedoch zu einfach, denn eines ist - ohne weiter ins Detail gehen zu müssen - klar: Der Käufer einer Audio-CD, der sich durch die Funktionsweise der Kopierschutztechniken einem strafbaren Verhalten ausgesetzt sieht, muss sich aus strafrechtlicher Sicht nicht duldend verhalten, sondern kann seinerseits unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtfertigungsgründe diesen rechtswidrigen Zustand beheben. Wenn aber wiederum die Umgehung des Kopierschutzes gerechtfertigt ist, dann fragt es sich, inwieweit hierin ein widerrechtliches Verhalten liegen kann, dass Bedingung für zivilrechtliche Schadenersatz- oder Unterlassungsansprüche ist. Insoweit gilt es das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung[72] zu berücksichtigen, aufgrund dessen (strafrechtliche) Rechtfertigungsgründe auch in Zusammenhang mit zivilrechtlichen Schadens- und Unterlassungsansprüchen zu berücksichtigen sind und derartige Ansprüche gegen den Nutzer privater Kopien nicht entstehen lassen.

Auf die soeben angesprochenen Konsequenzen der Strafbarkeit von Kopierschutzvorrichtungen soll an dieser Stelle aus Raumgründen nur hingewiesen werden, da sowohl die genaue Abgrenzung der Rechtfertigungsgründe als auch ihre Reichweite in zivilrechtlicher Hinsicht einer umfangreicheren Behandlung bedürfen, als sie hier geleistet werden kann. Festzuhalten bleibt jedoch das Ergebnis, dass der vom Gesetzgeber geplante Schutz von Kopiersperren - zumindest im Hinblick auf kopiergeschützte Audio-CDs - in seiner aktuellen Ausgestaltung am geltenden Strafrecht scheitert. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber seinen Blick für diese Problemstellung öffnet.


* Dr. Tarek Abdallah ist selbständiger Rechtsanwalt in Euskirchen; Dr. Björn Gercke arbeitet am Institut für Straf- und Strafprozeßrecht der Universität zu Köln; Dr. Peter Reinert ist selbständiger Patentanwalt in Köln.

[1] Goldmann/Leipp, ZUM 2002, 362.

[2] Z.B. Goldmann/Leipp, ZUM 2002, 362; Knies, ZUM 2002, 793.

[3] Vgl. etwa Küper, Strafrecht Besonderer Teil -Definitionen und Erläuterungen, 5. Aufl., S. 99 ff und 161 ff.

[4] Statt vieler Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 242 Rz. 12.

[5] Siehe z.B. den gleichlautenden Titel der Arbeit von Sternberg-Lieben, Köln 1985.

[6] Zu beachten ist, dass es sich beim Raub um ein Verbrechen (vgl. § 12 StGB) und damit die schwerwiegendste Deliktsform des Strafrechts handelt.

[7] Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag der Aigner Media & Entertainment Agentur; siehe hierzu die Pressemitteilung vom 18.02.2003 (Internet: http://www.ame.de oder http://www.netNewsletter.de (Ausgabe 08/03)).

[8] Die diesen Kopierschutzverfahren zugrundeliegenden Techniken sind unter anderem in den internationalen Patentanmeldungen WO 01/80546 und WO 01/78074 beschrieben.

[9] Siehe in diesem Zusammenhang auch Volpe/Bär, c´t 7/2003, S. 144 ff.

[10] Vgl. die Nachweise in Fn. 7.

[11] BGBl. 1986, 721 ff.

[12] Siehe die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses vom 19.02.1986, BT-Drucks. 10/5058, S. 1 f.

[13] Vgl. Welp, iur 1988, 443 (444); Bär in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, S. 1124.

[14] Vgl. Bär (Fn.13), S. 1124; Schünemann in Leipziger Kommentar, StGB (Stand: 1.8.2000), § 202a Rz. 3 m.w.N.; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, § 202a Rz. 3.

[15] Z.B. Schünemann (Fn.14), § 202a Rz. 3.

[16] Vgl. auch Welp, iur 1988, 443 (445).

[17] Welp, iur 1988, 443 (445).

[18] BT-Drucks. 10/5058 S. 29 u. S. 34.

[19] Schünemann (Fn.14), § 202a Rz. 3.

[20] Kritisch hierzu Welp, iur 1988, 443 (446).

[21] Siehe hierzu BT-Drucks. 10/5058, S. 24, 34.

[22] BT-Drucks. 10/5058, S. 34.

[23] Vgl. in diesem Zusammenhang auch BT-Drucks. 10/5058, S. 35 (a.E.): "Nicht strafbar macht sich nach § 303b derjenige, welcher durch Handlungen nach Nummern 1 oder 2 nur seine eigene Datenverarbeitung stört. Greift er hierbei in fremde Rechte ein, kann er insoweit nach § 303 bzw. 303a StGB bestraft werden."

[24] Z.B. BVerfG, Beschluss v. 22.10.1985, 1 BvL 44/83, BVerfGE 71, 81(105); BVerfG, Beschluss v. 26.04.1994, 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263(276).

[25] Vgl. auch Jung in Nomos Kommentar StGB, § 202a Rz. 3 im Hinblick auf das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Bestimmtheitsprinzip.

[26] Vgl. auch Tröndle/Fischer (Fn.4), § 303a Rz. 3.

[27] Tolksdorf in Leipziger Kommentar (Stand: 1.10.1992), § 303a Rz. 5; siehe auch Welp, iur 1988, 443 (446 (a.E.)).

[28] Vgl. Hoyer in Systematischer Kommentar StGB, Neuwied (Stand: 6. Auflage August 1999), § 303a Rz. 1.

[29] Stree (Fn.14), § 303a Rz. 3.

[30] Vgl. Hoyer (Fn.28), § 303a Rz. 1.

[31] So z.B. BayObLG, Urt. v. 24.6.1993, 5 St RR 5/93, JR 1994, 476 ff.; Hoyer (Fn.28), § 303a Rz. 12; Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 303a Rz.4; Tröndle/Fischer (Fn.4), § 303a Rz. 9; Hilgendorf, JuS 1996, 890 (892).

[32] Tolksdorf (Fn.27), § 303a Rz. 5; Zaczyk (Fn.25, Stand: 31.10.1998), § 303a Rz.4.

[33] Siehe den Überblick bei Bär (Fn.13), S. 1133 mit zahlreichen Nachweisen.

[34] Tolksdorf (Fn.27), § 303a Rz. 5 (a.E.); Bär (Fn.13), S. 1133.

[35] Vgl. Bär (Fn.13), S. 1133.

[36] Hilgendorf, JR 1994, 478.

[37] Z.B. Tröndle/Fischer (Fn.4), § 303a Rz. 3; Stree (Fn.14), § 303a Rz. 3; Lackner/Kühl (Fn.31), § 303a Rz. 4, jeweils mit weiteren Nachweisen.

[38] Tolksdorf (Fn.27), § 303a Rz. 6.

[39] Tolksdorf (Fn.27), § 303a Rz. 5.

[40] Siehe hierzu auch Hilgendorf, JR 1994, 478 (a.E.).

[41] Instruktiv hierzu Hilgendorf, JuS 1996, 890 (892 ff.); ders., JZ 1994, 478 ff.

[42] So Tolksdorf (Fn. 27), § 303a Rz. 11.

[43] Siehe nur Hoeren, Urheberecht und Verbraucherschutz. Überlegungen zum Gesetz über Urheberrecht in der Informationsgesellschaft, Gutachten im Auftrag von Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Berlin (Internet:http://www.vzbv.de), S. 9 m.w.N.

[44] Siehe den Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/38.

[45] BT-Drucks 15/38, S. 14.

[46] Siehe den UrhG-Entwurf vom 23.03.1962, wiedergegeben bei Schulze, Materialien zum Urhebergesetz, Weinheim 1993, S. 72.

[47] Ausführlich hierzu Rehbinder, Urheberrecht, 12.Aufl., Rz. 250 ff.

[48] Vgl. in diesem Zusammenhang Goldmann/Liepe, ZUM 2002, 362 (364f.); Schack, ZUM 2002, 497 (504f.).

[49] Siehe hierzu u.a. Rehbinder, Urheberrecht, 12. Aufl. 2002, § 8.

[50] Zutreffend Knies ZUM 2002, 793 (797); Hoeren (Fn.43), S. 26; vor diesem Hintergrund führt auch die Idee einer richtlinienkonformen Auslegung des § 303a StGB zu keinem anderen Ergebnis, zumal in Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Richtlinie unter dem Aspekt der Privatkopiedurchsetzung auch die Pönalisierung des Verhaltens des Rechtsinhabers diskutiert wird (hierzu Mayer, CR 2003, 274 (280) m.w.N.). Würde man hingegen bei der richtlinienkonformen Auslegung besonders auf den Schutz technischer Maßnahmen in der Richtlinie verweisen, müßte aufgrund der widersprüchlichen Aussagen zum Verhältnis von technischen Maßnahmen und Durchsetzung der Privatkopie eine richtlinienkonforme Auslegung scheitern.

[51] BT-Drucks. 15/38, S. 20.

[52] Zur diesbezüglichen Kritik vgl. bspw. Hoeren (Fn.43), S. 22, 33.

[53] BT-Drucks 15/38, S. 20.

[54] Mayer, CR 2003, 274 (276).

[55] Hoeren (Fn. 43), S. 22 ff.; siehe auch Knies, ZUM 2002, 793(794);

[56] Z.B. BT-Drucks. 10/5058, S. 35 f; Tolksdorf (Fn.27), § 303a Rz. 26; Hoyer (Fn.28), § 303a Rz. 9 m.w.N.

[57] Tröndle/Fischer (Fn.4), § 303a Rz. 9.

[58] Z.B. Stree (Fn.14), § 303a Rz. 5; Tolksdorf (Fn.27), § 303a Rz.36; Hoyer (Fn.28), § 303a Rz. 13.

[59] Tolksdorf (Fn.27), § 303a Rz. 36 (a.E.).

[60] Zu denken ist hier §§ 32, 34 StGB sowie §§ 227 ff., 904 BGB.

[61] Beachte in vergleichbarem Zusammenhang auch schon Rombach, CR 1990, 184 (185 ff.); hieran ändert letztlich auch die bereits angesprochene Vorschrift des § 95a UrhG nichts, denn diese ist keine - im Rahmen der strafrechtlichen Rechtfertigung beachtliche - Erlaubnisnorm zugunsten des Verwenders, sondern von Wortlaut und Konzeption ein Verbotstatbestand.

[62] Vgl. auch Hansen, c´t 7/2003, 136 (138), der die Unwissenheit der Konsumenten und die hierdurch erschwerte Umgehung des Kopierschutzes als integralen Bestandteil dieser Vorgehensweise bezeichnet.

[63] Z.B. BGH, Urt. v. 12.10.1999, 1 StR 417/99, NStZ 2000, 87 f.

[64] Eine auf Zwang, Täuschung oder Drohung beruhende Einwilligung ist unwirksam, siehe z.B. Kindhäuser in Lehr-und Praxiskommentar StGB, Vor § 13 Rz. 169.

[65] Kindhäuser (Fn.61), Vor § 32, Rz. 49; an dieser strafrechtlichen Bewertung ändert sich auch vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Diskussion nichts, in Rahmen derer unter Hinweis auf die Kenntnis des Käufers vom Kopierschutz ein Mangel des Kaufgegenstandes zum Teil verneint wird (hierzu Hoeren (Fn.43), S. 37 ff.). Aus strafrechtlicher Sicht fehlt es jedenfalls an einer umfassenden Dispositionsbefugnis der Parteien: der Verwender technischer Schutzvorrichtungen darf im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des § 303a StGB eben nicht einseitig den Zugang zu den Daten vereiteln bzw. hierüber nach eigenem Ermessen entscheiden, da den CD-Käufern ein entsprechendes Nutzungsrecht zusteht.

[66] Siehe hierzu grundlegend BGH, Urt. v. 18. März 1952, GSSt 2/51, BGHSt 2,194 (200).

[67] Tröndle/Fischer (Fn.4), § 303a Rz. 10.

[68] Beachte schon BGH, Urt. v. 18. März 1952, GSSt 2/51, BGHSt 2,194 (200)

[69] BT-Drucks 15/38, S. 27.

[70] Siehe hierzu Hoeren (Fn.43) S. 35 ff.

[71] BT-Drucks. 15/38, S. 29.

[72] Siehe bspw. Jescheck/Weigend, Strafrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1996, § 31 III (S. 327).