HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2003
4. Jahrgang
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II. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

BGH 2 StR 294/02 - Beschluss vom 2. Oktober 2002 (LG Fulda)

Erweiterter Verfall (Vorrang des Verfalls / Verfalls von Wertersatz; verfassungskonforme Auslegung); Vorrang des Strengbeweisverfahrens; Verfahrensvoraussetzung der Anklage (Tatbegriff).

§ 73 StGB; § 73a StGB; § 73d StGB; § 244 StPO; § 170 StPO; § 200 StPO

1. Sind die Voraussetzungen für die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz gegeben, ist für die Anordnung eines erweiterten Verfalls nach § 73 d StGB kein Raum. Vor der Anwendung des § 73 d muss unter Ausschöpfung aller prozessual zulässigen Mittel ausgeschlossen werden, daß die Voraussetzungen der §§ 73, 73 a StGB erfüllt sind.

2. Die Vorschrift des § 73 d StGB ist hinsichtlich der uneingeschränkten Überzeugung des Gerichts von der deliktischen Herkunft des sichergestellten Geldes verfassungskonform einengend auszulegen (vgl. BGHSt 40, 371).


Entscheidung

BGH 3 StR 91/03 - Beschluss vom 15. April 2003 (LG Osnabrück)

Strafaussetzung zur Bewährung (Sozialprognose; zulässiges Verteidigungsverhalten; strafrechtlich irrelevantes Verhalten).

§ 56 StGB

Ein strafrechtlich irrelevantes Verhalten ist nicht geeignet, eine ungünstige Prognoseentscheidung zu begründen.


Entscheidung

BGH 3 StR 79/03 - Beschluss vom 8. April 2003 (LG Itzehoe)

Sicherungsverfahren; Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; Darlegung; Urteilsgründe; verminderte Schuldfähigkeit (Differenzierung nach Beeinträchtigung der Einsichts- oder nur der Steuerungsfähigkeit).

§ 63 StGB; § 267 StGB; § 20 StGB; § 21 StGB

1. Zur Begründung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) muss die Gesamtwürdigung von Tat und Täter ergeben, dass aufgrund des zur Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderten Schuldfähigkeit führenden Zustandes eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher rechtswidriger Taten besteht (st. Rspr., z.B. BGHSt 34, 22, 27; BGH, Beschluss vom 13. November 2002 - 4 StR 438/02).

2. Die Anordnung nach § 63 StGB setzt eine eindeutige Bewertung des Zustandes des Täters zur Tatzeit der Anlasstat voraus. Hierfür muss geklärt werden, ob er noch die Fähigkeit besitzt, das Unrecht seines Tuns zu erkennen, und er lediglich nicht in der Lage ist, danach zu handeln, oder ob ihm bereits die Fähigkeit zur Einsicht in das Unerlaubte seiner Tat fehlt. Die Anwendung des § 20 StGB kann nicht auf beide Alternativen zugleich gestützt werden.


Entscheidung

BGH 1 AR 266/03 StB 4/03 - Beschluss vom 25. April 2003

Vollstreckung der beiden Strafreste zur Bewährung (Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit; überspannte Anforderungen an eine positive Prognoseentscheidung).

§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB

Verbüßt der Verurteilte erstmals eine Freiheitsstrafe und gibt seine Führung während des Vollzugs keinen Anlaß zu gewichtigen Beanstandungen, so kann im Regelfall (s. aber auch § 454 Abs. 2 StPO) davon ausgegangen werden, dass die Strafe ihre spezialpräventiven Wirkungen entfaltet hat und es verantwortbar ist, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen. Soweit der erstmaligen Strafverbüßung bereits ein Bewährungsbruch vorausgegangen ist, ist nicht generell ein engerer Beurteilungsmaßstab anzulegen und das Vorliegen zusätzlicher Tatsachen zu verlangen, die eine künftige straffreie Führung des Verurteilten überwiegend wahrscheinlich machen. Entscheidend für die Prognose nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist eine Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des erlittenen Strafvollzugs für das künftige Leben des Verurteilten in Freiheit einerseits und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit andererseits. Isolierte Aussagen über die Wahrscheinlichkeit künftiger Straflosigkeit des Verurteilten sind daher wenig hilfreich.


Entscheidung

BGH 5 StR 402/02 - Beschluss vom 11. Februar 2003 (LG Berlin)

Waffe im technischen Sinne (Springmesser); Strafzumessung bei Gehilfen / Beihilfe.

§ 1 Abs. 7 WaffG; § 37 Abs. 1 Nr. 5 WaffG; § 46 Abs. 2 StGB; § 27 StGB; § 29 StGB

Die Prüfung eines minder schweren Falles ist für jeden Tatbeteiligten gesondert aufgrund einer auf ihn bezogenen Gesamtwürdigung vorzunehmen. Bei einem Gehilfen hängt das Ergebnis dieser Prüfung vor allem vom Gewicht der Beihilfehandlung ab, auch wenn die Schwere der Haupttat mit zu berücksichtigen ist (st. Rspr., BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall - Gehilfe 1, 2; BGHR StGB § 250 Abs. 2 Beihilfe 1).