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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 402/02, Beschluss v. 11.02.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 402/02 - Beschluss vom 11. Februar 2003 (LG Berlin)

Waffe im technischen Sinne (Springmesser); Strafzumessung bei Gehilfen / Beihilfe.

§ 1 Abs. 7 WaffG; § 37 Abs. 1 Nr. 5 WaffG; § 46 Abs. 2 StGB; § 27 StGB; § 29 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Prüfung eines minder schweren Falles ist für jeden Tatbeteiligten gesondert aufgrund einer auf ihn bezogenen Gesamtwürdigung vorzunehmen. Bei einem Gehilfen hängt das Ergebnis dieser Prüfung vor allem vom Gewicht der Beihilfehandlung ab, auch wenn die Schwere der Haupttat mit zu berücksichtigen ist (st. Rspr., BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall - Gehilfe 1, 2; BGHR StGB § 250 Abs. 2 Beihilfe 1).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. April 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben

a) hinsichtlich des Angeklagten W mit den Feststellungen, jedoch bleiben diejenigen zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aufrechterhalten;

b) hinsichtlich des Angeklagten G im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten W wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter den qualifizierenden Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (Mitsichführen eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist) in Tateinheit mit unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten G hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Die Revision des Angeklagten W führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Schuldspruchs und folglich auch der verhängten Strafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Hinsichtlich der Feststellungen zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Revision des Angeklagten G ist zum Schuldspruch unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), führt indes zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.

1. Betreffend den Angeklagten W tragen die bisherigen Feststellungen den Schuldspruch nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG und §§ 37 Abs. 1 Nr. 4 und 5, 53 Abs. 3 Nr. 3 WaffG nicht. Die Vorschrift des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfordert, daß der Täter beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich in dem vom Angeklagten W geführten Pkw "auf der Mittelkonsole zwischen den beiden vorderen Sitzen griffbereit ein Springmesser mit innenliegender Klinge. Die Klinge, die durch Knopfdruck hervorschnellt und hierdurch festgestellt wird, hat eine Länge von ca. 5 cm. Das Springmesser hat die äußere Gestalt und auch die Funktion eines Feuerzeugs, und ist deshalb als Messer bzw. Springmesser auf den ersten Blick nicht zu erkennen." Die Überzeugung, daß der Angeklagte das Messer zur Verletzung von Personen bestimmt hatte, gewinnt das Landgericht vorrangig aus der Überlegung, daß es sich bei einem Springmesser um eine Waffe im technischen Sinne gemäß § 1 Abs. 7 WaffG handele und bei derartigen Gegenständen eine Bestimmung zur Verletzung von Personen durch den Täter regelmäßig sehr nahe liege (vgl. hierzu BGHSt 43, 266). Diese Erwägung ist nicht tragfähig begründet.

a) Soweit das Landgericht die Voraussetzungen einer verdeckten Hieb- oder Stoßwaffe nach § 37 Abs. 1 Nr. 4 WaffG als gegeben erachtet, fehlen Feststellungen dazu, inwieweit die in § 1 Abs. 7 Satz 1 WaffG genannten Merkmale erfüllt sind. Hiernach muß es sich um eine Waffe handeln, die ihrer Natur nach dazu bestimmt ist, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb, Stoß oder Stich Verletzungen beizubringen. Erfaßt wird also eine Waffe, die nach der Art ihrer Anfertigung oder nach der herrschenden Verkehrsauffassung objektiv dazu bestimmt ist, Gesundheitsbeschädigungen oder Körperverletzungen beizubringen (vgl. RGSt 66, 191; BayObLGSt. 1993, 167; Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 147. ErgLfg § 1 WaffG Rdn. 37). Dies versteht sich bei einem funktionsfähigen Feuerzeug nicht von selbst, zumal eine Hieb- oder Stoßwaffe in aller Regel eine längere Klinge als fünf Zentimeter aufweist. Nähere Angaben zu Länge, Schärfe und Form der Klinge enthält das Urteil jedoch nicht.

b) Hinsichtlich der Annahme, es würde ein Springmesser nach § 37 Abs. 1 Nr. 5 WaffG gegeben sein, fehlen ebenfalls nähere Feststellungen zu Länge, Schärfe und Form der Klinge. Es kommt in Betracht, daß die Vorschrift wegen der Ausnahmeregelung in § 37 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WaffG nicht zur Anwendung kommt. Danach gilt § 37 Abs. 1 Nr. 5 WaffG nicht für Springmesser, die nach Größe sowie Länge und Schärfe der Spitze als Taschenmesser anzusehen sind. Zudem fallen nach Nr. 37.2.6 WaffVwV Springmesser unter anderem dann unter das Verbot des § 37 Abs. 1 Nr. 5 WaffG, wenn der aus dem Griff herausragende Teil ihrer Klinge länger als 8,5 cm ist (vgl. hierzu BGHR WaffG § 37 Springmesser 1; Steindorf in Erbs/Kohlhaas aaO § 37 WaffG Rdn. 14).

2. Das Rechtsmittel des Angeklagten G hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg. Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts lassen nicht ausreichend erkennen, ob es beachtet hat, daß die Prüfung eines minder schweren Falles aufgrund einer eigenen Gesamtwürdigung für jeden Tatbeteiligten gesondert zu erfolgen hat. Bei einem Gehilfen hängt das Ergebnis dieser Prüfung vor allem von dem Gewicht der Beihilfehandlung ab, wenn auch die Schwere der Haupttat mitzuberücksichtigen ist (st. Rspr., BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall - Gehilfe 1, 2; BGHR StGB § 250 Abs. 2 Beihilfe 1; vgl. auch Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 46 Rdn. 105 m.w.N.). Der Tatbeitrag des Angeklagten erschöpfte sich in einer Mithilfe bzw. Schutzhilfe beim Transport des Rauschgifts. Im übrigen kann ein minder schwerer Fall auch gerade deshalb in Betracht kommen, weil der vertypte Milderungsgrund des § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB vorliegt (BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall - Strafrahmenwahl 3; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 50 Rdn. 2 m.w.N.). Auch dies hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht. Der Senat vermag im übrigen nicht auszuschließen, daß die Höhe der Strafe von dem aufgezeigten Rechtsfehler betreffend den Angeklagten W beeinflußt ist, und hebt diese auf.

Externe Fundstellen: NStZ 2003, 439; StV 2003, 284

Bearbeiter: Ulf Buermeyer