HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

April 2002
3. Jahrgang
PDF-Download

III. Strafverfahrensrecht (mit Gerichtsverfassungsrecht)



Entscheidung

BGH 5 StR 588/01 - Beschluss vom 5. Februar 2002 (LG Berlin)

BGHSt; Pflicht zur Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation (keine Verpflichtung zu zwingendem Hinweis auf einen vorhandenen anwaltlichen Notdienst); eingeschränkte Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren; Verwertungsverbot bei unzureichender Belehrung; Rechtskreistheorie; geistig-seelische Beschaffenheit (Besorgnis, die Belehrung könne nicht verstanden worden sein)

§§ 136 Abs. 1 Satz 2; 141 Abs. 3 Satz 2 StPO; Art. 6 EMRK

1. Die Pflicht zur Belehrung über das Recht auf Verteidigerkonsultation gebietet nicht, den Beschuldigten, der keinen Wunsch auf Zuziehung eines Verteidigers äußert, auf einen vorhandenen anwaltlichen Notdienst hinzuweisen (im Anschluss an BGHSt 42, 15). (BGHSt)

2. Eingeschränkte Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren (Abgrenzung zu BGHSt 46,93 und BGH, Urteil vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). (BGHSt)

3. Auf eine angeblich unzulängliche Belehrung der Mitangeklagten nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO kann sich der Angeklagte nicht berufen; dessen Rechte werden hierdurch nicht berührt (vgl. BGHR StPO § 136 Belehrung 5; BGH wistra 2000, 311, 313). (Bearbeiter)

4. Die Pflichtverteidigerbestellung für den Beschuldigten ohne Wahlverteidiger schon während des Vorverfahrens steht im richterlichen Ermessen auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft (§ 141 Abs. 3 Sätze 1 und 2 StPO). Für die Stellung dieses Antrags, der sich nach der Prognose notwendiger Verteidigung in einem künftigen gerichtlichen Verfahren richtet, steht der Staatsanwaltschaft ein nicht umfassend gerichtlich überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. BGHSt 46, 93, 98 f.; BGH, Urt. vom 22. November 2001 - 1 StR 220/01, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). (Bearbeiter)

5. Dem geltenden Recht ist nicht zu entnehmen, dass bereits dann, wenn die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren den dringenden Verdacht eines Verbrechens - oder auch eines gewichtigen Vergehens - für begründet erachtet, eine entsprechende Reduzierung des Beurteilungsspielraums der Staatsanwaltschaft für die Stellung eines Antrags auf Verteidigerbestellung nach § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO anzunehmen wäre, die sie jedenfalls veranlassen müsste, mit Ermittlungen, welche die Mitwirkung des Beschuldigten erfordern, innezuhalten, mindestens bis zu einem weitergehenden Hinweis an ihn auf die nunmehr anzunehmende Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 5 StR 617/01 - Beschluss vom 5. Februar 2002 (LG Berlin)

BGHSt; BGHR; notwendige Verteidigung; Scheinverteidiger; absoluter Revisionsgrund; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (unwirksamer Rechtsmittelverzicht); Verlust seiner Rechtsanwaltszulassung; Standesrecht; Gelegenheit zur Rücksprache mit dem Verteidiger; rechtsstaatlich unverzichtbare Rechtsberatung; faires Verfahren

§§ 44; 138 Abs. 1; 302 Abs. 1 Satz 1; 338 Nr. 5 StPO; Art. 6 EMRK

1. In einem Fall notwendiger Verteidigung begründet die alleinige Mitwirkung eines nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Scheinverteidigers an der Hauptverhandlung den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. Ein nach Beratung durch den Scheinverteidiger erklärter Rechtsmittelverzicht des Angeklagten ist unwirksam. Der Angeklagte kann danach gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangen. (BGHSt)

2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Anhaltspunkte für einen besonders gelagerten Sachverhalt vorliegen, wonach die Angeklagte den Rechtsmittelverzicht aufgrund unbedingter, von jeglichem Rat irgendeines Verteidigers unbeeinflussbarer - damit auch tatsächlich nicht vom Rat des Scheinverteidigers beeinflusster - autonomer Entschließung abgegeben hätte, nämlich auf der Grundlage eines allein gebildeten verbindlichen Verzichtswillens, der dem eines jeden Verteidigers vorrangig wäre (vgl. BGHSt 45, 51, 56). (Bearbeiter)

4. Jede Form der Nichterfüllung der gesetzlichen Anforderungen an die Person des Verteidigers muss identische Unwirksamkeitsfolgen nach sich ziehen. (Bearbeiter)

5. Angesichts der Bedeutung der Verteidigungsrechte der Angeklagten muss der Umstand unerheblich bleiben, dass das Gericht den Mangel in der Person des mitwirkenden Verteidigers bei Entgegennahme des Rechtsmittelverzichts nicht gekannt hat. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 5 StR 351/01 - Urteil vom 6. März 2002 (LG Dresden)

BGHR; BGHSt; Darstellungspflicht bei Freispruch; Beweiswürdigung (Gesamtwürdigung; Aufnahme dem Angeklagter günstiger Feststellungen zum Ausschluss der Darlegungspflicht)

§§ 261, 267 StPO

1. Zur Darstellungspflicht bei Freispruch. (BGHR)

2. Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln; erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung. Auch wenn keine der jeweiligen Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreicht, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2 und Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133, 134, jeweils m.w.N.). Dabei sind alle diejenigen Umstände in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, die naheliegenderweise für eine Schuld des Angeklagten sprechen können. Der daraus folgenden Darstellungspflicht kann sich der Tatrichter auch nicht etwa dadurch entziehen, dass er hinsichtlich einzelner möglicherweise relevanter Umstände die dem Angeklagten günstige Version des Geschehens in die Feststellungen aufnimmt, ohne hierzu eine Beweiswürdigung anzustellen. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 3 StR 482/01 - Beschluss vom 5. Februar 2002 (LG Hildesheim)

Beweisantrag (Beweisermittlungsantrag ins Blaue hinein; Scheinbeweisantrag; fehlende Ablehnung); Aufklärungspflicht

§ 244 Abs. 3 StPO; § 244 Abs. 2 StPO

1. Einem in die Form eines Beweisantrags gekleideten Beweisbegehren muss ausnahmsweise nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (BGH NStZ 1993, 143, 144; NJW 1997, 2762, 2764 jew. m.w.N.). Dies ist jedoch nicht schon dann der Fall, wenn die bisherige Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Beweisbehauptung ergeben hat (BGH NJW 1983, 126, 127). Vielmehr kann hiervon etwa erst dann ausgegangen werden, wenn das bisherige Beweisergebnis, die Akten und der Antrag keinerlei Verknüpfung des Beweisthemas mit dem benannten Beweismittel erkennen lassen, so dass jeder Anhalt dafür fehlt, dass das Beweismittel überhaupt etwas zur Klärung der Beweisbehauptung beitragen kann (BGH NStZ 1993, 143, 144; zur fehlenden Konnexität vgl. auch BGHSt 43, 321, 329 ff.), oder wenn beispielsweise eine Mehrzahl neutraler Zeugen eine Tatsache übereinstimmend bekundet hat und, ohne Beleg für entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte, das Gegenteil in das Wissen eines weiteren, völlig neu benannten Zeugen gestellt wird, dessen Zuverlässigkeit offensichtlichen Zweifeln begegnet (BGH NJW 1997, 2762, 2764).

2. Es ist dem Angeklagten nicht verwehrt, mit dem Mittel des Beweisantrags auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er nur für möglich hält (BGH NStZ 1993, 143, 144 m.w.N.).


Entscheidung

BGH 5 StR 437/01 - Beschluss vom 5. Februar 2002 (LG Göttingen)

Entfernung / Abwesenheit des Angeklagten; Urkundsbeweis; Verlesung während einer Zeugenvernehmung; Einnahme von Augenschein; absoluter Revisionsgrund; Sachzusammenhang (keine Übertragung der Zusammenhangformel)

§ 247 Satz 1 StPO; § 251 StPO; § 338 Nr. 5 StPO; § 338 Nr. 6 StPO; § 171b GVG; § 172 GVG

1. § 247 StPO gestattet die Entfernung des Angeklagten auch bei einem gegebenen Sachzusammenhang zur Zeugenvernehmung für die Erhebung des Urkundenbeweises oder einer Augenscheinnahme nicht.

2. Der Senat sieht keinen Anlass eine Änderung der Rechtsprechung mit dem Ziel zu erwägen, den Umfang der Entfernung des Angeklagten nach § 247 StPO den Grundsätzen anzupassen, die von der Rechtsprechung für den Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 171b oder § 172 GVG während einer Vernehmung, also für einen Teil der Hauptverhandlung, anerkannt sind; hier findet der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO keine Anwendung, wenn eine auch gesonderte förmliche Beweiserhebung im Zusammenhang mit der Vernehmung stand, von welcher die Öffentlichkeit ausgeschlossen war (vgl. BGHR GVG § 171b Abs. 1 Augenschein 1). Zwar erschiene die "Zusammenhangformel" gerade bei der Verfahrensweise nach § 253 StPO sachgerecht, bei der eine Verlesung in Anwesenheit des von der Protokollverlesung unmittelbar betroffenen Zeugen und damit in Abwesenheit des Angeklagten, mit dem er nach § 247 StPO nicht konfrontiert werden soll, besonders nahe liegt.


Entscheidung

BGH 2 StR 507/01 - Urteil vom 6. Februar 2002 (LG Trier)

Vergewaltigung; Vorsatz (Beweiswürdigung; Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo; Irrtum; Gleichgültigkeit)

§ 177 Abs. 2 StGB; § 15 StGB; § 16 StGB; § 261 StPO;

1. Der Zweifelssatz ist keine Beweisregel und greift erst nach abgeschlossener Beweiswürdigung ein (vgl. BGH NStZ 1999, 205). Spricht das Gericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, so sind die der Beweiswürdigung zugrunde liegenden wesentlichen Erwägungen in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise in den Urteilsgründen darzulegen (vgl. BGHSt 37, 21, 22; BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind beim freisprechenden Urteil nicht geringer als im Fall der Verurteilung. Hat der Tatrichter die zur Verurteilung erforderliche Überzeugung vom Vorliegen eines äußeren oder inneren Tatmerkmals nicht gewonnen, so müssen die Urteilsgründe in überprüfbarer Weise belegen, dass er die gegen die Schuld des Angeklagten sprechenden ebenso wie entgegenstehende Beweisergebnisse in ihrer Bedeutung zutreffend gewertet hat und dass die Anwendung des Zweifelssatzes auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtwürdigung dieser Ergebnisse erfolgt ist.

2. Wem aus egoistischer, allein auf die Durchsetzung eigener Wünsche gerichteter Gesinnung ein möglicherweise entgegenstehender Wille des Opfers einer sexuellen Nötigung von vornherein gleichgültig ist, handelt nicht im vorsatzausschließenden Irrtum, sondern zumindest bedingt vorsätzlich.


Entscheidung

BGH 3 StR 345/01 - Beschluss vom 20. Februar 2002 (LG Bückeburg)

Abwesenheit (richterlicher Augenschein; Abgrenzung zum bloßen Vorhalt); Beruhen bei absoluten Revisionsgründen; Unterrichtungspflicht; schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (Vergewaltigung)

§ 247 StPO; § 338 StPO; § 176 a Abs. 1 Nr. 1 StGB

1. Nach § 247 Satz 4 StPO hat der Vorsitzende den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen, Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist. Ein Angeklagter muss danach, bevor in seiner Anwesenheit die Beweisaufnahme fortgesetzt wird, auch dann von dem in seiner Abwesenheit Ausgesagten unterrichtet werden, wenn die in seiner Abwesenheit durchgeführte Vernehmung lediglich unterbrochen wurde. Es ist sicherzustellen, dass der Informationsstand des Angeklagten im wesentlichen dem der anderen Prozeßbeteiligten entspricht und er aufgrund der bereits teilweise in die Hauptverhandlung eingeführten Aussage sein Fragerecht gegenüber weiteren Zeugen und Sachverständigen oder seine Verteidigung zu sonstigen Verfahrensgegenständen sachgerecht auszuüben vermag (BGHSt 38, 260 f., BGH NStZ 1999, 522).

2. Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht schon darin zu sehen ist, dass der Vorsitzende den Angeklagten nicht bereits nach der Unterbrechung der Vernehmung der ersten Zeugin vom wesentlichen Inhalt dieser Aussage unterrichtet hat, ehe er mit der Vernehmung der zweiten Zeugin begann.


Entscheidung

BGH 2 StR 523/01 - Beschluss vom 13. Februar 2002 (LG Mainz)

Wiedereinsetzung zur Nachholung einer Verfahrensrüge nur in Ausnahmefällen (mehrfach nicht gewährte Akteneinsicht; Darlegungsanforderungen an die Antragsbegründung); Konkurrenzen (Bedrohung; Körperverletzung; Versuch)

§ 44 StPO; § 241 StGB; § 223 StGB; § 52 StGB; § 22 StGB

1. Eine Wiedereinsetzung zur Nachholung einer Verfahrensrüge kommt bei im übrigen form- und fristgerecht begründeter Revision nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn dem Verteidiger bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist trotz mehrfacher Mahnung keine Akteneinsicht gewährt wurde.

2. Wird geltend gemacht, fehlende Akteneinsicht habe die formgerechte Formulierung der Rüge verhindert, muss die Rüge so genau mitgeteilt werden, wie dies ohne Akteneinsicht möglich ist und im übrigen muss der Beschwerdeführer darlegen, inwieweit er dadurch an einer ordnungsgemäßen Begründung gehindert war.

3. Ein Zurücktreten der Bedrohung (oder keine Tatbestandsmäßigkeit) wird angenommen, wenn eine Bedrohung mit Versuch oder Vollendung des angedrohten Verbrechens zusammentrifft. Handelt es sich bei den dann begangenen Taten hingegen nur um Vergehen, wird der Unrechtsgehalt der Tat nicht erschöpfend erfasst, wenn nicht die über die Körperverletzungen hinausgehende Todesdrohung im Schuldspruch zum Ausdruck kommt.


Entscheidung

BGH 5 StR 501/01 - Urteil vom 6. März 2002 (LG Bremen)

Vergewaltigung; Beweiswürdigung (Aussage gegen Aussage; Unklarheiten; Lücken; lügenhafte Einlassung des Angeklagten); Überzeugungsbildung

§ 177 Abs. 2 StGB; § 261 StPO

1. Eine umfassende Darstellung der relevanten Aussagen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann geboten, wenn Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung allein davon abhängt, welcher Person das Gericht Glauben schenkt. Bei einer solchen Beweislage muss der Tatrichter erkennen lassen, dass er alle Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGHSt 44, 153, 159; 44, 256, 257; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 23 m.w.N.). Dies gilt nicht nur im Falle einer Verurteilung, sondern auch dann, wenn ein Angeklagter freigesprochen wird, weil sich das Gericht von der Richtigkeit der belastenden Aussage eines Zeugen nicht überzeugen kann (vgl. BGH NStZ 2000, 550).

2. Eine lügenhafte Einlassung kann grundsätzlich nur mit Vorsicht als Beweiszeichen für die Schuld eines Angeklagten gewertet werden (vgl. dazu BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 30, 33).


Entscheidung

BGH 3 BJs 1/01-4(1) - StB 1/02 - Beschluss vom 13. Februar 2002

Beschwerde; Beschlagnahme; Durchsuchung; prozessuale Überholung; Erledigung; berechtigtes Feststellungsinteresse; Zuständigkeit; effektiver Rechtsschutz

§ 304 Abs. 5 StPO; Art. 13 GG; § 102 StPO

1. Die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes gegen den Eingriff in das Grundrecht des Beschuldigten aus Art. 13 Abs. 1 GG gebietet, dass auch nach Abschluss der Durchsuchung deren Rechtmäßigkeit mit dem grundsätzlich gegen diese Ermittlungsmaßnahme gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel zur Überprüfung gestellt werden kann (BVerfGE 96, 27; BGHR StPO § 304 Abs. 5 Durchsuchung 1; BGH NJW 2000, 84, 85).

2. Die Entscheidungskompetenz des Senats beschränkt sich indessen auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung. Über Einwände des Beschuldigten gegen die Art und Weise des Vollzugs der Durchsuchung und gegen die von den Ermittlungsbehörden ausgesprochenen Beschlagnahmen hat dagegen der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zu befinden (§ 98 Abs. 2 Satz 2, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO; BGHSt 45, 183; BGH NJW 2000, 84, 86).