Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2000
1. Jahrgang
PDF-Download
1. Die berufliche Stellung des Täters darf nur dann zu seinen Lasten berücksichtigt werden, wenn zwischen dem Beruf und der Straftat eine innere Beziehung besteht.
2. Das ein Angeklagter durch die Tat seinen eigenen religiösen Vorstellungen zuwidergehandelt; daß der Täter seine persönlichen Wertmaßstäbe und Verhaltensnormen verfehlt, ist seine persönliche Angelegenheit und kann daher keinen Straferschwerungsgrund abgeben.
1. Die Erhöhung der Freiheitsstrafe durch die Einbeziehung der Geldstrafen ist im Vergleich zur gesonderten Festsetzung einer Gesamtgeldstrafe ein schwereres Strafübel.
2. Der Tatrichter darf von der Einbeziehung von Geldstrafen in eine Gesamtfreiheitsstrafe auch absehen, wenn er im Rahmen einer schuldangemessenen Ahndung der Taten nur so die Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen kann.
Bei der Entscheidung ob ein minder schwerer Fall angenommen werden kann, ist maßgebend, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und die Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Dazu ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen.
1. Zur erforderlichen Prüfung der Schuldunfähigkeit beim Zusammenwirken von erheblicher Alkoholisierung, affektiver Belastung und der bei dem Angeklagten festgestellten Persönlichkeitsstörung.
2. Ohne eine abschließende Klärung der Art der bei dem Angeklagten festgestellten Persönlichkeitsstörung läßt sich eine sichere Aussage darüber, ob diese als schwere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu qualifizieren ist, nicht treffen.
3. Zur Bedeutung von psychodiagnostischen Kriterien im Einzelfall.
4. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kommt grundsätzlich in Betracht, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist. Es kann aber auch dann ein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender Zustand anzunehmen sein, wenn zwar erst die aktuelle Alkoholintoxikation den Ausschluß der Schuldfähigkeit oder deren erhebliche Verminderung bewirkt hat, der Täter aber an einer länger dauernden krankhaften geistig-seelischen Störung leidet und als Auslösungsfaktor für den Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB alltägliche Ereignisse in Betracht kommen (vgl. BGH StV 1999, 486 = NJW 1999, 3422, BGHSt 44, 338).
5. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB setzt von Verfassungs wegen die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges voraus (BVerfGE 91, 1 = NStZ 1994, 578). Es genügt für die Annahme der Aussichtslosigkeit noch nicht, daß der Angeklagte keine Einsicht in seine Mißbrauchsproblematik hat. Eine solche mangelnde Einsicht kann ebenso wie mangelnde Therapiemotivation zwar ein Indiz dafür sein, daß eine Entwöhnungsbehandlung keine Erfolgschancen hat. Andererseits bedarf es in solchen Fällen der Prüfung und Darlegung, daß auch mit therapeutischen Bemühungen eine positive Beeinflussung des Angeklagten nicht zu erreichen wäre (BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 7).
6. Einzelfall der verfehlten Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB (Erzieherische Gründe als Pauschalbehauptung, die aus dem Urteil nicht ersichtlich sind).
1. Zu den Voraussetzung zur Annahme eigener Sachkunde durch das Gericht.
2. Ob bei einem Angeklagten, dessen Verhalten Anhaltspunkte für eine schwere psychische Erkrankung zeigt, eine solche Erkrankung tatsächlich vorliegt und in welchem Maße sie gegebenenfalls die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten beeinträchtigt hat, vermag nur ein psychiatrischer Sachverständiger mit entsprechendem Spezialwissen anhand des konkreten Falles zuverlässig zu beurteilen.
3. Einzelfall der Prüfung der (verminderten) Schuldfähigkeit bei einem "geschlossenen Wahnsystem".
Eine relevante Tatprovokation ist tatbestandlich gegeben, wenn die Vertrauensperson über das bloße "Mitmachen" hinaus zur Weckung der Tatbereitschaft oder zur Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt (vgl. BGH, Urt. v. 18. November 1998 - 1 StR 221/99 -, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
Dem Täter darf grundsätzlich die Beseitigung der Tatspuren als sog. Nachtatverhalten nicht angelastet werden, weil ihm der Versuch, sich der Strafverfolgung zu entziehen, unbenommen ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 13, 17). Anders verhält es sich indessen, wenn der Täter dadurch neues Unrecht schafft oder mit seinem Verhalten weitere Ziele verfolgt, die ein ungünstiges Licht auf ihn werfen. Die Abgrenzung kann nicht ohne weiteres anhand des äußeren Geschehens vorgenommen werden. Im Einzelfall hat der Tatrichter insoweit einen Beurteilungsspielraum (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Nachtatverhalten 1 = NStZ-RR 1997, 99 m.w.Nachw.).