HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

April 2022
23. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Befangenheit bei sachlicher Vorbefassung: eine überfällige Rekalibrierung?

Zugl. Besprechung zu EGMR, Rechtsache Meng v. Deutschland, Urteil vom 16. Februar 2021, Individualbeschwerde Nr. 1128/17 = HRRS 2022 Nr. 348

Von Morten Boe, LL.M., Freiburg i. Br[*]

I. Einführung

Das hier zu besprechende Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 16. Januar 2021 beschäftigte sich mit der Frage nach berechtigten Zweifeln an der Unparteilichkeit eines Richters aufgrund einer sachlichen Vorbefassung mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt.[1] Der EGMR stellte eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) fest. Die konsekutive Beteiligung eines Richters sowohl an dem vorangegangen, abgetrennten Verfahren gegen einen Mittäter, in dessen Urteil umfangreiche Feststellungen über die Beschwerdeführerin getroffen wurden, als auch an dem späteren Hauptsacheverfahren gegen die Beschwerdeführerin, verletze diese in ihrem Recht auf ein faires Verfahren. Die Individualbeschwerde wandte sich dabei auch mittelbar gegen das Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Februar 2016, welches die Besetzungsrüge der Beschwerdeführerin nach schon erfolglosem Befangenheitsantrag in der Hauptsache abgewiesen hatte.[2] Ziel dieser Anmerkung ist neben einer inhaltlichen Analyse der Entscheidung den auffälligen Kontrast im Problembewusstsein herauszuarbeiten, der zwischen den nationalen Gerichten und dem EGMR bei einer so zentralen Verfahrensgarantie wie der Unparteilichkeit des Richters zu bestehen scheint. Während der BGH an tradierten Systemprinzipien der Strafprozessordnung festzuhalten versucht, bekennt sich der EGMR im Lichte der Konventionsrechte und des notwendigen gesellschaftlichen Vertrauens in den Rechtstaat zu einem selbstkritischen Blick auf die richterliche Tätigkeit. Das Urteil des EGMR bietet daher Anlass, in grundsätzlicher Weise über das deutsche Befangenheitsrecht im Kontext sachlicher Vorbefassung nachzudenken.

II. Hintergrund und Prozessgeschichte

Ausgangspunkt des streitgegenständlichen Befangenheitsvorwurfes ist das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11. Juli 2011, in welchem der neue Lebensgefährte (G.S.) der Beschwerdeführerin (M.) wegen Mordes an deren Ehemann zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verteilt wurde.[3] Die Schwurgerichtskammer, unter Beteiligung von Richter M. als Berichterstatter, verwies im Urteil umfassend auf das Verhalten und die Rolle der Beschwerdeführerin im Rahmen des Tatgeschehens und stellte u.a. fest, dass nach dem "vom Angeklagten und M." gefassten Plan, G.S. den Ehemann in dessen Wohnung aus Habgier tötete, um beiden den Zugriff auf dessen Vermögenswerte dauerhaft zu sichern, da der Ehemann nach der Trennung von M. nun beabsichtigte sein Vermögen ins Ausland zu transferieren.[4] Im Rahmen eines späteren Verfahrens verurteilte das Landgericht Darmstadt die Beschwerdeführerin M. am 9. April 2014 nach einer eigenständigen Beweisaufnahme wegen gemeinschaftlich mit G.S. begangenen Habgiermordes an ihrem Ehemann zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.[5] An dem Urteil der Schwurgerichtskammer war Richter M. nunmehr als Vorsitzender Richter beteiligt, obwohl die Angeklagte früh seine Ablehnung beantragt hatte. Zu Beginn des Verfahrens am 11. Oktober 2013 war zunächst eine – durch eine informelle Anfrage der Verteidigung ausgelöste – Anzeige nach § 30 StPO des Richters M., ob seine Vorbefassung als Berichterstatter im Verfahren gegen G.S. ein Verhältnis sei, das eine Ablehnung rechtfertige, unter Beteiligung der beiden anderen Berufsrichter der Schwurgerichtskammer negativ beschieden worden. Die sachliche Darstellung des Verhaltens und die Erwähnung der jetzt Angeklagten seien notwendig gewesen, um den Sachverhalt im Verfahren gegen G.S. aufzuklären und das Mordmotiv der

Habgier zu begründen. Der formale Befangenheitsantrag gem. § 24 Abs. 2 StPO wurde dann am 18. Oktober 2013 von einer anderen Strafkammer des Landgerichts unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Mitwirkung eines Richters an dem Verfahren gegen einen Mitbeschuldigten für sich genommen keine berechtigten Zweifel an dessen Unvoreingenommenheit aufkommen lassen könne, zurückgewiesen. Die Feststellungen zur Beteiligung der M. seien einerseits zur Darlegung des Tatgeschehens und zum Schuldnachweis gegenüber G.S. notwendig gewesen, anderseits seien Berufsrichter in der Lage, trotz der Vorbefassung ihre Überzeugung allein auf Grundlage der Beweisergebnisse des nachfolgenden Verfahrens zu bilden.

Gegen das Urteil des Landgerichts vom 9. April 2014 legte M. Revision ein. Der BGH verwarf diese mit Urteil vom 10. Februar 2016 und befand u.a., dass die Befangenheitsrüge gem. § 338 Nr. 3 StPO unbegründet sei.[6] Unter Verweis auf seine eigene Rechtsprechung zur richterlichen Befangenheit aufgrund sachlicher Vorbefassung in einem früheren Strafverfahren insbesondere gegen Mittäter derselben Straftat stellte er fest, dass im vorliegenden Fall keine besonderen Umstände, wie etwa unnötige und sachlich unbegründete Werturteile oder in sonstiger Weise nachteilige Äußerungen im Urteil, hinzugetreten seien. Die Passage im Urteil gegen G.S., wonach "die Rücksichtslosigkeit zu berücksichtigen sei, mit welcher[G.S. und M.]vorgingen und durch die Ermordung[des Ehemanns]versuchten, statt diesem in dessen Geschäfte einzutreten und die hierbei entstehenden Gewinne selbst zu vereinnahmen", entspreche als "Bewertung des festgestellten Tatgeschehens und der Annahme eines aus Habgier begangenen Mordes".[7] Die Darstellung der Beteiligung der M. sei zur Vermeidung von Darstellungsmängeln und zum Ausdruck der nach § 261 StPO erforderlichen Sicherheit geboten gewesen, weil das Gericht das Motiv der Habgier aus M.s wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihrem Ehemann abgeleitet hatte und die Überzeugung bezüglich der Täterschaft des G.S. auf Beweisanzeichen gestützt habe, die auch für die Tatbeteiligung der M. sprachen. Auch die "in den Urteilsgründen enthaltenen Hinweise auf die feste bzw. sichere Überzeugung des Gerichts von der Mittäterschaft der Angeklagten" könnten die Befangenheitsrüge nicht stützen.[8] Ob solche Formulierungen Anlass zu Missdeutungen geben, könne dahinstehen.

Eine Verfassungsbeschwerde der M., die eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, sowie des Rechts auf den gesetzlichen Richter rügte, wurde ohne Angabe von Gründen nicht zur Entscheidung angenommen.[9]

III. Die Entscheidung des EGMR

Mit Urteil vom 16. Februar 2021 stellte der EGMR eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) fest. Die Beteiligung von Richter M. als Berichterstatter im Verfahren gegen G.S., dessen Urteil zahlreiche Verweise auf die Beschwerdeführerin enthalte, begründe eine objektiv gerechtfertigte Besorgnis der Befangenheit und rechtfertige die Sorge der Beschwerdeführerin, dass Richter M. hinsichtlich ihrer Schuld eine vorgefasste Meinung habe.[10] Die Prüfung der Unparteilichkeit umfasse neben der Frage nach der subjektiven Voreingenommenheit auch die anhand von objektiven Kriterien zu beantwortende Frage, ob Tatsachen vorliegen, die objektiv gerechtfertigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts begründen, bzw. die nachvollziehbar nahelegen, dass der Richter nicht hinreichend Gewähr bot, alle berechtigten Zweifel auszuschließen.[11] Allein die Tatsache, dass ein Richter über ähnliche, aber selbstständige Tatvorwürfe bezüglich desselben Sachverhalts oder gegenüber einem Mitbeschuldigten verhandelt und entschieden hat, begründe keine gerechtfertigten Zweifel an der Unparteilichkeit.[12] Insbesondere in komplexen Strafverfahren mit mehreren Beteiligten könne es unerlässlich sein, dass das Gericht zur Urteilsfindung gegenüber dem Angeklagten auf die Beteiligung Dritter eingehe, gegen die später möglicherweise ein gesondertes Verfahren bezüglich desselben Tatkomplexes geführt werde.[13] Zweifel an der Unparteilichkeit könnten aber gerechtfertigt sein, wenn das frühere Urteil nach den Umständen des konkreten Falles bezüglich einer später angeklagten Person durch eine detaillierte Bewertung der Rolle, durch eine bestimmte Einordnung der Beteiligung oder durch Hinweise auf die Erfüllung der für einen Straftatbestand erforderlichen Kriterien als eine Vorverurteilung bzw. als Ausdruck einer vorgefassten Meinung gegenüber der später angeklagten Person verstanden werden könne.[14] Objektiv gerechtfertigte Zweifel könnten sich insbesondere dann ergeben, wenn das Gericht über die Beschreibung der Tatsachen hinaus auch eine rechtliche Bewertung des Verhaltens der später angeklagten Person vornimmt.[15] Gegen berechtigte Zweifel spreche, wenn der Name der später angeklagten Person nur am Rande und nicht in belastenden Zusammenhängen erwähnt wurde und keine Bewertung der Tatbeteiligung insbesondere in Hinblick auf die persönliche Schuld oder durch Einordnung als "Täter" oder "Mittäter" stattgefunden habe.[16]

Auf den konkreten Fall bezogen, kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Beteiligung von Richter M. als Berichterstatter im Verfahren gegen G.S. eine objektiv gerechtfertigte Besorgnis der Befangenheit begründe. Zwar sei neben der professionellen Ausbildung des Berufsrichters M. festzustellen, dass im späteren Verfahren gegen M. eine neue Tatsachenfeststellung und eine neue rechtliche Würdigung vorgenommen worden sei, die hinsichtlich des Sachverhalts zu in Details abweichenden Tatsachenfeststellungen geführt habe.[17] Diese Faktoren könnten den Gerichtshof jedoch nicht davon entbinden zu prüfen, ob Feststellungen im früheren Urteil die Frage der Schuld der Beschwerdeführerin vorweggenommen haben.[18] Zu beachten sei nämlich, dass M. in dem früheren Verfahren

gegen G.S. nicht förmlich angeklagt war und daher unstreitig bloß Zeugin (bzw. Dritte) gewesen sei. Das Urteil enthalte aber umfangreiche Tatsachenfeststellungen, die sich auch auf die Beschwerdeführerin beziehen. Diese Feststellungen seien im Urteil nicht als Vermutungen oder Schilderungen eines Geschehens, sondern "als Tatsachen mit entsprechender rechtlicher Einordnung" dargestellt worden. Dies sei durch den BGH selbst bestätigt worden, indem dieser angab, dass die Hinweise des Landgerichts auf die Überzeugung von der Mittäterschaft der M. als Grundlage für die Verurteilung von G.S. und zur Vermeidung von Darstellungsmängeln notwendig gewesen seien.[19] Die würdigenden Feststellungen gegenüber M. seien vorgenommen worden, obwohl G.S. als Alleintäter angeklagt war und nach Auffassung des Landgerichts am Tatort allein handelte.[20] Aus Sicht des EGMR geht die ausführliche Würdigung der Rolle der M. daher über eine sachliche Darstellung der Umstände der Tat hinaus. Die getroffenen Feststellungen würden auch gegenüber der Beschwerdeführerin die zur Erfüllung eines Straftatbestandes erforderlichen Kriterien tragen. Insbesondere mit der Beschreibung der Beweggründe der Beschwerdeführerin, sich in rücksichtsloser Art und Weise das Vermögen des Ehemannes einverleiben zu wollen, habe das Landgericht eine rechtliche Würdigung der Tat auch im Hinblick auf die Beschwerdeführerin vorgenommen. Das Landgericht habe dem Inhalt nach festgestellt, dass "auch die Beschwerdeführerin aus Habgier gehandelt habe und dass[M.]demnach an dem Mord[des Ehemanns]beteiligt und dessen gleichermaßen schuldig gewesen sei."[21] Der Gerichtshof komme daher nicht umhin festzustellen, dass die rechtliche Würdigung der Handlungen der Beschwerdeführerin über das hinausgehe, was notwendig gewesen sei, um die Tat von G.S. rechtlich einzustufen.[22]

IV. Analyse und Einordnung

1. Die Rechtsprechung des EGMR

Vertieft man sich in die bisherige EGMR-Rechtsprechung zur Problematik, so zeigt sich, dass auch der EGMR weit davon entfernt ist, in jeder Form der sachlichen Vorbefassung berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit zu erblicken.[23] Ganz im Gegenteil, auch die EGMR-Rechtsprechung ist zunächst von einer restriktiven Grundhaltung geprägt und billigt Berufsrichtern großes Vertrauen in ihre Unparteilichkeit auch bei herausfordernden Situationen zu. In der vorliegenden Entscheidung hat der EGMR aber nun gleichsam die unüberschreitbaren Grenzen aus menschenrechtlicher Sicht festgesteckt. Dabei reiht sich das Urteil schlüssig in die Rechtsprechungsentwicklung des Gerichtshofs ein. Diese hatte schon im Vorlauf der hier besprochenen Entscheidung für ein Spannungsverhältnis mit dem deutschen Befangenheitsrecht gesorgt.[24]

Zur Illustration herausgegriffen sei an dieser Stelle ein früheres Verfahren vor dem EGMR gegen Deutschland aus dem Jahr 2014,[25] welchem ebenfalls die Konstellation einer getrennten Aburteilung von Mittätern zugrunde lag. Allerdings hatte der Beschwerdeführer die umfassenden Ausführungen zu seiner Person im Urteil gegen mutmaßliche Mittäter isoliert als Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung gerügt. Der EGMR verneinte eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2 EMRK und stellte in seiner Begründung maßgeblich darauf ab, dass das nationale Gericht den Beschwerdeführer das ganze Urteil hindurch als "gesondert Verfolgten" bezeichnet hatte. Dadurch habe das Gericht verdeutlicht, dass es die Schuld des Beschwerdeführers nicht zu beurteilen hatte, sondern sich entsprechend den Bestimmungen des innerstaatlichen Strafprozessrechts nur mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Personen befasste, die in dem in Rede stehenden Verfahren angeklagt waren.[26] Der Gerichtshof erkannte die Notwendigkeit an, bei komplexen Strafverfahren Ausführungen zur Tatbeteiligung von Dritten vorzunehmen. Er betonte jedoch, dass das Tatgericht es vermeiden solle, mehr Informationen zu geben als für die Bewertung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der in dem betreffenden Verfahren angeklagten Personen nötig.[27] Diese wichtige Differenzierung, die auch in der vorliegenden Entscheidung aufscheint, zeigt, wie sehr "Unschuldsvermutung" und "Unparteilichkeit des Gerichts" vom EGMR als untrennbare Annexgewährleistungen unter dem Schirm des Rechts auf ein faires Verfahren verstanden werden.[28]

Im Rahmen einer Folgeentscheidung, die sich maßgeblich auf die hier besprochene stützt, ist dies nunmehr auch explizit durch den EGMR anerkannt worden. Die Unparteilichkeit des Gerichts (Art. 6 Abs. 1 EMRK) und die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) seien in strafrechtlichen Verfahren miteinander verknüpft und müssten bei der Prüfung gegenseitig berücksichtigt werden.[29] Anders gesagt: Äußerungen in einem früheren Urteil, die die Unschuldsvermutung tangieren, können zugleich berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit der an diesem Urteil beteiligten Richter begründen.[30] Die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK wird immer dann verletzt, wenn Äußerungen oder Handlungen gegenüber einer beschuldigten Person so verstanden werden können, als hätte die öffentliche Amtsperson oder Stelle sich eine Meinung über die Schuld gebildet oder sei in dieser Frage voreingenommen, bevor die Schuld rechtsförmig festgestellt

wurde.[31] Nach Auffassung des EGMR müssen Gerichtsentscheidungen daher so formuliert werden, dass eine mögliche vorzeitige Beurteilung der Schuld der betroffenen Dritten vermieden wird, die die faire und unvoreingenommene Prüfung der gegen sie in einem gesonderten Verfahren erhobenen Vorwürfe gefährden könnte.[32] Auch wenn Feststellungen zu Dritten erforderlich sind, sei daher durch Formulierungen deutlich zu machen, dass die dritte Person in einem separaten Verfahren verfolgt wird und in dem hiesigen Verfahren keine abschließende Beurteilung der Schuld stattfindet.[33]

Vor diesem Hintergrund wird der Schwerpunkt verständlich, den der EGMR seit jeher in Fällen sachlicher Vorbefassung auf die Frage legte, ob die Feststellungen in den Urteilsgründen als Voreingenommenheit hinsichtlich der Schuldfrage oder als Vorwegnahme dieser verstanden werden können.[34] Auch in dem hier besprochenen Urteil ist dieser Gedankengang erkennbar, wenn auf eine im früheren Verfahren liegende und insbesondere aus dem Wortlaut des Urteils hervorgehende Vorverurteilung oder sonstige rechtliche Bewertung des Verhaltens der Person abgestellt wird.[35] Unter Berücksichtigung des Zusammenspiels von Art. 6 Abs.  1 und Abs. 2 EMRK versteht man zudem, warum für die Entscheidungsfindung im vorliegenden Fall zwei Faktoren für den EGMR von besonderer Bedeutung waren. Einerseits wird im Urteil insbesondere auf die getroffenen Feststellungen zu den Motiven und Beweggründen der Beschwerdeführerin im Kontext des Mordmerkmals "Habgier" abgestellt. Die Problematik solcher Feststellungen leuchtet auch aus dem Blickwinkel deutscher Strafrechtsdogmatik unmittelbar ein. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sind die Mordmerkmerkmale der ersten und dritten Gruppe täterbezogen; Habgier ist nach herrschender Meinung ein besonderes persönliches Merkmal besonderer Schuld.[36] Besondere persönliche Merkmale (und allg. Schuldmerkmale) werden nach dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät nicht zugerechnet,[37] sondern müssen gem. §§ 2829 StGB für jeden Beteiligten gesondert festgestellt werden.[38] In diesem Lichte betrachtet, wird andererseits die Kritik des EGMR verständlich, dass umfangreiche Feststellungen und Würdigungen hinsichtlich der Beschwerdeführerin vorgenommen wurden, obwohl G.S. als Alleintäter angeklagt war.[39] Im Rahmen der Alleintäterschaft findet aber keinerlei Zurechnung statt, die eine rechtliche Bewertung des Verhaltens der M. erforderlich gemacht hätte. Gleichwohl spricht der BGH in seinem Urteil von den "in den Urteilsgründen enthaltenen Hinweise auf die feste bzw. sichere Überzeugung des Gerichts von der Mittäterschaft der Angeklagten."[40] Gunther Arzt hat die Problematik klar vorausgesehen, als er schon im Jahr 1969(!) schrieb, dass "[ü]berall dort, wo im vorausgegangenen Verfahren (gegen X) der Gedanke der Mit- oder gar Alleintäterschaft des im späteren Verfahren Beschuldigten (Y) gewissermaßen auf den Richter zurückgeführt werden kann, wo also insbesondere nicht schon die Anklage gegen X von der Möglichkeit der Mittäterschaft des Y ausging,[…]ein Ablehnungsrecht des Y anzuerkennen [ist]."[41]

2. Das Verhältnis zur deutschen Rechtsordnung

Bestand schon immer ein Spannungsverhältnis, so führte die Sichtweise des EGMR im vorliegenden Fall zum offenen Konflikt mit der jetzt wohl revisionsbedürftigen Rechtsprechung des BGH.[42] Dabei teilen sich EGMR und BGH zunächst die gleiche normative Ausgangsüberzeugung: Sachliche Vorbefassung – für sich allein – kann die Besorgnis der Befangenheit bzw. berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit nicht begründen.[43] Eine Divergenz besteht allerdings beim Verständnis der Ausnahmen von diesem Grundsatz.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH müssen zur sachlichen Vorbefassung "besondere Umstände" hinzutreten, die beispielsweise in unnötigen und sachlich unbegründeten Werturteilen erblickt werden können.[44] Eine Befangenheitsrüge könne daher nicht auf die Behauptung gestützt werden, dass das Tatgericht aufgrund der in dem früheren Urteil festgestellten Tatbeteiligung voreingenommen sei.[45] Begründet wird dieser restriktive Ansatz u.a. mit dem systematischen Umkehrschluss, dass neben den gesetzlich ausdrücklich geregelten Ausschlussgründen für bestimmte Vorbefassungen kein legitimes Misstrauen bei anderen Formen der Vorbefassung mehr

bestehen könne.[46] In der Literatur wird dies schon vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Normen für einen problematischen Fehlschluss gehalten.[47] Da Ausschlussgründe normlogisch nur vom konkreten Fall abstrahierbare Konstellationen betreffen, müssten sich Zweifel an der Unparteilichkeit – auch bei sachlicher Vorbefassung – immer noch aus den Umständen des Einzelfalls ergeben können; eine Sperrwirkung des § 23 StPO anzunehmen, sei verfehlt.[48] Unabhängig von diesem systematischen Streit ist aber zu konstatieren, dass die gesteigerte Formulierung des BGH, dass als besondere Umstände unnötige und unsachliche Werturteile hinzutreten müssen, allzu leicht dazu verleiten kann, die Generalklausel des § 24 StPO bei sachlicher Vorbefassungen auf außergewöhnliche und rechtsfremde Äußerungen zu reduzieren. Dies läuft auf eine kaum widerlegbare Vermutung der Unparteilichkeit hinaus, bei der jede prozessrechtlich nicht explizit ausgeschlossene Vorbefassung vor legitimen Zweifeln weitgehend immunisiert und der üblichen objektiven Prüfung der Besorgnis der Befangenheit aus Sicht des verständigen Angeklagten weitgehend entzogen wird; auch dann, wenn nicht notwendige, gleichwohl aber sachliche, rechtliche Feststellungen und Wertungen über einen Dritten getroffen wurden.[49]

Selbst wenn man den Umkehrschluss des BGH im Grundsatz akzeptieren wollte, müsste eine solche einfachgesetzliche Systemüberlegung ihre Grenze doch stets in einer grundrechts- und konventionsrechtskonformen Auslegung der strafprozessualen Vorschriften finden.[50] An einer Berücksichtigung nationaler Grundrechte (und erst recht internationaler Menschenrechte) durch die deutschen Fachgerichte fehlte es hier aber. Dass die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wurde, könnte dabei mit dem tradierten Prüfungsmaßstab des BVerfG, der nur eine Willkürkontrolle vorsieht,[51] zusammenhängen. Dies enthebt die Fachgerichte gleichwohl nicht von dem Gebot der verfassungskonformen Auslegung des einfachgesetzlichen Rechts; insbesondere dann nicht, wenn man StPO und GVG als "Ausführungsgesetze" des Grundgesetzes versteht.[52] Die Befangenheitsregelungen der Strafprozessordnung sind in diesem Sinne Ausgestaltung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.[53] Das Grundgesetz gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter, einem "nicht beteiligten Dritten", zu stehen.[54] Das BVerfG nimmt die "unbedingte Neutralität" zum Maßstab; ein unabhängiger und unparteilicher Richter müsse die Gewähr für Neutralität gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und dem Verfahrensgegenstand bieten.[55] Es gehe darum, "bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Voreingenommenheit zu vermeiden."[56] Eine Berücksichtigung des Verfassungsrechts hätte mithin – einen entsprechenden Willen freilich vorausgesetzt – im vorliegenden Fall zu einer durchaus anderen Auslegung des § 24 StPO führen können. Eine solche individualschutzbezogene Sichtweise prägt nun die Rechtsprechung des EGMR und auch das hier besprochene Urteil. Ausgangspunkt der normativen Überlegungen des Straßburger Gerichtshofs ist das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren und die Wahrung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung.[57] Deshalb kann es für den EGMR – auch bei prozessrechtlich vorgesehenen, sachlichen Vorbefassungen – keine unüberwindbare Vermutung der Unparteilichkeit geben.[58] Grundlegender Maßstab muss die vom Betroffenen ausgehende Betrachtung sein, ob ein Anlass zur Besorgnis gegeben ist, dass ein beteiligter Richter in Bezug auf die Frage der Schuld voreingenommen ist. Nichts anderes ergibt sich prinzipiell unter der Geltung des Grundgesetzes: Systemstrukturen des einfachen Rechts können von der Prüfung und Achtung der Grundrechte nicht entbinden. Unter Berücksichtigung der besonderen Relevanz der EGMR-Rechtsprechung für die Auslegung des innerstaatlichen (Verfassungs-)Rechts,[59] wird in Folge des hier besprochenen Urteils auch das BVerfG seine Willkürkontrolle neu justieren müssen.

Nichtsdestotrotz wurde das Urteil des EGMR wegen der Vorgabe, dass die rechtliche Würdigung von Handlungen nicht über das hinausgehen dürfe, was zur rechtlichen Einstufung der konkret angeklagten Person erforderlich sei, zum Teil zurückhaltend aufgenommen. Die von der Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof Cirener angebrachte Kritik, dass diese Leitlinie des EGMR dazu

führe, dass das Tatgericht gehalten sei, einen Sachverhalt festzustellen, der mit den Erkenntnissen, die Inbegriff der Hauptverhandlung waren, nicht übereinstimme,[60] verfängt allerdings nicht. Zunächst gilt, dass die schriftlichen Urteilsgründe nicht der Dokumentation all dessen dienen, was in der Hauptverhandlung ausgesagt oder verlesen wurde, sondern das Ergebnis der Hauptverhandlung darstellen und damit lediglich die Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen sollen, vgl. § 276 Abs. 1 StPO.[61] Außerdem hat der EGMR in der Folgeentscheidung nochmals explizit die Notwendigkeit anerkannt, bei komplexen Strafverfahren auch das Verhalten von Dritten detailliert feststellen zu müssen, ohne dies als bloße Vermutungen oder Beschuldigungen darstellen zu können.[62] Damit korrigiert der Gerichtshof die jedenfalls missverständliche Formulierung in der hier besprochenen Entscheidung, dass im Urteil des Landgerichts Feststellungen zu M. als "Tatsachen mit rechtlicher Wertung und nicht als reine Vermutungen" dargestellt worden seien.[63] In der Tat muss das tatsächliche Geschehen, auch soweit es Dritte betrifft, zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, soweit es erforderlich ist, um die Verurteilung der angeklagten Person zu tragen. Ein Gericht ist allerdings auch bei Darstellungserfordernissen hinsichtlich der Tatbeiträge Dritter nicht gehindert, durch entsprechende Formulierungen deutlich zu machen, dass es "sich angesichts der eingeschränkten Entscheidungsbasis in diesem Verfahren sowie der Notwendigkeit bewusst ist, den Sachverhalt in der späteren Hauptverhandlung würdigen[zu]müssen".[64] Zudem ist das vermeintliche "Postulat" des EGMR, die inhaltliche Notwendigkeit der rechtlichen Erwägungen und Feststellungen im früheren Verfahren zu fordern,[65] auch im deutschen Befangenheitsrecht alles andere als unbekannt.[66] Nach Rechtsprechung des BGH kann eine bei einer Zwischenentscheidung geäußerte Rechtsmeinung keinen Ablehnungsgrund begründen, es sei denn, es treten besondere Umstände in Form und Inhalt hinzu, "die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen."[67]

Nun argumentierte der BGH im vorliegenden Fall, dass die Feststellungen zu M. aus Darstellungsgründen notwendig gewesen seien.[68] Dies ist aber zu bezweifeln. Wie oben bereits dargestellt, weist schon die deutsche Beteiligungsdogmatik und der dortige Grundsatz der limitierten Akzessorietät auf die Grenzen zulässiger Feststellungen im Rahmen eines Verfahrens gegen einen Beteiligten hin. Ohne die Argumentation hier im Einzelnen ausführen zu können, folgt auch aus den §§ 261, 264, 267 StPO in dieser Hinsicht nichts anderes: Der Erkenntnisgegenstand des Gerichtes ist durch die Anklage sachlich auf die bezeichnete Tat und personell auf den Anklagten konkretisiert und limitiert.[69] Der strafprozessuale Aufklärungsauftrag bezieht sich allein auf die rechtliche Bewertung des Verhaltens des Angeklagten.[70] Es erscheint angebracht, § 155 Abs. 1 StPO im Wortlaut zu zitieren: "Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen." Freilich kann es in gewissen Konstellationen erforderlich sein, das Verhalten Dritter in Bezug auf Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit zu würdigen, soweit dieses Verhalten dem Angeklagten gem. §§ 25-27 StGB zugerechnet werden soll. Allgemein dürfen über das Verhalten Dritter aber nur Tatsachenfeststellungen angestellt werden, wenn und soweit diese zum Beweis der Tat des Angeklagten erforderlich sind.[71] Zu verfahrensfremden Feststellungen, zu über den Anklagegegenstand hinausgehenden, rechtlichen Wertungen und zu sonstigen Äußerungen oder Vermutungen über eine dritte Person ist ein staatliches Gericht vor dem Hintergrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Unschuldsvermutung aber schlechterdings nicht befugt.

3. Die europarechtliche Dimension

Nicht zuletzt hat die vorliegende Rechtsfrage eine – bisher unterschätzte – europarechtliche Dimension. So muss neben den allgemeinen Gewährleistungen der Art. 48, 49 der Europäischen Grundrechte-Charta insbesondere die EU-Richtlinie zur Unschuldsvermutung und Anwesenheit des Beschuldigten im Strafverfahren (EU-RL 2016/343) berücksichtigt werden.[72] In Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie heißt es, dass sicherzustellen ist, dass, "solange die Schuld eines Verdächtigen oder einer beschuldigten Person nicht rechtsfähig nachgewiesen wurde,[…]in nicht die Frage der Schuld betreffenden gerichtlichen Entscheidungen nicht so auf die betreffende Person Bezug genommen wird, als sei sie schuldig".[73] Liegt eine solche Bezugnahme vor, werde die Unschuldsvermutung des Art. 3 der Richtlinie verletzt.[74] Eine innerstaatliche Umsetzung dieser Inhalte der Richtlinie fand in Deutschland nicht statt, da nach Auffassung der Bundesregierung das deutsche Recht diesen Vorgaben der Richtlinie bereits entspreche.[75] Daran

kann man – grundsätzlich, aber insbesondere im Lichte der besprochenen Entscheidung – Zweifel hegen.[76]

In zwei jüngeren Vorlageverfahren hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zudem den Regelungsinhalt der Richtlinie in Sachverhaltskonstellationen präzisiert, die der besprochenen Entscheidung ähneln.[77] Feststellungen und Ausführungen zu in einem separaten Verfahren abzuurteilenden Mitbeschuldigten seien mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie vereinbar, stünden aber unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erstens für die Einordnung der rechtlichen Verantwortlichkeit der beschuldigten Person erforderlich seien und zweitens die Entscheidung eindeutig darauf hinweise, dass gegen die andere Person ein gesondertes Strafverfahren geführt wird und ihre Schuld nicht rechtsförmlich nachgewiesen worden ist.[78] Die im besprochenen Urteil formulierten Anforderungen ergeben sich mithin in gleicher Weise auch aus dem Europarecht.

V. Zusammenfassung und Ausblick

Die Verurteilung Deutschlands im vorliegenden Fall ist nach alledem keine Überraschung.[79] Dem EGMR ist vollumfänglich zuzustimmen: Ein Rechtssystem lebt vom Vertrauen der Gesellschaft. Dass dieses Vertrauen fragil ist, nie selbstverständlich, und daher Entscheidung für Entscheidung erarbeitet, bestätigt und wiedergewonnen werden muss, sollte eigentlich keiner Begründung bedürfen. Vertrauen entsteht aber nicht dadurch, dass man wirklichkeitsfremd auf die Unfehlbarkeit der Richterschaft und die Unbedenklichkeit von Vorbefassungen pocht. In Zeiten, in denen kognitionswissenschaftliche Erkenntnisse über die Unzulänglichkeiten des menschlichen Denkens zum gesamtgesellschaftlichen Gemeingut werden, vermag ein pauschaler Rückzug auf die professionelle Ausbildung und den hohen sittlichen Charakter der Richter – auf die Vorstellung, dass ein Richter, der an einer früheren Entscheidung mitgewirkt hat, "selbstverständlich" in der Lage ist, sich in einem neuen Verfahren unbefangen ein neues Urteil zu bilden – nicht mehr zu überzeugen.[80] Im Kontext der Krise des Rechtsstaats in Europa,[81] und der immensen Wirkmächtigkeit von (medial verstärkten) Eindrücken bedarf es stattdessen eines aufgeklärten und selbstkritischen Blicks auf die richterlichen Entscheidungsfindung im demokratischen Rechtsstaat. Bei sachlichen Vorbefassungen können die psychologischen Erkenntnisse zum sog. "confirmation bias", der unterbewussten Tendenz auf einer einmal gefällten Entscheidung unter Ausblendung entgegenstehender Fakten zu beharren, nicht länger ignoriert werden.[82] Gesellschaftliches Vertrauen folgt dann vielmehr aus dem offenen Eingeständnis menschlicher Schwächen und der prozessrechtlichen Vermeidung von Situationen, in denen nach wahrnehmungspsychologischen Erkenntnissen kognitive Verzerrungen, emotionale Affekte und unterbewusste Motive den Richter in seiner Entscheidungsfindung beeinflussen können.[83] Der Richter im 21. Jahrhundert ist Mensch und Mitbürger; weder Subsumtionsmaschine, noch gottgleiches Wesen.

Auch wegen dieses Gesellschaftsbezugs wird das Befangenheitsrecht von dem alten Rechtsgrundsatz durchdrungen, dass schon der "böse Schein" zu vermeiden ist.[84] In Fällen sachlicher Vorbefassung geht es dabei weniger um den Schein einer Unparteilichkeit im eigentlichen Sinne, sondern eher um eine gewisse "Betriebsblindheit", eine sachliche Voreingenommenheit.[85] Gerade deutschen Juristen und Richtern, die mit den Strukturen des Strafprozessrechts und den dort geregelten Vorbefassungen sozialisiert wurden,[86] kann aber die Sensibilität für den äußeren Schein fehlen, der sich bei einer sachlichen Vorbefassung für den Angeklagten, die sonstigen Prozessbeteiligten und die Gesellschaft ergeben kann. Umso wichtiger erscheint es daher, sich auch im deutschen Prozessrecht darauf zurückzubesinnen, dass die "Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Justiz mehr ein Menschenrecht der Rechtsunterworfenen ist als ein Privileg der Justiz um ihrer selbst willen."[87] Es geht im Befangenheitsrecht – aller u.U. missbräuchlich gestellten Anträge der Verteidigung zum Trotz – nicht darum, Zweifel für unberechtigt erklären zu können,[88] sondern "dem Beschuldigten soll das sichere Gefühl gegeben werden, dass sein Prozess von einem Richter abgewickelt wird, der[ihm]völlig unvoreingenommen[…] gegenübertritt."[89] Die Sozialisation deutscher Richter mit der Alltäglichkeit sachlicher Vorbefassung darf also nicht dazu führen, dass die Rechte des Beschuldigten und die Maßgeblichkeit seiner Perspektive aus dem Blick

geraten.[90] Genau dies scheint aber im vorliegenden Fall geschehen zu sein. Statt bei der Konkretisierung des abstrakten Maßstabs des § 24 Abs. 2 StPO auf etablierte Grundsätze sowohl des deutschen Verfassungsrechts, des Europarechts und des Menschenrechtsregimes der EMRK zurückzugreifen, wurde im deutschen Instanzenzug eine prozessrechtssystematische Überlegung – die Unbedenklichkeit aller sachlicher Vorbefassung – in bedenklicher Weise verabsolutiert.

Im Umkehrschluss besteht für die Zukunft und mit dem hiesigen EGMR-Urteil an der Hand der klare Auftrag, auf eine verfassungskonforme, konventionsrechtsfreundliche und europarechtskonforme Auslegung und Anwendung der deutschen Befangenheitsregelungen in Fällen sachlicher Vorbefassung zu achten.[91] Neben der Grundkonstellation einer getrennten Aburteilung mehrerer Beteiligter können strukturelle Probleme immer dort auftreten, wo systemhafte Tatkomplexe mit zahlreichen Beteiligten von Spruchkörpern mit Sonderzuständigkeiten zu verhandeln sind, z.B. in Wirtschaftsstrafverfahren oder Völkerstrafrechtsprozessen.[92] Für die Wissenschaft besteht daher die Aufgabe, das Verständnis des Regelungsgefüges der §§ 22ff. StPO neu zu kalibrieren und mit den menschenrechtlichen Anforderungen in Einklang zu bringen.[93] Dabei sollte nicht aus dem Blick geraten, dass auch das hier besprochene Urteil des EGMR aller Voraussicht nach nur einen Zwischenstatus beschreibt.[94] Aus rechtsstaatlicher wie aus kognitionswissenschaftlicher Sicht wird sich auch in Zukunft immer wieder die Frage aufdrängen, ob nicht sachliche Vorbefassungen, so umfassend wie nur eben möglich, vermieden werden sollten.


[*] Der Verfasser ist Doktorand am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht, Freiburg im Breisgau (Strafrechtliche Abteilung, Prof. Dr. Tatjana Hörnle, M.A. (Rutgers)[m.boe@csl.mpg.de]. Der Beitrag spiegelt allein die persönliche Auffassung des Verfassers wider.

[1] EGMR, Meng v. Deutschland, Urteil vom 16. Februar 2021, 1128/17 = NJW 2021, 2947 m. Anm. Rzadkowski = HRRS 2022 Nr. 348.

[2] BGH, 2 StR 533/14, Urteil v. 10. Februar 2016, NStZ-RR 2018, 130 =HRRS 2016 Nr. 607.

[3] Die folgende Darstellung beruht auf den Ausführungen in EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 5-22 und BGH, HRRS 2016 Nr. 607, Rn. 2-8.

[4] Vgl. EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 7.

[5] LG Darmstadt, Urteil v. 9. April 2014, 500 Js 55270/12 (unveröffentlicht).

[6] BGH HRRS 2016 Nr. 607.

[7] BGH HRRS 2016 Nr. 607, Rn. 14.

[8] BGH HRRS 2016 Nr. 607, Rn. 14.

[9] BVerfG, Beschl. v. 11. Juli 2016, 2 BvR 1168/16 (unveröffentlicht).

[10] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 63.

[11] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 42-46.

[12] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 47.

[13] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 47.

[14] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 48.

[15] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 48.

[16] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 49.

[17] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 55f. i.V.m. Rn. 50-52.

[18] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 57.

[19] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 60.

[20] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 61.

[21] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 61.

[22] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 61.

[23] Zur Entwicklung der EGMR-Rechtsprechung vgl. ausf. Kierzowski, Die Unparteilichkeit des Richters im Strafverfahren unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, 2016.

[24] Vgl. Gaede, in: Münchener Kommentar, StPO, Bd. III-2, 1. Aufl. (2018), Art. 6 EMRK, Rn. 116; Weßlau/Deiters, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Bd. I., 5. Aufl. (2018), Rn. 23ff.

[25] EGMR, Karaman v. Deutschland, Urteil vom 27. Februar 2014, 17102/10 = NJW 2015, 37.

[26] EGMR, Karaman (Fn. 25), Rn. 69.

[27] EGMR, Karaman (Fn. 25), Rn. 64.

[28] Vgl. zum Verhältnis von Teilgarantien und Gesamtrecht in der Rechtsprechung des EGMR, Gaede, in: Münchener Kommentar, StPO, Bd. III-2, 1. Aufl. (2018), Art. 6 EMRK, Rn. 16-21.

[29] EGMR, Mucha v. Slowakei, Urteil vom 25. November 2021, 63703/19, Rn. 48.

[30] Vgl. EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 57; EGMR, Mucha (Fn. 29), Rn. 52.

[31] EGMR, Karaman (Fn. 25), Rn. 63.

[32] EGMR, Mucha (Fn. 25), Rn. 48 unter Verweis auf EuGH, Pometon SpA v. Kommision, Urteil v. 18. März 2021, C-440/19P, Rn. 63; EGMR, Karaman (Fn. 25), Rn. 64f.; EGMR, Navalnyy und Ofitserov v. Russland, Urteil v. 23. Februar 2016, 46632/13 & 28671/14, Rn. 99. Vgl. auch EGMR, Cleve v. Deutschland, 15.01.2015, 48144/09, = NJW 2016, 3225 (3228), = HRRS 2015 Nr. 425, Rn. 63 zu negativen Auswirkungen auf Folgeverfahren.

[33] EGMR, Mucha (Fn. 29), Rn. 60f. unter Verweis auf EuGH, AH et al., Urteil v. 5. September 2019, C-377/18, Rn. 45.

[34] Vgl. Meyer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 3. Aufl. (2022), Art. 6 Rn. 57.

[35] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 48, 61f.

[36] Für Habgier, vgl. BGH NJW 1982, 2738; Roxin/Greco, Strafrecht AT, Bd. I, 5. Aufl. (2020), § 10 Rn. 73 m.w.N.; Roxin, Strafrecht AT, Bd. II (2003), § 27 Rn. 1.

[37] Roxin, a.a.O. (Fn. 36), § 27 Rn. 4.

[38] Vgl. Joecks/Scheinfeld, in: Münchener Kommentar, StGB, Bd. I, 4. Aufl. (2020), § 28 Rn. 1ff. m.w.N.

[39] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 61.

[40] BGH HRRS 2016 Nr. 607, Rn. 14.

[41] Arzt, Der befangene Strafrichter (1969), 85.

[42] Vgl. die Einschätzung von Rzadkowski, NJW 2021, 2947, 2951. In einem jüngst erschienen Beschluss hat der BGH sich damit begnügt, auszuführen, dass der Fall, in dem ein Richter eine dritte Person, die später als Mittäterin angeklagt wurde, in einem früheren Verfahren als "moralisch mitschuldig" bezeichnet hatte, von der Sachverhaltskonstellation der hier besprochenen EGMR-Entscheidung abzugrenzen sei, da diese Äußerung erkennbar vorläufigen Charakter gehabt habe und als moralische Wertung keine rechtliche Würdigung beinhalte, vgl. BGH, Beschluss vom 03. März 2022, 4 StR 379/21, = BeckRS 2022, 6830.

[43] Bzgl. des EGMR vgl. Kierzowski, a.a.O. (Fn. 23), 143, 146ff., 165ff. Bzgl. Deutschland vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. (2021), § 23 Rn. 2, § 24 Rn. 12ff. m.w.N.

[44] Vgl. BGH, Urteil v. 15. Mai 2018, 1 StR 159/17 = HRRS 2018 Nr. 1042, Rn. 56; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. (2021), § 24 Rn. 13a.

[45] BGH, HRRS 2016 Nr. 607, Rn. 14; differenzierend Weßlau/Deiters, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Bd. I., 5. Aufl. (2018), § 24 Rn. 32.

[46] Vgl. BGH NStZ 2011, 44 (46) = HRRS 2010 Nr. 706, Rn. 27f.; Cirener, in BeckOK, StPO, 41. Edition (01.10.2021), § 24 Rn. 13.

[47] Vgl. dazu Arzt, a.a.O. (Fn. 41), 61ff.

[48] Arzt, a.a.O. (Fn. 41), 65ff.; Weßlau/Deiters, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Bd. I., 5. Aufl. (2018), Vor § 22 Rn. 20, § 24 Rn. 3; Conen/Tsambikakis, in: Münchener Kommentar, StPO, Bd. I, 1. Aufl. (2014), § 24 Rn. 52.

[49] Ähnlich schon Kierzowski, a.a.O. (Fn. 23), 174f.

[50] Vgl. allg. zur grundrechtsfreundlichen Auslegung von Verfahrensvorschriften, BVerfGE 6, 55 (72); 15, 275 (281f.); 53, 30 (56f., 72f.); 69, 315 (355f.). Vgl. konkret Weßlau/Deiters, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Bd. I., 5. Aufl. (2018), § 24 Rn. 15, 23; Conen/Tsambikakis, in: Münchener Kommentar, StPO, Bd. I, 1. Aufl. (2014), § 24 Rn. 52.

[51] BVerfG, Beschluss vom 01. Juli 2021, 2 BvR 890/20, = NJW 2021, 2955 (2956), Rn. 14 m.w.N.

[52] So Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur StPO und zum GVG, Teil 1: Die rechtstheoretischen und rechtspolitischen Grundlagen des Strafverfahrensrechts, 2. Aufl. (1964), 8.

[53] Vgl. daneben das aus Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG abgeleitete Recht auf ein faires Verfahren, BVerfGE 118, 212 (231ff.) m.w.N.

[54] BVerfGE 4, 412 (416); 21, 139 (145); 133, 168 (202f.).

[55] BVerfG, Beschluss vom 01. Juli 2021, 2 BvR 890/20, = NJW 2021, 2955 (2956), Rn. 14. Nach Rechtsprechung des BVerfG können Zweifel an der Unvoreingenommenheit insbesondere dann begründet sein, "wenn die Umstände Anlass zur Sorge geben, dass ein Richter oder eine Richterin aus persönlichen oder anderen Gründen auf eine bestimmte Rechtsauffassung schon so festgelegt ist, dass er oder sie sich gedanklich nicht mehr lösen kann oder will und entsprechend für Gegenargumente nicht mehr offen ist." (BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2021, 2 BvE 4/20, = NJW 2021, 2797 (2798), Rn. 19 m.w.N.).

[56] BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2021, 2 BvE 4/20, = NJW 2021, 2797 (2798), Rn. 19 m.w.N.

[57] Vgl. Weßlau/Deiters, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Bd. I., 5. Aufl. (2018), Rn. 15, die darauf hinweisen, dass der EGMR nicht durch systematische Überlegungen eingeengt wird.

[58] Vgl. Gaede, in: Münchener Kommentar, StPO, Bd. III-2, 1. Aufl. (2018), Art. 6 EMRK, Rn. 114.

[59] Vgl. BVerfGE 111, 307 (315ff.) (konventionsrechtsfreundliche Auslegung).

[60] Cirener, in BeckOK, StPO, 41. Edition (01.10.2021), § 24 Rn. 15a.

[61] BGH, Beschluss vom 28. Juli 1998, 4 StR 293/98, = StV 2000, 76, Rn. 9f.

[62] EGMR, Mucha (Fn. 29), Rn. 58. Anders noch das Minderheitsvotum in EGMR, Karaman (Fn. 25).

[63] EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 60.

[64] Weßlau/Deiters, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Bd. I., 5. Aufl. (2018), § 24 Rn 32.

[65] So Cirener, in BeckOK, StPO, 41. Edition (01.10.2021), § 24 Rn. 15a.

[66] Vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. (2021), StPO, 64. Aufl. 2021, § 24 Rn. 13a.

[67] BGH, Beschluss v. 19. August 2014, 3 StR 283/14, =NStZ 2015, 46 = HRRS 2014 Nr. 1033, Rn. 7.[Hervorhebung M.B.]

[68] Vgl. BGH HRRS 2016 Nr. 607, Rn. 14 unter Berufung auf BGH NJW 1997, 3034 (3036).

[69] Vgl. zur subjektiv-personalen Komponente des Tatbegriffs Norouzi, in: Münchener Kommentar, StPO, Bd. II, 1. Auf. (2016), § 264 Rn. 4; Eschelbach, in: BeckOK, StPO, 41. Edition (01.10.2021), § 264 Rn. 4.

[70] Dies ergibt sich schon aus §§ 151, 155, 200 StPO. Vgl. auch BGHSt 32, 215 (217).

[71] So jetzt auch Eschelbach, in: BeckOK, StPO, 41. Edition (01.10.2021), § 264 Rn. 4.

[72] Zu beachten ist, dass die Richtlinie am 11. März 2016 erlassen wurde; also erst nach dem Revisionsurteil des BGH, allerdings noch vor der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde. Vgl. aber jetzt BVerfG, Beschluss v. 22. November 2021, 2 BvR 1872/21, Rn. 10.

[73] Art. 4 Abs. 1 EU-RL 2016/343.

[74] Vgl. Erwägungsgrund (16) der Richtlinie.

[75] Vgl. die Begründung des Referentenentwurfs zum Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten in der Verhandlung vom 17. Dezember 2018, BGBl. I, S. 2571f. [https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Staerkung_Recht_Angeklagter_Anwesenheit_Verhandlung.pdf].

[76] Vgl. die Stellungnahme des Republikanischen Anwältinnen und Anwälteverein e.V. vom 04.04.2018, verfasst v. Pollähne. [https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2018/Downloads/05182018_Anwesenheit_Verhandlung_RAV.pdf].

[77] Der EGMR nimmt in einer Folgeentscheidung explizit auf die Entscheidungen des EuGH Bezug, vgl. EGMR, Mucha (Fn. 25), Rn. 48.

[78] EuGH, AH et al., Urteil vom 05. September 2019, C-377/18, Rn. 45; EuGH, UL und VM, Beschluss v. 28. Mai 2020, C-709/18, Rn. 36.

[79] Vgl. schon die Forderungen nach einer Anpassung der nationalen Rechtsprechung bei Kierzowski, (Fn. 23), 175; Steinfatt, Die Unparteilichkeit des Richters in Europa im Lichte der Rechtsprechung des EGMR (2012), 187; Conen/Tsambikakis, in: Münchener Kommentar, StPO, Bd. I, 1. Aufl. (2014), § 24 Rn. 53ff.

[80] So schon das Minderheitsvotum der BVR Leibholz, Geiger und Rinck in BVerfGE, 30, 149 (158ff.).

[81] Vgl. dazu EGMR, Meng (Fn. 1), Rn. 43.

[82] Vgl. Sommer, in: FS der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des DAV (2009), 846, 852ff.

[83] Vgl. Eschelbach GA 2019, 593, insb. 604ff.

[84] Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2021, 2 BvE 4/20, = NJW 2021, 2797, 2798, Rn. 19. Ausf. Hilp, "Den bösen Schein vermeiden" – Zu Ethos und Recht des Amtes in Kirche und Staat (2004).

[85] Vgl. Arzt, a.a.O. (Fn. 41), 66.

[86] Vgl. Gaede, in: Münchener Kommentar, StPO, Bd. III-2, 1. Aufl. (2018), Art. 6 EMRK, Rn. 116.

[87] UN Human Rights Commission, Study on the Independence and Impartiality of the Judiciary, Jurors and Assessors and the Independence of Lawyers, Final Report by the Special Rapporteur Mr. Singhvi, UN Doc E/Cn.4/Sub.2/1985/18/Add.1, 22. Juli 1985, Rn. 75. ("that impartiality and independence of the judiciary is more a human right of the consumers of justice than a privilege of the judiciary for its own sake.”).

[88] Vgl. zur Problematik der Beweislast Ignor ZIS 2012, 228, 232.

[89] BVerfGE, 30, 149 (162) (Abweichende Meinung BVR Leibholz, Geiger, Rinck) [Hervorhebung i.O.].

[90] Vgl. Ignor ZIS 2012, 228, 232; Siolek, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. (2016), § 24 Rn. 8.

[91] Vgl. zu den Folgenpflichten nach einem Konventionsrechtsverstoß, BVerfGE 111, 307, 324ff.

[92] Zur besonderen Problematik der Unparteilichkeit von Richtern an internationalen Straftribunalen, vgl. Boe, Disqualification of Judges, in Klip/Freeland (Hrsg.), Annotated Leading Cases of International Criminal Tribunals, Bd. 70, im Erscheinen (2022).

[93] Vgl. Kierzowski, a.a.O. (Fn. 23), 176 ("keine weitgreifenden Umbrüche, doch aber ein Umdenken an wesentlichen Stellen").

[94] Vgl. allg. zur "evolutiven Auslegung" der EMRK, Gaede, in: Münchener Kommentar, StPO, Bd. III-2, 1. Aufl. (2018), Art. 6 EMRK, Rn. 8.