HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2018
19. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

446. BGH 3 StR 427/17 - Urteil vom 11. Januar 2018 (LG Wuppertal)

BGHSt; Uniformverbot (Warnwesten mit Aufschrift „Sharia Police“; Normzweck; gleichartige Kleidungsstücke; einschränkende Auslegung; Ausdruck gemeinsamer politischer Gesinnung; Eignung zur suggestivmilitanten, einschüchternden Wirkung; Zielgruppe; ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal); Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums bei ungeklärter Rechtslage.

§ 3 Abs. 1 VersG; § 28 VersG; § 17 StGB; Art. 103 Abs. 2 GG

1. Zum Verstoß gegen das Uniformverbot des § 3 Abs. 1 VersammlG durch das öffentliche Tragen von Warnwesten mit der Aufschrift „Sharia Police“. (BGHSt)

2. Das Uniformverbot geht auf die Erfahrungen mit den Aufmärschen militanter Parteiorganisationen in der Spätphase der Weimarer Republik zurück und soll die durch solche Aufmärsche symbolisierte Gewaltbereitschaft mit der damit verbundenen einschüchternden Wirkung verhindern. Demgemäß liegt ein Tragen gleichartiger Kleidungsstücke als Ausdruck gemeinsamer politischer Gesinnung nur vor, wenn das Auftreten in derartigen Kleidungsstücken nach den Gesamtumständen geeignet ist, eine suggestivmilitante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen zu erzielen. (Bearbeiter)

3. Eine entsprechende Eignung liegt vor, wenn durch das Tragen der einheitlichen Kleidungsstücke der Eindruck entstehen kann, dass die Kommunikation im Sinne eines

freien Meinungsaustausches abgebrochen und die eigene Ansicht notfalls gewaltsam durchgesetzt werden soll. Richtet sich das Auftreten in einheitlichen Kleidungsstücken dabei auf eine bestimmte Zielgruppe, die beeinflusst werden soll, so kommt es darauf an, ob gerade diese nach den Gesamtumständen den Auftritt in dem letztgenannten Sinne verstehen kann. (Bearbeiter)

4. Das Erfordernis einer potentiell suggestivmilitanten, einschüchternden Wirkung schränkt die Strafbarkeit nach § 3 Abs. 1, § 28 VersammlG in vergleichbarer Weise ein wie das geschriebene Merkmal der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens in § 130 Abs. 1 und 3 StGB in Fällen der Volksverhetzung. Es handelt sich dabei um ein ungeschriebenes, durch konkrete Feststellungen auszufüllendes Tatbestandsmerkmal, nicht um eine Wertungsklausel zur Ausscheidung nicht strafwürdiger Fälle (vgl. dagegen zu § 130 StGB BVerfG HRRS 2012 Nr. 94). Denn die Entscheidung darüber, welches Verhalten strafwürdig ist, ist von Verfassungs wegen nicht der Rechtsprechung überlassen, sondern dem Gesetzgeber vorbehalten. (Bearbeiter)


Entscheidung

387. BGH 2 StR 24/16 - Urteil vom 7. September 2017 (LG Schwerin)

BGHSt; Untreue (Vermögensbetreuungspflicht: erforderliche Vermögensbezogenheit und Eigenverantwortlichkeit, keine Vermögensbetreuungspflicht zum Einschreiten für Beamten aus dem Grundsatz der Sparsamkeit; Pflichtverletzung: Verletzung gerade einer Pflicht, die auf den Pflichtkreis zurückgeht, der die Vermögensbetreuungspflicht begründet, hier: Pflichtverletzung eines Finanzbeamten bei der Vergabe von Investitionszulagen, fehlende Eigenverantwortlichkeit bei vorgelagertem selbstständigem Bescheinigungsverfahren); Anforderungen ein frei-

sprechendes Urteil (Darstellung des Sachverhalts).

§ 266 Abs. 1 StGB; InvZulG 1999; § 267 Abs. 5 StPO

1. Zur Untreue eines Finanzbeamten bei Entscheidungen im Zusammenhang mit dem InvZulG 1999. (BGHSt)

2. Vertragliche oder gesetzliche Beziehungen, die sich insgesamt als ein Treueverhältnis im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellen, können auch Pflichten enthalten, deren Verletzung nicht dem Straftatbestand der Untreue unterfällt (vgl. BGHSt 61, 48). Nicht jede Pflichtverletzung eines Treuepflichtigen gegenüber seinem Treugeber ist strafbewehrt. Erforderlich ist vielmehr, dass die verletzte Pflicht gerade dem Vermögensschutz dient, und dass sie innerhalb der vom Treugeber verliehenen Herrschaftsmacht angesiedelt ist, über das fremde Vermögen zu verfügen (vgl. BGHSt 47, 295, 297). Die von dem Täter konkret verletzte Pflicht muss auf den Pflichtenkreis zurückgehen, der die hervorgehobene Stellung des Täters für den Schutz des Vermögens des Treugebers begründet. (Bearbeiter)

3. Ein Finanzbeamter, zu dessen dienstlichen Aufgaben es zählt, Anträge auf Bewilligung von Investitionszulagen selbstständig daraufhin zu überprüfen, ob die in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und den dazu erlassenen Verwaltungsanordnungen festgelegten tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, kann sich wegen Untreue strafbar machen, weil ihm eine Vermögensbetreuungspflicht im Hinblick auf das Fiskalvermögen obliegt (vgl. BGHSt 24, 326). Zwar sind die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf eine Subvention oder Investitionszulage besteht, weitgehend gesetzlich festgelegt (vgl. BGHSt 59, 244, 249); sein dienstlicher Aufgabenkreis eröffnet dem Finanzbeamten gleichwohl einen (gewissen) Entscheidungsspielraum, Selbstständigkeit und Bewegungsfreiheit. (Bearbeiter)

4. Nicht jede Pflichtverletzung eines mit der Durchführung von Investitionszulagenverfahren befassten Finanzbeamten lässt sich jedoch als Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB verstehen, auch wenn sie sich auf das Vermögen des Berechtigten irgendwie nachteilig auswirken kann (vgl. BGHSt 5, 187, 188). Erforderlich ist vielmehr stets, dass die verletzte Pflicht des Finanzbeamten in einem Bereich angesiedelt ist, in dem ihm ein gewisser Entscheidungsspielraum verliehen ist, den er eigenverantwortlich auszufüllen hat. Fehlt es an einem solchen auf Eigenverantwortung beruhenden Entscheidungsspielraum des Treuepflichtigen, so fehlt es an der Verletzung einer dem Schutzbereich des § 266 Abs. 1 StGB unterfallenden Vermögensbetreuungspflicht. (Bearbeiter)

5. Die gesetzlichen Regelungen des InvZulG 1999 und die mit Implementierung eines selbstständigen Bescheinigungsverfahrens gewählte Aufgaben- und Verantwortungsteilung zwischen Finanzamt und Gemeinde begrenzen den Pflichtenkreis der Finanzbehörden und nehmen ihnen im Hinblick auf die in die Verantwortung der Gemeindebehörden gelegten Belegenheitsbescheinigungen zugleich die erforderliche Rechtsmacht. Insoweit fehlt an den Voraussetzungen einer Vermögensbetreuungspflicht. (Bearbeiter)

6. Weitergehende, durch den Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) oder durch Weisung des Bundesministeriums der Finanzen begründete Pflichten, bei den zuständigen Gemeindebehörden – etwa im Wege der Remonstration – auf eine Abänderung einer von den Finanzbehörden als unrichtig angesehenen Belegenheitsbescheinigung hinzuwirken, unterfallen nicht dem Schutzbereich des § 266 Abs. 1 StGB. Bei einer dadurch begründeten Pflicht zur Remonstration handelt es sich um eine aus der gesetzlichen Aufgabenerfüllung und dem Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung resultierende Nebenpflicht, die den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes Rechnung trägt. Der „Sparsamkeitsgrundsatz“, wonach der Staat nichts „verschenken“ darf, stellt ein allgemeines Prinzip der Haushaltsführung für den gesamten öffentlichen Bereich dar, das von allen Trägern hoheitlicher Gewalt unabhängig davon zu beachten ist, auf welcher Rechtsgrundlage sie tätig werden (st. Rspr.). Den Finanzbehörden ist dadurch jedoch weder ein eigener Entscheidungsspielraum noch überhaupt Rechtsmacht eröffnet. (Bearbeiter)


Entscheidung

377. BGH 1 StR 331/17 - Urteil vom 24. Januar 2018 (LG Wiesbaden)

Vorenthalten von Arbeitsentgelt (Irrtum über die Arbeitsgebereigenschaft: erforderlicher Inhalt des Vorsatzes, Anwendung der Steueranspruchstheorie); tatrichterliche Beweiswürdigung (Anforderungen an ein freisprechendes Urteil; revisionsrechtliche Überprüfbarkeit).

§ 266a Abs. 1 StGB; § 370 Abs. 1 AO; § 16 StGB; § 261 StPO; § 267 Abs. 5 StPO

Da für die Differenzierung gegenüber der Steuerhinterziehung und den dortigen Anforderungen an den Vorsatz hinsichtlich des Bestehens eines Steueranspruchs kein sachlicher Grund erkennbar ist und es sich jeweils um (normative) Tatbestandsmerkmale handelt, erwägt der Senat zukünftig auch die Fehlvorstellung über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und die daraus folgende Abführungspflicht insgesamt als (vorsatzausschließenden) Tatbestandsirrtum zu behandeln.


Entscheidung

398. BGH 1 StR 339/16 - Urteil vom 25. Oktober 2017 (LG Rostock)

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (Verbotsirrtum bei Kenntnis von dem Bestehen sozialversicherungsrechtlicher Beschäftigungsverhältnisse; Grundsätze über die Darlegung der Berechnungsgrundlagen, Schätzung im Ausnahmefall); Geldstrafe neben Freiheitsstrafe (Voraussetzungen; Verhältnis zwischen den Sanktionsmitteln; Anrechnung von Auslieferungs- und Untersuchungshaft); Subventionsbetrug (Begriff der Subvention: Leistungen aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften; Begriff des Subventionsgebers; Begriff der subventionserheblichen Tatsachen; Notifizierungspflicht: Umgehung durch künstliche Aufspaltung eines Investitionsvorhabens; Kenntnis des Subventionsgebers; zweckwidrige Verwendung von Mitteln).

§ 17 Satz 1 StGB; § 41 StGB; § 264 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB; § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB; § 266a StGB

1. Haben die an einem (sozialversicherungsrechtlichen) Beschäftigungsverhältnis Beteiligten eine vertragliche Gestaltung als Werkvertrag gewählt, handelt es sich aber aufgrund der relevanten tatsächlichen Gegebenheiten arbeits- und sozialrechtlich um ein Arbeitsverhältnis, kommt auf Seiten des vertraglichen „Auftraggebers“, der sich rechtlich als Arbeitgeber darstellt, allenfalls ein Verbotsirrtum in Betracht, wenn diesem die tatsächlichen Verhältnisse bekannt sind.

2. Der Tatrichter hat die geschuldeten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge – für die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte gesondert – nach Anzahl, Beschäftigungszeiten, Löhnen der Arbeitnehmer und der Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Krankenkasse festzustellen, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu ermöglichen, weil die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkassen sowie den gesetzlich geregelten Beitragssätzen der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung zu berechnen ist.

3. Falls solche Feststellungen im Einzelfall nicht möglich sind, kann die Höhe der vorenthaltenen Beiträge auf Grundlage der tatsächlichen Umstände geschätzt werden. Die Grundsätze, die die Rechtsprechung bei Taten nach § 370 AO für die Darlegung der Berechnungsgrundlagen der verkürzten Steuern entwickelt hat, gelten insoweit entsprechend. Deshalb genügt es nicht, die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge lediglich der Höhe nach anzugeben. Vielmehr müssen die Urteilsgründe die Berechnungsgrundlagen und Berechnungen im Einzelnen wiedergeben werden.

4. Die Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe setzt voraus, dass sich der Angeklagte „durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht“ hat. Hierzu sind Feststellungen zu treffen. Außerdem ist Voraussetzung, dass die Verhängung der Geldstrafe „unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist“. Das Urteil muss erkennen lassen, dass auch diese Voraussetzung erfüllt ist.

5. Zudem muss sich die Strafe in ihrer Gesamtheit im Rahmen des Schuldangemessenen halten. Das Verhältnis zwischen den Sanktionsmitteln Geld- und Freiheitsstrafe richtet sich dabei nach allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen, weshalb bei der Bemessung der Freiheitsstrafe die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe als bestimmende Strafzumessungstatsache Berücksichtigung zu finden hat. Sind Freiheitsstrafe und Geldstrafe nebeneinander verhängt, muss auch darüber entschieden werden, auf welche der beiden Strafen oder in welcher Verteilung die Auslieferungs- und Untersuchungshaft anzurechnen sind.

6. Subventionen im Sinne des § 264 StGB sind auch Leistungen aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt werden. Dies trifft für Europäische Strukturfonds wie den Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zu.

7. Subventionsgeber ist nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht nur die für die Bewilligung der Subvention sachlich und örtlich zuständige Behörde, sondern auch jede andere in das Subventionsverfahren eingeschaltete Stelle oder Person. Dabei reicht es aus, wenn die Stelle oder Person nur eine Vorprüfung vorzunehmen oder eine Teilentscheidung auszusprechen hat, wie z.B. deutsche Stellen für bei ihnen beantragte Subventionen der Europäischen Union oder die mit der Finanzierung und der Finanzkontrolle befassten Banken.

8. Subventionserheblich sind solche Tatsachen, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vom Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind (§ 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB) oder solche, von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich abhängig ist.

9. Die Subventionserheblichkeit muss sich auch bei § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB aus einem Gesetz im formellen oder materiellen Sinne ergeben; die Bezeichnung als „subventionserheblich“ in Verwaltungsvorschriften, Richtlinien etc. genügt nicht. „Gesetz“ im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB sind auch die Verordnungen der EU.

10. § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB erfasst Sachverhalte, in denen dem Gesetz eine ausdrückliche Bezeichnung bestimmter Tatsachen als subventionserheblich fehlt, das

Gesetz aber dennoch hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, was es als Voraussetzung für die Subventionsgewährung betrachtet, ohne die entsprechenden Tatsachen ausdrücklich mit der Erklärung „subventionserheblich i.S.v. § 264 Abs. 1 StGB“ zu verbinden. Die Vorschrift gilt insbesondere für Subventionen der Europäischen Union, die nicht durch § 2 SubvG verpflichtet werden kann. Insoweit genügt bereits die in den Normen der Europäischen Union erfolgte Benennung der Vergabevoraussetzungen als Grundlage der Pönalisierung dahingehender Täuschungshandlungen.

11. „Gesetz“ im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB ist auch das Gesetz gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen (SubvG). Es ist anwendbar soweit Zuschüsse des Bundes oder eines Landes beantragt werden.

12. Im Rahmen der Prüfung des § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB kann es darauf ankommen, ob der Angeklagte ein einheitliches Investitionsvorhaben künstlich in zwei Teilvorhaben gegliedert hat, um der Notifizierung zu entgehen und die höchstmögliche Förderung zu erhalten. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es nicht auf die Zahl der Antragsteller, nicht auf deren gesellschaftsrechtliche Verhältnisse oder Beziehungen untereinander oder die Ausgestaltung der Geschäftsführung an, sondern nur auf das zu prüfende Investitionsvorhaben selbst.

13. Die Art der Antragstellung ist für den Angeklagten bzw. die Gesellschaften auch vorteilhaft im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn sie sich eignet, die Aussichten auf die Bewilligung der Subvention in der gewünschten Höhe durch die Herbeiführung der Entscheidungszuständigkeit der Landesbehörden zu verbessern oder durch Vermeiden der Einbindung der Kommission zu einem Zeit- und damit Zinsvorteil führt.

14. Die Kenntnis des Subventionsgebers von der Unrichtigkeit der Angaben steht der Strafbarkeit nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht entgegen, weil § 264 StGB kein Erfolgsdelikt ist und keine erfolgreiche Täuschung erfordert. Der Subventionsbetrug ist vollendet, sobald die falschen Angaben dem Subventionsgeber gegenüber gemacht wurden.

15. § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB stellt denjenigen unter Strafe, der einen Gegenstand oder eine Geldleistung, deren Verwendung durch Rechtsvorschriften oder durch den Subventionsgeber im Hinblick auf eine Subvention beschränkt ist, entgegen der Verwendungsbeschränkung verwendet. Eine zweckwidrige Verwendung von Mitteln im Sinne von § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt schon dann vor, wenn die erlangten Gelder nicht umgehend für den mit der Subvention verfolgten Zweck verwendet werden.


Entscheidung

394. BGH 4 StR 408/17 - Beschluss vom 26. März 2018 (LG Halle)

Betreiben von Bankgeschäften ohne Erlaubnis (Begriff des Bankgeschäfts: Begriff der Einlage, Vereinbarung einer qualifizierten Nachrangabrede hinsichtlich eingezahlter Gelder); Irrtum über die Erlaubnispflichtigkeit des vorgenommenen Geschäfts: Subsumtionsirrtum); Untreue (Vermögensbetreuungspflicht eines Darlehensnehmers).

§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG; § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG; § 16 StGB; § 17 StGB; § 266 Abs. 1 StGB

1. Einlagen und anderen unbedingt rückzahlbaren Geldern des Publikums im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG ist gemein, dass der Kapitalgeber die eingezahlten Gelder bei Fälligkeit ohne zusätzliche Voraussetzung jederzeit wieder zurückfordern kann (vgl. BGH NStZ 2007, 647). Hieran fehlt es, wenn zwischen dem Kapitalgeber und dem Kapitalnehmer eine sog. qualifizierte Nachrangabrede des Inhalts getroffen wird, dass die Forderung des Kapitalgebers außerhalb des Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger befriedigt werden darf. Eine solche Abrede steht der Annahme einer Einlage oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums und damit eines Bankgeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG entgegen.

2. Hat der Täter des § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG den Bedeutungssinn des Bankgeschäfts als normatives Tatbestandsmerkmal zutreffend erfasst, hält er seine Geschäfte aber gleichwohl für rechtlich zulässig und nicht erlaubnispflichtig, irrt er lediglich über ihr Verbotensein, sodass ein Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB vorliegt (vgl. BGH NJW 2017, 2463, 2464).

3. Auch bei einem zweckgebundenen Darlehen durch die Einbeziehung auftragsähnlicher Elemente kann im Einzelfall eine Vermögensbetreuungspflicht des Darlehensnehmers gegenüber dem Darlehensgeber begründet sein. Dies wird jedoch in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn durch die besondere Zweckbindung und die sich daraus ergebende Verpflichtung des Darlehensnehmers zur zweckgerechten Verwendung der Valuta Vermögensinteressen des Darlehensgebers geschützt werden und diese wirtschaftlich im Mittelpunkt des Vertrags stehen (vgl. BGHSt 8, 271, 272 f. mwN).


Entscheidung

380. BGH 1 StR 423/17 - Beschluss vom 21. März 2018 (LG Augsburg)

Insolvenzverschleppung (Mitglied des Vertretungsorgans als besonderes persönliches Merkmal); Bankrott (Schulderstellung als besonderes persönliches Merkmal).

§ 15a Abs. 1, Abs. 4 InsO; § 283 Abs. 1 StGB

Bei der nach § 15a Abs. 1 InsO und nach § 283 Abs. 1 StGB erforderlichen Pflichtenstellung handelt es sich jeweils um ein besonderes persönliches Merkmal gemäß § 28 Abs. 1 StGB (vgl. BGHSt 58, 115, 117 f. Rn. 9).


Entscheidung

434. BGH 3 StR 78/17 - Beschluss vom 18. Oktober 2017 (LG Hildesheim)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Mitsichführen; Verfügungsbereithalten; Möglichkeit des Zugriffs ohne nennenswerten Zeitaufwand; Aufbewahrung in Behältnis oder anderem Raum; Waffe im technischen Sinne; Zweckbestimmung; Feststellungen zur subjektiven Seite).

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG

1. Bewaffnetes Handeltreiben im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter eine Schusswaffe oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, bei der Tat mit sich führt. Am eigenen Körper muss die Waffe oder der Gegenstand dabei nicht getragen werden; es genügt, dass sie der Täter in einer Weise verfügungsbereit hält, dass er beim Umgang mit den Betäubungsmitteln ohne nennenswerten Zeitaufwand auf sie zugreifen kann. Befindet sich die Waffe in einem Behältnis und/oder in einem anderen Raum als die Betäubungsmittel, so kann dies - je nach den Umständen des Einzelfalles - ein Mitsichführen im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ausschließen.

2. Ausführungen dazu, dass ein Gegenstand vom Angeklagten zur Verletzung von Personen bestimmt wurde, können im Rahmen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG im Einzelfall entbehrlich sein, wenn es sich bei um eine Waffe im technischen Sinne handelte, da bei einer solchen die Feststellung regelmäßig naheliegt, diese sei zur Verletzung von Personen bestimmt. Anderenfalls – hier: bei einem „Tarnmesser“ mit sechs cm Klingenlänge – sind an die Prüfung und Darlegung der subjektiven Merkmale umso höhere Anforderungen zu stellen, je ferner die Gefahr des Einsatzes ist und je weniger geeignet und bestimmt zur Verletzung von Personen der Gegenstand in objektiver Hinsicht ist.


Entscheidung

384. BGH 2 StR 127/17 - Urteil vom 7. März 2018 (LG Wiesbaden)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Strafzumessung: strafschärfende Berücksichtigung des Maßes der Überschreitung des Grenzwertes); Verfall (Absehen von der Anordnung, weil das Erlangte nicht mehr im Vermögen des Täters vorhanden ist: Grund der Entreicherung als Faktor der Billigkeitsentscheidung, Tilgung von Schulden).

§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; § 46 Abs. 1 StGB; § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB a.F.

1. Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge darf nur die Tatbegehung mit einer „nicht geringen Menge“ für sich genommen nicht bei der Strafzumessung berücksichtigt werden; jedoch kann das Maß der Überschreitung des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen, soweit es sich nicht lediglich um eine Überschreitung in einem Bagatellbereich handelt (vgl. BGH NJW 2017, 2776, 2777). Danach ist die Berücksichtigung der Überschreitung der nicht geringen Menge um das Dreifache rechtlichen Bedenken nicht ausgesetzt.

2. Der Tatrichter kann bei seiner Billigkeitsentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. neben den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere berücksichtigen, aus welchem Grunde das Erlangte bzw. dessen Wert nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. Hierbei ist maßgebend, ob und inwieweit es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles unangemessen erscheint, den Verfall anzuordnen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 104, 105). Das „Verprassen” der erlangten Mittel sowie ihre Verwendung für Luxus und zum Vergnügen kann dabei gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen (vgl. BGHSt 30, 314, 317); ihr Verbrauchen in einer Notlage für den Lebensunterhalt kann hingegen als Argument für eine entsprechende Ermessensentscheidung herangezogen werden (vgl. BGHSt 38, 23, 25).

3. Die Möglichkeit, nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. von einer Verfallsanordnung abzusehen, beschränkt sich aber nicht auf Entreicherungen, die durch Aufwendungen für die notwendige Lebensführung getätigt worden sind. Sie kommt grundsätzlich auch in Betracht, wenn Mittel zur Schuldentilgung eingesetzt worden sind. Dabei kann eine Rolle spielen, welcher Art diese Verbindlichkeiten war (vgl. BGHSt 38, 23, 25).


Entscheidung

397. BGH 1 StR 264/17 - Beschluss vom 25. Januar 2018 (LG Koblenz)

Steuerhinterziehung (Vollendung durch Steuerverkürzung; Vollendung im Falle der Umsatzsteuer).

§ 168 Satz 1 und 2 AO; § 370 Abs. 1 AO

1. Bei der Straftat der Steuerhinterziehung, bei der es sich nicht lediglich um ein Erklärungsdelikt, sondern auch um ein Erfolgsdelikt handelt, tritt Vollendung erst dann ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 AO).

2. Betreffen die Taten die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe inhaltlich unzutreffender Steuererklärungen, hängt die Tatvollendung davon ab, ob die unrichtigen Steueranmeldungen zu einer Zahllast oder zu einer Steuervergütung geführt haben. Zwar steht eine Steueranmeldung gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt allerdings die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt dies erst dann, wenn die Finanzbehörde zugestimmt hat (§ 168 Satz 2 AO). Das Tatgericht muss daher Feststellungen dazu treffen, ob die jeweilige Steueranmeldung eine Zahllast oder eine Steuervergütung zum Inhalt hatte und – im Falle der Steuervergütung – ob die Finanzbehörden dieser zugestimmt haben.


Entscheidung

417. BGH 4 StR 594/17 - Beschluss vom 15. Februar 2018 (LG Halle)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Verjährungsfrist, Verjährungsbeginn); Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (Zuverlässige Beurkundung des Beratungsergebnisses durch die Urteilsgründe).

§ 29 Abs. 1 BtMG; § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB; § 78a StGB; § 261 StPO

1. Die Verjährungsfrist für Taten nach § 29 Abs. 1 BtMG beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB). Ihr Lauf begann nach § 78a StGB jeweils mit dem Abschluss des Rauschgiftumsatzes und der Entgegennahme des Veräußerungserlöses (hier Streckmittel im Gegenwert des vereinbarten Kaufpreises) durch den Angeklagten.

2. Die Sachrüge kann zum Erfolg führen, wenn sich aus den Urteilsgründen selbst Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie das Beratungsergebnis nicht mehr zuverlässig beurkunden.