HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2017
18. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Die strafrechtliche Produzentenhaftung

Von Dr. Gerhard Timpe, Regensburg

I. Die Lederspray Entscheidung (BGHSt 37, 106)

In der Lederspray-Entscheidung[1] waren die Geschäftsführer einer Produktionsgesellschaft und zweier Vertriebsgesellschaften angeklagt, die eine Lederspray hergestellt und vertrieben hatten. Seit Herbst 1981 gingen bei der Firmenleitung Meldungen über Gesundheitsschäden ein, die beim Gebrauch der Ledersprays aufgetreten waren. Die Geschäftsleitung[2] bemühte sich daraufhin, die Schadensursachen ausfindig zu machen, hatte damit aber keinen Erfolg. Nachdem noch weitere Schadensmeldungen eingegangen waren, kam es zu einer Sitzung der Geschäftsleitung der Produktionsgesellschaft. Auf dieser Sitzung wurde beschlossen, keinen Rückruf der Sprays einzuleiten, sondern nur die Warnhinweise auf den Spraydosen zu überarbeiten. Die Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaften schlossen sich diesem Votum der Geschäftsleitung der Produktionsgesellschaft an. Der BGH unterschied zwischen den Schadensfällen, "in denen das jeweils schadensursächliche Lederspray zu dem für den Schuldvorwurf maßgeblichen Zeitpunkt (der Sitzung der Geschäftsleitung der Produktionsgesellschaft) zwar schon in den Handel gelangt war, den Verbraucher aber noch nicht erreicht hatte" und den Schadensfällen, die der Geschäftsleitung erst nach der Sondersitzung der Geschäftsleitung zur Kenntnis gelangt waren, und verurteilte die Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung hinsichtlich der vor der Sondersitzung eingetretenen Schadensfälle, im Übrigen aber wegen gefährlicher Körperverletzung. "Denn Produktion und Vertrieb von Erzeugnissen durch eine im Rahmen des Gesellschaftszwecks tätige GmbH sind ihren Geschäftsführern als eigenes Handeln … zuzurechnen."[3]

Schadensverläufe desorientieren, solange sie nicht erklärt sind, weil sie die normative "Wirklichkeit einer Gesellschaft ins Zwielicht rücken"[4]. Die Erklärung des Verlaufs geschieht durch Zurechnung, entweder zum Fehlverhalten des Täters, zum Fehlverhalten eines Dritten (auch des Opfers selbst) oder als vom Opfer zu tragendes Unglück[5]., Der BGH[6] hält zwar daran fest, dass die Kausalität der Angelpunkt strafrechtlicher Zurechnung sei, führt zur Kausalität der Ledersprays für Gesundheitsschäden bei Verbrauchern aber aus, dass für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs nicht die exakte Identifizierung der toxischen Inhaltsstoffe erforderlich sei, wenn nur "alle anderen in Betracht kommenden Schadensursachen aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung ausgeschlossen werden können". Der BGH wendet also auch in Produkthaftungsfällen die conditio sine qua non-Formel an, versteht sie in diesem Kontext aber nicht als Mittel zur Feststellung von Kausalität[7], sondern als Zu-

rechnungsregel[8], deren normative Leistung in der Sicherung von Zurechnung zum Hersteller eine möglicherweise fehlerhaften Produkts besteht, wenn sich naturwissenschaftliche Gewissheit nicht erreichen lässt. Als Zurechnungsregel interpretiert verwehrt die conditio sine qua non-Formel dem Hersteller des Produkts sich zu seiner Entlastung darauf zu berufen, dass möglicherweise Ersatzursachen vorhanden waren, der Geschädigte etwa Raucher oder Allergiker gewesen ist, wenn die Gefahr besteht, dass Zurechnung verloren geht, wenn der Hersteller nicht als allein relevante Konfliktursache herausgestellt wird, weil kein Gefährdungsdelikt[9] vorhanden ist, auf das als Auffangtatbestand zurückgegriffen werden könnte, und der Konflikt auch nicht dem Opfer zugerechnet oder als Unglück erklärt werden kann, weil die Ledersprays nicht zufällig in den Verkehr gelangt sind. Damit gibt der BGH jedoch die "vorrechtliche Prägung des Kausalbegriffs"[10] auf und etabliert eine prozedurale[11], an der "präventiven Funktion"[12] des Strafrechts ausgerichtete Methode zur Feststellung der Kausalität, für die das kommunikativ relevante Urteil der Verständigen dann hinreicht[13], wenn naturwissenschaftliche Gewissheit nicht zu erreichen ist.

Da Gesellschaften anderen Regeln folgen als die Natur, ist die Kausalität seit der "Lederspray-Entscheidung" nicht mehr der Angelpunkt der Zurechnung, und sie kann das auch gar nicht sein, weil sie bei Unterlassungen nicht recht passt und es bei psychisch vermittelten Verläufen, wie z.B. der Anstiftung und der mittelbaren Täterschaft, an deterministischen Kausalgesetzen fehlt, und deshalb eine "Kausalerklärung nach strikten Gesetzen" gerade nicht möglich ist[14]. Vor allem aber verfehlt die naturgesetzliche Aufarbeitung des Geschehens die Ebene, auf der Strafrecht stattfindet, scil. die Ebene der Gesellschaft. Werden Störung und Strafe auf einer Ebene definiert, so ist der eine, durch ein fehlerhaftes Produkt hervorgerufene Schädigung der Gesundheit des Konsumenten keine Störung wie z.B. der Biss eines Hundes, sondern die Gesundheitsschädigung ist wegen der kommunikativen Bedeutung des Verhaltens des Herstellers als Normwiderspruch eine soziale Störung, der widersprochen werden muss, weil anderenfalls die Normgeltung Schaden nehmen würde.. Stehen Störung und Strafe aber dergestalt in einem Sinnzusammenhang auf gleicher Ebene, dass die Störung der kommunikativ relevante Widerspruch des Herstellers gegen Sorgfaltsnormen bei der Herstellung und dem Vertrieb von Produkten ist und die Strafe die Gegenrede gegen den Widerspruch des Herstellers, muss auch bei der gesellschaftlichen Aufarbeitung des Geschehens die Zuständigkeit für den Verlauf normativ und nicht naturgesetzlich bestimmt werden. Nicht der der Kunde ist dann für den Verlauf zuständig, weil er das Produkt gekauft hat, sondern der Hersteller, der es in Verkehr gebracht hat, obwohl beide (Kunde und Hersteller) naturgesetzlich zum Entstehen des Schadens beigetragen haben. So wie bei der Anstiftung und der mittelbaren Täterschaft das Schaffen guter Gründe für die Tat[15] ein funktionales Äquivalent "strikter Gesetze" ist, tritt bei der Produkthaftung an die Stelle deterministischer Kausalgesetze das in einem geordneten Verfahren gewonnene, am präventiv Notwendigen ausgerichtete kommunikativ relevante Urteil der Verständigen. Mit der Lederspray-Entscheidung erkennt der BGH damit aber an, dass auch die Kausalität ein durch die gesellschaftlich konstruierten Regeln der Zurechnung bestimmter Begriff ist, und es deshalb im Hinblick auf die strafrechtliche Haftung keinen Unterschied macht, ob ein Schadensverlauf dem Produzenten gefährlicher Produkte nach Naturgesetzen[16] oder nach denen objektiver Zurechenbarkeit zugeordnet wird.

II. Der Haftungsgrund

1. Verkehrssicherheit

Bringt ein Unternehmer wissentlich fehlerhafte Produkte[17] in den Verkehr, verstößt er gegen eine Verbotsnorm[18],

wenn Verbraucher deshalb zu Schaden kommen, weil er sich entweder hinsichtlich der Konstruktion und der Herstellung des Produkts oder der Instruktion der Verbraucher über Produktgefahren nicht sorgfaltsgemäß verhalten hat[19]. Da es bei der Herstellung und dem Vertrieb von Produkten Sorgfaltspflichten "als solche" nicht gibt, ist bei der Produkthaftung nur das Regelungsziel vorgegeben, keine fehlerhaft konstruierten oder hergestellten Produkte in den Verkehr zu bringen und Verbraucher über Produktgefahren ausreichend zu instruieren. Es ist aber jedem Produzenten selbst überlassen, sein Verhalten kontextabhängig so einzurichten, dass das Reglungsziel erreicht wird. Die den Normadressaten abverlangte Selbststeuerung garantiert dabei einmal, dass sein der jeweiligen Situation umso besser angepasst ist, je abstrakter die Norm ausfällt. Denn die Konkretisierung der Norm durch den Normadressaten mit Blick auf eine konkrete Situation führt zu einer höheren Differenzierung des Verhaltens, als sie bei einer Vorab-Festlegung durch die detaillierte Beschreibung einzelner Sorgfaltspflichten erreicht werden kann. So bedeutet Sorgfalt bei der Konstruktion oder Herstellung von Produkten nicht nur den Verzicht auf leicht brechenden, minderwertigen Kunststoff bei der Herstellung der Sitze eines Pkw, die Verwendung fehlerhaft konstruierter Batterien, die Schmorbrände in Mobiltelefonen (Galaxy 07) auslösen, oder die Beimischung gesundheitsgefährdender Substanzen zur Innenverkleidung eines Autos, sondern auch der Einbau eines Airbags, die bereits bei leichten Erschütterungen ausgelöst wird, und anderes mehr, was sich ex ante nicht vollständig aufzählen lässt. Wird nur das Regelungsziel vorgegeben, kann der Normadressat sein Verhalten solange frei bestimmen, wie er es nicht aus den Augen verliert. Die dem Produzenten massenhaft hergestellter und vertriebener Produkte abverlangte Selbststeuerung bringt aber nicht nur den Vorteil einer höheren Differenzierung. Das Erfordernis einer situationsadäquaten Konkretisierung der Sorgfaltspflichten hat auch zur Folge, dass jeder Pflichtige über ein größeres Arsenal an Verhaltensmöglichkeiten verfügen kann, als das bei einer Vorab-Festlegung der Sorgfaltspflichten möglich wäre[20], weil er sein Verhalten solange frei bestimmen kann, wie er das Regelungsziel im Augen behält, für die Schadlosigkeit seiner Organisationen zu sorgen.

An der Objektivierung mangelnder Sorgfalt bei der Konstruktion oder Herstellung eines Produkts in einem Produktfehler fehlt es bei einem Fehlgebrauch des Produkts[21], für dessen Folgen den Hersteller dann nicht einstehen muss, wenn er die Verwender des Produkts auch über typische oder zumindest naheliegende Missbrauchsgefahren hinreichend informiert hat. Wer z.B. Sportwagen herstellt und vertreibt haftet auch dann nicht für die Folgen, wenn Käufer die Wagen zu einem privaten Autorennen, verwendet, bei dem Passanten zu Schaden kommen, obwohl diese Art der Verwendung des Produkts mit einer statisch signifikanten Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und der Hersteller dies auch wusste[22]. Denn bei Alltagsgeschäften hat nicht der Hersteller, sondern der Käufer zu garantieren, dass die Leistung nicht deliktisch verwendet wird (trennende Arbeitsteilung, Regressverbot[23]). Das gilt auch dann, wenn der Verwender selbst der Geschädigte ist. Ein Hersteller von Klebstoff muss zwar damit rechnen, dass einige seiner Kunden den Klebstoff erhitzen und die dabei entstehenden Dämpfe "schnüffeln" werden, um sich in einen Rauschzustand zu versetzen. Er haftete aber nicht wegen fahrlässiger Tötung (§ 222), wenn der Erwerber des Produkts deshalb an einer Lungenkrankheit verstirbt, der Hersteller aber ausdrücklich vor den Gefahren eines (naheliegenden) Missbrauchs des Produkts gewarnt hat[24] (Handeln auf eigene Gefahr). Wer Möbel herstellt muss dafür sorgen, dass bei der Herstellung keine Verbraucher schädigenden Materialien verwendet werden. Benutzt er standardisierte fremde Leistungen, wie z.B. Farben oder Lacke eines bestimmten Herstellers, darf er (wenn keine besonderen Anzeichen vorhanden sind) darauf vertrauen, dass sie den vorgeschriebenen Sicherheitsstandards genügen (Vertrauensgrundsatz[25]). Die Begrenzung der Reichweite der Sorgfaltspflichten des Herstellers durch den Vertrauensgrundsatz endet erst, wenn die Mangelhaftigkeit der Leistung des Zulieferers (aus welchem Grund auch immer, z.B. durch Beschwerden von Kunden oder Stichproben) offensichtlich ist. Der Möbelhersteller muss bewährte Produkte von Zulieferern deshalb zwar stichprobenartig untersuchen, haftet also nicht, wenn Verbraucher zu Schaden kommen, weil zugelieferte Materialien mangelhaft waren, stichprobenartige Untersu-

chungen die Mängel aber nicht zu Tage gefördert haben. Forscht er aber intensiver nach, weil z.B. Reklamationen von Kunden gehäuft aufgetreten sind, und entdeckt er dabei einen toxischen Stoff, entfällt das Vertrauen auch dann, wenn er zu Nachforschungen (noch) nicht verpflichtet war.

Sind fehlerhafte Produkte bereits hergestellt, aber noch nicht ausgeliefert, ordnet der Hersteller aber weder die Erstellung noch die Verbesserung bereits vorhandener der Warnhinweise[26] an und verfügt er auch keinen Vertriebsstopp[27] (Verkehrssicherungspflicht[28]), sondern lässt den Dingen ihren Lauf, missachtet er eine Gebotsnorm., die sich auf den gleichen Haftungsgrund zurückführen lässt, wie das Verbot, fehlerhafte Produkte in den Verkehr zu bringen. Der Grundzustand der freiheitlichen Gesellschaften der Moderne ist derjenige gegenseitiger Nichtbeeinflussung. Niemand muss einem in Not Geratenen ohne besonderen Rechtsgrund helfen, jeder muss aber für den verkehrssicheren Zustand seines eigenen Organisationskreises sorgen. Die normtheoretische Konsequenz aus diesem Gesellschaftsmodell hat bereits Feuerbach[29] gezogen und die "ursprünglichen Verbindlichkeiten der Bürger … auf Unterlassungen" beschränkt. Anders als Feuerbach meint, ist ein Zustand gegenseitiger Nichtbeeinflussung durch Verbote allein aber nicht zu gewährleisten, weil Tun und Unterlassen in sozialen und technischen Systemen in aller Regel durch geringfügige Organisationsänderungen vertauschbar sind[30]. Ob z.B. eine Arbeiter am Fließband eines Herstellers von Automobilen verpflichtet ist, einen Schweißroboter einzuschalten, wenn das Werkstück sich in einer bestimmten Position befindet (ein Gebot) oder ihn unter sonst gleichen Umständen nicht abschalten darf (ein Verbot), richtet sich Grad und Richtung der Automatisierung der Fertigung, ist für die Folgen des Verhaltens des Arbeiters aber ebenso ohne Bedeutung, wie für den Haftungsgrund, weil die Fahrzeuge unabhängig davon einen Herstellungsfehler aufweisen, ob der Arbeiter den Schweißroboter garantiewidrig erst gar nicht eingeschaltet (ein Unterlassen) oder aber abgeschaltet hat (ein Tun). Hängt es aber vom zufälligen (und deshalb manipulierbaren) Zustand der Organisation des Unternehmens ab, ob mit identischen Folgen getan oder unterlassen wird, muss auch der Haftungsgrund für Tun und Unterlassen in Organisationszuständigkeit derselbe sein[31]. Der Produzent (oder wer für ihn handelt) verletzt jeweils negative Pflichten, wenn er nicht dafür sorgt, dass der von ihm beanspruchte Bereich (sein Organisationskreis) nicht in einen verkehrsunsicheren Zustand gerät, dies aber nicht aus Solidarität mit den Kunden des Unternehmens, sondern als Synallagma der von ihm beanspruchten Freiheit, sein Unternehmen von öffentlicher Kontrolle frei organisieren und führen zu dürfen[32]. Sichert der Unternehmer seinen Organisationskreis nicht, wenn er in einen verkehrsunsicheren Zustand zu geraten droht, begeht er also ein Unterlassungsdelikt, wenn Verbraucher zu Schaden kommen.

2. Ingerenz

Ist das Unternehmen in einen verkehrsunsicheren Zustand geraten, sind gefahrenträchtige Produkte also bereits ausgeliefert worden, oder hat der Schadensverlauf den Organisationskreis der Kunden sogar schon erreicht[33], soll der Verursacher der Gefahr nur dann verpflichtet sein, Schäden bei den Kunden abzuwenden, wenn das Vorverhalten pflichtwidrig[34] gewesen sei und der Vorhandelnde deshalb "im sozialen Leben eine Schutzfunktion" ausübe, "kraft derer ... ihm die maßgebliche Entscheidung über den Eintritt der drohenden Rechtsgutsverletzung obliegt"[35]. Das Erfordernis der Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens ergebe sich einmal aus "dem unser ganzes Strafrecht tragenden Verantwor-

tungsprinzip"[36] und zum anderen aus dem "Vertrauensgrundsatz"[37].

Daran ist richtig, dass der Verursacher einer Gefahr, der rechtswidrig in den Organisationskreis eines anderen eindringt, verpflichtet ist, diese Usurpation fremder Freiheit wieder rückgängig zu machen, weil die nachteiligen Veränderungen im Organisationskreis des Gefährdeten sein Werk sind. Der Verursacher einer Gefahr kann von den Folgen seines Verhaltens aber auch dann nicht distanziert werden, wenn er in einer risikobewusst[38] gewordenen und technisch saturierten Gesellschaft ein Sonderrisiko[39] in Anspruch genommen hat, das die Welt zu seinem (des Gefahrverursachers) Vorteil gefährlicher gemacht hat, als sie ohne das Verhalten gewesen wäre[40]. Der BGH[41] hat in der Lederspray-Entscheidung zwar daran festgehalten, dass das "gefahrbegründende Vorverhalten … objektiv pflichtwidrig" sein müsse, die Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens aber daraus hergeleitet, dass die Unternehmensleitung durch die Auslieferung des Produkts "Gefahren (geschaffen habe) aus denen sich im weiteren Fortgang körperliche Schäden für Dritte entwickelt" hätten. "Die objektive Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens setzt nicht voraus, dass der Handelnde bereits damit seine Sorgfaltspflicht verletzt, sich also fahrlässig verhalten hat. … Insoweit genügt die rechtliche Missbilligung des Gefährdungserfolges. … Demgemäß begründet die Schaffung einer Gefahrenlage die zur Schadensabwendung verpflichtende Garantenstellung auch dann, wenn darin noch keine Sorgfaltswidrigkeit liegt". Da sich aber nur derjenige unerlaubt verhält, der subjektiv erkennbar ein Risiko objektiv unerlaubter Größe schafft[42], ist rechtlich für die "Schaffung einer Gefahrenlage" nicht die Ursächlichkeit der Auslieferung der Produkte für die Schädigung von Konsumenten maßgeblich, sondern hinzukommen muss, dass das Verhalten der Unternehmensleitung bereits zum Zeitpunkt seiner Vornahme wegen seiner schon zu diesem Zeitpunkt erkennbaren Gefährlichkeit als rechtswidrig anzusehen ist, weil andernfalls jedes erfolgskausale Verhalten eine Garantenpflicht aus Ingerenz auslösen würde. Dieses Rechtswidrigkeitsurteil ließ sich in der Ledersprayentscheidung aber gerade nicht fällen[43], weil der Hersteller alle Sorgfaltsanforderungen beachtet hatte und sich erst Jahre nach der Produkteinführung bei massenhafter Anwendung der Sprays ein bislang verborgener Mangel herausgestellt hat. Der Sache nach behandelt also auch der BGH das In-Verkehr-Bringen eines Produkts also als ein Sonderrisiko, dessen Weiterungen der Produzent auch dann vorbeugen muss, wenn die Auslieferung der Produkte rechtmäßig erfolgt ist.

3. Herrschaft als Haftungsgrund?

Das ist nicht unbestritten. Nach der insbesondere von Schünemann[44] vertretenen Gegenansicht könne eine Bestrafung des Unterlassenden aus dem Begehungstatbestand nur erfolgen, wenn die Stellung des Unterlassungstäters zu dem rechtsgutsverletzenden Geschehen in den für die Erfolgszurechnung maßgebenden Aspekten mit derjenigen des Begehenstäters vergleichbar sei. Wie beim Begehen die "Herrschaft über die Körperbewegung" als "unmittelbarer Erfolgsgrund" die Zurechnung zur Person begründe, so müsse die beim begehungsgleichen Unterlassen erforderliche Herrschaft eine "aktuelle (sein), die entweder durch eine eigene Körperbewegung oder aber durch eine schon vorher existierende Beherrschung des sozialen Feldes (Gefahrenquelle bzw. hilfloses Rechtsgutsobjekt)" vermittelt werde. Die "Herrschaft über den Grund des Erfolges" sei ein Typus, der in zwei Formen existiere, einmal als "Herrschaft über die wesentliche Erfolgsursache" und zum anderen als Herrschaft über die konstitutionelle oder potentielle Hilflosigkeit des Opfers.

An beidem fehle es aber bei der Ingerenz. Wer. Rechtsgüter anderer Personen in Gefahr bringe, hafte nicht für die Weiterungen, weil er zum Zeitpunkt der Unterlassung zwar potenzielle, aber keine aktuelle "Herrschaft über den Grund des Erfolg" habe. Der Vorhandelnde beherrsche die "wesentlich Erfolgsursache" nicht, weil er durch die Vorhandlung "den Kausalverlauf aus seinem Herrschaftsbereich entlassen (habe). Gerade deswegen steht er dem weiteren Geschehen ontologisch wie jeder andere gegenüber"[45]. Eine "strafrechtlich sanktionierte Rückrufpflicht für gefährliche Produkte (existiere deshalb) nicht"[46], da die "eigenverantwortliche Handlung eines über die Risiken aufgeklärten Konsumenten nicht mehr dem Produzenten zugerechnet" werden könne[47]. Aus der "Übernahme einer Obhut über die Hilflosigkeit des Rechtsguts" könne sich nur bei "Markenware"[48] eine Pflicht zur "Warnung" der Verbraucher ergeben[49], nicht aber zum Rückruf. Wer sich keine "viel teurere Markenware" leisten kann, weil er z.B. arbeitslos oder aus anderen Gründen bedürftig ist, wird strafrechtlich also nicht geschützt? Gibt es Konsumenten erster und zweiter Klasse? Schünemann verkennt, dass es Markenware nicht gibt, weil Verbraucher sich darauf verlassen, dass die Hersteller ihre Produkte beobachten und bei Gefahranzeichen warnen, sondern Verbraucher zahlen für Markenware ein "zusätzliches Entgelt", weil sie im Wettbewerb dadurch Nachteile vermeiden wollen, dass sie ihren Status durch Markenware unterstreichen: Die Funktion von Markenware besteht deshalb darin, Konsumenten ohne Geschmack mit Geschmack zu versorgen, aber nicht in der Gewährleistung kognitiver (Güter)Sicherheit. Wer Markenware erwirbt kann bei seiner Selbstdarstellung nichts falsch machen, wird wegen seines Konsumverhaltens also nicht geschnitten, weil sein Konsum dem Geist der Zeit entspricht, an den er sich durch den Erwerb von Markenware flexibel anpasset.

Mit der (tatsächlichen[50]) "Herrschaft über den Grund des Erfolges" ist der Pflichtengrund der unechten Unterlassungsdelikte schon deshalb kaum zutreffend benannt, weil es sich bei Unterlassungstaten nicht um natürliche Vorgänge handelt. Das unechte Unterlassen ist zumindest insoweit ein gesellschaftlich bestimmtes Geschehen, als es sich bei einer Garantenstellung um kein Produkt der Natur handelt, sondern um eine gesellschaftliche Institution, wie z.B. das Eltern-Kind-Verhältnis, die Ehe oder das besondere Vertrauen. Da aber auch beim unechten Unterlassen Faktum und Wertung getrennt bleiben müssen, aus einem Vermeidenkönnen also kein Vermeidensollen folgt, muss die "Herrschaft über den Grund des Erfolges" auch als rechtlich maßgeblicher Haftungsgrund ausgewiesen werden. Das ist bisher aber nicht gelungen. Denn an der Zuständigkeit des Täters für den Erfolgseintritt kann es beim Tun trotz "Herrschaft über die Körperbewegung" fehlen, weil auch der Begehenstäter Garant[51] für die Vermeidung des Erfolges sein muss. Wer in einer Gesellschaft, die strafrechtlich garantiert, dass die Organisationskreise verschiedener Personen getrennt bleiben, darauf vertraut, dass andere Personen sich solidarisch verhalten, hat keinen Grund zur Enttäuschung wenn die anderen Personen rettende Verläufe abbrechen, die von deren Organisationskreisen ausgehen, und seine Güter deshalb zu Schaden kommen, ihm die Fortdauer des Verlaufs aber nicht garantiert ist. Weiß der Eigentümer eines Obstgartens z.B., dass ein Landstreicher sich mit den Äpfeln aus seinem Garten versorgt, darf auch dann einen Zaun um den Garten errichten, wenn der Landstreicher deshalb Not leidet. Baut der Eigentümer des Gartens einen Zaun, fehlt es nicht an der "für die Rechtsgutsverletzung kausale(n) Handlung …, die … die aktuelle Beherrschung des zur Rechtsgutsverletzung führenden Geschehens vermittelt"[52]. Er verhält sich aber nicht garantiewidrig, weil er dem Landstreicher den Zugang zu dessen Nahrungsquelle abschneiden darf, ihm also nichts nimmt, was ihm (dem Landstreicher) garantiert ist. In einer freiheitlichen Gesellschaft ist es dem Eigentümer zwar nicht gestattet, in den Bereich einzugreifen, der dem Landstreicher als sein Organisationskreis zusteht, darf ihn außerhalb von Rechtfertigungslagen also nicht z.B. mit Schlägen vertreiben, muss ihm

aber ohne "besonderen Rechtsgrund"[53] auch nicht solidarisch helfen, also auf ein allgemein erlaubtes (sozialadäquates) Verhalten verzichten, weil dies dem Landstreicher nutzt. Der gesellschaftliche Zusammenhang, und nicht die "Herrschaft über den Grund des Erfolges" ist auch bei den Pflichten maßgebend, die nicht auf einem Organisationsverhalten des Verpflichteten beruhen, sondern die der Person nach dem Status, den sie in einer Institution, zu der es gegenwärtig keine Organisationsalternative gibt[54], innehat, zugeschrieben werden. Bei institutionell begründeten Pflichten kann die Zuständigkeit des Unterlassenden für die Erfolgsvermeidung auch ohne aktuelle Herrschaft gegeben sein, wie z.B. beim Eltern-Kind-Verhältnis. Eltern, die ihr Kind unversorgt lassen, organisieren nichts, sind nicht verkehrssicherungspflichtig und haben auch nichts übernommen, was ihre "Herrschaft über den Grund des Erfolgs" begründen könnte. Wenn sie trotzdem für den Tod des Kindes einstehen müssen, kann der Grund dafür nicht die Begehensähnlichkeit des äußeren Geschehens sein, sondern nur ihre Zugehörigkeit zur Institution Eltern-Kind-Verhältnis, die Herrschaft weder voraussetzt noch begründet, aber für die rechtliche Verfassung der Gesellschaft von gleicher elementarer Bedeutung ist, wie das Synallagma von Verhaltensfreiheit und Folgenverantwortung. Die Institution "Elternschaft" verdichtet die Beziehung der zur Fürsorge für ihre Kinder verpflichteten Eltern über Nur-Negatives hinaus zu einer bereichsweise gemeinsamen Welt. Eltern sind deshalb aufgrund institutioneller Verbundenheit auch dann für das Wohlergehen ihrer Kinder verantwortlich, wenn sie außer Haus sind und ihnen deshalb die aktuelle Herrschaft über die Schadensanfälligkeit ihrer Kinder fehlt. Denn bei den Garanstellungen kraft institutioneller Zuständigkeit bestimmt nicht die "Herrschaft über die Anfälligkeit des Opfers" den Umfang der Pflichten des Unterlassenden, sondern ihm werden seine Pflichten aufgrund des Status zugeordnet, die er in der Institution innehat, wie z.B. die Pflicht der Eltern zu umfassender Sorge für ihre Kinder. Bei den unechten Unterlassungsdelikten ist (wie auch beim Begehen) rechtlich maßgeblicher Haftungsgrund also nicht die Herrschaft über den Erfolgsgrund, sondern (bei den Garantenstellungen kraft institutioneller Zuständigkeit) das Unterlassen des in Funktion-Setzens einer bestandsnotwendigen Institution, wie z.B. des Eltern-Kind Verhältnisses durch tätige Zuwendung zum Destinatär der Pflicht.

III. Inhalt der Pflichten aus Ingerenz

Hat der Schadensverlauf den Organisationkreis des Produzenten verlassen und denjenigen des Opfers schon erreicht, geht es also nicht mehr nur um den Schutz Außenstehender vor den Außenwirkungen eines Organisationskreises, sondern um die Revokation einer bereits geschehenen Einwirkung oder die Rettung eines bereits in Gefahr geratenen Gutes, können dafür der Verursacher der Gefahr zuständig sein, aber auch das Opfer, dessen Organisationskreis anfällig gestaltet war[55], oder dritte Personen, wie z.B. die zuständigen Aufsichtsbehörden. Der Hersteller eines fehlerhaften (falsch konstruierten oder mit einem Herstellungsmangel behafteten) Produkts, der durch das Inverkehrbringen dieses Produkts eine Gefahr in einen fremden Organisationskreis getragen hat, muss die Gefahr neutralisieren, also z.B. Verbraucher vor Produktgefahren warnen[56] und sie über den sicheren Umgang mit dem Produkt instruieren, oder die Gefahrenquelle durch Veranlassung eines Rückrufs aus dem Organisationskreis des Verwenders entfernen, wenn sie sich auszuwirken droht[57]. Ergibt die Produktbeobachtung[58] z.B., dass eine Serie der von einem Autokonzern hergestellten Pkw mit defekten Bremsen ausgeliefert wurde, muss der Hersteller nicht nur einen Verkaufsstopp verhängen, sondern auch die Verbraucher zur Stilllegung der Fahrzeuge auffordern, die Fahrzeuge dieser Serie erworben haben. Beachten Verbraucher die Warnungen nicht, handeln sie auf eigene Gefahr. Für die Folgen ist dann nicht der Hersteller verantwortlich, sondern die Verbraucher, die den Selbstschutz nicht geleistet haben, den jeder Vernünftige geleistet hätte[59]. Setzen Verbraucher sich über Warnungen des Herstellers hinweg und kommen deshalb Dritte zu Schaden, haftet zwar der Verbraucher für die Schadensfolge, aber nicht der Hersteller, wenn die Warnung hinreichend deutlich ausgefallen ist. Denn der Hersteller durfte dann darauf vertrauen, dass verständige Verbraucher die Warnung ernst nehmen (Vertrauensgrundsatz). Anlass zu Misstrauen har der Hersteller nur, wenn nach einer von ihm ausgesproche-

nen Warnung weiter Schadensmeldungen bei ihm eingehen.

Hat der Gefährdete (wie z.B. in der Lederspray-Entscheidung) zwar kein Recht von dem gefährdenden Verhalten verschont zu bleiben (die Auslieferung des Produkts war rechtmäßig), wohl aber vor dessen Konsequenzen geschützt zu werden, und reichen Warnungen nicht aus, um Schadensrisiken zu bannen, muss er die Gefahrenquelle revozieren damit es erst gar nicht zu Schadensfällen kommt[60]. Die strafrechtliche Produkthaftung kann deshalb zwar garantieren, dass Weiterungen des gefährdenden Verhaltens vermieden werden, indem sie dem Verursacher der Gefahr die Pflicht auferlegt, die Gefahrenquelle zu neutralisieren, also z.B. einen mit defekten Bremsen hergestellten Pkw aus dem Organisationskreis des Käufers zu entfernen oder die Entfernung mittels eines Rückrufs zu organisieren. Neutralisiert der Verpflichtete die Gefahrenquelle zurechenbar nicht und kommt es deshalb zu Weiterungen, versagen also z.B. die Bremsen auf einer abschüssigen Straße und wird der Fahrer deshalb verletzt[61], sind dem Hersteller die Folgen seiner Pflichtverletzung zurechenbar. Da "Thatsachen (aber) unerbittlich"[62] sind, kann die strafrechtliche Produkthaftung bereits Geschehenes nicht ungeschehen machen, also keine Wunden heilen und auch keine fehlerhaften Sachen reparieren, sondern nur darauf bestehen, dass die Norm trotz der Äußerung des Täters gilt, an das Sinnangebot des Täters also nicht deliktisch angeschlossen werden soll. Die infolge des Vorverhaltens im Organisationskreis des Gefährdeten bereits eingetretenen nachteiligen Veränderungen sind für die Bestimmung der Pflichten des Vorhandelnden daher ohne Bedeutung[63]; denn der Gefährdete kann nur beanspruchen, von den Weiterungen des Schadensverlaufs verschont zu werden, ihm ist aber nicht die Wiederherstellung eines bereits geschädigten Guts garantiert. Die Wiederherstellung eines bereits geschädigten Guts kann der Geschädigte nur auf dem Weg der Naturalrestitution (§ 249 BGB) verlangen, also nur durch zivilrechtlich zu leistenden Schadenersatz[64]823 BGB), aber nicht mit strafrechtlichem Nachdruck, weil Ingerenz und Schadenersatz verschiedene Ordnungsmodelle mit jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen und Folgen sind[65], der Schutz vor vermeidbaren Weiterungen eines zurechenbar in Gang gesetzten Schadensverlaufs bei der Ingerenz und die Wiederherstellung eines geschädigten Guts beim Schadenersatz. Oder anders gesagt: Die Ingerenz hat keinen, auf die Wiedergutmachung eines vom Vorhandelnden bereits angerichteten Schadens gerichteten positiven Inhalt[66], sondern verlängert[67], nur das jedem garantierte Recht, nicht gefährdet zu werden, ist also (ebenso wie die Verkehrspflichten) nur-negativ auf Sicherung, aber nicht auf Wiederherstellung gerichtet.

Überlagert der Organisationskreises des Vorhandelnden den Organisationskreis eines anderen dergestalt, dass der Inhaber des anderen Organisationskreises tatsächlich oder rechtlich gehindert ist, seine Eigentümerrechte nach seiner Willkür zu gebrauchen, ist Inhalt der Pflichten aus Ingerenz nur die Beendigung dieser Usurpation fremder Freiheit. So ist z.B der Schütze eines Balles, der bei einem Fußballspiel durch einen Fehlschuss versehentlich eine Fensterscheibe zertrümmert, zwar verpflichtet, den Ball aus dem Wohnzimmer des Anliegers des Fußballplatzes zu entfernen. Denn außerhalb von Rechtfertigungslagen[68] ist die Entfernung des Balls durch den Wohnungseigentümer gegen den Willen des Schützen solange als verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) unerlaubt ist, wie der Schütze das Eigentum an dem Ball für sich reklamiert. Steht dem Schützen im Organisationskreis des Wohnungseigentümers aber eine "Schutzenklave" zu, überlagert er also mit seinem, durch das Selbsthilfeverbot geschützten Eigentumsrecht den Organisationskreis des Wohnungseigentümers, der durch die Lage des Balls in der Ausübung seiner Eigentümerrechte eingeschränkt ist, weil er die rechtlich garantierte Position des Schützen respektieren muss. Mangels eines Selbsthilferechts muss der Wohnungseigentümer die Überlagerung seines Organisationkreises durch den Organisationskreis des Schützen dulden, kann aber die Entfernung des Balls verlangen, weil nur der Schütze, aber nicht der Wohnungseigentümer rechtlich in der Lage ist, die Überlagerung der Organisationskreise rückgängig zu machen (Pflicht aus Ingerenz[69]). Der Schütze

ist aber auch dann nicht bei ansonsten drohender Strafe der Sachbeschädigung (§ § 303) verpflichtet, für die Reparatur des Fensters zu sorgen, wenn gerade ein Unwetter aufzieht und deshalb die Möbel des Geschädigten zu verderben drohen. Droht ein Unwetter, muss der Schütze nicht nur den Ball als Gefahrenquelle im Organisationskreis der Gefährdeten absichern und (mit Zustimmung des Wohnungseigentümers) entfernen, sondern auch die Möbel zur Seite rücken oder abdecken, damit sie keinen Schaden nehmen, sofern der Wohnungseigentümer einwilligt. Denn die Haftung wegen eines vorangegangenen gefährdenden Tuns ist keine Haftung aus Schadenersatz, sondern unterscheidet sich vom Schadenersatz gerade dadurch, dass sie (anders als der Schadenersatz) nicht darauf gerichtet ist, den Zustand herzustellen, der sich ohne das schädigende Verhalten eingestellt hätte. Nochmals beispielhaft: Da der aus Ingerenz Verpflichtete keinen Schadenersatz schuldet, sondern nur zur Neutralisierung einer von ihm zurechenbar geschaffenen Gefahrenquelle verpflichtet ist, begeht der Herstellers einen Autos deshalb zwar durch Unterlassen eine Sachbeschädigung (§ 303), wenn wegen der defekten Bremsen des mit einem Herstellungsfehler ausgelieferten PKW vorhersehbar Bremsflüssigkeit austritt und den Boden der Garage eines Verbrauchers kontaminiert und der Verbraucher deshalb tatsächlich gehindert ist, seine Garage zu nutzen[70]. Droht Bremsflüssigkeit auszutreten, muss der Hersteller zwar das fehlerhafte Auto entfernen und er muss auch die kontaminierte Stelle sichern, wenn bereits Bremsflüssigkeit ausgetreten ist, damit niemand zu Schaden kommt. Er muss aber nicht bei ansonsten drohender Strafe der Sachbeschädigung (§§ 13, 303) den kontaminierten Boden abtragen, durch neuen ersetzen und den Garagenboden wieder in den Zustand zurückversetzen, in dem er sich vor dem schädigenden Ereignis befunden hat. Denn würde der Produzent nicht nur für das Austreten der Bremsflüssigkeit haften, sondern auch für die Beseitigung der Folgen des Austretens, so ginge es nicht mehr um eine Haftung für die Weiterungen eines vorausgegangenen gefährdenden Tuns (der Auslieferung des fehlerhaft hergestellten Kraftwagens), sondern um Wiedergutmachung, also um eine Haftung auf Schadenersatz, weil es zwar Aufgabe des Schadenersatzes ist, tatsächlich vorhandene Einschränkungen der Nutzbarkeit eines Guts zu beseitigen, aber nicht der Ingerenz[71].

Zu den Weiterungen eines gefährdenden Verhaltens[72] können auch Einbußen rechtlich garantierter Freiheit gehören, also der Freiheiten, die auf Rechten beruhen, deren Bestand der Gezwungene nötigenfalls durch die Inanspruchnahme von Notrechten verteidigen darf. Zu nahezu jedem gefahrschaffenden Vorverhalten müsste also eine Nötigung hinzutreten[73], weil schon das bloße Vorhandensein einer Gefahrenquelle im Organisationskreis des Gefährdeten ein Hindernis der Freiheit ist, auf das sich der Gefährdete notgedrungen einstellen, also z.B. das mit defekten Bremsen ausgelieferte Fahrzeug nicht nutzten wird, wenn er anderenfalls um sein Leben fürchten muss. Die präventiv sinnlose mehrfache Bestrafung eines jeden Vorhandelnden sowohl wegen der nicht abgewendeten Folgen seines Verhaltens als auch wegen der Nötigungseffekte dieses Verhaltens, lässt sich nur vermeiden, wenn bei Einbußen rechtlich garantierter Freiheit danach unterschieden wird, ob der Gefährdete aufgrund des Vorverhaltens tatsächlich oder rechtlich gehindert war, seine Freiheit nach seiner Willkür zu gebrauchen. Ist der Käufer des mit fehlerhaften Bremsen ausgestatteten Fahrzeugs bei einem Unfall zu Schaden gekommen, so ist der Hersteller zwar verpflichtet, den Verunglückten zu bergen (oder die Bergung zu veranlassen), seine Wunden zu verbinden und ihn in das nächste Krankenhaus zu schaffen, wenn Lebensgefahr droht (Pflicht aus Ingerenz). Er muss aber nicht dafür sorgen, dass das beschädigte Auto repariert oder die blutverschmierte Kleidung des Unfallopfers gereinigt wird, und er muss dem Verunglückten auch dann nicht bei Strafe der Nötigung (§ 240) die Mittel zur Verfügung stellen, die für die Beschaffung eines Ersatzwagens erforderlich sind, wenn der Geschädigte anderenfalls einen für sein berufliches Fortkommen wichtigen Termin versäumt. Auch der dem Verletzten drohende Freiheitsverlust ist zwar eine der Weiterungen des gefährdenden Verhaltens. Da das Recht aber bei der Ausgestaltung des Schutzes

der dem Gefährdeten als Entfaltungsmittel garantierten Rechte[74] (Leben, Leib, Eigentum, Freiheit) die mit ihrer Gefährdung oder Schädigung verbundenen Nötigungseffekte bereits mitbedacht wurden[75], können die als Folge des Vorverhaltens eingetretenen Freiheitsverluste jedenfalls dann über das Vorverhalten abgerechnet werden, wenn sie eine typische Folge gerade dieses Vorverhaltens sind. Ist der Gefährdete aber nicht nur tatsächlich am Gebrauch seiner Freiheit gehindert, weil das Vorverhalten ihm als Entfaltungsmittel garantierte Rechte in Gefahr gebracht oder geschädigt hat, und er deshalb (so er sich vernünftig verhält) einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen wird, sondern rechtlich, muss der dann über den Gefährdungserfolg des Vorverhaltens nicht abrechenbare Nötigungseffekt dem Gefährdenden gesondert als Nötigung zugerechnet werden. Fährt ein Autofahrer z.B. er mit defekten Bremsen in eine enge Kurve ein und wird er aus der Kurve getragen, weil die Bremsen versagen, so dass das Auto die Außenwand eines neben der Straße stehenden Hauses durchbricht und erst im Wohnzimmer zum Stehen kommt, nötigt der Fahrer den Hauseigentümer zum Unterlassen der Benutzung des Wohnzimmers, wenn er nicht unverzüglich dafür sorgt, dass das das Auto entfernt wird. Der beim Hauseigentümer entstandene Freiheitsverlust kann nicht als typische Folge des gefährdenden Verhaltens abgerechnet werden, weil der Hauseigentümer nicht nur tatsächlich, sondern rechtlich gehindert ist, sein Eigentum nach seiner Willkür zu nutzen. Denn dem Hauseigentümer steht es rechtlich nicht frei, mit dem in seinem Wohnzimmer stehenden Auto nach seinem Belieben zu verfahren, weil das Auto im Eigentum des Fahrers steht und die Entfernung des Autos gegen den Willen des Eigentümers[76] deshalb als verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) unerlaubt wäre[77]. Der Nötigungseffekt des Vorverhaltens muss deshalb gesondert als Nötigung abgerechnet werden, wenn die Neutralisierung der Gefahrenquelle einen Eingriff in fremde Rechte erfordern würde, der Gezwungene aber rechtlich gebunden ist, den Eingriff solange zu dulden, wie der Vorhandelnde sein Recht nicht aufgibt (§ 959 BGB).

IV. Grenzen der Pflichten aus Ingerenz

Auch bei der Ingerenz setzt die Mindestsolidarität (§ 323c) den Pflichten des Vorhandelnden Grenzen. Der Hersteller eines fehlerhaften Produkts muss also mehr aufopfern, als er rettet, weil er dem drohenden Schaden näher steht, als der Gefährdete. Auf die mit einem Rückruf verbundenen Kosten kann der Hersteller deshalb erst verweisen, wenn diese im Hinblick auf das gerettete Gur unverhältnismäßig hoch ausfallen. Ein Hersteller von Tiernahrung muss sein Produkt z.B. also auch dann zurückrufen, wenn der Rückruf den Bestand seines Unternehmens gefährdet, wenn der Wert der durch das Produkt gefährdeten Tiere geringer, aber nicht unverhältnismäßig geringer ist, als seine Aufwendungen. Bei Gütern von höchstem Wert, Leib, Leben und Freiheit, hat die Pflichtengrenze allerdings keine Bedeutung[78].


[1] BGHSt 37, 106 ff.

[2] Hersteller eines Produkts kann eine natürliche Person sein. Ist der Hersteller keine natürliche, sondern eine juristische Person, also z.B. eine GmbH, folgt die "strafrechtliche Pflichtenbestimmung … der wirklichen arbeitsteiligen Organisation", Kuhlen in: Achenbach/Ransiek/Rönnau Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., 2015, 1. Kap. Rn. 32. Erst wenn das Unternehmen in einen Krisensituation gerät, die nur durch ein ressortübergreifendes Handeln zu bereinigen sind, wie z.B. durch die Erteilung von Warnhinweisen oder der Anordnung eines Rückrufs, setzt sich der Grundsatz der Gesamtverantwortung und der Allzuständigkeit der Geschäftsleitung gegenüber dem Ressortprinzip durch. Die Geschäftsführer sind dann gemeinsam, also als Kollektiv, für die Erfüllung der Pflichten des Unternehmens zuständig, BGHSt 37, 106 ff. Rz. 51; ebenso Böse wistra 2005, 41 ff., 43; Schünemann, in: Breuer u.a., Hrsg., Umweltschutz und technische Sicherheit in Unternehmen, 1994, 137 ff., 157 ff.; ders. BGH FG Bd. IV, 2000, 621 ff., 637; Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, 2002, S. 217; Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der "Risikogesellschaft", 1993, S. 111 f.; Meier NJW 1992, 3193 ff., 3195.

[3] BGHSt 37, 106 ff. Rz. 33; vgl. dazu Heine, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, 1995, S. 156 f.; Rotsch, wistra 1999, 321 ff., 325.

[4] Jakobs, Norm, Person, Gesellschaft, 3. Aufl. (2008), S.109.

[5] Vgl. dazu Jakobs ARSp-Beiheft 74 (2000); 57 ff., 65.

[6] BGHSt 37, 106 ff. Rz. 30; vgl. zum Verfahren des Alternativenausschlusses auch BGHSt 41, 206 ff. Rz. 40 ff.(Holzschutzmittel); zustimmend Kuhlen NStZ 1990, 566 ff., 567; Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der "Risikogesellschaft", 1993, S. 121 ff.; Tiedemann Hirsch FS, 1999, 765 ff., 768 f.; Vogel Lorenz FS, 2001, 65 ff., 68, 72 f.; kritisch aber Samson StV 1991, 182 ff.; Reus, Das Recht der Risikogesellschaft, 2010, S. 109 ff.; Schulz, in: Lüderssen, Hrsg.; Aufgeklärte Kriminalpolitik, Bd. III, 1999, 43 fff.; ders., in: Lübbe, Hrsg., Kausalität und Zurechnung, 1994, 41 ff., 63, der daran festhält, dass das "Tatbestandsmerkmal der Kausalität" ein "Blankett" sei, das "die bekannten empirischen Kausalgesetze" integriere; kritisch auch Puppe JR 1992, 30 ff., 31; dies. JZ 1994, 1147 ff., 1150..

[7] Die conditio sind qua non-Formel kann schon deshalb kein Mittel zur Feststellung der Kausalität sein, weil das Resultat, das sich aus dem Wegdenken der Bedingung ergibt, nur ermittelt werden kann, wenn vorab schon bekannt ist, ob die Bedingung kausal ist; vgl. Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl., 1991, 7/8; Frisch Gössel FS, 2002, 51 ff., 55 f.; Hoyer, GA 1996, 160 ff., 162 f.; Puppe ZStW 92, 1986, 862 ff., 875 ff.; dies. JZ 1994, 1147 ff., 1148; Schulz, in: Lübbe, Hrsg., Kausalität und Zurechnung, 1994, 41 ff., 55..

[8] Vgl. dazu Frisch Gössel FS, 2002, 51 ff.

[9] Auf § 314 Abs. 1 Nr. 2 geht die Entscheidung BGHSt 37, 106 ff. nicht ein; vgl. zu § 314 Abs. 1 Nr. 2 Horn NJW 1986, 153 ff.; Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der "Risikogesellschaft", 1993, S. 165 ff.; Holtermann, Neue Lösungsansätze zur strafrechtlichen Produkthaftung, 2007, S. 70 ff.

[10] Frisch Gössel FS, 2002, 51 ff., 59.

[11] Vgl. zur "Prozedur" Hilgendorf Lenckner FS, 1998, 699 ff., 700; Hoyer GA 1996, 160 ff., 165, 168 ff., der selbst den "deterministischen" durch einen "probalistischen Kausalbegriff" ersetzen will.

[12] Hoyer GA 1996, 160 ff, 178.

[13] Vgl. nur Kuhlen NStZ 1990, 566, der meint, dass der Hersteller eines Produkts dann von dessen Ursächlichkeit für den Schadensfall ausgehen müsse, wenn sich Schadensmeldungen häufen und "keine andere Erklärung für diese Schädigungen ersichtlich (sei), als die Produktverwendung"; ähnlich Volk NStZ 1996, 105 ff., 109: "Lehre vom plausiblen Zusammenhang".

[14] Puppe ZStW 95, 1983, 287 ff., 293 ff.; dies. Spinellis FS, 2001, 915 ff., 944.

[15] Anders Hilgendorf Lenckner FS, 1998, 699 ff., der nach Wahrscheinlichkeitsgesetzen entscheiden will.

[16] Die naturgesetzlich-kausale Zuordnung eines Schadensverlaufs zu einer Person hat die Aufgabe zu verhindern, dass es demjenigen, dem zugeordnet wird, gelingt, Protest gegen die Zuordnung zu organisieren. Anders als bei den schwachen, im "Schoß der Gesellschaft ausgebrüteten" (Jakobs Tolksdorf FS, 2014, 281 ff., 282) Regeln objektiver Zurechenbarkeit ist der Protest gegen die naturgesetzlich valide Zuordnung des Schadensverlaufs zu einer Person kommunikativ schon deshalb unmaßgeblich, weil die nach Naturgesetzen geordnete Welt der Erscheinungen kein tauglicher Adressat des Protestes ist. Derjenige, dem zugeordnet worden ist, wird auch deshalb keine Verbündeten finden, weil Naturgesetze unverrückbar gelten und der Protest gegen ihre Geltung daher auf einen Mangel an Kompetenz beim zweckrationalen Umgang mit einer "entzauberten Welt" (Max Weber, in: Winkelmann[Hrsg.]Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre von Max Weber, 3. Aufl.,[1988], S. 582 ff., 594) der Moderne verweist, also einer Welt, die keine sinnvollen, durch personales Verhalten beeinflussbare Naturverläufe mehr kennt. .

[17] "Produktfehler" ist die abkürzende Bezeichnung für einen Sorgfaltsverstoß bei der Konstruktion oder Herstellung von Produkten sowie bei der Instruktion von Verbrauchern über typische Produktgefahren. Bei "Ausreißern" manifestiert sich im Produkt kein Sorgfaltsverstoß, weil auch bei Beachtung aller Sorgfaltspflichten gelegentliche Fehler nicht zu vermeiden sind, vgl. auch BGHSt 37, 106 ff. Rz. 41; Schmid Keller FS, 1989, 647 ff., 655.

[18] Vgl. Otto Hirsch FS, 1999, 291 f.; Schall, in: Schünemann, Hrsg., Deutsche Wiedervereinigung Bd. III, Unternehmenskriminalität, 1996, S. 108, die Unvermeidbarkeit des Schadensverlauf der strafrechtlichen Zurechnung aber eine Grenze setzt. Denn Unvermeidbares ist keine Sinnsetzung, sondern sinnleere Natur, weil die Welt insoweit nicht als machbar begriffen wird.

[19] Vgl. zu den Sorgfaltspflichten des Produzenten massenhaft hergestellter und vertriebener Produkte Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der "Risikogesellschaft", 1993, S. 146; Kuhlen, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., 2015, 1. Kap. Rn. 28; ders., Fragen der strafrechtlichen Produkthaftung, 1989, S. 93 ff., 99 ff., 104 ff., der die Maßfigur des "besonnenen und gewissenhaften Verkehrsteilnehmers" nicht normativ (und deshalb zirkulär), aber auch nicht deskriptiv bestimmen will, sondern so, dass sie einen "Bezug zum wirklichen Verhalten der Angehörigen bestimmter Verkehrskreise" wahre und deshalb "einige (der) Angehörigen (des jeweiligen Verkehrskreises) als dem Modell entsprechend, d.h. als gewissenhaft und besonnen anzusehen sind". Aber nur das, was der konkret Handelnde bei unterstellt dominanter Rechtstreue als gefährlich beurteilt, kann er auch vermeiden; vgl. dazu Jakobs, Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, 1972, S. 34 ff.

[20] Vgl. zur situationsadäquaten Konkretisierung von Sorgfaltspflichten durch Selbststeuerung auch Bosch, Organisationsverschulden in Unternehmen, 2002, S. 358; Többens, NStZ 199, 1 ff., 4.

[21] Vgl. zur bestimmungswidrigen Verwendung bei an sich harmlosen Produkten Schmid Keller FS, 1989, 647 ff., 654 f.

[22] Anders Roxin, Strafrecht AT II, 2003, § 26 Rn. 221 ff., der meint, dass der Verkäufer sich bei einem Verhalten mit "deliktischem Sinnbezug an dem Delikt beteilige; kritisch dazu Lesch, Der Verbrechensbegriff, 1999, S. 258 ff.

[23] Vgl. zum Regressverbot als rollenorientierter Abgrenzung von Verantwortungsbereichen in einer rechtlich dezentral organisierten Gesellschaft Jakobs Lampe FS, 2003, 561 ff. 565 f.; ders., System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, S. 29 ff.; ders., Theorie der Beteiligung, 2014, S. 28 ff.; vgl. auch Otto Hirsch FS, 1999, 291 ff., 303.

[24] Vgl. zur Instruktionspflicht des Herstellers Kuhlen, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., 2015, 1. Kap. Rn. 36 f.

[25] Vgl. dazu Timpe StraFo 2016, 7 ff.; Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung, 1989, S. 130 ff.

[26] Vgl. dazu Kuhlen, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., 2015, 1. Kap. Rn. 39.

[27] Oder die fehlerhaften Produkte sind zwar schon ausgeliefert, befinden sich aber noch im Lager der Vertriebsgesellschaften. Auch dann ist der verkehrssicherungspflichtige Hersteller der Produkte zu Sicherungsmaßnahmen bis hin zum Rückruf der Produkte verpflichtet.

[28] Vgl. dazu Jakobs BGH FG Bd. IV, 2000, 29 ff.; ders., Die strafrechtlichen Zurechnung von Tun und Unterlassen, 1996, S. 34 ff.; Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der "Risikogesellschaft", 1993, S. 135: "Ausprägung des >neminem laede<-Prinzips"; Otto Hirsch FS, 1999, 291 ff., 296 f.; Böse wistra 2005, 41 ff., 44, der die "Garantenpflicht des Herstellers" damit begründet, dass er eine "Gefahrenquelle eröffnet (habe) und diese aufgrund seines Informationsvorsprungs" auch beherrsche.

[29] Feuerbach , Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts, 14. Aufl., 1847, § 24

[30] Vgl dazu Philipps, Der Handlungsspielraum, 1974, S. 140 ff.

[31] Vgl. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, 36

[32] Vgl. auch die Formulierung in § 903 BGB, wonach es dem Eigentümer nicht nur frei stehe, mit ihm gehörenden Sachen nach seinem Belieben zu verfahren, sondern er auch "andere von jeder Einwirkung (auf die Sache) ausschließen" dürfe.

[33] Anders Kuhlen Eser FS, 2005, 359 ff., 364, der die Pflicht des Herstellers zum Rückruf fehlerhafter Produkte nicht auf die Ingerenz stützen will. Für die "Annahme einer Garantenstellung" sei vielmehr von "konstitutiver Bedeutung", dass die Verpflichtung des Hersteller zur Schadensabwehr "konkurrenzlos effektiv und damit im Interesse des Rechtsgüterschutzes präventiv geboten" sei. Der ökonomischen Ansatz Kuhlens, dass derjenige zur Rettung verpflichtet sei, bei dem die Rettung die geringsten Kosten verursacht, ist als allgemeine Regel in einer freiheitlichen Gesellschaft aber nicht durchzuhalten, sondern passt nur für eine Gesellschaft, deren oberstes Anliegen die Optimierung von Vermögenswerten, aber nicht der Freiheit ist.

[34] Rudolphi , Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte und der Gedanke der Ingerenz, 1966, S. 157 ff.; ders. JR 1974, 160 ff.; ders. JR 1987, 162 ff.; ders., in: SK StGB, 1997, § 13 Rdn. 39 f.; Schmid Keller FS, 1989, 647 ff., 656; Samson StV 1991, 182 ff., 184; Vogel Lorenz FS, 2001, 65 ff., 75 f.; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, 11. Aufl., 2003, § 15 Rdn. 65; Gropp, Strafrecht AT, 3. Aufl., 2005, § 11 Rdn. 16, 33 ff.; Wohlers, in: NK StGB, 4. Aufl., 2013, § 13 Rdn. 43, 45.

[35] Rudolphi , Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte und der Gedanke der Ingerenz, 1966, S. 153

[36] Rudolphi, Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte und der Gedanke der Ingerenz, 1966, S. 153

[37] Rudolphi , Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte und der Gedanke der Ingerenz, 1966, S.167

[38] Vgl. dazu Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der "Risikogesellschaft", 1993, S. 29 ff.,

[39] Jakobs , Strafrecht AT, 2. Aufl., 1991, 39/42; ders. BGH FG Bd. IV, 2000, 29 ff., 43 ff.; vgl. auch Otto Hirsch FS, 1999, 291 ff., 307 f.; Freund JuS 1990, 213 ff.; Kuhlen NStZ 1990, 566 ff., 568; Beulke/Bachmann JuS 1992, 737 ff., 740; Hoyer GA 1996, 160 ff. 175 ff., merkt ergänzend an, dass "rechtmäßiges Vorverhalten" dann genüge, wenn die Pflicht aus Ingerenz als "Korrelat für die gezogenen Vorteile" erscheine; es entspreche einer "gerechten Lastenverteilung, zur Bewältigung der eingegangenen Risiken primär diejenigen heranzuziehen, denen der damit verbundene Nutzen … tatsächlich zugeflossen ist".

[40] Prototyp der Inanspruchnahme eines Sonderrisikos ist das Autofahren. Das Autofahren gehört zwar zur erlaubten Gestalt der Gesellschaft. Trotzdem muss der Autofahrer einem von ihm überfahrenen Fußgänger auch dann helfen, wenn der Fußgänger leichtsinnig auf die Fahrbahn getreten ist, weil das Betriebsrisiko des Autos den Leichtsinn des Fußgängers überwiegt; vgl. auch Otto Hirsch FS, 1999, 291 ff., 307 f., der als Indizien für ein Sonderrisiko die "Gefährdungshaftung und die Pflichtversicherung", wie z.B. beim Autofahren, nennt

[41] BGHSt 37, 106 ff. Rz. 39 ff., 42.

[42] Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl., 1991, 9/5; ders Hirsch FS, 1999, 45 ff., 53 ff.

[43] Ebenso Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl., 1991, 29/45; ders. BGH FG Bd. IV, 2000, 29 ff., 43 f.; Samson StV 1991, 182 ff., 184; Beulke/Bachmann JuS 1992, 737 ff., 739; Otto Hirsch FS, 1999, 291 ff., 304; Schünemann BGH FG Bd. IV, 621 ff., 637 f.; Böse wistra 2005, 41 ff., 42; Kuhlen NStZ 1990, 566 ff., 567 f.; ders., in: Achenbach/Ransiek/Rönnau Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., 2015, 1. Kap. Rn. 37 f.; ders. Eser FS, 2005, 359 ff., 361; Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der "Risikogesellschaft", 1993, S. 138 ff.; Brammsen GA 1993, 97 ff., 107 ff., 108, der ergänzend anmerkt, dass mit dem "Gefahrschaffungselement … nicht zwischen erlaubten und unerlaubten … Handlungen unterschieden werden kann", weil es auch folgenreiche erlaubt riskante Verhaltensweisen gebe; Vogel Lorenz FS, 2001, 65 ff., 75 f.

[44] Schünemann, Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, 1971, S. 235 ff.; ders., Unternehmenskriminalität und Strafrecht, 1979, S. 84 ff.; ders. wistra 1982, 41 ff., 44 ff.; ders GA 1974, 231 ff.; ders., In: Breuer u.a. ,Hrsg, Umweltschutz und technische Sicherheit in Unternehmen, 1994, 137 ff., 150 f., 164 ff.; ders, in Gimbernat u.a., Hrsg., Internationale Dogmatik der objektiven Zurechnung und der Unterlassungsdelikte, 1995, S. 49 ff.; ders. BGH FG Bd. IV, 2000, 621 ff.; ders. Amelung FS, 2009, 303 ff.; ders. GA 2016, 301 ff.; ablehnend auch Lampe ZStW 72, 1960, 93 ff., 106; Langer Lange FS, 1976, 243 ff.; Oehler JuS 1961, 154; Brammsen, Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantepflichten, 1986, S. 385 ff.

[45] Schünemann , Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, 1971, S. 316; vgl. auch ders. GA 1974, 235 ff.; kritisch aber Renzikowski Restriktiver Täterbegriff und fahrlässige Beteiligung, 1997, S. 147: "inhaltsleere Tautologie"; Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, 1993, S. 349 ff.; Herzberg, Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, 1972, 193 f.

[46] Schünemann wistra 1982, 41 ff., 44 f.; ebenso Schmid Keller FS, 1989, 647 ff., 656; anders aber Brammsen GA 1996, 97 ff., 112 ff., der meint, dass es sich bei der "Produktrückrufpflicht" um einen "Unterfall" der "Überwachungsgarantenpflichten" handele, die er aber nicht an "die Aktualität faktischer (Sach)Herrschaftsbeziehungen" binden, sondern "rechtliche Einfluss- bzw. Verfügungsverhältnisse" genügen lassen will; ähnlich Ransiek ZGR 1992, 214 ff., 216. Nach dem Verkauf der Ware hat der Verkäufer gegenüber dem Käufer aber weder tatsächlich non rechtliche "Verfügungsbefugnisse", weil nicht der Verkäufer vom Käufer Rückgabe verlangen kann, sondern nur der Käufer vom Verkäufer Rücknahme, §§ 323, 346 BGB. Vgl. auch Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der "Risikogesellschaft", 1993, S. 140 f., der die "Monopolstellung (des Herstellers) über die Gefahrensteuerung herausstellt; vgl. auch Vogel Lorenz FS, 2001, 65 ff., 76. Wer also als Einziger (oder am Effizientesten und am Kostengünstigsten) helfen kann ist auch verpflichtet zu helfen? Aus Monopolstellungen ergeben sich per se keine Garantenpflichten; kritisch auch Otto Hirsch FS, 1999, 291 ff., 298 f.

[47] Schünemann Amelung FS, 2009, 303 ff., 318.

[48] Schünemann BGH FG Bd. IV, 2000, 621 ff., 640 f.; ders. Amelung FS, 2009, 303 ff., 317; ders. GA 2016, 301 ff., 307.

[49] Schünemann BGH FG Bd. IV, 2000, 621 ff., 638; ders. Amelung FS, 2009, 303 ff., 317 f.

[50] Auch Schünemann, Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikten 1971, 351, hält es für "töricht", leugnen zu wollen, dass bei der Anwendung der Herrschaftsrichtlinie "kein normativer durch Werturteile auszufüllender Restbestand" übrig bleibe

[51] Jakobs , Strafrecht AT, 2. Aufl, 1991, 7/51 ff., 7/56; ders. Kaufmann GS (1989), S. 271 ff., 285, woran es wegen der Verkehrssicherungspflicht für den eigenen Körper zwar selten fehle, aber doch nicht immer. So müsse z.B. der zuständige Arzt ein organersetzendes Gerät abstellen (ein Tun), wenn die Behandlung vom Patienten (mutmaßlich) nicht mehr gewollt werde; anders Vogel, Norm und Pflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten, 1993, S. 373 f.

[52] Schünemann , in Gimbernat u.a., Hrsg., Internationale Dogmatik der objektiven Zurechnung und der Unterlassungsdelikte, 1995, S. 49 ff, 53, der verkennt, dass es um die gesellschaftliche, nicht um die kausalgesetzliche Aufarbeitung des Geschehens geht, und dass ein Verhalten je nach seinem sozialen Kontext deshalb einmal "verletzen" bedeuten kann, ein anderes Mal aber nicht.

[53] Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts, 14. Aufl., 1847, § 24.

[54] Und die für den Bestand einer Gesellschaft deshalb von gleicher elementarer Bedeutung ist, wie das Synallagma von Verhaltensfreiheit und Folgenverantwortung; vgl. Jakobs, System der strafrechtlichen Zurechnung, 2012, S. 81 ff.

[55] Torkelt z.B. ein angetrunkener Fußgänger auf eine dicht befahrene Straße und wird dort von einem Autofahrer angefahren, der sich innerhalb des erlaubten Risikos gehalten hat, überwiegt die Obliegenheitsverletzung des Fußgängers die Betriebsgefahr des Autos. Der Autofahrer ist dann nicht rettungspflichtig, sondern nur nach § 323c zur Hilfe verpflichtet.

[56] Vgl. dazu Böse wistra 2005, 41 ff., 42. Die Pflicht zur Warnung vor Produktgefahren kann auch Produkte anderer Hersteller zum Gegenstand haben, wenn deren Produkte bestimmungsgemäß oder auch nur typischerweise mit dem Produkt des Herstellers verbunden werden;

[57] Zum Rückruf seiner Produkte ist der Hersteller nur verpflichtet, wenn Warnungen nicht ausreichen, insbesondere also dann, wenn sie auf Adressaten treffen, die im Hinblick auf die Gefahreinschätzung entweder inkompetent oder ignorant sind, der Warnung also möglicherweise auch aus Mutwillen nicht nachkommen. Rückrufaktionen können also begünstigen unvernünftiges (leichtsinniges) Verhalten begünstigen und deshalb in einer Wirtschaftsordnung dysfunktional wirken, die auf dem Leitbild des informierten, rational entscheidenden Verbrauchers aufbaut, der schon im Eigeninteresse Warnungen ernst nimmt, das Produkt also stilllegt, und sein Äquivalenzinteresse vertragsrechtlich liquidiert.

[58] Der Hersteller erfüllt seine Produktbeobachtungspflicht, wenn er bei ihm eingehende oder z.B. aus den Medien bekannt gewordene Schadensmeldungen sammelt und umgehend an die zuständigen Abteilungen des Unternehmens weiterleitet, die dann dafür sorgen müssen, dass die Meldungen von sachkundigen Mitarbeitern analysiert und ausgewertet werden; vgl. zur Produktbeobachtung Tiedemann Hirsch FS, 1999, 765 ff., 770 ff.

[59] Vgl. auch Otto Hirsch FS, 1999, 291 ff., 310: "eigenverantwortliche Selbstgefährdung".

[60] Vgl. zu Rückrufanordnungen der zuständigen Aufsichtsbehörde §§ 4, 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 7 GPSG.

[61] Versagen die Bremsen auf einer abschüssigen Straße und wird der Fahrer verletzt, muss der Hersteller des fehlerhaften Pkw den Fahrer zwar aus dem Auto befreien, seine Wunden versorgen und ihn in das nächste Krankenhaus bringen lassen, wenn anders dessen Tod nicht vermieden werden kann. Er muss aber nicht das beschädigte Auto reparieren lassen. Zur Reparatur des Autos ist er nur zivilrechtlich verpflichtet.

[62] Osenbrügge Abhandlungen aus dem deutschen Strafrecht, Bd. I, 1857, S. 37 f.

[63] Wer ein Sonderrisiko in Anspruch nimmt, also z.B. beim ordnungsgemäßen Autofahren einen Unfall verursacht, haftet zwar nicht für den Schaden, den er beim Unfallopfer angerichtet hat. Er muss die von ihm geschlagene Wunde aber verbinden, um Weiterungen zu verhindern. Drohen keine Weiterungen, muss sich der Autofahrer deshalb auch nicht um das Unfallopfer kümmern, also nicht etwa die bei dem Unfall zerrissenen Hose des Opfers flicken.

[64] Vgl. zum Verhältnis von Ingerenz und Schadenersatz auch Hilgendorf, Strafrechtliche Produzentenhaftung in der "Risikogesellschaft", 1993, S. 135, 151; Kuhlen Eser FS, 2005, 359 ff., 369, der darauf hinweist, dass zwar "die Strafhaftung mit einem sozialethischen Vorwurf verbunden" sei, die "Deliktshaftung gem. § 823 Abs. 1" BGB aber gerade nicht.

[65] Vgl. dazu auch Otto Hirsch FS, 1999, 291 ff., 293 f.

[66] Für den durch die Vorhandlung angerichteten Schaden haftet der Vorhandelnde nach den allgemeinen Regeln, also nur. wenn er ihn durch ein Verhalten außerhalb des erlaubten Risikos herbeigeführt hat.

[67] Der Grund der Verlängerung ist das Synallagma von Verhaltensfreiheit und Folgenverantwortung. Wer sich die Freiheit herausnimmt, andere zu gefährden, muss sich um die Sicherheit der Güter des Gefährdeten kümmern. Die Ingerenz verbindet das gefahrschaffende Vorverhalten also mit der unterlassenen Rettung zu einem Geschehen, das als Stellungnahme zu den Rechten des Gefährdeten deliktischen Sinn aufweist. .

[68] Die Entfernung des Balls wird zwar häufig dem mutmaßlichen Willen des Geschädigten entsprechen, aber doch nicht immer

[69] Entfernt oder sichert der Schütze den Ball nicht, und kommt der Wohnungseigentümer deshalb zu Fall, haftet der Schütze wegen Körperverletzung (§ 223), weil der Schütze für sein Eigentum sicherungspflichtig ist.

[70] Die Usurpation fremder Freiheit liegt in der Auslieferung des fehlerhaften Produkts. Das fehlerhafte Produkt geht zwar in das Eigentum des Käufers über, so dass er mit dem Produkt nach seinem Belieben verfahren kann. Will er das Produkt aber nicht behalten, sondern dem Verkäufer zurückgeben (§§ 323, 346 BGB), und sein Äquivalenzinteresse vertragsrechtlich liquidieren, muss er es bis zur Rückgabe aber im Interesse des Verkäufers sorgfältig verwahren, wenn er keine Rechtsnachteile erleiden will. Die Obliegenheit zu sorgfältiger Verwahrung schränkt den Käufer in der Ausübung seiner Freiheitsrechte ein, weil er die Integrität des fehlerhaften Produkts respektieren muss, da die Rückabwicklung des Geschäfts scheiterte, wenn er es auf die ihm günstigste Weise entsorgen würde

[71] Wie der Hersteller die Neutralisierung der Gefahrenquelle organisiert ist ihm überlassen, solange nur kein Restrisiko verbleibt; vgl. auch Otto Hirsch FS, 1999, 291 ff., 310, der auf die "konkreten Umstände" verweist; Kuhlen Eser FS, 2005, 359 ff., 361 ff. Er kann deshalb z.B. vor den Gefahren des Produkts öffentlichkeitswirksam waren, oder einen Rückruf anordnen, wenn Warnungen nicht ausreichen. Er kann das fehlerhafte Produkt aber auch reparieren oder nachrüsten lassen oder auf seine Kosten gegen ein anderes Produkt gleicher Art austauschen. Da die Lieferung eines fehlerhaften Produkts nur das Äquivalenzinteresse des Erwerbers beeinträchtigt, aber nicht sein Integritätsinteresse, kann der Erwerber vom Hersteller mit strafrechtlichem Nachdruck keine Maßnahmen verlangen die dem Ausgleich seines Äquivalenzinteresses dienen, wie z.B. Austausch, Reparatur oder Nachrüstung, sondern nur vertragsrechtlich, §§ 434, 437, 439 BGB; vgl. auch BGH NJW 2009, 1080 ff. mit Anm. Wagner JZ 2009, 908 ff.; vgl. auch Schünemann BGH FG Bd. IV, 2000, 621 ff., 638; anders wohl Kuhlen Eser FS, 2005, 359 ff.; 361; ders. in: Achenbach/Ransiek/Rönnau Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., 2015, 1. Kap. Rn. 42, der meint, dass der Hersteller zu bestimmten "Rückrufmaßnahmen" verpflichtet sei, "soweit nur diese den vom Produkt ausgehenden Gefahren für Leib und Leben der Verwender oder Dritten effektiv begegnen".

[72] Zu Spätfolgen eines schädigenden Ereignisses vgl. Knauer GA 1998, 429 ff.; Gomez Rivero GA 2001, 283 ff.; Schlehofer NJW 1989, 2017 ff., 2025, der meint, dass der Erfolg "derselben Zeitdimension angehören (müsse) wie die Tathandlung". Daran ist richtig, dass typische Folgen des Vorverhaltens über dieses Verhalten abgerechnet werden können; anders aber Kuhlen Eser FS, 2005, 359 ff., 371, der auf die Strafzumessung verweist.

[73] Vgl. Jakobs, Nötigung, 2015, S. 36 ff.

[74] Garantiert sind Rechte, die ihr Inhaber nötigenfalls durch die Inanspruchnahme von Notrechten (§ 32) verteidigen darf. Dazu gehören Forderungsrechte nicht, weil bei Forderungsrechten nur die Stellung als Inhaber garantiert ist, während sie im Übrigen nur in den dafür vorgesehenen Verfahren geschützt sind.

[75] Die rechtliche Aufarbeitung des mit der Gefährdung garantierter Rechte typischerweise verbundenen Nötigungseffekts leistet der zivilrechtliche Schadenersatzanspruch, der dem Gefährdeten einen Ausgleich für den ihm entgangenen Gewinn (§ 252 BGB) und (unter engen Voraussetzungen) eine Kompensation seines Nutzungsausfallschadens (§ 249 BGB) gewährt.

[76] Der Hersteller des mit defekten Bremsen ausgelieferten Autos kann vom Eigentümer Zustimmung zu Entfernung des Autos aus dem Wohnzimmer des Geschädigten verlangen, weil der Eigentümer (auch im Interesse des Herstellers) verpflichtet ist, für die Minderung des Schadens zu sorgen, § 254 BGB

[77] Anders aber, wenn der Fahrer das Eigentum an seinem Auto derelinquiert (§ 959 BGB) und der Hauseigentümer deshalb mit dem Fahrzeug nach seinem Belieben verfahren kann. Dann kann der Hauseigentümer nicht mehr die Entfernung des Autos verlangen, sondern nur noch schuldrechtlich die Kosten der Entfernung liquidieren, §§ 823, 249 BGB.

[78] Vgl. auch Kuhlen Eser FS, 2005, 359 ff., 366 ff., der nach Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Maßnahme fragt und "noch vertretbare Maßnahmen" genügen lässt.