HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

September 2013
14. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Strafbare Beteiligung am Ehrenmord

- Zugleich Besprechung von LG Detmold, Urteil v. 4.2.2013, 4 Ks - 31 Js 184/12 - 56/12 (Fall "Arzu Ö.")-

Von Rechtsassessor Björn Engelmann, Erlangen/Nürnberg*

Der Beitrag erörtert die rechtlichen und praktischen Probleme bei der Anwendung der §§ 25 ff. StGB auf die Fälle des Ehrenmordes vor dem Hintergrund einer aktuellen Entscheidung des LG Detmold, die unlängst durch den BGH bestätigt wurde.

I. Einleitung

Die juristische Aufarbeitung sogenannter "Ehrenmord-Fälle" hat in jüngerer Zeit wiederholt die deutschen Strafgerichte beschäftigt und ist dabei auf breiten Widerhall in der medialen Berichterstattung gestoßen.[1] Besonderes Interesse verdient hier der rechtliche Ansatz in der vor kurzem rechtskräftig gewordenen Entscheidung des LG Detmold vom 4.2.2013[2]. Das Gericht greift dort auf die umstrittene Rechtsfigur der Beihilfe durch Unterlassen zurück und verurteilt folglich den Angeklagten als Gehilfen eines Mordes gem. §§ 211, 13 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB. Der vorliegende Beitrag zeigt am Beispiel dieses Falles die rechtlichen Probleme, die bei einer solchen strafrechtlichen Sanktionierung von "im Hintergrund" wirkenden Tatbeiträgen nicht am Tatort präsenter Personen entstehen können, auf und setzt sich kritisch mit der vom LG Detmold gefundenen Lösung auseinander. Die Kernfrage lautet hierbei: Welche strafrechtliche (Mit-) Verantwortung kommt bei von einem Familienverband gelebten religiös-kulturell geprägten Ehrvorstellungen, die in einem Ehrenmord kulminieren, den die Tatbegehung unterstützenden bzw. sie gutheißenden Familienangehörigen, insbesondere dem Familienoberhaupt und gleichzeitigem Vater des Opfers, zu?

II. Sachverhalt und Entscheidung des LG Detmold

Der Entscheidung des LG Detmold lag nach den Feststellungen des Gerichts im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der türkischstämmige Angeklagte, der streng gläubig ist und der Religionsgemeinschaft der Jesiden[3] angehört, siedelte 1985 mit seiner Frau und seiner Tochter sowie seinen Eltern aus der Türkei nach Deutschland über. Dort wurden noch neun weitere Kinder, darunter die Tochter A (im Urteil: "K 7"), geboren. Der Angeklagte lebte sich äußerlich schnell in Deutschland ein und ist seit 20 Jahren bei demselben Unternehmen beschäftigt. Dennoch blieben er und die übrigen Familienmitglieder (mit Ausnahme des späteren Opfers A) mit den religiösen Überzeugungen aus ihrer Heimat, namentlich denen der religiösen Minderheit der Jesiden, fest verwurzelt. Das Familienleben war daher bestimmt durch die jesidisch-patriarchalischen Wertvorstellungen des Angeklagten und seiner Verwandten, wobei der Angeklagte in der streng hierarchisch gegliederten Familie die Position des Familienoberhaupts innehatte. Im Jahr 2011 begann die im Jahr 1993 in Deutschland geborene, damals bereits volljährige, A sich hinsichtlich ihrer Handlungsweise von den religiösen Wertvorstellungen des Angeklagten zu entfernen. Eine wichtige Rolle spielte hierbei die Beziehung der A zu dem Zeugen Z 7, den sie bei ihrer Arbeit in der Bäckerei der Familie des Z 7 kennen lernte. Die A verliebte sich in Z 7 (der nicht jesidischen Glaubens ist) und begann mit ihm im Sommer 2011 eine (intime) Liebesbeziehung.

Durch ihre Handlungsweise setzte sich die A, die im Sommer 2011 noch im elterlichen Haushalt lebte, in Widerspruch zu den jesidischen Wertvorstellungen ihrer Familie. Diese verbieten sowohl die Beziehung zu einem Nicht-Jesiden als auch den vorehelichen Geschlechtsverkehr. Ein Verstoß gegen diese Verhaltensanforderungen ist nach den religiösen Wertvorstellungen des Angeklagten, seiner Familie und der jesidischen Gemeinschaft, der die Familie in Deutschland angehört, als Ehrverstoß anzusehen, für den auch dem Familienoberhaupt die Verantwortung zugewiesen wird.

Als der Angeklagte davon Kenntnis erlangte, dass seine Tochter einen nicht-jesidischen Freund hatte, mit dem sie Geschlechtsverkehr vollzogen hatte, züchtigte der Angeklagte sie vor den Augen der Familie, um ihr sowie dem Rest der Familie vor Augen zu führen, dass er derartige Verstöße nicht duldete. Hierzu beschimpfte der Angeklagte die A und ohrfeigte sie mit voller Wucht. Mit der Billigung und auf Anweisung des Angeklagten[4] schlug sodann der Bruder K 5 mit einem massiven Holzstock auf seine Schwester ein. Die übrigen anwesenden Familienmitglieder (die Mutter und die Schwestern K 1 und K 9 der A) unternahmen hiergegen nichts und billigten die Züchtigung. Durch die Schläge erlitt A zahlreiche großflächige Hämatome an den Armen, Beinen und am Oberkörper. Um weitere "Ehrverstöße" auszuschließen befahl der Angeklagte der A, ihre Arbeit in der Bäckerei der Familie des Z 7 aufzugeben und untersagte ihr, das Haus zu verlassen. Der Angeklagte drohte damit, dass ansonsten "einiges" passieren würde.

A war daraufhin völlig verschüchtert und nahm die Drohungen sehr ernst. Als sie im Folgenden ein Gespräch des Angeklagten mit K 5 belauschte, in dem beide darüber sprachen, dass es das Beste sei, sie im Wald zu verscharren und dann als vermisst zu melden, bekam sie große Angst um ihr Leben. In einem unbeobachteten Moment flüchtete sie aus dem elterlichen Haus zu einer Freundin. Bald danach begab sie sich zur Polizei, schilderte die Vorfälle und erstattete Strafanzeige gegen den Angeklagten. Auf Anraten und unter Vermittlung durch die Polizei begab sich A daraufhin zu ihrem Schutz in ein Frauenhaus.

Am 1.9.2011 bemerkten der Angeklagte und seine Familie die Flucht von A und begannen auf Betreiben des Angeklagten intensiv nach ihr zu suchen. Am Abend des 31.10.2011 wurde A von K 1 in der Wohnung des Z 7, wo sie sich zusammen mit diesem und zwei weiteren Besuchern aufhielt, entdeckt. Innerhalb kurzer Zeit fanden sich dort auch die Kinder K 3, K 4, K 5 und K 6 des Angeklagten ein. In mehreren Telefonaten setzten die Kinder des Angeklagten diesen über die aktuelle Lage in Kenntnis und berieten mit ihm das weitere Vorgehen. Um 01.14 Uhr (am 1.11.2011) stürmten die genannten Kinder des Angeklagten die Wohnung des Z 7 und brachten die A unter Niederschlagung der Gegenwehr von A und der übrigen Anwesenden in ihre Gewalt. Unmittelbar danach kam es wieder zu telefonischen Kontakten mit dem Angeklagten, der sich die ganze Zeit über in seinem Haus aufhielt. Im weiteren Verlauf der Nacht wurde A von ihren Geschwistern mit zwei aufgesetzten Schüssen in den Kopf, abgegeben von K5[5], getötet, um hierdurch die "Ehrverletzung" der A zu ahnden und die Familienehre wiederherzustellen.

Unbekannt geblieben ist, was der Angeklagte konkret bei den Telefongesprächen mit seinen Kindern gesagt hat. Der Angeklagte hat sich in einer durch seine Verteidiger in der Hauptverhandlung verlesenen Erklärung dahingehend eingelassen, dass er den Sachverhalt hinsichtlich der Züchtigung im Sommer 2011 im Wesentlichen eingeräumt, jegliche Beteiligung an der Tötung seiner Tochter hingegen abgestritten hat. Das LG hat nicht feststellen können, ob der Angeklagte seinen Kindern den Auftrag erteilt hat, die A zu töten. Demgemäß hat die Kammer bei ihrer Verurteilung nur zu Grunde gelegt, dass der Angeklagte seine Kinder nicht von der Tat abzubringen versucht hat und ist im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte die Zielrichtung des Handelns seiner Kinder (Tötung der A) kannte und subjektiv billigte sowie die Motive ihres Handelns teilte. Dabei ist das Gericht ferner zu der Überzeugung gelangt, dass es nicht zur Tötung der A gekommen wäre, wenn der Angeklagte als Autoritätsperson, dessen Entscheidungen respektiert und bedingungslos befolgt wurden, eine Tötung der A untersagt hätte. Das Gericht hat den Angeklagten hinsichtlich der Vorfälle im Sommer 2011 wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4, 239 Abs. 1 StGB)[6] zu einer Einzelstrafe von 1 Jahr 6 Monaten und hinsichtlich der Geschehnisse am 1.11.2011 wegen Beihilfe zum Mord durch Unterlassen gem. §§ 211, 13 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB zu einer Einzelstrafe von 6 Jahren verurteilt und hieraus gem. § 54 StGB eine Gesamtfreiheitstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten gebildet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat der BGH mit Beschluss v. 28.8.2013 gem. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen (Az. 4 StR 268/13 - nicht veröffentlicht). Die Kinder des Angeklagten wurden bereits zuvor in gesonderten Verfahren wegen Mordes und/oder Geiselnahme (bzw. der Beihilfe hierzu) rechtskräftig verurteilt.

III. Strafrechtliche Sanktionierung der Beteiligung am Ehrenmord

1. Begriffserklärung und Problemaufriss

Eine einheitliche Definition des Begriffes "Ehrenmord" hat sich in Literatur und Rechtsprechung bislang noch nicht herausgebildet.[7] Die vorliegende Untersuchung behandelt Fälle, in denen Menschen vor dem Hintergrund religiös-kulturell geprägter Wertvorstellungen von Familienangehörigen (auch)[8] zur Wiederherstellung der Familienehre getötet werden. Dieser Untersuchungsbereich wird aber (soweit ersichtlich) von allen in der Literatur verwendeten Definitionen des Ehrenmordes erfasst.[9] Keine zwingende Voraussetzung für die Einord-

nung als "Ehrenmord" ist demnach, dass sich die Tat juristisch als Mord i. S. v. § 211 StGB (in Abgrenzung zum Totschlag gem. § 212 Abs. 1 StGB) klassifizieren lässt. Vielmehr ist die Problematik der Einordnung solcher Taten als Mord oder Totschlag seit Jahrzehnten gerade einer der wesentlichen Streitpunkte in der Diskussion von Ehrenmordfällen[10] (worauf im Rahmen dieses Beitrags aber nur am Rande[11] eingegangen werden kann). Nicht erforderlich für die vorliegende Behandlung der Beteiligungsproblematik ist eine nähere Aufschlüsselung der hier eine Rolle spielenden religiös-kulturellen Wertvorstellungen nach bestimmten geographischen Regionen oder einzelnen Glaubensrichtungen. Vielfach ist dies aber auch gar nicht möglich oder sinnvoll, da die (Begleit-)Motive, die zur Tötung von Familienangehörigen aus (vermeintlichen) Gründen der Ehre führen, zu komplex[12] sind, um eindeutigen Rastern (wie einer bestimmten Religion[13] oder geographischen Herkunft) zugeordnet werden zu können, was sich schon daraus ergibt, dass sowohl religiöse als auch traditionale Wertvorgaben von einzelnen Individuen und gesellschaftlichen Gruppen unterschiedlich ausgelegt werden können.[14] Es reicht demnach hier festzustellen, dass die Tötung von Familienangehörigen durch Täter mit ausländischen Wurzeln sich aus einem Konglomerat verschiedener Kausalfaktoren speisen kann, wobei jedoch die Familienehre (und der sogleich beschriebene Begriff der "Ehre") und die Stellung der Täter innerhalb des Familienverbands eine zentrale Rolle spielen. Demnach kann aber jedenfalls festgehalten werden, dass die Täter (und demgemäß auch die Opfer) ihre Wurzeln in stark familienbasiert und hierarchisch-patriarchalisch geprägten Gesellschaften haben, in denen die Voraussetzungen für die Entstehung eines im Stellenwert hoch angesiedelten Konzepts der Familienehre folglich gegeben waren.[15] Zwei Merkmale des Ehrbegriffs sind dabei besonders hervorzuheben. Zum einen handelt es sich um ein Konzept der Ehre, bei dem die Einzelpersonen durch die Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe (insbesondere der Familie) definiert sind[16] und das Verhalten der Einzelperson unmittelbar auf die soziale Achtung der Familie zurückbezogen wird.[17] Zum anderen steht die Ehre auch im direkten Zusammenhang mit dem Sexualverhalten, besonders der weiblichen, Familienangehörigen.[18] Demgemäß wird ein als unehrenhaft angesehenes Sexualverhalten einer Frau (typischerweise rechnet hierzu jedenfalls der außereheliche Geschlechtsverkehr) zugleich als Ehrverstoß der gesamten Familie angesehen. Die Bewahrung der "sexuellen Reinheit" der Frau vor der Ehe ist somit Verpflichtung der gesamten Familie, insbesondere aber der männlichen Familienangehörigen und speziell des Familienoberhaupts.[19] Verletzt die Frau diese Gebote, so kann die Ehre der Familie durch die Ahndung des Ehrverstoßes wiederhergestellt werden. Letzteres ist dann der Grund für oft drastische "Strafmaßnahmen", die bis hin zur Tötung reichen können.[20]

Wie sich aus den gerade erfolgten Ausführungen ergibt, sind die Ehrverstöße einzelner Familienmitglieder damit in den entsprechenden Kulturkreisen eine Angelegenheit, die die ganze Familie betrifft. Kommt es zur Wiederherstellung der Familienehre zu einem Ehrenmord, ist dieser jedenfalls soziologisch betrachtet in der Regel nicht die Tat einer einzelnen Person, sondern ein Verbrechen, das auf Veranlassung bzw. unter Mitwirkung mehrerer Gruppenmitglieder motiviert, geplant und teilweise auch ausgeführt wird.[21] Somit wird es häufig der Fall sein, dass neben dem Haupttäter (der die Tat letztendlich ausführt) auch weitere Personen für die Tatbegehung kausale oder zumindest förderliche Unterstützungshandlungen erbringen.[22] Für das deutsche Strafrecht stellt sich

damit die Frage, ob diese Mitwirkungsbeiträge der einzelnen Gruppenmitglieder auch bei juristischer Betrachtung angemessen erfasst und sanktioniert werden können. Dies wird im Folgenden behandelt, wobei die strafrechtliche Ahndung der Tatbeiträge des Familienoberhaupts im Mittelpunkt des Interesses stehen wird.

2. Beteiligungsformen des StGB

Sämtliche im StGB (§§ 25 ff.) genannten Formen der Beteiligung an einer Straftat können in Ehrenmordfällen praktisch relevant werden.[23] Zur Erinnerung sei nochmals darauf hingewiesen, dass der "Ehrenmord" sich tatbestandlich sowohl als Mord (§ 211 StGB, nach Ansicht der Literatur i. V. m. § 212 Abs. 1 StGB[24]) als auch als Totschlag (§ 212 Abs. 1 StGB) darstellen kann. Dabei wird im Folgenden davon ausgegangen, dass die unmittelbare Tötung durch einen Tatbeteiligten allein (nachfolgend: Tatnächster) bewirkt wurde. Zu erläutern ist nun, wie weitere Beteiligte an dieser Tat mitwirken können. Hierbei wird unterstellt, dass sowohl der Tatnächste als auch die weiteren Tatbeteiligten demselben Familienverband angehören, wie das Opfer der Tat, was auch dem praktischen Normalfall eines Ehrenmordes entspricht.[25] Im oben dargelegten Fall des LG Detmold ist Bezugspunkt der Beteiligung die Erschießung der A durch einen ihrer Brüder (K 5) als Tatnächsten.

a) Täterschaft und Abgrenzung zur Teilnahme

Die Tatbeiträge weiterer Beteiligter können so gewichtig sein, dass diese als Mittäter zu bestrafen sind, § 25 Abs. 2 StGB. Dies erfordert zunächst das Erbringen eines Tatbeitrags im Wege des gemeinschaftlichen Handelns Mehrerer auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans.[26] Des Weiteren ist erforderlich, dass dieser Tatbeitrag auch als täterschaftlicher Beitrag und nicht nur als Beitrag eines Gehilfen (oder Anstifters) zu qualifizieren ist. Wann dies der Fall ist, mithin also die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme, ist in Literatur und Rspr. umstritten.[27] Die überwiegende Auffassung in der Literatur bejaht (Mit-) Täterschaft, wenn der Tatbeitrag dem Beteiligten eine (funktionale) Tatherrschaft vermittelt, das heißt dieser durch seinen Tatbeitrag den tatbestandsmäßigen Geschehensablauf (mit) "in den Händen hält" und daher als "Zentralgestalt" des Geschehens anzusehen ist (sog. Tatherrschaftslehre).[28] Teilnehmer ist dagegen, wer ohne eigene Tatherrschaft die Tatbegehung veranlasst oder fördert.[29] Nach der sog. subjektiven Theorie der Rspr. erfolgt die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme hingegen nach der inneren Willensrichtung der Beteiligten. Täter ist, wer mit Täterwillen handelt und die Tat "als eigene" will (sog. animus auctoris), Teilnehmer, wer mit Teilnehmerwillen lediglich eine fremde Tat fördern will (sog. animus socii).[30] Trotz dieses nach wie vor unterschiedlichen Grundansatzpunktes[31] haben sich die Theorien mittlerweile dadurch deutlich angenähert, dass die Rspr. als wesentliche Anhaltspunkte für eine wertende Ermittlung des Täterwillens neben dem Grad des Interesses am Taterfolg auch objektivierbare Faktoren wie den Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft berücksichtigt.[32]

(Auch) in Ehrenmordfällen ist daher ein wichtige Leitfrage, welche objektive Bedeutung für die Tötung des Opfers die Unterstützungshandlungen weiterer Tatbeteiligter hatten. Werden diese Handlungen unmittelbar am Tatort erbracht (z. B. Festhalten oder Ruhig-Stellen des Opfers), bereitet die rechtliche Bewertung in der Regel wenig spezifische Probleme, da das Gericht nur die Bedeutung des Tatbeitrags und dessen Motivationszusammenhang zu würdigen hat. Zudem muss ein Mittäter in subjektiver Hinsicht vorsätzlich und mit Täterwillen (Rspr.) bzw. im Bewusstsein seiner Tatherrschaft (h. Lit.) gehandelt haben, worauf aber bei den dann hier in Frage stehenden Unterstützungshandlungen zumeist aus den vollzogenen objektiven Handlungen geschlossen werden kann. Der Tatnachweis wird oft durch Spuren des Täters am Tatort oder der Leiche des Opfers geführt werden können.

Weitaus größere Probleme bereiten demgegenüber Tatbeiträge, die nicht am Tatort selbst, sondern im Rahmen der Planung und Vorbereitung der Tötung erbracht werden. Eine solche nur im Hintergrund wirkende Rolle wird oftmals auch das Familienoberhaupt einnehmen, da seine Stellung an der Spitze der Familienhierarchie es ihm ermöglicht, bei der Tötung planend und gestaltend mitzuwirken, die unmittelbare Tatausführung aber in der Hierarchie weiter unten stehenden Familienangehörigen zu überlassen. Auf der Tatbestandsebene wird hier die Frage relevant, wann derartige nicht unmittelbar am Tatort erbrachte Tatbeiträge gleichwohl zur Bejahung einer (Mit-) Täterschaft führen können. An dieser Stelle ist in Ehrenmordfällen die zentrale Rolle des Familienoberhaupts an der Spitze der Familienhierarchie und dessen damit einhergehende Verantwortung für die Sicherstellung der Familienehre zu berücksichtigen (vgl. insoweit auch den Fall des LG Detmold). Legt man die subjektive Theorie der Rspr. zu Grunde, ist dieser Aspekt ein starker Anhaltspunkt für (Mit-) Täterschaft, da das Interesse des Familienoberhaupts an einer "Bereinigung" des "Ehrverstoßes" in aller Regel sehr groß sein wird und die Autorität, die dem Familienpatriarchen zukommt, diesem auch bei einer Ortsabwesenheit die Mitbeherrschung des Tatgeschehens (etwa durch Mittel der Fernkommunikation), welche nach dem oben Gesagten ebenfalls ein Indiz für Täterwillen ist, ermöglichen wird. Innerhalb der Tatherrschaftslehre ist hingegen umstritten, ob nur die unmittelbare Mitbeherrschung der Tat vor Ort

("Handlungsherrschaft") bzw. im Ausführungsstadium der Tat ("Ausführungsherrschaft") Tatherrschaft vermittelt. Die wohl überwiegende Meinung in der Literatur verneint dies und lässt auch nicht vor Ort erbrachte Tatbeiträge in der Planungsphase der Tat ausreichen, wenn diese sich für die Deliktsverwirklichung als wesentlich (im Einzelnen umstritten) darstellen.[33] Richtigerweise ist die letztgenannte Auffassung vorzugswürdig und wird häufig zu einer Einordnung der Tatbeiträge des Familienoberhaupts als tatherrschaftsbegründend führen.[34] Denn dem Familienoberhaupt kommt bei der Wiederherstellung der Familienehre nach den zu Grunde liegenden religiös-kulturellen Wertvorstellungen oftmals die Hauptverantwortung zu und seine Autorität wird von dem Tatnächsten in aller Regel nicht in Frage gestellt. Schaltet sich der Familienpatriarch dann aktiv, und sei es auch nur bei der Vorbereitung der Tat, in die Deliktsverwirklichung mit ein (oder bleibt er in Kenntnis der Ehrenmordpläne demonstrativ untätig[35]) werden allein durch dieses Verhalten die übrigen Tatbeteiligten in ihrem Handlungsentschluss erheblich bestärkt und zusätzlich motiviert, ihre jeweiligen Tatbeiträge besonders entschlossen und effektiv zu erbringen. Sie werden hierzu im Regelfall auch fortan ihr weiteres Vorgehen mit dem Patriarchen abstimmen. Dass ein Familienmitglied nunmehr die Tötung eigenmächtig und gegen den Willen des Familienoberhaupts durchführt, ist hingegen wenig naheliegend. Vielmehr wird der Patriarch aufgrund seiner Vormachtstellung in der Familie im Regelfall nun auch zur Zentralgestalt des deliktischen Handlungsgeschehens aufrücken.

Das praktische Hauptproblem tatortferner Beiträge liegt jedoch auf der Ebene der Beweisbarkeit der Tat.[36] Anders als bei am Tatort erbrachten Handlungen ist die Auffindung und Zuordnung von Spurenmaterial allein dadurch erschwert, dass der Beteiligte an der Leiche selbst keine Spuren hinterlassen haben kann. Vor allem aber werden die Tatbeiträge oft nicht-physischer Natur (Planung und Beratung) sein und somit überhaupt keine wahrnehmbaren Spuren hinterlassen. Der Zeugenbeweis wird zudem häufig ausscheiden, da alle an der Planung der Tat beteiligten oder von ihr in Kenntnis gesetzten Personen als Familienangehörige über wechselseitige Zeugnisverweigerungsrechte (§ 52 StPO) verfügen (bzw. sich als Mitangeklagte auf ihr Aussageverweigerungsrecht gem. § 243 Abs. 5 S. 1 StPO berufen können) und sich aufgrund der besonders ausgeprägten Loyalität innerhalb der Familie kaum gegenseitig belasten werden.[37]

b) Beihilfe

Haben den Tatnächsten unterstützende Beteiligte einen Beitrag zur Tötung geleistet, der die Tat objektiv gefördert hat und subjektiv in Kenntnis der Förderung der Haupttat erbracht wurde, der jedoch nicht den gerade dargelegten Anforderungen an einen täterschaftlichen Beitrag genügt, so können diese gem. § 27 StGB als Gehilfen bestraft werden. Auch hier können sowohl Beiträge, die am Tatort selbst erfolgen, als auch solche bei der Planung und Vorbereitung der Tat, erfasst werden.[38] Was den Tatnachweis anbelangt, gilt das oben[39] Gesagte. Auch hier wird also das praktische Kernproblem der Strafverfolgung beim Nachweis der jenseits des Tatorts erbrachten Tatbeiträge liegen. Dies gilt gerade auch für den Fall der bloß "moralischen" Unterstützung der bzw. des Haupttäter(s), deren Strafbarkeit nicht übersehen werden sollte (psychische Beihilfe[40]). Werden nicht-physische Unterstützungshandlungen durch das Familienoberhaupt erbracht, so ist aber stets sorgfältig zu prüfen, ob aufgrund dessen besonderer Stellung in der Familienhierarchie[41] nicht sogar eine Mittäterschaft in Betracht kommt.

c) Anstiftung

Als Anstifter gem. § 26 StGB ist zu betrafen, wer vorsätzlich den Tatentschluss zur Begehung eines Ehrenmordes hervorgerufen[42] hat. Der Tatnachweis wird auch bei der Anstiftung naturgemäß schwer zu führen sein, da eine nicht-physische und in aller Regel fernab des Tatorts und im engen Familienkreis (§ 52 StPO) erbrachte Handlung zu verfolgen ist. Hat das Familienoberhaupt sich entschlossen, seine Ehre durch die Tötung des "ungehorsamen" Familienmitglieds wieder herzustellen, liegt für die Durchführung der Tat die Beauftragung eines "treuen" Familienmitglieds unter Ausnutzung der Autoritätsstellung als Familienpatriarch nahe (abzugrenzen von der mittelbaren Täterschaft[43]). Auch im vom LG Detmold entschiedenen Fall lautete die Anklage auf Anstiftung seiner Kinder (K 1, K 3, K 4, K 5 und K 6) zum Mord an A, jedoch konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden, dass er seine Kinder in irgendeiner Weise dazu

angewiesen oder aufgefordert hatte, der Tochter etwas anzutun. Die rechtliche Konstruktion, auf deren Grundlage die Kammer gleichwohl zu einer Verurteilung des Angeklagten als Teilnehmer eines Ehrenmordes gelangte, soll nun im Folgenden eingehender gewürdigt werden.

IV. Der Sonderfall der Beihilfe durch Unterlassen

Wie bereits eingangs erwähnt, wurde die Verurteilung des Angeklagten vom LG Detmold auf §§ 211, 13 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB gestützt. Es handelt sich hierbei um einen Sonderfall der Beihilfe, da dem Tatteilnehmer nicht eine Beihilfe zum Ehrenmord durch aktives Tun, sondern durch ein Untätigbleiben vorgeworfen wird. Diese Variante kombiniert somit (im Hinblick auf den Tatbestand des § 211 bzw. § 212 Abs. 1 StGB) die rechtlichen Voraussetzungen des unechten Unterlassungsdelikts mit denen der Beihilfe und wirft dabei speziell im Hinblick auf die Fälle des Ehrenmordes eine ganze Reihe an, seitens des BGH im konkreten Fall unerörtert gebliebenen[44], rechtlichen Fragestellungen auf, denen nun nachzugehen sein wird. Zusätzliche rechtspolitische Relevanz entfaltet die Thematik dadurch, dass hier immer auch die Frage im Hintergrund steht, welche strafrechtliche Mitverantwortung am Ehrenmord einem mitwissenden Familienpatriarchen und Vater des Opfers zukommt, und ob der Gesetzgeber hier ergänzend tätig werden sollte.

1. Garantenstellung

Die Strafbarkeit aus einem unechten Unterlassungsdelikt setzt stets (also auch im hier zu untersuchenden Fall der Beihilfe durch Unterlassen) das Vorliegen einer Garantenstellung i. S. v. § 13 Abs. 1 StGB, also einer rechtlichen Einstandspflicht, voraus.[45]

a) Garantenstellung aus familiärer Verbundenheit

In Ehrenmordfällen ist zunächst an das Vorliegen einer Garantenstellung aus familiärer Verbundenheit zu denken. Auch in dem vom LG Detmold entschiedenen Fall stellt sich hier die Frage, ob dem Angeklagten als Vater hinsichtlich der A eine Garantenstellung aus dem Eltern-Kind-Verhältnis zukommt. Das Gericht hat eine solche Garantenstellung aus der Beschützerfunktion als Vater knapp mit der Begründung abgelehnt, die A sei bereits volljährig und habe seit rund zwei Monaten nicht mehr im elterlichen Haushalt gelebt.[46] Die Frage der Garantenstellung beim Ehrenmord an einem volljährigen Kind hätte jedoch näherer Erörterung bedurft, wie die nachfolgenden Überlegungen zeigen.

aa) Eine in der Literatur vertretene Ansicht geht in der Tat davon aus, dass die Garantenstellung der Eltern mit Erreichen der Volljährigkeit des Kindes jedenfalls dann endet, wenn Letzteres den elterlichen Haushalt verlässt.[47] Die Gegenansicht hält demgegenüber auch bei Verlassen des Elternhauses eine Schutz- und Beistandspflicht der Eltern grundsätzlich weiterhin für möglich.[48] Vorzugswürdig erscheint hier die letztgenannte Ansicht. Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 StGB spricht von einer "rechtlichen" Einstandspflicht. Eine solche normiert § 1618a BGB, wo es ausdrücklich und ohne weitere Einschränkungen heißt "Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig" (insofern weitergehend als der auf minderjährige Kinder beschränkte § 1626 Abs. 1 BGB). Sofern hiergegen argumentiert wird, § 1618a BGB enthalte lediglich einen "uneinklagbaren Programmsatz", aus dem sich keine strafrechtliche Verantwortlichkeit ableiten ließe[49], ist einzuwenden, dass der zivilrechtlichen Einklagbarkeit ohnehin keine (negative) Aussagekraft hinsichtlich der strafrechtlichen Verbindlichkeit einer Norm zukommt. Die Einordnung von § 1618a BGB als bloßer "Programmsatz" ist zudem schon aus der Perspektive des Zivilrechts verfehlt, da die Norm sich etwa als Grundlage für familienrechtliche - auch einklagbare - Auskunftsansprüche heranziehen lässt.[50] Vielmehr handelt es sich gerade aufgrund der Existenz der Vorschrift und der im Grundsatz unbestrittenen natürlichen Verbundenheit, die in aller Regel zwischen Eltern und Kindern besteht, um einen der wenigen Fälle, in dem sich aus strafrechtlicher Sicht für eine Garantenstellung aus enger persönlicher Verbundenheit überhaupt ein gesetzlich normierter Anhaltspunkt findet.[51] Insoweit ist das Verhältnis von Eltern und Kindern auch mit der Ga-

rantenstellung von Ehegatten zueinander vergleichbar, die von der Rspr.[52] auf der Grundlage von § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB bejaht wird, wobei diese Vorschrift, selbst wenn ihr im Familienrecht eine höhere rechtliche Verbindlichkeit zukommen sollte[53], mit Blick auf eine strafrechtliche Einstandspflicht sogar noch unschärfer ("sie tragen füreinander Verantwortung") formuliert ist, als § 1618a BGB.

bb) Offen ist damit aber noch die Frage, wann genau zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern von einer Einstandspflicht i.S.v. § 13 Abs. 1 StGB ausgegangen werden kann. In Ehrenmordfällen besteht die besondere Problematik dabei darin, dass das Eltern-Kind-Verhältnis infolge des "Ehrverstoßes", der dem Kind vorgeworfen wird, besonders belastet ist. Gerade die Tatsache, dass ein Elternteil nicht gegen die Tötung seines eigenen Kindes einschreitet, könnte auf den ersten Blick dafür sprechen, das Vorliegen einer tatsächlichen persönlichen Nähebeziehung und damit eine Garantenstellung zu verneinen. Bei genauerer Betrachtung kann indes gerade das Geschehenlassen der Tötung nicht als ein Argument gegen eine Garantenstellung gewertet werden. Denn ließe man eine solche Argumentation zu, wäre eine Tötung des eigenen Kindes durch Unterlassen schon immer denklogisch dadurch ausgeschlossen, dass der Akt der Tötung durch Unterlassen per se bereits die Strafbarkeitsvoraussetzung der Garantenstellung entfallen ließe. Die Eltern würden damit gerade in einer Situation, in der die Kinder besonders schutzbedürftig, da vom Tode bedroht, sind aus ihrer Garantenstellung entlassen und damit die präventive Funktion des Strafrechts negiert. Richtigerweise ist in Ehrenmordfällen daher genau zu analysieren, wie sich die Eltern-Kind-Beziehung im Laufe der Jahre bis hin zum Tatzeitpunkt entwickelt hat, und inwieweit bei wertender Betrachtung und unter zu Grunde Legung der subjektiven Befindlichkeit von Elternteil und Kind noch von dem Bestehen eines Obhutsverhältnisses[54] oder einer Nähebeziehung gesprochen werden kann. Hierbei ist einerseits wertend zu berücksichtigen, dass das Vertrauen des Kindes in die elterliche Obhutsfunktion durch vorangegangene "Bestrafungsaktionen" substantiell beschädigt werden kann (vgl. wiederum den Fall des LG Detmold, wo es bereits vor der Tötung zu erheblicher Gewaltanwendung seitens des Vaters kam). Auf der anderen Seite muss aber auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Ahndung des "Ehrverstoßes" gerade drauf beruht, dass das Opfer als Mitglied der Familie deren Ehre verletzt haben soll. Es kann daher gerade nicht unterstellt werden, dass ein Elternteil, der den Ehrenmord zur Wiederherstellung der Familienehre billigt, sich von dem Kind als Familienangehörigen völlig losgesagt hat. Weiter kann eine Rolle spielen, wie sich die Eltern gegenüber dem Kind nach außen hin verhalten haben, etwa, ob sie bewusst auf ihre Autorität als Eltern hingewiesen oder dem Kind, womöglich unter einem Vorwand, die Aussöhnung und Rückkehr in den Familienverband in Aussicht gestellt haben. Da Aspekte, die in diese Richtung deuten, im vom LG Detmold entschiedenen Fall ebenfalls zu beobachten sind[55], hätte es hier für die Beurteilung einer Garantenstellung auf der Grundlage der familiären Beziehung einer umfassenden Abwägung dieser Gesichtspunkte und ggf. auch weiterer Aufklärung des Sachverhalts durch das Gericht bedurft.

b) Garantenstellung aus Ingerenz

Das LG Detmold bejaht jedoch eine Garantenstellung des Angeklagten für seine Tochter aus dem Gesichtspunkt der Ingerenz[56], also einem vorangegangenem gefahrerhöhenden Tun.[57] Begründet wird dies mit der körperlichen Züchtigung durch den Angeklagten und K 5, wobei besonders deren demonstrativer und ostentativer Charakter betont wird.[58]

Diese Herleitung einer Garantenstellung für das Opfer eines Ehrenmordes auf der Grundlage von vorausgehenden Züchtigungshandlungen ist zumindest insoweit unproblematisch, als hier ein pflichtwidriges und sogar gegen die Strafrechtsordnung (§§ 223 ff. StGB) verstoßendes Vorverhalten vorliegt und sich so die Problematik, ob Beistandspflichten auch aus rein moralischen Fehlverhalten hergeleitet werden können, hier nicht stellt.[59] Vom Gericht nicht thematisiert, nach zutreffender Sichtweise[60] in derartigen Konstellationen aber kein Hinderungsgrund für eine Garantenstellung ist, dass sich die Gefahr (hier: Erschießung der A durch einen ihrer Brüder) dann durch einen autonom[61] handelnden Dritten realisiert hat. Denn zwar kann die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Einzelnen unter dem Gesichtspunkt der objektiven Zurechenbarkeit der Tat entfallen, wenn der tatbestandliche Erfolg (Tötung) durch einen vorsätz-

lich handelnden Dritten herbeigeführt wird.[62] Zu Recht wird aber eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs überwiegend nur dann angenommen, wenn der Dritte vollverantwortlich eine neue, selbständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr schafft, die sich dann allein im deliktischen Erfolg realisiert.[63] Davon kann aber nicht die Rede sein, wenn der Vater das Kind demonstrativ vor den Augen der Familie züchtigt und dem späteren Haupttäter anschließend sogar befiehlt[64] bzw. ihn nicht davon abhält, die Schwester wegen ihres "Fehlverhaltens" mit einem Holzstock zu verprügeln. Vielmehr wurde damit die Gefahr, dass A später von ihren Geschwistern in noch massiverer Weise angegriffen wird, in objektiv und für den Angeklagten voraussehbarer und nahe liegender Weise erst geschaffen.[65] Insbesondere wusste der Angeklagte als Oberhaupt eines streng hierarchisch organisierten Familienverbandes, dass sein Verhalten im Umgang mit den für das Familienleben zentralen religiösen Vorschriften und Gebräuchen das Verhalten seiner übrigen Kinder maßgeblich beeinflussen konnte und handelte sogar explizit, um der Familie zu verdeutlichen, dass der Verstoß gegen diese Verhaltensanforderungen mit Gewalt geahndet würde. Daher ist es gerechtfertigt, in Ehrenmordfällen bei vorausgegangenen Züchtigungen, jedenfalls dann wenn diese sich als erheblich darstellen, von einem erweiterten strafrechtlichen Verantwortungsbereich des Züchtigenden auszugehen, der sich maßgeblich aus einer Zusammenschau der Stellung und Autorität des Züchtigenden sowie der "Vorbildfunktion" seiner konkreten Handlungsweise herleiten und legitimieren lässt.[66] Diese Erweiterung der Verantwortlichkeit betrifft jedenfalls Taten, die aufgrund des "Ehrverstoßes", der Gegenstand der Züchtigung war, begangen werden.

c) Exkurs: Strafbarkeit des Unterlassens bei fehlender Garantenstellung

Besteht keine Garantenstellung des Familienangehörigen, kommt im Falle des Untätigbleibens zumindest eine Bestrafung aus einem echten Unterlassungsdelikt, namentlich wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 Abs. 1 Nr. 5 StGB) oder wegen unterlassener Hilfeleistung (§ 323c StGB) in Betracht.[67] Dabei ist mit Blick auf § 323c StGB in Ehrenmordfällen insbesondere problematisch, ob auch vorsätzliche Straftaten Dritter einen "Unglücksfall" im Sinne der Vorschrift darstellen[68] und welche Hilfsanstrengungen zumutbar sind. Bei § 138 StGB stellt sich vor allem die Frage, ob und ggf. wie ein Familienmitglied zu bestrafen ist, dessen eigene Beteiligung an der anzeigepflichtigen Tat nicht sicher nachweisbar, aber gleichwohl möglich ist, da eine Selbstanzeige grds. nicht verlangt wird.[69] Zudem ist fraglich, ob es zumutbar ist, eigene Familienangehörige anzuzeigen. Die Vorschrift des § 139 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StGB geht bei Kapitalverbrechen zwar vom Fortbestehen der Anzeigepflicht aus, doch ist zweifelhaft, ob dies im Einzelfall einen Rückgriff auf allgemeine (Un-) Zumutbarkeitserwägungen zwingend ausschließt.

2. Unterstützung des Ehrenmords durch Unterlassen

a) Beihilfe durch Unterlassen

Wie bei jeder Form der Beihilfe ist das Vorliegen einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat erforderlich. Im Fall des LG Detmold handelt es sich hierbei um die Ermordung der A durch ihre Geschwister. Eine Bestrafung wegen Beihilfe setzt nun voraus, dass zu dieser Tat durch Unterlassen Hilfe geleistet wurde. Hilfeleisten bedeutet, dass die Haupttat durch die Beihilfe gefördert wurde, wofür die überwiegende Literatur und Rspr. bei aktiver Beihilfe bereits eine Mitverursachung im Sinne einer Erleichterung der Begehung der Haupttat ausreichen lassen (sog. "Verstärkerkausalität").[70] Konsequenterweise hält der BGH ein Hilfeleisten durch Unterlassen, also durch die Nichtvornahme einer (Rettungs-)Handlung, analog dazu dann für gegeben, wenn bei Vornahme der betreffenden Handlung die Haupttat zumindest erschwert worden wäre.[71] Im vom LG Detmold entschiedenen Fall liegt der Sachverhalt nach den Feststellungen des Gerichts hier sogar so, dass A nicht getötet worden wäre, wenn der Angeklagte dies untersagt hätte. Die Untersagung der Tötung der A war dem Angeklagten auch ohne

weiteres möglich und zumutbar.[72] Dennoch hat er seinen Kindern die Tötung der A nicht verboten. Damit ist hier nicht nur eine "Verstärkerkausalität", sondern sogar eine hypothetische Kausalität im Sinne der "conditio-sine-qua-non-Formel"[73] gegeben: Die gebotene Handlung kann nicht hinzugedacht werden, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Der Taterfolg ist dem Angeklagten auch objektiv zurechenbar.[74]

b) Abgrenzung zur Täterschaft durch Unterlassen

Gerade wenn das Unterlassen für den Eintritt des strafrechtlich missbilligten Erfolgs von so gewichtiger Bedeutung ist, wird aber die vieldiskutierte Streitfrage um die Abgrenzung von Unterlassens-Beihilfe und Unterlassens-Täterschaft besonders relevant. Dabei lässt sich das umfangreiche Meinungsspektrum in der hier vorliegenden Fallkonstellation, dass ein Garant (hier: der Angeklagte) bewusst nicht gegen einen Aktivtäter einschreitet, im Kern in drei Grundströmungen einteilen:[75] Eine Position geht davon aus, dass der Garant stets nur Gehilfe sein kann, da seinem Tatbeitrag im Vergleich zu dem des Aktivtäters nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme.[76] Genau gegensätzlich dazu steht die Meinung, die die Garantenstellung als tatherrschaftskonstituierend (oder -ersetzend) ansieht und demgemäß den Garanten stets als Täter bestrafen will[77] (und daher die hier erörterte Rechtsfigur der Beihilfe durch Unterlassen grundsätzlich ablehnt). Eine vermittelnde Position will schließlich auch hier fallbezogen zwischen Täterschaft und Beihilfe abgrenzen[78], wobei die hierfür angegebenen Differenzierungskriterien freilich strittig sind. Zur letztgenannten Gruppe rechnet auch die Rspr., die auf die aufgrund wertender Betrachtung zu ermittelnde innere Haltung des Unterlassenden[79], insbesondere dessen Täterwillen[80], aber auch die tatsächliche Tatherrschaft[81], abstellt. Eine solche auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles bezogene Abgrenzung erscheint im Vergleich zu den Pauschalbeurteilungen der Gegenansichten vorzugswürdig, da nur so der wechselnden Bedeutung des Nichteinschreitens (z. B. dem Umstand, ob der Unterlassende die Tat mit Sicherheit verhindert oder aber sie nur erschwert hätte) Rechnung getragen werden kann. Als maßgebliches Kriterium für eine Täterschaft sollte - in Überstimmung mit Teilen der Literatur und Stellungnahmen in der Rspr. - die Tatherrschaft und das Gewicht des objektiven Tat"beitrags" des Unterlassenden angesehen werden. Damit ist beim Ehrenmord konsequenterweise auch im Falle des Unterlassens (wie schon bei der allgemeinen Abgrenzung der Beteiligungsformen) vor allem auf die objektive Bedeutung der Unterstützungshandlungen (hier nun also auf die unterlassene Hilfe für das spätere Opfer) für die Tötung abzustellen. Aus den bereits oben[82] dargelegten Gründen kommt dem Familienoberhaupt dabei oft eine zentrale Stellung zu, so dass dieses häufig allein aufgrund seines Untätigbleibens als Täter zu bestrafen sein wird. Ist der Unterlassende tatsächlich die zentrale Entscheidungsinstanz und Autorität innerhalb der Familie und bleibt er vorsätzlich untätig, da er keine "Ehrverstöße" tolerieren will, ist er es, der das tatbestandsmäßige Geschehen bestimmt und erscheint die Bestrafung als Täter gerechtfertigt. Auf der Grundlage der Feststellungen des LG Detmold[83] sprechen auch hier die besseren Gründe für eine Bestrafung des Angeklagten als (Neben-)[84] Täter eines Mordes durch Unterlassen gem. §§ 211 (212 Abs. 1), 13 Abs. 1 StGB. Mit Blick auf die zentrale Bedeutung des Angeklagten bestehen jedenfalls keine Zweifel, dass hier das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht (§ 13 Abs. 1 a. E. StGB).[85]

3. Subjektiver Tatbestand und Anwendung von § 28 StGB

Geht man hingegen (wie das LG) nur von Beihilfe aus, so muss der Tatbeteiligte ferner subjektiv mit sog. "doppelten Gehilfenvorsatz", also in Kenntnis der Haupttat und

zur Unterstützung derselben gehandelt haben[86], wobei sich der Vorsatz zudem auch auf die spezifischen Merkmales des Unterlassungsdelikts beziehen muss[87] (insgesamt also auf sämtliche unter IV. 1. und 2. dargelegte Tatbestandsmerkmale). Dies war nach den Feststellungen des LG der Fall, wobei das Gericht zutreffend darauf hinweist[88], dass der Gehilfe die Tatbegehung nicht in allen Einzelheiten in seinen Vorsatz aufgenommen zu haben braucht, sondern es nach ständiger Rspr. des BGH ausreicht, dass er eine umrisshafte Vorstellung des Tatgeschehens sowie des Unrechtsgehalts und der Angriffsrichtung der Tat hat[89].[90]

Hinzuweisen ist ferner drauf, dass eine Bestrafung wegen Mordes nicht nur voraussetzt, dass der Gehilfe sich des Vorliegens von Mordmerkmalen beim Haupttäter bewusst ist, sondern, dass täterbezogene Mordmerkmale auch bei ihm selbst vorliegen müssen[91] (was bei der Entscheidung des LG Detmold der Fall war)[92]. Anderenfalls kommt es nach Ansicht der Rspr. zu einer Strafmilderung der Strafbarkeit wegen Mordes gem. § 28 Abs. 1 StGB (anders die h. Lit., die § 28 Abs. 2 StGB anwendet und dann nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Totschlags bestraft[93] ). Der umgekehrte Fall (der Gehilfe handelt anders als der Haupttäter mit täterbezogenen Mordmerkmalen) führt nur nach Ansicht der Literatur unter Anwendung des § 28 Abs. 2 StGB zu einer schärferen Bestrafung des Gehilfen wegen Mordes, wohingegen die Rspr. dann auch den Gehilfen nur wegen Totschlags bestrafen kann, da ihr Verständnis des Totschlags als eigenständiger Tatbestand den Rückgriff auf § 211 StGB verwehrt.[94] Beim Ehrenmord erlangt dieser Grundsatzstreit vor allem mit Blick auf das täterbezogene Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe (§ 211 Abs. 2, 1. Gr. StGB) Bedeutung. Denn, ob eine Tötung auf der Grundlage von besonderen persönlichen Wertvorstellungen ("Ehre"), die sich in krassen Widerspruch zu inländischen Werten und den hier anerkannten Grund- und Menschenrechten setzen, auf niedrigen Beweggründen beruht, ist heftig umstritten und beurteilt sich nach Ansicht der gegenwärtigen Rspr. auch unter Berücksichtigung der konkreten Täterpersönlichkeit. Dabei spielt insbesondere eine Rolle, ob sich der Täter (bzw. Teilnehmer) der Umstände bewusst war, die seine Beweggründe als verwerflich klassifizieren, und ob für ihn die Möglichkeit bestand, die gefühlsmäßigen Regungen, die sein Handeln bestimmten, gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern.[95] Insofern ist es durchaus möglich, dass bei einem Ehrenmord einige Tatbeteiligte auf der Grundlage niedriger Beweggründe handeln, bei anderen eine solche Einstufung auf der subjektiven Bewertungsebene hingegen abzulehnen ist. Ebenso muss jeder Beteiligte selbst schuldhaft handeln (§ 29 StGB).[96]

Abschließend kann damit festgestellt werden, dass trotz einiger abweichender Beurteilungen zu den Detailproblemen der Beihilfe durch Unterlassen, diese Rechtsfigur und ihre Anwendung in Ehrenmordfällen grundsätzlich anzuerkennen ist.

4. Bedeutung der Unschuldsvermutung

Jenseits dieser Überlegungen zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen der Unterlassensbeihilfe ist nun abschließend aber noch die prozessuale Beweissituation zu würdigen, in der das LG Detmold von dieser Rechtskonstruktion Gebrauch gemacht hat. Das Gericht hat auf diese Rechtsfigur zurückgegriffen, nachdem sich nach den getroffenen Feststellungen der anfangs erhobene Vorwurf der Anstiftung nicht aufrecht erhalten ließ, da nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Angeklagte die Tatbegehung aktiv unterstützt hatte. Insbesondere konnte nicht ermittelt werden, was genau der Angeklagte in den Telefongesprächen, die kurz vor der Entführung bzw. Tötung der A stattfanden, gesagt hatte. In dieser Beweissituation legt das Gericht zumindest ein Untätigbleiben des Angeklagten zu Grunde, kommt also in seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass dieser jedenfalls nichts unternommen (gesagt) hat, um die Tötung der A zu verhindern. Auf den ersten Blick könnte man nun die Frage aufwerfen, ob nicht der Angeklagte in dubio pro reo deshalb freizusprechen war, weil eben gerade nicht sicher feststeht, ob er (1) seine Kinder maßgeblich erst zu der Tat bewegt (dann Anstiftung zum Mord), (2) dabei ermutigt (dann aktive psychische Beihilfe zum Mord) oder (3) sich hierzu nur neutral verhalten hat (dann Beihilfe durch Unterlassen zum Mord). Da keine der möglichen Strafbarkeitsvarianten somit mit Sicherheit feststeht[97], könnte man hier an eine mehrfach-gegenläufige Anwendung des in-dubio-pro-reo-Grundsatzes denken (also keine Anstiftung, da möglicherweise Beihilfe - keine Beihilfe da möglicherweise Anstiftung etc.). Bei genauerem Hinsehen ist hier jedoch

eine eindeutige Verurteilung aus dem am wenigsten schweren Tatbestand (also Beihilfe zum Mord durch Unterlassen mit doppelter Strafmilderung gem. § 27 Abs. 2 S. 2 und ggf. § 13 Abs. 2 StGB[98]) möglich. Denn zum einen ist der Angeklagte nach keiner Sachverhaltsvariante straflos. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gericht in dubio pro reo unterstellen müsste, er habe (erfolglos) versucht, seine Kinder von der Tat abzuhalten. Dieses Unterstellen einer vierten tätergünstigen[99] Sachverhaltsvariante würde jedoch zu weit gehen, da hierfür im gegebenen Fall keine Anhaltspunkte bestehen, sondern eine solche Verhaltensweise vielmehr im Widerspruch zum bisherigen Verhalten des Angeklagten stehen würde (wie das Gericht sorgfältig unter Würdigung des Gesamtverhaltens des Anklagten festgestellt hat[100]). Zum anderen besteht zwischen Anstiftung und Beihilfe, ebenso wie zwischen Beihilfe durch aktives Tun und durch Unterlassen, ein Stufenverhältnis, wonach letztere die am wenigen schwerste Beteiligungsform und damit eine Art "Auffangtatbestand" darstellt.[101]

V. Zusammenfassung und Bewertung

Insgesamt stellt das Strafgesetzbuch damit ein breit gefächertes Instrumentarium zur Sanktionierung der Tatbeteiligung am Ehrenmord zu Verfügung, zu dem auch die rechtlich anzuerkennende Konstruktion der Beihilfe zum Ehrenmord durch Unterlassen gehört. Gerade mit Blick auf eine Tatbeteiligung des Familienoberhaupts ist dabei aber stets sorgfältig zu prüfen, ob dessen autoritär-patriarchalische Stellung in einem hierarchisch strukturieren Familienverband diesem nicht eine zentrale Rolle im deliktischen Handlungsgeschehen und damit die Position eines Täters - statt eines bloßen Gehilfen - zuweist.

Das besonders praxisrelevante Hauptproblem der Beteiligung am Ehrenmord ist der oft nicht zu erbringende Nachweis einer aktiven Tatbeteiligung. Hier ist im Falle eines Bestreitens jedweder Tatbeteiligung der, vorliegend auch vom LG Detmold beschrittene und vom BGH gebilligte, Lösungsweg, den (mitwissenden) Beteiligten zumindest wegen Unterlassens zu verurteilen in den Fällen ein rechtlich gangbarer Weg, in denen Anhaltspunkte für Rettungsbemühungen weder überzeugend vorgetragen noch ersichtlich sind. Eine Garantenstellung, und damit eine erweiterte strafrechtliche Verantwortlichkeit des Familienangehörigen, wird sich dabei häufig auf Ingerenz oder das persönliche Näheverhältnis zum Tatopfer stützen lassen. Eine Verurteilung aus Unterlassen (als Täter oder Gehilfe) stellt sich dann auch nicht als Verletzung des in-dubio-pro-reo-Grundsatzes, sondern als letzte Prüfungsstufe einer systematischen Stufenprüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit dar. Der Vater, der die Tötung des eigenen Kindes unter Missachtung von dessen Selbstbestimmungsrecht und der inländischen Werteordnung billigt und befürwortet, kann somit (oft sogar als Täter) auch dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn die aktive Tatbeteiligung nicht nachweisbar ist. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht demnach nicht, zumal die Schaffung von "familienspezifischen" Sondervorschriften[102] zur Tatbegehung oder Tatbeteiligung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 I, III GG) nicht unproblematisch wäre.


* Der Verf. ist Doktorand bei Prof. Dr. Hans Kudlich, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie sowie Student der Philosophie und Politikwissenschaft (jeweils Universität Erlangen-Nürnberg).

[1] Vgl. neben dem hier behandelten Fall "Arzu Ö." etwa auch den sog. "Kieler Ehrenmordfall" (BGH BeckRS 2012, 23537).

[2] Az. 4 Ks - 31 Js 184/12 - 56/12 = BeckRS 2013, 06392; die Entscheidung bestätigend: BGH, Beschluss v. 28.8.2013, Az. 4 StR 268/13 - nicht veröffentlicht (Verwerfung der Revision des Angeklagten als unbegründet gem. § 349 Abs. 2 StPO ohne weitere Begründung, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben habe) - Auskunft der Pressestellen des BGH und des LG Detmold und Pressemitteilung des LG Detmold v. 6.9.2013.

[3] Gebräuchlich ist auch die Schreibweise "Yeziden".

[4] Vgl. insoweit ergänzend die Aburteilung von K 5 im getrennten Verfahren durch Urteil des LG Detmold v. 16.5.2012 - Az. 4 Ks 31 Js 1086/11 - 10/12, BeckRS 2012, 10600, insbes. Ziff. II. 2. c der Urteilsgründe.

[5] Vgl. Urteil des LG Detmold a.a.O. (Fn. 4), insbes. Ziff. II. 3. c der Urteilsgründe.

[6] Die Strafbarkeit aufgrund der Vorfälle im Sommer 2011 wird im Rahmen dieser Untersuchung nur insoweit erörtert, als ein Bezug zu der Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord besteht.

[7] Vgl. Çakir-Ceylan, Gewalt im Namen der Ehre (2011), S. 43.

[8] Die Wiederherstellung der Familienehre muss aber nicht notwendig das einzige Motiv der Tat sein.

[9] Vgl. zu bisherigen Definitionsansätzen etwa die vom BKA in Auftrag gegebene Studie von Oberwittler/Kasselt, Ehrenmorde in Deutschland 1996-2005 (2011), S. 12 f.; Çakir-Ceylan a.a.O. (Fn. 7), S. 44 f. Wobei teilweise in bestimmten Fällen auch die Tötung von Nicht-Familienangehörigen wie z. B. des Liebhabers einer Frau noch unter den Begriff des "Ehrenmordes" subsumiert wird.

[10] Vgl. hierzu statt Vieler: Burmeister, Die schuldangemessene Bewertung von Ehrenmorden im deutschen Strafrecht (2011) (passim).

[11] S. unten IV. 3.

[12] In diese Richtung gehend auch Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 87, vgl. dort auch die Ausführungen zu Vorbelastungen der Täter mit Gewalt, Kriminalität und psychischen Problemen, S. 94 ff.; zutreffend auch Erbil, Toleranz für Ehrenmörder? (2008), S. 173 ff., der vor Pauschalisierungen und einer Einordnung als rein islamisches Phänomen warnt; vgl. auch die ausführliche Analyse der unterschiedlichen Erklärungsansätze bei Yazgan, Morde ohne Ehre (2011), S. 173 ff. et passim.

[13] Anders offenbar Dietz NJW 2006, 1385, wonach in Deutschland Ehrenmorde "soweit ersichtlich, ausschließlich in muslimischen Familien" aufträten. Hier wird jedoch wohl die meist türkische Herkunft der Täter mit der Einordnung als muslimisch gleichgesetzt. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass die Glaubensgemeinschaft der Jesiden - unter deren Einwanderern es in Deutschland wiederholt zu Ehrenmordfällen gekommen ist (s. nur die Fallstudie von Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 195 ff., Fall 19, 55, 63) - gerade nicht zu den Muslimen zählt. S. näher auch Çakir-Ceylan a.a.O. (Fn. 7), S. 37 f. (speziell zu den Traditionen der Jesiden) und Erbil a.a.O. (Fn. 12), S. 165 f., 174 (zu Fällen von Ehrenmord außerhalb der islamischen Tradition).

[14] Vgl. zur Auslegung des Koran ausführlich Yazgan a.a.O. (Fn. 12), S. 113 ff.

[15] Vgl. nur Burmeister a.a.O. (Fn. 10), S. 28 ff., Erbil a.a.O. (Fn. 12), S. 174, Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 15 f.; Yazgan a.a.O. (Fn. 12), S. 31 ff.

[16] Burmeister a.a.O. (Fn. 10), S. 30.

[17] Vgl. Burmeister a.a.O. (Fn. 10), S. 30 ff.; Çakir-Ceylan a.a.O. (Fn. 7), S. 48 f.

[18] Vgl. hierzu und zum Folgenden Burmeister a.a.O. (Fn. 10), S. 31 ff; Çakir-Ceylan a.a.O. (Fn. 7), S. 5, 53 ff.; Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 13 f.

[19] Ähnlich Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 16 f., die dies als zentrale Aufgabe der Männer bezeichnen; vgl. auch (vor dem Hintergrund der türkischen Kultur) Pohlreich, "Ehrenmorde" im Wandels des Strafrechts (2009), S. 31 ff.

[20] Vgl. Grünewald NStZ 2010, 1, 1 f.; Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 18; Pohlreich a.a.O. (Fn. 19), S. 32 ff.

[21] Zutreffend Erbil a.a.O. (Fn. 12), S. 177, der neben der individuellen Täter-Opfer-Beziehung Größen wie Familienhierarchie, kollektive Meinungsbildung und sozialen Druck auf das Opfer als tatprägend ansieht. Vgl. zu Ehrenmorden in der Türkei auch Yazgan a.a.O. (Fn. 12), S. 120 ff.

[22] Dies belegen auch die empirischen Untersuchungen von Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9) zur Anzahl der Täter (S. 75 ff, 142 ff.), wobei die Anzahl der tatsächlichen Unterstützer wegen der bestehenden Beweisprobleme und der sich daraus ergebenen Dunkelziffer (S. 77, dazu unten III. 2.) noch höher als die dort genannte Größenordnung (rund 30% der Fälle mit mehreren Tätern) sein dürfte. Speziell zur Rolle eines "Familienratsbeschlusses" für den Ehrenmord Pohlreich a.a.O. (Fn. 19), S. 35 f.; Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 142 ff.

[23] Zutreffend Dietz NJW 2006, 1385, 1387.

[24] Vgl. statt Vieler: Fischer, StGB, 60. Aufl. (2013), § 211, Rn. 88 f.

[25] Vgl. Erbil a.a.O. (Fn. 12), S. 172; Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 14, 82.

[26] S. näher etwa Kühl, Strafrecht AT, 7. Aufl. (2012), § 20 Rn. 104 ff.

[27] Überblick zum Meinungs- und Streitstand etwa bei Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. (2010), Vor §§ 25 ff. Rn. 51 ff.

[28] Vgl. statt Vieler: Kühl AT (Fn. 26), § 20 Rn. 26 ff. m.w.N., zu den strittigen Einzelheiten dort Rn. 107 ff.

[29] Vgl. Wessels/Beulke Strafrecht AT, 42. Aufl. (2012), Rn. 513 m.w.N.

[30] Vgl. statt Vieler: BGH NJW 1961, 1541, 1542 m.w.N.; s. auch Wessels/Beulke AT (Fn. 29), Rn. 515.

[31] Vgl. zutreffend etwa Kühl AT (Fn. 26), § 20, Rn. 30.

[32] Vgl. statt Vieler: Kühl AT (Fn. 26), § 20 Rn. 31.

[33] Überblick zum Meinungs- und Streitstand bei Kühl AT (Fn. 26), § 20 Rn. 110 ff. m.w.N.

[34] Vgl. auch den - strukturell ähnlichen - Fall des Bandenchefs, der die Tat durch seine Mitwirkung im Hintergrund (mit-) beherrscht, s. näher S/S-Heine (Fn. 27), § 25 Rn. 67.

[35] Und gibt so (und ggf. durch Tadelung und Züchtigung des späteren Opfers) zu erkennen, dass er eine drastische Bestrafung für notwendig erachtet, vgl. zu diesem Aspekt auch unten IV. 2. b.

[36] Vgl. Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 141 f.

[37] Vgl. Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 142.

[38] Vgl. etwa S/S-Heine (Fn. 27), § 27 Rn. 13; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. (2011), § 27 Rn. 3, jeweils m.w.N.

[39] S. oben III. 2. a.

[40] S. näher etwa Fischer (Fn. 24), § 27 Rn. 11 ff.; Murmann, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB (2009), § 27 Rn. 5.

[41] S. oben III. 1. und 2. a.

[42] Vgl. etwa Fischer (Fn. 24), § 26 Rn. 3 m.w.N.

[43] Die Anstiftung ist in derartigen Fällen von der mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) abzugrenzen. Eine solche mittelbare Täterschaft erscheint in Ehrenmordfällen insbes. mit Blick auf die Fallkonstellation des "Täters hinter dem Täter" bei Vorliegen eines hierarchisch organisierten Machtapparates durchaus als diskussionswürdig. Gegen die Anwendung dieser Fallgruppe der (mittelbaren) Täterschaft kraft "Organisationsherrschaft" könnte sprechen, dass die patriarchalisch geprägte Familie zwar oftmals über eine streng hierarchische Struktur verfügt, jedoch womöglich nicht denselben Organisationsgrad aufweist, wie die bislang allgemein diskutierten Fälle (insbes. staatliche Machtapparate, mafiaähnliche Strukturen und Wirtschaftsunternehmen), s. zum Ganzen etwa S/S-Heine (Fn. 27), § 25 Rn. 25 ff.; Kühl AT (Fn. 26), § 20 Rn. 73 ff. Zu denken ist ferner an mittelbare Täterschaft infolge Steuerungsherrschaft bei Delegation der Tatausführung an minderjährige Familienangehörige (vgl. zu dieser Fallkonstellation des Ehrenmordes Oberwittler/Kasselt a.a.O. (Fn. 9), S. 142 ff.; allg. zu Minderjährigen als "Tatwerkzeug" etwa S/S-Heine (Fn. 27), § 25 Rn. 39 f.).

[44] Was den Schuldspruch anbelangt, war eine Erörterung auch nicht zwingend geboten, da nur der Angeklagte Revision eingelegt hatte und es auf die nachfolgend erörterten Problempunkte für den Schuldspruch entweder nicht ankommt (mangels Beruhens i. S. v. § 337 Abs. 1 StPO) oder diese nur zu einer strengeren Verurteilung des Angeklagten hätten führen können, so dass er hierdurch nicht beschwert ist (vgl. näher Meyer-Goßner, 56. Aufl. (2013), § 354 Rn. 17 m.w.N.). Dennoch hätte der BGH hier, gerade was die für die Praxis wichtige Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeln (bzw. Unterlassen) eines Familienpatriarchen und die hierbei auftretenden Beweisprobleme anbelangt, die Möglichkeit nutzen können, um seine Rechtsansicht klarer darzulegen und damit den Instanzgerichten in zukünftigen Fällen mehr Rechtssicherheit zu verschaffen, als durch die bloße Billigung des erstinstanzlichen Urteils. Der BGH (o. Fn. 2) hat stattdessen die Revision gem. § 349 Abs. 2 StPO ohne weitere Begründung als offensichtlich unbegründet verworfen, was mit Blick auf die relativ komplexen Rechtsfragen, die auch für ein Schwurgericht nicht zum Tagesgeschäft zählen dürften, etwas verwundert - jedenfalls, wenn, wie in der Anwaltspraxis üblich, auch die Sachrüge erhoben worden war (vgl. allg. zur rechtspolitischen Diskussion um § 349 Abs. 2 StPO Meyer-Goßner, § 349 Rn. 7 ff. m.w.N., der die Anwendung der Vorschrift in der Praxis verteidigt).

[45] Vgl. Kühl AT (Fn. 26), § 20 Rn. 230 m.w.N.

[46] LG Detmold BeckRS 2013, 06392, Ziff. V. 2. b bb der Urteilsgründe.

[47] Weigend, in: Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann, Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. (2007), § 13 Rn. 26; Roxin, Strafrecht AT II (2003), § 32 Rn. 39.

[48] Wessels/Beulke AT (Fn. 29), Rn. 718 (insbes. bei akuten Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit); S/S (Fn. 27)-Stree/Bosch, § 13 Rn. 19/20.

[49] So Roxin AT II (Fn. 47), § 32 Rn. 42 m.w.N.

[50] Vgl. etwa BVerfGE 96, 56 (Herleitung eines Auskunftsanspruchs des nichtehelichen Kindes gegenüber der Mutter auf Benennung des Vaters im Grundsatz zulässig).

[51] Anders als etwa bei Verlobten (vgl. S/S (Fn. 27)-Stree/Bosch, § 13 Rn. 18) oder nicht-ehelichen Lebenspartnern (vgl. SSW (Fn. 40)-Kudlich, § 13 Rn. 25 f.; LK-Weigend (Fn. 47), § 13 Rn. 38).

[52] Grundlegend BGH NJW 2003, 3212, 3214 = BGHSt 48, 301 (wonach im Übrigen auch mit dem Auszug eines Ehegatten aus der Ehewohnung die Garantenstellung nicht zwingend erlischt).

[53] Fraglich, vgl. Roth, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. (2013), § 1353, Rn. 22 ff., 52 ff., m.w.N.

[54] Vgl. S/S (Fn. 27)-Stree/Bosch, § 13 Rn. 18.

[55] So wurden etwa nach den Feststellungen des Gerichts zahlreiche E-Mails - mit Billigung des Angeklagten (ob sich dies auch auf den Inhalt bezieht, und welche Rolle der Angeklagte hier genau spielte, geht aus den Urteilsgründen indes nicht zweifelsfrei hervor) - von Verwandten an die A gesendet, in denen u. a. auch versucht wurde, ihr wegen des Verlassens des Elternhauses ein schlechtes Gewissen einzureden und suggeriert wurde "[i]hr Vater würde ihr verzeihen und alles würde gut werden", wenn sie nach Hause zurückkehren würde, LG Detmold BeckRS 2013, 06392, Ziff. II. 2. der Urteilsgründe.

[56] LG Detmold BeckRS 2013, 06392, Ziff. V. 2. b bb der Urteilsgründe.

[57] Vgl. statt Vieler: Fischer (Fn. 24), § 13 Rn. 47 ff.

[58] LG Detmold, a.a.O. (Fn. 56).

[59] Vgl. LK-Weigend (Fn. 47), § 13 Rn. 42 f., anders nur nach der Mindermeinung, die die Herleitung einer Garantenstellung aus vorangegangenem gefahrerhöhenden Verhalten generell ablehnt (vgl. hierzu die Nachweise a.a.O., Rn. 42 Fn. 143 und bei Kühl AT (Fn. 26), § 20 Rn. 91 Fn. 198). Bei derart massiven Züchtigungen, wie im vorliegenden Fall, scheidet - wenn man ein solches überhaupt anerkennt - auch eine Rechtfertigung durch ein "elterliches Züchtigungsrecht" offensichtlich aus (zur allg. Diskussion um das elterliche Züchtigungsrecht s. S/S (Fn. 27)-Eser/Sternberg-Lieben, § 223 Rn. 16 ff.)

[60] Vgl. BGH NStZ, 1985, 24; LK-Weigend (Fn. 47), § 13 Rn. 43 m.w.N. auch zur Rspr.

[61] Zumindest war dem Angeklagten eine Mitwirkung an der eigentlichen Tötungshandlung nicht nachweisbar.

[62] Vgl. statt Vieler: S/S (Fn. 27)-Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 100 ff. m.w.N.

[63] Wessels/Beulke AT (Fn. 29), Rn. 192 m.w.N.

[64] Insoweit sind die Ausführungen des LG indes nicht ganz eindeutig, da (anders als unter Ziff. V. 2. b bb der Urteilsgründe) bei den Ausführungen zur Sachverhaltsschilderung die Initiative von K 5 selbst auszugehen scheint ("K5 wollte die Bestrafungsaktion nicht allein seinem Vater überlassen.", Ziff. II. 1., vgl. auch Ziff. IV. 1.).

[65] Vgl. BGH NJW 1992, 1246, 1247 (Garantenstellung aus Ingerenz wegen vorangegangener nicht lebensgefährlicher Misshandlungen vor den Augen des späteren Haupttäters); BGH NStZ, 1985, 24; vgl. auch S/S (Fn. 27)-Stree/Bosch, § 13 Rn. 39 (pflichtwidriges Vorverhalten). Eine Anstiftung zur Tötung durch konkludentes Verhalten (hierzu näher Fischer (Fn. 24), § 26 Rn. 3 - sehr str.) liegt in der Züchtigung hier indes nicht, da (schon in dubio pro reo) im Zeitpunkt der Züchtigung nicht von einem entsprechenden, ausreichend konkretisierten Anstiftervorsatz ausgegangen werden kann, wobei auch der zeitliche Abstand zwischen Züchtigung und Tötung (mehrere Monate) eine Rolle spielt.

[66] Vgl. zum Prinzip der Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen im Rahmen der objektiven Zurechnung ausführlicher Kühl AT (Fn. 26), § 4 Rn. 83 ff., der als Anhaltspunkt für eine erweiterte Verantwortung u. a. ebenfalls darauf abstellt, ob Anhaltpunkte für eine spätere Tatbegehung des Dritten vorliegen (Rn. 85); vgl. hierzu ferner S/S (Fn. 27)-Lenckner/Eisele, Vor §§ 13 ff. Rn. 100 ff. (insbes. Rn. 101d f.), jeweils m.w.N.

[67] Sind beide Tatbestände verwirklicht, tritt § 323c StGB nach h. M. hinter § 138 StGB zurück, vgl. S/S (Fn. 27)-Sternberg-Lieben, § 138 Rn. 30 m.w.N.

[68] h. M. bejahend, vgl. S/S (Fn. 27)-Sternberg-Lieben/Hecker § 323c Rn. 7.

[69] Die h. M. will dann auf der Grundlage eines normativen Stufenverhältnisses zwischen Vortat und § 138 StGB die Strafbarkeit aufgrund letztgenannter Vorschrift bejahen, vgl. S/S (Fn. 27)-Sternberg-Lieben, § 138 Rn. 20/21 i. V. m. Rn. 29.

[70] Kühl AT (Fn. 26), § 20 Rn. 214 f., Wessels/Beulke AT (Fn. 29), Rn. 582, jeweils m.w.N.

[71] BGH NJW 2003, 3212, 3213 = BGHSt 48, 301 m.w.N.

[72] Problematisch ist hingegen die Frage, ob einem Vater in einer derartigen Situation und unter Berücksichtigung seiner religiösen Ansichten noch weitergehende Schritte zur Erfolgsverhinderung zugemutet werden könnten, etwa die Einschaltung der Polizei, um gegen die eigenen Kinder (die einen Geschwisterteil, der einen "Ehrverstoß" begangen hat, bestrafen wollen) vorzugehen. Dafür ließe sich der Rechtsgedanke des § 139 Abs. 3 u. 4 StGB anführen (vgl. erg. oben IV. 1. c).

[73] Vgl. näher zur sog. "hypothetischen" oder "Quasi-Kausalität" beim unechten Unterlassensdelikt etwa SSW (Fn. 40)-Kudlich, § 13 Rn. 10 f.; Kühl AT (Fn. 26), § 18 Rn. 35 ff., jeweils m.w.N. (auch zu abweichenden Ansichten).

[74] Vgl. bereits die obigen Überlegungen unter IV. 1. b.

[75] Überblick zum Meinungsstand etwa bei Freund, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. (2011), § 13 Rn. 266 ff.; Lackner/Kühl (Fn. 38), § 27 Rn. 5.

[76] So etwa SSW (Fn. 40)-Kudlich, § 13 Rn. 43; Lackner/Kühl (Fn. 38), § 27 Rn. 5 m.w.N.

[77] So etwa Wohlers/Gaede, in: Kindhäuser/ Neumann/ Paeffgen, StGB, 4. Aufl. (2013), § 13 Rn. 26 m.w.N; vgl. auch die Nachweise bei S/S-Heine (Fn. 27), Vor §§ 25 ff. Rn. 101.

[78] So etwa S/S-Heine (Fn. 27), Vor §§ 25 ff. Rn. 103 m.w.N., der als maßgebliches Differenzierungskriterium (bezogen auf den jeweiligen Straftatbestand) Qualität und Inhalt der Pflicht, die durch das Unterlassen verletzt werden, ansieht.

[79] Vgl. BGH NJW 1992, 1246, 1247 m.w.N.

[80] BGH NJW 1992, 3309, 3310 = BGHSt 38, 356 m.w.N.

[81] BGH NStZ 2009, 321, 322 = HRRS 2009 Nr. 351, Rn. 9 ff. m.w.N.; vgl. auch Wessels/Beulke AT (Fn. 29), Rn. 734; S/S-Heine (Fn. 27), Vor §§ 25 ff. Rn. 93, jeweils m.w.N. auch zur Rspr.

[82] S. oben III. 2. a.

[83] Vgl. zur Rolle des Angeklagten oben II. und LG Detmold BeckRS 2013, 06392, u. a. Ziff. IV 2. c und e der Urteilsgründe; bei der Strafzumessung heißt es zudem ausdrücklich: "Strafschärfend musste sich dagegen auswirken, dass dem Angeklagten in dem ganzen Geschehen die entscheidende Rolle zukam.[…]Seine Kinder führten letztlich sein Geschäft." (Ziff. VI. 2.).

[84] Eine Bestrafung als Mittäter würde das Vorliegen eines gemeinsamen Tatplans voraussetzen, an dessen Nachweisbarkeit es vorliegend wohl fehlt; in ähnlichen Konstellationen ist eine Mittäterschaft des Unterlassenden durchaus denkbar (str.). In Betracht kommt ferner die - allerdings äußerst umstr. - Rechtsfigur der mittelbaren Unterlassungstäterschaft (hierzu etwa SSW (Fn. 40)-Kudlich, § 13 Rn. 46), wobei man hier zudem auf die Konstellation eines "Täters hinter dem Täter" abstellen müsste (vgl. dazu BGHSt 48, 77 "Politbüro-Fall"; s. erg. oben Fn. 43).

[85] Sog. Entsprechungsklausel, die nach h. M. aber ohnedies nur bei Delikten mit besonderer Handlungsbeschreibung eine größere Relevanz entfaltet, s. näher etwa S/S (Fn. 27)-Stree/Bosch, § 13 Rn. 4.

[86] Vgl. statt Vieler: S/S-Heine (Fn. 27), § 27 Rn. 19 (ff.), Lackner/Kühl (Fn. 38), § 27 Rn. 7, jeweils m.w.N.

[87] Vgl. ausführlich Kühl AT (Fn. 26), § 18 Rn. 125 ff.

[88] LG Detmold BeckRS 2013, 06392, Ziff. V. 2. b bb der Urteilsgründe.

[89] Vgl. statt Vieler: Fischer (Fn. 24), § 27 Rn. 22 m.w.N. auch zur Rspr.

[90] Will man Täterschaft bejahen, sind die Anforderungen hier freilich etwas höher.

[91] Vgl. statt Vieler: Fischer (Fn. 24), § 211 Rn. 90 ff.; überwiegend werden die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe des § 211 Abs. 2 StGB als täterbezogen, die der 2. Gruppe hingegen als tatbezogen eingeordnet, vgl. hierzu etwa a.a.O., Rn. 91 f. und S/S (Fn. 27)-Eser, § 211 Rn. 49, jeweils m.w.N.

[92] Der Angeklagte handelte (ebenso wie der Tatnächste) aus niedrigen Beweggründen (hierzu noch sogleich).

[93] Vgl. Fischer (Fn. 24), § 211 Rn. 97 m.w.N. (auch zu Mindermeinungen in der Lit.)

[94] Vgl. etwa S/S (Fn. 27)-Eser, § 211 Rn. 44 ff. m.w.N., speziell zum Fall der niedrigen Beweggründe dort insbes. Rn. 53; Fischer (Fn. 24), § 211 Rn. 87 ff. m.w.N.

[95] Statt Vieler: Grünewald NStZ 2010, 1, 3; ausführlich Burmeister a.a.O. (Fn. 10), S. 72 ff.

[96] Vgl. dazu im vorliegenden Fall LG Detmold BeckRS 2013, 06392, Ziff. V. 3. der Urteilsgründe.

[97] Nicht ganz klar wird, wieso das LG Detmold das bei den Feststellungen zur Vorgeschichte der Tat wiedergegebene Gespräch des Angeklagten mit K 5, wonach es das Beste sei, die A "im Wald zu verscharren und dann als vermisst zu melden" (Ziff. II. 1 der Urteilsgründe) nicht zumindest als Nachweis für eine psychische aktive Beihilfe durch den Angeklagten (Bestärken des Tatentschlusses) an der späteren Tötung angesehen hat. Womöglich konnte der genaue Inhalt des Gesprächs in der Beweisaufnahme nicht mehr ermittelt werden, insbes., ob auch der Angeklagte selbst von einer Tötung der A sprach und, ob es sich bereits um hinreichend konkrete Planungen handelte.

[98] Die Strafmilderung des § 27 Abs. 2 S. 2 StGB ist obligatorisch, die des § 13 Abs. 2 StGB hingegen nur fakultativ.

[99] Bzw. besser gesagt "Teilnehmer-günstigen", wenn man von Beihilfe ausgeht.

[100] LG Detmold BeckRS 2013, 06392, Ziff. IV. 2. e der Urteilsgründe.

[101] Vgl. nur BGH NStZ 1983, 165 (m. Anm. Dingeldey); Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 8. Aufl. (2013), Rn. 132 f.; Fischer (Fn. 24), § 1 Rn. 37; S/S-Heine (Fn. 27), Vor §§ 25 ff. Rn. 49/50; Kühl AT (Fn. 26), § 21 Rn. 68 ff., insbes. Rn. 68 b, jeweils m.w.N. Geht man von einer Täterrolle des Angeklagten aus, stellt sich in ähnlicher Weise die Tötung durch Unterlassen gem. §§ 212, 211, 13 StGB als Auffangtatbestand (im Verhältnis zur nicht sicher nachweisbaren Tötung durch aktives Tun) dar.

[102] Vgl. etwa das türkische Strafgesetzbuch, wo u. a. die Anstiftung von Verwandten (Art. 38 Abs. 2), die Tötung nahestehender Angehöriger (Art. 82 Buchst. d) und der sog. Traditionsmord (Art. 82 Buchst. k: Tötung wegen des Bruches traditioneller Verhaltensregeln auf der Grundlage [str.]eines "Familienratsbeschlusses") besonders gesetzlich geregelt sind, s. ausführlich Çakir-Ceylan a.a.O. (Fn. 7), S. 171 ff., insbes. S. 175 ff., Pohlreich a.a.O. (Fn. 19), S. 177 ff.