HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2012
13. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Aus aktuellem Anlass: Zum strafbaren Handeltreiben mit Organen gem. §§ 17, 18 TPG

Von Wiss. Mit. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu[*]

I. Hinführung

Anfang des Jahres hatte die Koalition eine neue Gesetzesinitiative für mehr Aufklärung im Bereich der Organspende und Transplantationsmedizin auf den Weg gebracht, um damit auch die Bereitschaft zur Spende in der Bevölkerung zu verstärken.[1] Das neue Gesetz zur Änderung des Transplantations- und Gewebegesetzes ist am 01.08.2012 in Kraft getreten und dient v.a. der Umsetzung der   europäischen Transplantationsrichtlinie (2010/53/EU), welche einheitliche Standards für die Qualität und Sicherheit der Organtransplantation in Europa herstellen soll.[2]   Darüber hinaus hatte man sich darauf geeinigt, dass in Zukunft jeder Erwachsene in Deutschland regelmäßig nach seiner Bereitschaft zur Organspende gefragt werden soll; die einschlägigen Schreiben sollen bis Mitte 2013 verschickt werden. Diese sog. "Entscheidungslösung"[3] gilt ab dem 1.11.2012 (Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz[4]). Insofern hätte sich Gesundheitsminister Bahr keinen schlechteren Zeitpunkt für den "wohl größten Organspende-Skandal in der Geschichte der Bundesrepublik"[5] vorstellen können.[6] Leitende Oberä rzte vom Göttinger Universitätsklinikum sollen (nach derzeitigem Ermittlungsstand in 25 Fällen) Krankenakten derart verändert haben,[7] dass bestimmte Patienten unberechtigt früher ein Spenderorgan erhielten, wobei vermutet wird, dass die Manipulationen aus eigennützigen Motiven erfolgten. Hierbei ist der "Korruptionsverdacht" der Staatsanwaltschaft zwar nachvollziehbar,[8] soweit sich die Ärzte nicht nur die Leistungspakete ihrer Verträge zu Nutze machen wollten,[9] sondern auch ein Entgelt für ihre pflichtwidrigen Manipulationshandlungen von den Empfängerpatienten erhalten haben sollen. Aber in den Wirren von Sozialadäquanz und Unrechtsvereinbarung geht der eigentliche Vorwurf unter, den man den Ärzten machen müsste.

Was ist aber der eigentliche Vorwurf? Da inzwischen bekannt wurde, dass Menschen, die eigentlich auf den Wartelisten weiter oben standen, bereits verstorben sind, ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht nur wegen Bestechlichkeit in mehreren Fällen, sondern auch wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB. Wohl auch durch die mediale Aufmerksamkeit forciert, wird nunmehr ein bedingter Tötungsvorsatz "nicht ausgeschlossen".[10] Der häufig anzutreffende O -Ton l autet insofern : " Du hast gegen Entgelt einen Menschen getötet. "[11] Dabei gerät

allzu leicht aus dem Blickfeld, dass der Arzt mit seinem Verhalten zugleich die Rettung eines anderen Menschen bewirkt hat, sodass eine Rechtfertigung des Verhaltens nach § 34 StGB in Betracht kommt.[12] Dass man eine Rettungshandlung nur gegen Entgelt vornimmt, ist bestimmt nicht nobel, doch schließt dies eine Rechtfertigung nicht per se aus. [13] Umgekehrt muss man aber auch sehen, dass speziell diese Art der "Lebensrettung" bereits gesetzlich geregelt ist, sodass sich die Frage stellt, ob bei einer Umgehung bzw. Nichtbeachtung der aufgestellten Verfahrensvorschriften ein "Rückgriff" auf § 34 StGB überhaupt noch möglich ist. Ob man diese Frage bei der Angemessenheitsklausel des § 34 I 2 StGB verortet oder bereits im Rahmen der Interessensabwägung berücksichtigen will, sei an dieser Stelle dahingestellt.[14] Einig dürfte man sich darüber sein, dass es sich bei dem Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften um eine relevante im Hinblick auf die Verwirklichung der §§ 222, 212 StGB relevante "Vorfrage" handelt: Denn ein außerstrafrechtlich vorgesehenes und erlaubtes Verhalten, kann nicht deliktstatbestandsmäßig, jedenfalls nicht rechtswidrig i.S.d. allgemeinen Verbrechenslehre sein.[15]

Eigenständige Bedeutung könnte diese "Vorfrage" dennoch entfalten, nicht nur, weil der Verstoß durch seine Ausgestaltung als Deliktstatbestand (vgl. noch im Folgenden, §§ 17, 18 TPG) als strafrechtlich "autarkes" Unrecht qualifiziert wird, sondern auch, weil bzgl. der Tötungs- und Körperverletzungsdelikte bereits fraglich ist, ob es überhaupt auf eine Rechtfertigung nach § 34 StGB ankommt. Denn speziell in dieser Konstellation könnte es fraglich sein, ob das geschilderte Verhalten der Ärzte überhaupt als objektiv zurechenbare Tötungshandlung qualifiziert werden kann.[16] Diese Problematik blendet der folgende Beitrag aus, weswegen er auch nicht als allumfassende "Begutachtung" des Göttinger Organspende-Skandals verstanden werden darf. Stattdessen liegt der Fokus auf den bis dato etwas in den Hintergrund gerückten Strafvorschriften, welche die sachgerechte Durchführung des Verfahrens absichern und verhindern sollen, dass mit der Transplantation von Organen ein "Geschäft" gemacht wird.

Zugegebenermaßen geht es im vorliegenden Fall nicht um die ominöse Übergabe einer Niere in der Kühlbox ("Absender Unbekannt aus Mosambik"); dennoch ließe sich die erschlichene "Vermittlung" der Organe gegen Entgelt als "Handel" im weiteren Sinne bezeichnen, sodass es nicht überrascht, dass die Medien auch schon häufiger mit dem Begriff des "Organhandels" operierten.[17] Aber gerade aus diesem Grund erstaunt es wiederum, dass die ermittelnden Behörden[18] und Politik bei der bisherigen Aufarbeitung der Problematik[19] jedenfalls bis dato nicht auf das eigentlich einschlägige Regelwerk Bezug nahmen.[20] Schließlich war schon häufiger zu lesen, der Göttinger Organspende-Skandal hätte die "Schwä-

chen des Systems" zu Tage gebracht;[21] ein wesentlicher Teil eben dieses Systems ist schließlich seine gesetzliche Grundlage. Das TPG aus dem Jahre 1997 regelt nicht nur die Zulässigkeit von Organspenden, sondern enthält in den §§ 18, 19 TPG auch Strafvorschriften, insb. den Verstoß gegen das Organhandelsverbot in § 17 I TPG als Handeltreiben mit Organen. Insofern stellt sich die Frage, ob das vollständige Ausblenden der Vorschriften des TPG auf einer gelungenen Subsumtion basiert (also mangels Tatbestandsverwirklichung gem. § 170 II StPO keine weiteren Ermittlungen notwendig sind) oder den Strafnormen des TPG als Nebenstrafrecht[22] eben nur "nebensächliche" Bedeutung zuteilwird bzw. deren Verwirklichung eben nur als "Vorfrage" für die §§ 212, 222 StGB angesehen wird. Jedenfalls dürfte die Zurückstellung nicht auf einer zu niedrigen Strafandrohung – in Relation zu § 222 StGB – basieren, wenn man bedenkt, dass der gewerbsmäßige Organhandel (der in 25 Fällen naheliegt) gem. § 18 II TPG mit einer Strafrahmenuntergrenze von einem Jahr aufwartet.

Der folgende Beitrag geht daher der Frage nach, ob bzw. inwiefern die Manipulation der Listen als "Organhandel", sprich als Handeltreiben mit Organen gem. § 18 TPG bewertet werden kann. Freilich braucht es hierfür einer knappen Zusammenfassung des status quo, vgl. im Folgenden II.; über die im Anschluss dargestellte – rein dogmatische – Subsumtion des Ärzteverhaltens unter die Vorschriften des TPG, genauer unter das Handeltreiben mit Organen, vermag der folgende Beitrag allerdings nicht hinauszugehen. Bei dem Komplex "Transplantationsmedizin" handelt es sich um eine rechtspolitisch überfrachtete Problematik. Den damit verbundenen rechtsethischen,[23] rechtsphilosophischen und verfassungsrechtlichen[24] Fragestellungen ließe sich hier nicht einmal im Ansatz nachgehen.[25] Das beginnt bereits beim (bis vor kurzem noch wesentlich stärker ausgeprägten) fragmentarischen Charakter des Transplantationsrechts,[26] dem die Notwendigkeit einer international bzw. europaweit einheitlichen Regelungsmaterie gegenübersteht.[27] Das geht weiter bei der positiv-rechtlichen Kriminalisierung des Organhandels in Deutschland überhaupt, die nicht nur den Händler, sondern auch den Empfänger erfasst und dessen Notstandsituation[28] – siehe oben – mit einer "rigiden Strafbewehr"[29] überdeckt. Die Strafbarkeit des freiwilligen Handels bzw. ein Kommerzialisierungsverbot scheint auch im Übrigen nicht derart selbstverständlich,[30] jedenfalls nicht in Zeiten, in denen man sich das Studium u.A. mit Blutspenden[31] und Prostitution[32] finanziert.[33] Diese bewusst provokante Formulierung soll hier nur nochmals die verfassungsrechtlichen Fragestellungen auf der Metaebene in Erinnerung rufen, welche die Legitimität etwaiger Beschränkungen des Individuums einerseits und die gegenüberliegenden Befugnisse der Hoheitsträger andererseits bereits grundlegend in Zweifel stellen ("Paternalismus",[34] Dispositionsfreiheit und Recht auf persönliche Selbstbestimmung seien als Stichwörter genannt).

II. Das Transplantationsgesetz 1997 – Grundlagen

Das TPG ist relativ klar strukturiert. Der erste Abschnitt enthält den sachlichen Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (§§ 1, 1a TPG). Im Anschluss werden in § 2 TPG nicht nur die wichtigsten Institutionen im Organspendewesen (Bundesbehörden, Krankenkassen, Spenderausweis) aufgezählt, sondern darüber hinaus auch das Spenderverhalten als Grundvoraussetzung einer jeden Organspende festgesetzt. Dabei wird die bisher geltende sog. erweiterte Zustimmungslösung[35] – wie bereits dargelegt – durch die Entscheidungslösung[36] abgelöst, wobei diese rechtspolitische Weichenstellung nicht nur zu einer vollständigen Modifikation des § 2 TPG führen wird; die veränderte Zielsetzung soll nunmehr auch im § 1 Abs. 1 TPG n.F. betont werden.[37] Im Kern differenziert das Gesetz selbstverständlich zwischen der Organentnahme bei toten Spendern (§ 3 – 7 TPG) und der Lebendspende (§ 8 TPG). Für beide Arten gelten die übergeordneten Verfahrens- und Organisationsvorschriften der §§ 9 – 16 TPG, welche durch das erste (bereits geltende[38]) Änderungsgesetz hauptsächlich betroffen sind.

U.a. werden im neuen §  9a   TPG der Begriff und die Pflichten sog. "Entnahmekrankenhäuser" erläutert. Darüber hinaus werden die Verantwortlichen verpflichtet, mindestens einen Transplantationsbeauftragten gemäß der neuen Rechtsvorschrift §  9b   TPG zu bestellen, der u.A. für die Organisation des Gesamtprozesses, die Identifizierung potenzieller Organspender und die Aufklärung und Betreuung der Angehörigen von Organspendern zuständig ist. Das Änderungsgesetz bezweckt auch eine Verbesserung der Position der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) als Koordinierungsstelle. Außerdem enthält es nunmehr eine Verordnungsermächtigung, wonach das Bundesministerium für Gesundheit mit Zustimmung des Bundesrates und nach Anhörung der Bundesärztekammer sowie weiterer Sachverständiger Regelungen zur Organ- und Spendercharakterisierung, zum Transport und zur Kennzeichnung der Transportbehältnisse erlassen kann, vgl. §  10a   TPG n.F.[39] Weitere Präventionsmaßnahmen, wie sie der Gesetzgeber nach dem Göttinger Universitätsskandal nunmehr in Erwägung zieht (insb. das "Sechs-Augen-Modell") hätten an dieser Stelle ihren Platz. Die weitere Entwicklung diesbezüglich bleibt abzuwarten.

Etwas verloren am Ende steht das "Organhandelsverbot" in § 17 TPG als Grundnorm für die darauffolgenden Strafvorschriften und Ordnungswidrigkeiten (§ 18 – 20 TPG), welcher von den aktuellen Gesetzesänderungen vollkommen unberührt blieb. Der knappe Verweis in § 1 I 2 TPG, wonach das TPG auch für das Verbot des Handels mit Organen oder Geweben gelte, vermag nicht wirklich eine "Einheit" herzustellen. Verboten ist nicht nur das Handeltreiben mit Organen (vgl. hierzu ausführlicher im Folgenden), sondern auch die Entnahme und Übertragung von Organen, die Gegenstand verbotenen Handeltreibens sind. Erfasst wird somit insb. auch der Arzt, der um den "Verkauf" des Organs weiß, selbst aber nicht eigennützig agiert. Auffällig – weil auf den ersten Blick überraschend – ist, dass selbst der Empfänger der Organe (als "Käufer") erfasst ist, sprich das Kommerzialisierungsverbot selbst für den Begünstigten als Teilnehmer am "sündigen Geschäft" gilt.[40] Der Gesetzgeber war sich der Zweifelhaftigkeit dieser Ausgestaltung wohl bewusst, weswegen er die Reichweite der Vorschrift durch einen besonderen Strafausschließungs- und Milderungsgrund im § 18 IV TPG kompensiert wissen will.[41] Neben dem verbotenen Organhandel erfasst § 19 TPG besonders schwere Verstöße gegen die im TPG aufgestellten Grundsätze und Verfahrensvorschriften.

III. Das vollkommen missglückte Organhandelsverbot

Die typische Ausgestaltung im Nebenstrafrecht, ein Verbotsgesetz am Ende einer Rechtsmaterie zu platzieren, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Organhandelsverbot wie ein "Fremdkörper" innerhalb des TPG daherkommt. Eine isolierte Verortung innerhalb des Kernstrafrechts wäre daher eher vorstellbar (wenn nicht sogar zu wünschen[42]), als etwa bei anderen nebenstrafrechtlichen Vorschriften, bei denen aufgrund der Akzessorietät der Rechtsmaterie und der (sinnvollen) Verwendung der Blanketttechnik, bspw. § 96 AMG solch ein "Umzug" schwieriger umzusetzen ist.[43]

1. Der erste Fehler: Der Rückgriff auf die Wendung "Handel treiben"

Dass das Organhandelsverbot insgesamt nicht besonders ausgeklügelt ist, ergibt sich schon aus der Entscheidung des Gesetzgebers, diesen tatbestandlich an der unzulänglichen Wendung "Handel treiben" festzumachen, mit dem das Verbot des "Organhandels" also (wohl immer) steht und (fast nie) fällt. Der Begriff weckt als allererstes die keinesfalls richtige Assoziation "Betäubungsmittel". Die extensive, durch den Großen Senat abgesegnete Auslegung[44] des Handeltreibens als "jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit aus eigennützigen[45] Motiven"[46] setzt

die Vorschriften des Allgemeinen Teils "außer Kraft".[47] Das schlichte Tätigkeitsdelikt ohne abschließende Beschreibung[48] ist damit schon grundsätzlich problematisch, passt darüber hinaus aber schon rein technisch nicht in ein Regelwerk, das im Gegensatz zu zahlreichen Verwaltungsgesetzen kein "Umgangsverbot" bzgl. gefährlicher oder schädlicher Gegenstände statuiert, sondern die Voraussetzungen eines ganz konkreten, lebensrettenden – somit erwünschten – Vorgangs beschreibt und festsetzt.[49]

Gesetzestechnisch spiegelt sich dies darin wider, dass dem Handeltreiben im TPG eine Erlaubnisnorm als "Pendant" fehlt.[50] Stattdessen wird das Verbot ohne nähere Erläuterung im § 17 festgelegt.[51] Der Grund hierfür ist logisch: Strafbarkeitsbegründend ist schließlich gerade nicht die Operation als solche bzw. der "Umgang" mit Organen, sondern ausschließlich die Kommerzialisierung dieses Vorgangs, während im Betäubungsmittelstrafrecht der Umsatzbezug die Strafbarkeit nicht begründet, sondern (wenn auch erheblich) schärft bzw. erweitert. Umgekehrt kann selbst ein entgeltlicher Umgang mit Betäubungsmitteln, wie sich aus § 3 BtMG ergibt, vom Bundesinstitut für Arzneimittel genehmigt werden (Arzneimittel und die zur Herstellung dieser verwendeten Grundstoffe kosten schließlich etwas).[52]

2. Der zweite Fehler: Die Übertragung der Rechtsprechung bzgl. des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln

Schon aus diesem Grund überrascht der lapidare Verweis in der Gesetzesbegründung, wonach zur "Auslegung des Begriffs" auf die umfangreiche Rechtsprechung des RG und des BGH zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zurückgegriffen werden könne.[53] Diese Anweisung affirmiert die fälschliche Assoziation, obwohl sie genauso viel Gehalt hat, wie bspw. der Ratschlag des Gesetzgebers, für die Auslegung des § 244 I Nr.2 StGB den Begriff des gefährlichen Werkzeugs bei § 224 I Nr.2 StGB heranzuziehen.[54] Dabei kann man schon trefflich darüber diskutieren, ob das "Rechtsprechungspotpourri" zum Handeltreiben es überhaupt verdient, auf andere Rechtsgebiete transferiert zu werden. Weniger problematisch erscheint m.E. hierbei die beispiellose Strafbarkeitsvorverlagerung, die mit der enormen Subjektivierung der Tathandlung einhergeht; sie ist im Hinblick auf die geschützten Individualrechtsgüter[55] beim Organhandel eher legitimierbar, als im Betäubungsmittelstrafrecht.[56] Doch dies ändert nichts an der Undurchsichtigkeit des von der h.M. "konzipierten" Fallgruppenkatalogs, der überdies auf betäubungsmitteldeliktsspezifische Konstellationen zugeschnitten ist.[57]

Damit ist man bei den phänomenologischen Aspekten angekommen, welche gegen eine unbesehene Übertragung der Begriffsdefinition auf das Transplantationsgesetz sprechen:[58] Das "Handelsobjekt" rettet ausschließlich Leben und kann für sich gesehen niemals schädlich wirken,[59] echte "Organkartelle" existieren kaum, erst recht keine "Organplantagen". Während Betäubungsmittel synthetisch hergestellt oder natürlich angebaut werden können, stammt das Organ aus der erschöpflichen Ressource "Mensch". Bei der geringen Halbwertszeit des "Produkts" Organ kann es auch nicht um möglichst "profitables" und marktorientiertes Absetzen gehen, zumal kein vergleichbar großes Potential an Abnehmern existiert. Den Organhandel können die Personen auch nicht unter sich ausmachen bzw. abwickeln, es sei denn der "Dealer" selbst ist ein Arzt und Spezialist im Bereich der Transplantationsmedizin (aber selbst in solch einer Konstellation wäre das Einschalten von Hilfspersonen stets notwendig). Bereits diese Überlegungen legen es nahe, den Begriff eigenständig auszulegen.[60]

3. Konsequenzen eines extensiven Begriffs: Tatbestandsmäßige Berufsausübung?

Bei seinem Ratschlag schien der Gesetzgeber wohl ausschließlich das Phänomen des "aggressiven" Organhan-

dels vor Augen zu haben, bei dem es um die Zerschlagung eines illegalen Marktes geht, der aber nur in Drittweltstaaten existiert.[61] Es wird das Bild des skrupellosen Organhändlers nachgezeichnet, der nicht mehr approbierte Ärzte dafür bezahlt, den lebendigen Personen in seinem Kerker die Niere herauszuoperieren. § 17 will aber die Kommerzialisierung überhaupt unterbinden und beschränkt sich somit weder auf einen bestimmten Täterkreis (Organspender selbst, Arzt, Organdealer, Kurier) noch auf eine konkrete Tathandlung (Verkauf oder Vermittlung von Organen). Überträgt man aber die Definition vom Handeltreiben auf das "grundsätzlich legale" – bzw. auch gewollte – Verfahren, wird das Gesetz von der Reichweite des Begriffs überfordert.[62] Fast alle Handlungen der berufsmäßig am Organspendeverfahren Beteiligten erfolgen gegen eine Vergütung. Insofern enthält natürlich auch eine legale und kontrollierte Spende "kommerzialisierte" Elemente.[63] Überlegungen zur "professionellen Adäquanz" bzw. zur "berufsbedingten Tatbestandsverwirklichung"[64] helfen kaum weiter, da das TPG als Spezialgesetz gerade die Grenzen des "berufsmäßig Erlaubten" abstecken müsste.

Auch der Gesetzgeber hat dieses Problem gesehen und wollte es mit der Entgeltklausel des § 17 I 2 Nr.1 beheben,[65] wonach das Organhandelsverbot für " die Gewährung oder Annahme eines angemessenen Entgelts für die zur Erreichung des Ziels der Heilbehandlung gebotenen Maßnahmen, insbesondere für die Entnahme, die Konservierung, die weitere Aufbereitung einschließlich der Maßnahmen zum Infektionsschutz, die Aufbewahrung und die Beförderung der Organe oder Gewebe" nicht gilt. Ohne hier die von König herausgearbeiteten Widersprüchlichkeiten der Vorschrift péu a péu darlegen zu können:[66] Bei dieser Vorschrift kristallisiert sich deutlich heraus, dass der Gesetzgeber das Organhandelsverbot nicht ganz zu Ende gedacht hat, da er die "mittelbare Kommerzialisierung"[67] erst generalklauselartig "im Nachhinein" und dann aufgrund der "Angemessenheitsklausel" wohl auch nur partiell ausklammern will, obwohl er diese Ausnahmen über das Gesetz selbst streuen bzw. einpflegen müsste. Idealtypisch wäre in den Verfahrensvorschriften (ggf. mittels Verweisungstechnik) selbst festgelegt, welche Bezahlungen, Vorteile etc. vom Kommerzialisierungsverbot ausgenommen sind. Mit dem Begriff des "angemessenen" Entgelts wird zudem der Eindruck erweckt, es ginge um die "Höhe" des Preises, obwohl schlicht und einfach im Vordergrund stehen muss, ob das Geld als "Gegenleistung" für eine sachwidrige Beeinflussung fungiert (der Angemessenheit kann hierbei nur eine indizielle Funktion zukommen).

4. In concreto: Handeltreiben durch die Manipulation der Listen?

Für den konkreten Fall macht § 17 I 2 Nr. 2 zumindest den Unterschied zu den "dubiosen Kühlbeutelfällen" deutlich: Nämlich, dass die "Spende" innerhalb eines offiziellen Verfahrens erschlichen wird, sprich kein (erpresserisches oder sonstiges) Einwirken auf den Spender durch den Entnehmenden festgestellt ist. Die Organe stammen von freiwillig agierenden Personen und wurden auch tatsächlich gespendet. Bei strenger Betrachtung könnte man den Umsatzwillen folglich anzweifeln, da kein Organ "verkauft" wird, sondern der Arzt Entgelt für eine manipulative Tätigkeit fordert bzw. erlangt. Die Leistung des Arztes besteht somit nicht in einer Veräußerung bzw. in einer Vermittlung von Organen, sondern beinhaltet die Fälschung der Krankenakten als Gegenleistung für das Entgelt. Insofern lässt der Begriff des Handeltreibens alleinstehend offen, ob auch Tätigkeiten innerhalb eines nach außen bzw. aus Perspektive des Spenders an sich "rechtmäßigen" Prozesses erfasst sind.[68]

Man beachte: Der Arzt bewirkt jedenfalls mittelbar eine nach § 9 II 3 i.V.m. 12 III[69] unrechtmäßige Transplantation, die er kraft Organisations- und Wissensherrschaft auch zu verantworten hätte. Dass dieser Verstoß (sowohl in vorsätzlicher als auch fahrlässiger Form) gem. § 20 I Nr. 4 – nur – als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, hat wenig Aussagekraft, da man einerseits davon ausgehen könnte, dass diese spezielle Regelung dem Handeltreiben vorgeht, andererseits die Ordnungswidrigkeit nicht voraussetzt, dass der Täter beim Verstoß gegen die Sorgfalts-, Dokumentations- und Auswahlpflichten eigennützig agiert und insofern doch nicht das gesamte Unrecht der Tat erfasst. Doch für das Ergebnis hilft § 17 I 2 Nr.2 dennoch nicht weiter: aus dieser Vorschrift ergibt sich eben nur, dass das Organhandelsverbot nicht auf Kaufgeschäfte beschränkt sein soll, sondern auch die Tätigkeiten erfasst, die soz. der "Abwicklung" (Entnahme, Kon-

servierung) des Geschäfts dienen (schließlich könnte der Arzt sonst das Organhandelsverbot umgehen, indem er einfach nur ein erhöhtes Entgelt für die OP verlangt). Daraus muss man wohl den Schluss ziehen, dass dann erst Recht alle sonstigen Abreden betroffen sind, die ohnehin keine an sich "rechtmäßigen" Handlungen darstellen.

5. Plädoyer für eine eigenständige Begriffsdefinition

Die vorstehenden Überlegungen legen es nahe, von einer Übertragung der "Definition" des Handeltreibens aus dem BtMG auf das TPG abzusehen und eine eigenständige Begriffsdefinition zu erarbeiten, die einen Rückgriff auf die undurchsichtigen Ausnahmeklauseln des § 17 I 2[70] obsolet macht. Hierbei muss man sich von der Vorstellung lösen, dass das Organhandelsverbot ausschließlich darauf abzielt, einen illegalen Markt zu zerschlagen, sondern der gesetzgeberische Wille vielmehr dahin geht, dass die Organspende "Spende" bleibt, mithin keiner der Beteiligten eine Leistung für das "Ob" der Transplantation erlangt und das gesetzgeberisch vorgesehene Verfahren nicht durch Eigeninteressen der Beteiligten untergraben wird.

Unter das Handeltreiben i.S.d. TPG fällt somit jede Abrede i.S.e. "do ut des", die einen Verstoß gegen die gesetzlich statuierten Pflichten i.R.e. Organspendeverfahrens bedeutet, um einen von diesem Verfahren nicht vorgesehenen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen. [71]

Dies wäre eine nicht minder radikale, aber wesentlich "ehrlichere" und deutlicher konturierte Definition, die von dem unpassenden Begriff des "Umsatzwillens" Abstand nimmt. Sie stellt in den Vordergrund, dass jedes Bestreben, aus eigennützigen Motiven das staatlich vorgesehene Verfahren einer Organtransplantation zu unterlaufen, strafbewehrt sein soll. Begrenzt wird der Tatbestand durch das Erfordernis einer synallagmatischen Abrede i.S.e. "do ut des", sodass nicht schlichtweg jede entgeltliche Tätigkeit erfasst wird.[72] Auf dem "aggressiven" Organmarkt werden derartige Abreden feststellbar sein, die sich ohnehin "außerhalb der gesetzlich statuierten Regelungen" bewegen und somit stets als Handeltreiben bewertet werden müssen. Alle sonstigen Hilfs- und Organisationstätigkeiten können dann auch (durch die Auflösung einer mit dem extensiven Begriff einhergehenden "faktischen" Einheitstäterschaft) als Beihilfe zum Organhandel erfasst werden. Die Abrede muss nicht stets den "Verkauf" von Organen i.S.e. (nach § 134 BGB unwirksamen) Vertrags zum Gegenstand haben. Insofern erfasst die hier vorgeschlagene Definition auch die sachwidrige und durch Manipulationen der Krankenlisten bewirkte Besserstellung einer Person auf der Warteliste gegen Entgelt, weil alle denkbaren Leistungen erfasst sind, die den Vorgang der Transplantation betreffen. Der Arzt macht sich somit jedenfalls nach hier vertretener Ansicht (aber wohl auch im Modell der h.M.) wegen Handeltreibens mit Organen strafbar, wenn er den Patienten eine frühere Erlangung des Organs durch eine sachwidrige Manipulation der Listen versprach, wenn diese ihm dafür Geld oder sonstige Vorteile materieller oder immaterieller Art gewährten.

IV. Fazit

Selbst bei einer konkretisierenden Auslegung wie sie hier vorgeschlagen wurde, müsste das Verhalten der Ärzte, gegen Entgelt die Listen zu manipulieren, als Handeltreiben mit Organen bewertet werden, wobei in 25 Fällen eine subjektive Absicht der gewerbsmäßigen Begehung nicht fern liegt, § 18 II TPG. Wenn man bedenkt, dass bzgl. der §§ 212, 222 StGB der Zurechnungszusammenhang Schwierigkeiten bereiten könnte, ist diese Subsumtion nicht zu unterschätzen. Zum Schluss sei angemerkt: Die hier gemachten Überlegungen sind als Denkanstöße innerhalb einer Diskussion zu verstehen, aus der sich die Rechtswissenschaft als zweiter "Ansprechpartner" nach der Medizin zumindest bis dato in auffälliger Art und Weise zurückhielt oder vielleicht auch schlicht zurückgehalten wurde (bspw. in Relation zur aktuellen Beschneidungsdiskussion).[73] Unabhängig davon, wie man zum Kommerzialisierungsverbot steht: Die dogmatischen Friktionen muss der Gesetzgeber schnellstens beseitigen, wozu in erster Linie eine Konturierung des Organhandelverbots überhaupt (also nicht nur des Handeltreibens als "Tathandlung") zählt, wenn man einen seriösen Normbefehl erreichen will. Ihm sei hierbei selbst überlassen, ob er an einer extensiven Ausgestaltung i.S.e. früh einsetzenden Strafbarkeitsrisikos einerseits und der Reichweite des Kommerzialisierungsverbots andererseits festhalten will. Er kann jedoch nicht auf eine "Konkretisierung" durch die Rechtsprechung vertrauen, da es sich beim Organhandel nicht um ein ubiquitäres Kriminalitätsphänomen handelt, mit dem sich Tatgerichte (anders als mit

BtM-Sachen) tagtäglich beschäftigen müssten.[74] Denkbar wäre aber auch eine Differenzierung zwischen aggressivem Organhandel und vorsätzlichen Verstößen gegen berufliche Sorgfaltspflichten als Beteiligter am offiziellen Verfahren (wobei man sich für oder gegen eine partielle Aufstufung der in § 20 genannten Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten aussprechen kann). Bevor man aber über schärfere Präventionsmaßnahmen (Stichwort "Sechs-12-24-Augen-Modell") einerseits, über erhöhte Strafrahmen andererseits nachdenkt, sollte man sich lieber nochmals darüber Gedanken machen, was man mit dem TPG eigentlich reguliert bzw. regulieren will und ob eine Strafbewehr noch zeit- und verfassungsgemäß ist, obwohl sie wohl mehr auf der Integrität des Transplantationswesens als "Sache des Staates" ("Organspendemonopol?") fußt, als auf Individualinteressen wie der Menschenwürde oder der körperlichen Integrität des Einzelnen.


[*] Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie am Lehrstuhl von Prof. Kudlich, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg.

[1] http://www.welt.de/politik/article13898423/Organspende-in-Deutschland-grundlegend-neu-geregelt.html – 15.05.2012, 16:22.

[2] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/073/1707376.pdf .

[3] http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/bundesrat-laesst-neuregelung-der-organspende-passieren-a-839045.html .

[4] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/090/1709030.pdf .

[5] http://www.sueddeutsche.de/thema/Organspende-Skandal .

[6] Ob die Initiative nach den Vorkommnissen am Göttinger Universitätsklinikum nunmehr erst recht in Angriff genommen werden sollte oder die Informationsbroschüren erst einmal wieder zurückgestellt und überarbeiten werden müssten, bis der Fall vollständig aufgeklärt ist, braucht an dieser Stelle nicht erörtert zu werden.

[7] Nun erstrecken sich die Ermittlungen auch auf das Universitätsklinikum Regensburg, vgl. http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/organspende-skandal-in-regensburg-enge-kontakte-mit-dem-chefarzt-1.1432777 .

[8] Vgl. die Berichte bei Fn. 1 und 3.

[9] Als "harsche Konsequenz" will man von nun an die Höhe der Ärzte-Gehälter nicht mehr an die Zahl der Transplantationen koppeln, vgl. http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/nach-organspende-skandal-in-goettingen-keine-leistungspraemien-mehr-a-846192.html .

[10] Zum dolus eventualis bei ärztlichen Entscheidungen zuletzt Kudlich NJW 2011, 2856.

[11] Dann müsste man aber auch an einen versuchten Mord gem. §§ 211 I, II 3. Var., 22 (Habgier) denken?

[12] Da nicht eine unmittelbare Tötung durch die Manipulation der Listen bewirkt, sondern "nur" eine "schleichende" Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands in Kauf genommen wird, kann von einer Abwägung "Leben gegen Leben" nicht die Rede sein.

[13] Die Frage, ob sich jemand gem. §§ 248b, 303 StGB strafbar macht, wenn er seinem Schlaganfall erleidenden Nachbarn anbietet, den Wagen eines Dritten aufzubrechen, um ihn so schnell wie möglich zum Krankenhaus zu fahren, hängt nicht davon ab, ob er es (nur) gegen Entgelt tut (freilich könnte man aber an Erpressung denken, wenn er dem Nachbarn droht, es nicht zu tun, wenn er ihn nicht dafür bezahlt; zur Drohung mit einem Unterlassen vgl. Eser/Bosch in Schönke/Schröder, 28. Aufl. (2010) § 253 Rn. 5.

[14] Ebenso ließe sich schließlich darüber diskutieren, ob ein strafbewehrter Verstoß gegen die konkretisierten Verfahrenspflichten nicht einen grundsätzlichen Vorrang gegenüber den allgemeiner gehaltenen Tötungsdelikten genießt, mithin die §§ 212, 222, 229 StGB sperrt.Im Hinblick darauf, dass solch ein verhaltensregulierendes Strafrecht meist kein Erfolgsunrecht voraussetzt und darüber hinaus (auch) überindividuelle Interessen bedient, würde die h.M. solch eine verdrängende Wirkung – wohl zu Recht – verneinen.

[15] Umgekehrt indiziert der Verstoß nicht nur regelmäßig eine Sorgfaltspflichtwidrigkeit, sondern steht auch einer Rechtfertigung im Normalfall entgegen: Die h.M. geht davon aus, dass eine eigenmächtige Beseitigung der Gefahr nicht gerechtfertigt ist, wenn die Lösung des Konflikts einem besonderen Verfahren bzw. einer Institution vorbehalten ist, selbst wenn sie in der konkreten Situation das einzige Mittel sein sollte, vgl. Sch/Sch/Lenckner/Perron (Fn. 13) § 34 Rn. 41. Ebenso besteht allerdings Konsens darüber, dass kein Verfahrensgesetz jeden erdenklichen (auch atypischen) Konflikt abschließend regelt, sodass § 34 StGB auch niemals abschließend "verdrängt" werden kann. Zu diesen Ausnahmen vgl. nur Roxin, AT I, 4. Aufl. (2006) § 14 Rn 49 f.; speziell zu den anerkannten Ausnahmen im Organspendeverfahren Joecks in Münchener Kommentar zum StGB, Bd.1, 2. Aufl. (2011), § 34 Rn. 197 f.; Kühl AT, 6. Aufl. (2008) § 8 Rn. 72.; monographisch hierzu Diettrich, Organentnahme und Rechtfertigung durch Notstand (2003).

[16] Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Listenmanipulation als solches ohnehin nicht als unmittelbare Tötungshandlung angesehen werden kann, sondern nur ein "Rettungsprozess" verhindert wird. Doch bedenkt man hierbei, dass nicht die "klassische" Situation eines Abbruchs von Rettungshandlungen im Raume steht, sprich der Arzt durch sein "proaktives" Verhalten diese nicht einmal vollends verhindert, sondern nur nach hinten verlagert hat, erscheint eine Zurechnung zumindest nicht selbstverständlich.

[17] http://www.abendblatt.de/ratgeber/article2362561/Transplantationsskandal-Ermittler-suchen-nach-Beweisen-fuer-Organhandel.html .

[18] Die Normen des TPG sind schon deswegen nicht zu unterschätzen, weil die Strafbarkeit des Verhaltens – was den Korruptionsverdacht angeht – von Parametern abhängt, welche nichts an der Strafwürdigkeit des Verhaltens ändern, insb. die Stellung als Amtsträger. Soweit die Staatsanwaltschaft wegen Bestechlichkeit gem. §§ 331 ff. StGB ermittelt, müsste die Vorschrift verneint werden, wenn es sich nicht um Universitätsärzte handelte und es damit an der Amtsträgereigenschaft fehlt, während § 299 StGB an der Angestellten- bzw. Beauftragteneigenschaft scheitert.

[19] Jedenfalls nicht mehr als ein "Stichwort" ohne strafrechtlichen Bezug.

[20] Es kann nur vermutet werden, ob dies damit zusammenhängt, dass der Organhandel in Deutschland nicht im Kernstrafrecht geregelt ist (im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen, siehe nur Art. 91 des türkischen Strafgesetzbuchs). Jedenfalls sehen auch die Körperverletzungsdelikte keine Strafschärfung für vorsätzliche Organentnahmen vor; nur mittelbar können die damit verbundenen Folgen als "schwere" Folge (Siechtum, Lähmung) zu einer vorsätzlichen, schweren Körperverletzung führen, § 226 II StGB. Dagegen sind nach h.M. "innere Organe", insb. die Niere nicht vom Begriff des "besonders wichtigen Glieds" erfasst, vgl. hierzu BGHSt 28, 100.

[21] http://www.tagesspiegel.de/politik/transplantationsskandal-der-goettinger-organspende-skandal-offenbart-die-schwaechen-des-systems/6931468.html .

[22] Das Organhandelsverbot durchlief auch Entwürfe, die eine Verortung der dazugehörigen Strafvorschrift im StGB vorsahen (§ 302 StGB-E sowie § 298 StGB-E), vgl. König, Strafbarer Organhandel, 1999, S. 99 ff.; zur Entwicklung des TPG vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 6. Aufl. (2008), S. 555 ff.

[23] Vgl. hierzu Jung JZ 2004, 559.

[24] Man denke an das zugrundegelegte Modell, das im deutschen Recht mit der (ursprünglich erweiterten Zustimmungslösung) "Entscheidungslösung" wesentlich liberaler ausgefallen ist, als bspw. in Spanien, das sich für eine Widerspruchslösung entschied (die aktuelle Diskussion rund um den § 44 des Meldegesetzes dürfte demonstriert haben, welche Breitenwirkung solch eine "Umwandlung" in der medialen Diskussion haben kann, vgl. http://www.sueddeutsche.de/digital/umstrittenes-meldegesetz-staedte-duerfen-daten-ihrer-buerger-verkaufen-1.1404929 ).

[25] Viele dieser Streitfragen werden in dem Sammelband von Lilie/Rosenau/Hakeri aufgegriffen, der i.R.d. 6. Deutsch-Türkischen Symposium zum Medizin- und Biorecht, 2011, entstand. Zum Hirntod als Kriterium des Todes Heun JZ 1996, 213; Höfling MedR 1996, 6; monographisch Kloth, Rechtsprobleme der Todesbestimmung und der Organentnahme von Verstorbenen, 1994; zur Verteilungsgerechtigkeit in der Transplantationsmedizin Höfling JZ 2007, 481.

[26] Vgl. MK-StGB/Tag (Fn. 15) Vor §§ 1 ff. TPG Rn. 3 ff.

[27] Dieser Harmonisierungsprozess wird wiederum von den unterschiedlichen Wertvorstellungen innerhalb einer Rechtsgemeinschaft konterkariert was Inhalt und Reichweite der Vorschriften angeht. Dieser Aspekt wird häufig als Grund für die bisherige legislatorische Zurückhaltung im Bereich des Transplantationswesens genannt, vgl. MK-StGB/Tag (Fn. 15) Vor §§ 1 ff. TPG Rn. 3 ff.

[28] Ob sein Verhalten tatsächlich über § 34 StGB gerechtfertigt werden kann, steht auf einem anderen Blatt geschrieben, vgl. hierzu bereits Fn. 15.

[29] König in Schroth/König/Gutmann/Oduncu, Transplantationsgesetz (2005), § 18 TPG Rn. 60.

[30] Dies schon deswegen nicht, weil allein schon aufgrund der Existenz privater Krankenversicherung jedem bewusst sein dürfte, dass es keinen "Verpflegungskommunismus" gibt und eine bessere Behandlung (und somit längere Lebenszeit?) nicht selten eine Frage des Geldes ist.

[31] Vgl. auch § 10 TFG: (1) Die Spendeentnahme soll unentgeltlich erfolgen. Der spendenden Person kann eine Aufwandsentschädigung gewährt werden, die sich an dem unmittelbaren Aufwand je nach Spendeart orientieren soll; http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Studentin-finanziert-sich-mit-Blutspenden-und-Kinderbetreuung-1403610703 .

[32] http://www.sueddeutsche.de/karriere/studie-zu-sexarbeit-unter-studierenden-studentenjob-prostitutierte-1.1098538 .

[33] Bei Berichten über 17-jährige Jugendliche in China, die ihre Niere für den Neuerwerb eines IPods verkaufen ( http://www.spiegel.de/panorama/justiz/illegaler-organhandel-in-china-137-festnahmen-nach-razzien-a-848336.html ), gewinnt das "slippery-slope- bzw. Dammbruchargument" an Überzeugungskraft, vgl. MK-StGB/Tag (Fn. 15) § 18 TPG Rn. 4; Niemandem dürfte die Vision von einer möglichen "Zwangsvollstreckung in die Niere" gefallen, wie sie in dem Zukunftsthriller Repo Men aufgearbeitet wird, vgl. hierzu http://de.wikipedia.org/wiki/Repo_Men .

[34] Zum Paternalismus im TPG am Beispiel der Lebendnierenspende Schroth in, Hirsch/Neumann/Seelmann (Hrsg.), Paternalimus im Strafrecht (2010), S. 205 ff.; ders. bereits FS-Schreiber (2003), S. 843.

[35] Walther in Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 3 TPG Rn. 1.

[36] Niemand kann allerdings dazu verpflichtet werden, sich tatsächlich zu entscheiden, § 2 Abs. 2a TPG n.F., vgl. BT Drs. 17/9030, S.8.

[37] Insofern wird der Zweck des Gesetzes erstmals ausformuliert und vor den sachlichen Anwendungsbereich und den Begriffsdefinitionen positioniert (vgl. BT-Drs. 17/9030, S. 7).

[38] Siehe Fn. 2.

[39] Zusammengefasst bei Di Bella RDG 2012, 36.

[40] Freilich treibt der Empfänger allerdings mangels Umsatzwillens keinen Handel, vgl. noch im Folgenden, sondern er – um die Parallele zum Betäubungsmittelstrafrecht zu ziehen – erwirbt sozusagen "Organe zum Eigenverbrauch" in strafbarer Weise, §§ 17 II, 18 TPG.

[41] Hierzu krit. Schroth JZ 1997, 1149 (1151).

[42] Vgl. bereits Fn. 20.

[43] Zu derartigen Überlegungen bereits Oğlakcıoğlu ZIS 2011, 743 (744).

[44] BGHSt 50, 252 = HRRS 2005 Nr. 871.

[45] Zum Begriff des Eigennutzes monographisch Beisheim, Eigennutz als Deliktsmerkmal im Strafrecht, 1994.

[46] Aus der ständigen Rechtsprechung RG DJZ 1932 Sp. 808; BGHSt 6, 246; BGHSt 25, 290; 34, 124; BVerfG 2007, 1193; aus dem betäubungsmittelrechtlichen Schrifttum Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl. (2012), § 29 BtMG Teil 4 Rn. 24; Weber, BtMG, 3. Aufl. (2009), § 29 BtMG Rn. 153 f.

[47] Vgl. Weider, Vom Dealen mit Drogen und Gerechtigkeit, 2000, S. 15; zum Ganzen vgl. die aktuelle Dissertation von Skoupil, Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (2012), der in seiner Abhandlung zum Ergebnis kommt, dass auch nach der Entscheidung des Großen Senats (vgl. Fn. 44) zum Ergebnis kommt, dass die ergangene Rechtsprechung "insgesamt heterogen" und immer noch "widersprüchlich" ist, vgl. S 297.

[48] Die der Verfasser in seiner Dissertation zur Anwendung der Vorschriften des Allgemeinen Teils auf die Delikte des Betäubungsmittelstrafrechts daher als "multiples Tätigkeitsdelikt" bezeichnet, vgl. 3. Teil, B. II. 1. a. dd.

[49] Zum Ganzen Paul MedR 1999, 214.

[50] Etwa wie § 3 BtMG, der erlaubnisfähige Verhaltensweisen aufzählt.

[51] Insofern macht die vom Gesetzgeber verwendete Blanketttechnik jedenfalls an dieser Stelle keinen Sinn; § 17 hat damit nur die Funktion, die Ausnahmen vom Organhandelsverbot zu nennen.

[52] Weswegen es auch verfehlt anmutet, überhaupt von einer fehlenden Verkehrsfähigkeit von Drogen zu sprechen, die womöglich einer Fremdheit i.S.d. §§ 242, 303 StGB entgegenstehen soll (abgesehen davon, dass selbst solch eine fehlende Verkehrsfähigkeit nichts an der Eigentumsfähigkeit von Drogen änderte, vgl. hierzu Kudlich in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB (2009) § 242 StGB Rn. 16.

[53] Vgl. Schroth/König/Gutmann/Oduncu (Fn. 29) §§ 17, 18 TPG Rn. 16; Krit. BSG JZ 2004, 464.

[54] Nämlich gar keinen, vgl. SSW/Kudlich (Fn. 52) § 244 Rn. 11.

[55] Zusammengefasst bei MK-StGB/Tag (Fn. 15) § 18 TPG Rn. 3 ff.

[56] Dies gilt natürlich nur insofern, als man den mit der grundsätzlichen Kriminalisierung des Organhandels einhergehenden Paternalismus akzeptiert.

[57] Zumindest sind inzwischen auch "echte Versuchskonstellationen" beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln anerkannt, vgl. Körner/Patzak (Fn. 46) § 29 BtMG Teil 4 Rn. 65, sodass der Anordnung der Versuchsstrafbarkeit im TPG ebenfalls ein (praktisch freilich unbedeutender) Anwendungsbereich verbliebe.

[58] Ausführlich herausgearbeitet bei König (Fn. 22), S. 150 ff.

[59] Selbst die Transplantation der Leber eines Alkoholkranken ist immer noch besser, als gar keine Leber!

[60] Krit. auch Weber, Der Begriff des Handeltreibens (2008), S. 438.

[61] Schroth/König/Gutmann/Oduncu (Fn. 29) Vor § 17, 18 TPG Rn. 3; vgl. auch Weber (Fn. 60), S. 559.

[62] Umgekehrt würde eine "strikte" Übertragung der Rechtsprechung dazu führen, dass Angebote ohne Bindungswillen aus dem Raster fallen würden, obwohl diese nach dem Willen des Gesetzgebers im TPG eigentlich erfasst sein müssten (etwa Werbung für Organe zum Verkauf).

[63] Zum Nachteilsausgleich (Fahrtkosten etc.) und zur Abwendung wirtschaftlicher Vorteile Schroth/König/Gutmann/Oduncu (Fn. 29) Vor § 17, 18 TPG Rn. 27 f.

[64] Vgl. hierzu umfassend Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, 2004, S. 25 ff., 31 f., 65.

[65] § 17 I 2 Nr.2 TPG nimmt dagegen Arzneimittel aus dem Tatbestand, die aus oder unter Verwendung von Organen hergestellt sind.

[66] Schroth/König/Gutmann/Oduncu (Fn. 29) §§ 17, 18 TPG Rn. 35, 40, 43, 44.

[67] Mittelbar deswegen, weil nicht nur der "Verkauf" der Organe erfasst ist, sondern auch Handlungen, die für die Abwicklung des "Verkaufs" vorgenommen werden müssen.

[68] Dafür spricht, dass der BGH beim Handeltreiben selbst Tätigkeiten ausreichen lässt, die rein gar nichts mehr mit einem Handel i.w.S. zu tun haben. So soll bspw. der Diebstahl von Drogen mit Umsatzwillen (zumindest nach strittiger Ansicht unter den Senaten) als vollendetes Handeltreiben zu bewerten sein, vgl. BGHSt 30, 359.

[69] § 12 III TPG: " Die vermittlungspflichtigen Organe sind von der Vermittlungsstelle nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit für geeignete Patienten zu vermitteln.2 Die Wartelisten der Transplantationszentren sind dabei als eine einheitliche Warteliste zu behandeln.3 Die Vermittlungsentscheidung ist für jedes Organ unter Angabe der Gründe zu dokumentieren und unter Verwendung der Kenn-Nummer dem Transplantationszentrum und der Koordinierungsstelle zu übermitteln, um eine lückenlose Rückverfolgung der Organe zu ermöglichen".

[70] Die im Übrigen auch nichts an der Reichweite des Handeltreibens ändert und damit das Problem der "faktischen Einheitstäterschaft" nicht beseitigen kann, vgl. auch Weber (Fn. 60), S. 562.

[71] In eine andere Richtung tendiert BSG JZ 2004, 464, der die Restriktion über das Merkmal der "Gefahr der Ausbeutung im weitesten Sinne" erreichen will. Schroth/König/Gutmann/Oduncu (Fn. 29) §§ 17, 18 TPG Rn. 17 wendet hiergegen zu Recht ein, dass der Gesetzgeber nicht ausschließlich die Ausbeutung erfasst haben will, sondern ein generelles Kommerzialisierungsverbot schaffen wollte; krit. auch Weber (Fn. 60), S. 560, der eine rechtsgutsbezogene (und damit kasuistische) Einschränkung orientiert an der Gefahr einer Selbstkorrumpierung befürwortet, vgl. S. 562.; im Übrigen fällt es auf, dass das Organhandelsverbot bzw. der Begriff des Handeltreibens bis auf die wenigen Ausnahmen (Schroth, König) eher kritisch gesehen, aber in der einschlägigen Literatur eher "stiefmütterlich" behandelt wird, vgl. Deutsch/Spickhoff (Fn. 22), S. 576 f.; Ulsenheimer in Handbuch des Arztrechts (Hrsg. Laufs/Kern), 4. Aufl. (2010), § 142 Rn. 39; Roth in Prütting (Hrsg.), Fachanwaltskommentar Medizinrecht (2010), § 17 TPG Rn. 1 ff.

[72] Dies erscheint mir konsequenter, als den Rat des Gesetzgebers, den Begriff des Handeltreibens auf das TPG zu übertragen für zwingend zu erachten und stattdessen dann mit ebenso undurchsichtigen Begrifflichkeiten wie der Sozialadäquanz eine Einschränkung erreichen zu wollen.

[73] Man mag wahrscheinlich den ersten Hinweis, den jeder Rechtswissenschaftler in diesem Zusammenhang als erstes machen würde (nämlich – wie hier -, dass das TPG erst so eben umfassend reformiert wurde), gar nicht hören wollen.

[74] Vgl. LG München I NJW 2002, 2265, wonach bereits durch das Versenden von Telefax-Anfragen an Krankenhäuser, in denen der Verkauf von Organen angeboten wird, zur Verwirklichung des Tatbestands des Organhandels unmittelbar angesetzt wird.