HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2011
12. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zum Begriff der subventionserheblichen Tatsachen (§ 264 Abs. 8 StGB)

Besprechung des Beschlusses des 5. Strafsenats des BGH vom 30. September 2010 = HRRS 2010 Nr. 1097

Von Rechtsanwalt Dr. Markus Adick *

I.

Mit Beschluss vom 30. September 2010 [1] hat der BGH ein Urteil des LG Potsdam aufgehoben, das den Angeklagten wegen Subventionsbetrugs zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Der BGH bestätigte die gerügte Verletzung sachlichen Rechts; insbesondere sei nach den Feststellungen des LG "nicht belegt, dass der Angeklagte unrichtige oder unvollständige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen im Rechtssinn gemacht" habe. [2] Der Beschluss verdient Beachtung, weil er den Blick mit § 264 Abs. 8 StGB auf ein Tatbestandsmerkmal lenkt, das in der Praxis nicht selten vorschnell bejaht wird. Für den Beschuldigten stellt dies ein erhebliches Risiko dar: Unterbleibt eine sorgfältige Prüfung des Merkmals, wird das Strafverfahren wegen § 264 StGB geführt, obwohl dessen sachlicher Anwendungsbereich möglicherweise (unerkannt) nicht eröffnet ist und allenfalls der bereits im objektiven Tatbestand wesentlich enger gefasste allgemeine Betrugstatbestand nach § 263 StGB in Betracht kommt.[3] Die Prüfung der Subventionserheblichkeit jeder einzelnen Tatsache kann deshalb für den Beschuldigten entscheidend sein. Der vorliegende Beitrag nimmt den vorstehend zitierten Beschluss zum Anlass, die Merkmale von § 264 Abs. 8 StGB zu untersuchen und insbesondere darauf hinzuweisen, dass die in behördlichen Formularen verwendeten Passagen zur Subventionserheblichkeit regelmäßig nicht den Anforderungen an die Bezeichnungspflicht des Subventionsgebers entsprechen. Auch angesichts der erheblichen Strafdrohung in Verbindung mit dem weit gefassten Tatbestand spricht sich der Beitrag dafür aus, in Zweifelsfällen eine Anwendbarkeit von § 264 StGB zu verneinen.

II.

Der Bezug auf subventionserhebliche Tatsachen ist das gemeinsame Merkmal der Tathandlungen von § 264 Abs. 1 Nr. 1 sowie Nr. 3 und Nr. 4 StGB.[4] Die Vorschrift scheint insoweit auf den ersten Blick eine Parallele zu § 370 Abs. 1 AO aufzuweisen, der Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen erfasst. Allerdings besteht ein gravierender Unterschied zwischen dem Steuer- und dem Subventionsstrafrecht bei der Bestimmung der Erheblichkeit im Rechtssinn: Während im Steuerstrafrecht ein materielles Begriffsverständnis gilt und als steuerlich erhebliche Tatsachen i.S.v. § 370 AO solche definiert werden, die für die Besteuerung von Bedeutung sind respektive zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestandes herangezogen werden, [5] gilt ein solches materielles Verständnis für § 264 StGB gerade nicht.[6] Vielmehr ist nach § 264 Abs. 8 StGB entweder die formale Bezeichnung als subventionserhebliche Tatsache (Abs. 8 Nr. 1)

oder eine gesetzliche Abhängigkeit (Abs. 8 Nr. 2) erforderlich.[7] An dieser Stelle entscheidet sich, ob sachlich der Anwendungsbereich des Spezialtatbestandes von § 264 StGB oder des allgemeinen Betrugstatbestandes nach § 263 StGB eröffnet ist.

1.

Nach der ersten Variante von § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB müssen Tatsachen "durch ein Gesetz" als subventionserheblich bezeichnet sein. In Betracht kommen Gesetze im formellen und materiellen Sinne, also insbesondere auch Rechtsverordnungen oder Satzungen.[8] Nicht ausreichend sind hingegen ministerielle Erlasse[9] oder andere Regelungswerke ohne Gesetzesqualität. [10] Insbesondere die vermeintlich einschlägigen §§ 3 bis 5 SubvG scheiden für § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB aus. Entgegen der gesetzlichen Anforderung bezeichnen sie keine subventionserheblichen Tatsachen, sondern setzen diese vielmehr selbst voraus. Der Begriff "subventionserheblich" muss nicht zwingend wörtlich verwendet werden; die Kennzeichnung muss jedoch eindeutig sein und es genügt nicht, wenn sich die Erheblichkeit erst aus dem Zusammenhang ergibt.[11]

Nach der zweiten Variante von § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB sind Tatsachen subventionserheblich, die von dem im konkreten Fall maßgeblichen Subventionsgeber "auf Grund eines Gesetzes" ausdrücklich als im konkreten Fall subventionserheblich bezeichnet sind. In diesen Konstellationen ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob die Bezeichnung hinreichend konkret ist. Denn regelmäßig enthalten von Subventionsbehörden verwendete (Antrags-)Formulare Textbausteine, nach denen der Antragsteller erklärt, er wisse um die Subventionserheblichkeit von ihm gemachter Angaben. In aller Regel verfehlen diese Passagen die Anforderungen von § 264 Abs. 8 StGB. Bereits im Jahr 1980 verwarf das LG Düsseldorf[12] eine Formulierung in einem Subventionsantrag, nach der "alle Tatsachen, von denen die Gewährung oder das Belassen der Bürgschaft abhängig ist, subventionserhebliche Tatsachen i.S.d. § 264 StGB" seien sollten. Das LG Düsseldorf stellte klar, dass eine korrekte Bezeichnung nur vorliegt, wenn sie klar und unmissverständlich auf den konkreten Fall bezogene Angaben enthält. Nur so könne dem Antragsteller mit der erforderlichen Deutlichkeit vor Augen geführt werden, welche Risiken er mit auch nur leichtfertig unrichtigen oder unvollständigen Angaben eingehe. [13] Formelhafte Wendungen dieser Art, die sich auch über 30 Jahre später noch in Formularen der Subventionsbehörden finden, genügen den auch vom BGH konkretisierten Anforderungen an die Bezeichnungspflicht des Subventionsgebers nicht. Der 3. Strafsenat des BGH hat "angesichts der zahlreichen Normativbegriffe des Subventionsrechts" von dem Subventionsgeber "klare und unmissverständliche, auf den konkreten Fall bezogene Angaben" gefordert. [14] Zum Einen solle das Augenmerk des Subventionsnehmers auf bestimmte Tatsachen gelenkt werden, zum Anderen müssten auch der Subventionsgeber und die Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzt werden, Täuschungen zu erkennen, [15] sondern auch Strafverfolgungsbehörden Ausdrücklich hat er betont, eine solche nicht an inhaltlichen Kriterien orientierte, sondern auf die formale Bezeichnung einer Tatsache abstellende Regelung könne zu mit dem Gerechtigkeitsgefühl nur schwer zu vereinbarenden Strafbarkeitslücken führen. Dies sei jedoch "als Folge der sich in dem Gesetzeswortlaut widerspiegelnden Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen"; anderenfalls werde der Tatbestand wider das Analogieverbot strafbarkeitsbegründend erweitert.[16]

2.

Nach § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB sind Tatsachen subventionserheblich, von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich abhängig ist. Die Vorschrift erfasst Sachverhalte, in denen eine ausdrückliche Bezeichnung als subventionserheblich fehlt oder diese unwirksam ist, dem Gesetz selbst aber sonst - wenn auch erst mit Hilfe der üblichen Interpretationsmethoden - entnommen werden kann, unter welchen Voraussetzungen die Subvention gewährt wird.[17] Ebenso wie bei § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB verlangt der BGH, dass auch das Gesetz mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringt, welche Tatsachen subventionserheblich sind. Hieran fehlt es in der Regel, wenn das Gesetz dem Subventionsgeber einen Ermessenspielraum einräumt, weil die Subventionserheblichkeit im konkreten Einzelfall nicht allein dem Gesetz zu entnehmen ist.[18]

III.

Sind die subventionserheblichen Tatsachen nicht hinreichend konkret bezeichnet, ist § 264 StGB nicht anwendbar. An einer hinreichend konkreten Bezeichnung fehlt es, wenn und soweit der Antragsteller selbst aus den Unterlagen "herauslesen" muss, von welchen Tatsachen die Subventionsvergabe abhängt.[19] Diese enge Auslegung korrespondiert mit der Rechtsprechung des BGH zu Abs. 8 Nr. 2. Insoweit hat der BGH mit dem eingangs zitierten Beschluss vom 30. September 2010 klargestellt, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung der Subvention "allein dem Gesetz zu entnehmen" sein müssen und die Kenntnis des Gesetzes allein weder für den potenziellen Täter noch für die Strafverfolgungsorgane

genügt.[20] Bestehen Zweifel an einer wirksamen Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen, scheidet § 264 StGB aus. Diese Schlussfolgerung entspricht dem formalen Charakter der Vorschrift, aber sie ist keine bloße "Förmelei". Gerechtfertigt wird sie auch dadurch, dass § 264 StGB im Tatbestand weit gefasst ist und zusätzlich einen weiten Strafrahmen eröffnet; soweit die Vorschrift bereits leichtfertiges Handeln[21] mit Kriminalstrafe bedroht, steht dies zur leichtfertigen Steuerhinterziehung nach § 378 AO in offenkundigem Wertungswiderspruch. [22] Schließlich bestätigt die nicht fern liegende Gefahr, dass wegen leichtfertigen Subventionsbetruges verurteilt und auf eine "bloße Verdachtsstrafe für nicht beweisbares vorsätzliches Handeln" erkannt werden könnte,[23] die hier geforderte restriktive Handhabung. Denn das Argument, bei Verstößen gegen die Bezeichnungspflicht entfalle der Vorsatz,[24] ist zwar richtig, in der forensischen Praxis jedoch zumeist schwer zu effektuieren.


* Der Verfasser ist Strafverteidiger und für FGS Flick Gocke Schaumburg in Bonn tätig.

[1] BGH, Beschl. v. 30.9.2010 - 5 StR 69/10 = HRRS 2010 Nr. 1097 = NStZ-RR 2011, 81 ff.

[2] BGH NStZ-RR 2011, 81.

[3] Vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. (2011), § 264 Rn. 54a; Bender in: Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. (2011), § 52 Rn. 22 und Rn. 47f.

[4] Vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. (2011), § 264 Rn. 10: "Er verfolgt den Zweck, für alle am Vergabeverfahren Beteiligten über die Subventionsvoraussetzungen und die Relevanz von Täuschungshandlungen möglichst große Klarheit zu schaffen." Ob dies gelungen ist, erscheint zweifelhaft. Teilweise wird § 264 StGB auch, aber nicht ausschließlich, im Hinblick auf die Bestimmung der subventionserheblichen Tatsachen durch den Subventionsgeber für verfassungswidrig gehalten, vgl. Fischer (Fn. 3), § 264 Rn. 3 m.w.N.

[5] Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rn. 231; Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. (2009) § 370 AO Rn. 9.

[6] MüKo-StGB/Schmitz/Wulf, § 370 AO Rn. 232; Fischer (Fn. 4), § 264 Rn. 13; Schönke/Schröder-Perron, StGB, 28. Aufl. § 264 Rn. 27.

[7] Vgl. BeckOK-StGB/Momsen, § 264 Rn. 16: "Eine Tatsache wird allein durch die formelle Bezeichnung in § 264 Abs. 8 als solche subventionserheblich."

[8] Fischer (Fn. 4), § 264 Rn. 13

[9] BGHSt 44, 233 = NJW 1999, 1196 ff.; Fischer (Fn. 4), § 264 Rn. 13; Momsen (Fn. 8), § 264 Rn. 17; Bender (Fn. 4), § 52 Rn. 19.

[10] Vgl. Fischer (Fn. 4), § 264 Rn. 13; AnwK-StGB/Gercke, § 264 Rn. 13.

[11] Gercke (Fn. 11), § 264 Rn. 13; Bender (Fn. 4), § 52 Rn. 21.

[12] LG Düsseldorf, Urt. v. 14.11.1980 - X - 24/80 = NStZ 1981, 223; zust. Ranft, NJW 1986, 3163, 3164.

[13] LG Düsseldorf NStZ 1981, 223.

[14] BGH NJW 1999, 1196, 1197.

[15] BGH NJW 1999, 1196, 1197.

[16] BGH NJW 1999, 1196, 1197.

[17] BGH NStZ-RR 2011, 81.

[18] BGH NStZ-RR 2011, 81.

[19] Vgl. Ranft (Fn. 13), 3164; BGH NJW 1999, 1196, 1197.

[20] BGH NStZ-RR 2011, 81.

[21] Zum Nachweis der Leichtfertigkeit vgl. BGH, Beschl. v. 20.5.2010 - 5 StR 138/10 = HRRS 2011 Nr. 182.

[22] Fischer (Fn. 4), § 264 Rn. 3; Gercke (Fn. 11), § 264 Rn. 2.

[23] Vgl. Fischer (Fn. 4), § 264 Rn. 3 m.N. 62.

[24] Vgl. Momsen (Fn. 7), § 264 Rn. 20 und Rn. 32; Perron, (Fn.6), § 264 Rn. 62 zur Abgrenzung jeweils in Betracht kommender Irrtumskonstellationen.