HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2009
10. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

483. BGH 1 StR 627/08 - Urteil vom 17. März 2009 (LG Nürnberg-Fürth)

BGHSt; Hinterziehungsumfang bei der Umsatzsteuer (Steuerhinterziehung „auf Zeit“; unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung; Hinterziehungszinsen; Erfolgsunrecht und Handlungsunrecht); Strafzumessung bei Tatserien im Fall der Umsatzsteuerhinterziehung (kurze Freiheitsstrafe statt Geldstrafe); auf den Strafausspruch und auf die Wahl der Strafart beschränkte Revision (untrennbarer Zusammenhang); rechtsfehlerhafte Annahme einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit.

§ 370 Abs. 1 und 4 AO; § 18 UStG; § 46 StGB; § 47 StGB; § 21 StGB; § 344 StPO

1. Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern bemisst sich der Umfang der verkürzten Steuern oder erlangten Steuervorteile auch dann nach deren Nominalbetrag, wenn die Tathandlung in der pflichtwidrigen Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung im Sinne von § 18 Abs. 1 UStG liegt. Der Umstand, dass in solchen Fällen im Hinblick auf die Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) zunächst nur eine Steuerhinterziehung „auf Zeit“ gegeben ist, führt nicht dazu, dass der tatbestandsmäßige Erfolg lediglich in der Höhe der Hinterziehungszinsen zu erblicken wäre. (BGHSt)

2. Zur Strafzumessung bei Tatserien. (BGHSt)

3. Scheitert die vom Täter zunächst beabsichtigte Schadenswiedergutmachung daran, dass es ihm nach einer wahrheitsgemäßen Umsatzsteuerjahreserklärung aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich ist, den Unterschiedsbetrag im Sinne von § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG nachzuentrichten, kommt es ebenfalls zu einer dauerhaften Verkürzung der Steuer. Im Rahmen der Strafzumessung kann dem Täter dann zwar zugute gehalten werden, dass er bei der Tatbegehung eine spätere Schadenswiedergutmachung vorhatte. Waren allerdings bereits bestehende finanzielle Schwierigkeiten Motiv für die Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen, relativiert dies

die strafmildernde Bedeutung der Wiedergutmachungsabsicht. Die „Absicht“ der Wiedergutmachung erweist sich dann als bloße - oft sogar unrealistische - „Hoffnung“. (Bearbeiter)

4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der der Senat festhält, stehen Steuerhinterziehungen wegen der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen und solche, bezogen auf die Pflicht zur rechtzeitigen Einreichung einer zutreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung, auch dann im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander, wenn sie dasselbe Kalenderjahr betreffen (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH wistra 2005, 66; 2005, 145, 146; 2005, 228, 229). Aufgrund der steuerrechtlichen Selbstständigkeit beider Besteuerungsverfahren kommt einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung im Verhältnis zu vorangegangenen unzutreffenden monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen in demselben Kalenderjahr in steuerstrafrechtlicher Hinsicht ein selbständiger Unrechtsgehalt zu. (Bearbeiter)

5. Die Steuerhinterziehung aufgrund der Verletzung der Pflicht zur (rechtzeitigen) Abgabe einer wahrheitsgemäßen Umsatzsteuerjahreserklärung ist keine mitbestrafte Nachtat, wenn der Täter bereits wegen Verletzung seiner Pflicht zur (rechtzeitigen) Abgabe zutreffender Umsatzsteuervoranmeldungen strafbar ist (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH NStZ 1996, 136, 137). Dies gilt selbst dann, wenn die unrichtigen Angaben in der Umsatzsteuerjahresanmeldung und vorangegangenen Umsatzsteuervoranmeldungen inhaltlich übereinstimmen. (Bearbeiter)

6. Dem Umstand, dass die umsatzsteuerlichen Pflichten zur Abgabe für das jeweilige Kalenderjahr eng verzahnt sind und im Ergebnis der Durchsetzung desselben Steueranspruchs dienen, ist bei gleichzeitiger Aburteilung bei der Gesamtstrafbildung Rechnung zu tragen (BGH wistra 2005, 145, 147). Im Hinblick auf die Teilidentität im Unrechtsgehalt zwischen unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen und der dasselbe Jahr betreffenden Jahreserklärung wird aber das Tatgericht im Regelfall in Verfahren dieser Art gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Verfolgung entweder auf die falsche Umsatzsteuerjahreserklärung oder die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen beschränken können (vgl. BGHSt 49, 359, 365). (Bearbeiter) 7. Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch nicht notwendig Verletzungsdelikt (vgl. Senat wistra 2009, 114, 117). Die im Festsetzungsverfahren begangene Steuerhinterziehung ist vielmehr konkretes Gefährdungsdelikt, wobei die geschuldete Steuer bereits dann verkürzt ist, wenn die Steuer nicht rechtzeitig festgesetzt wird. (Bearbeiter)

8. In Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte, von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, liegt die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen nach § 47 StGB in den Einzelfällen mit geringeren Schäden nahe. Auch bei der Zumessung der Einzelstrafen muss die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamtschaden in den Blick genommen werden (BGH NStZ 2001, 311; NStZ 2004, 554). Dies gilt auch bei Steuerstraftaten (vgl. BGH HFR 1995, 227). (Bearbeiter)

9. Eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB kommt nur in Betracht, wenn die Schuldfähigkeit „bei Begehung der Tat erheblich vermindert“ war. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei derjenige der Tathandlung im Sinne von § 8 Satz 1 StGB. Werden innerhalb eines längeren Zeitraums mehrere Taten begangen, ist deshalb die Prüfung nicht generell, sondern in Bezug auf jede einzelne Tat vorzunehmen (vgl. BGH NStZ 2004, 437, 438; NStZ-RR 2007, 105, 106). (Bearbeiter)


Entscheidung

480. BGH 1 StR 479/08 – Beschluss vom 17. März 2009 (LG Nürnberg-Fürth)

BGHSt; Umsatzsteuerhinterziehung (steuerrechtliche Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auch nach vorsätzlicher Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung; nemo-tenetur-Grundsatz; Selbstbelastungsfreiheit; Suspendierung der Erklärungspflicht; Konkurrenzen).

Art. 6 EMRK; Art. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; § 153 Abs. 1 AO; § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO; § 153 AO; § 371 AO; § 27b UStG

1. Eine steuerrechtliche Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO besteht auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Angaben bei Abgabe der Steuererklärung nicht gekannt, aber billigend in Kauf genommen hat und er später zu der sicheren Erkenntnis gelangt ist, dass die Angaben unrichtig sind. (BGHSt)

2. Die sich aus § 153 AO ergebende steuerrechtliche Pflicht zur Berichtigung von mit bedingtem Hinterziehungsvorsatz abgegebenen Erklärungen wird strafrechtlich erst mit der Bekanntgabe der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens suspendiert, das die unrichtigen Angaben erfasst (im Anschluss an BGHSt 47, 8, 14). (BGHSt)

3. Ist eine wirksame Selbstanzeige lediglich deshalb nicht möglich, weil der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, die hinterzogenen Steuern innerhalb einer angemessenen Frist nachzuentrichten (§ 371 Abs. 3 AO; vgl. dazu BVerfG wistra 1988, 302), kommt eine derartige Suspendierung der Strafbewehrung der steuerlichen Berichtigungspflicht jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige bei pflichtgemäßer und rechtzeitiger Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten zur Zahlung noch in der Lage gewesen wäre. (Bearbeiter)

4. Hat der Steuerpflichtige bewusst unrichtige Voranmeldungen abgegeben, besteht bereits keine steuerrechtliche Anzeige- und Berichtigungspflicht gemäß § 153 AO. Denn dann kennt er deren Unrichtigkeit von Anfang an. Ein nachträgliches Erkennen ist in solchen Fällen begrifflich ausgeschlossen. Freilich ist dann hinsichtlich der abgegebenen Steuererklärungen regelmäßig eine mit direktem Vorsatz durch aktives Tun begangene Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gegeben, sofern nicht der unwahrscheinliche Fall vorliegt, dass der Steuerpflichtige davon ausgegangen ist, seine falschen Angaben würden nicht zu einer Steuerverkürzung führen. (Bearbeiter)

5. Ob - anders als im Verhältnis von unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldung und nicht abgegebener Umsatzsteuerjahreserklärung - die der Steuerhinterziehung durch aktives Tun nachfolgende Unterlassungstat eines Verstoßes gegen § 153 AO als mitbestrafte Nachtat zurücktritt oder - etwa wegen des in einem direkten Hinterziehungsvorsatz zum Ausdruck kommenden höheren Schuldgehalts - als eigenständige Tat im materiellen Sinn zur vorangegangenen Steuerhinterziehung in Tatmehrheit steht, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. (Bearbeiter)


Entscheidung

550. BGH StB 20/08 - Beschluss vom 26. März 2009 (OLG Frankfurt am Main)

BGHSt; Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz; Behördenzeugnis; Behördengutachten; sofortige Beschwerde gegen Nichteröffnungsbeschluss eines Oberlandesgerichts (Prüfungsmaßstab des Bundesgerichtshofs); Entwickeln von Kriegswaffen; erhebliche Gefährdung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland; Prinzip der territorialen Souveränität; völkerrechtliches Interventionsverbot; Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht.

§ 34 AWG; § 69o AWV; § 70a AWV; § 19 KWKG; Art. 1 Buchst. f Iranembargo-VO; § 120 Abs. 2 Nr. 4 GVG; Art. 103 Abs. 2 GG

1. Hat der Bundesgerichtshof über die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts gegen einen die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Beschluss des erstinstanzlich zuständigen Senats eines Oberlandesgerichts zu entscheiden, so hat er das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts in vollem Umfang eigenständig zu prüfen (Aufgabe von BGHSt 35, 39). (BGHSt)

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Straftat nach § 19 Abs. 1 KWKG die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG erheblich gefährdet. (BGHSt)

3. Es verstößt nicht gegen Art. 25 GG, dass § 35 AWG den Geltungsbereich materiellen deutschen Strafrechts auf Taten erstreckt, die von deutschen Staatsbürgern im Ausland begangen werden. (BGHSt)

4. Ein zur Eröffnung des Hauptverfahrens hinreichender Tatverdacht (§ 203 StPO) ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist. (Bearbeiter)

5. Unter den Begriff des „Entwickelns“ von Atomwaffen im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KWKG fallen sämtliche Maßnahmen zur Schaffung der technologischen Voraussetzungen für eine eigene atomare Kampfstoffproduktion einschließlich der Planung und Errichtung von Produktionsanlagen. (Bearbeiter) 6. Bei den Behördenzeugnissen des Bundesnachrichtendienstes handelt es sich nur um sekundäre Beweismittel, welche die unmittelbaren Quellen der dort wiedergegebenen Erkenntnisse und Bewertungen nicht oder nicht vollständig offen legen. Daher bedürfen sie einer vorsichtigen Beweiswürdigung unter Heranziehung der weiteren zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten. (Bearbeiter)

7. § 19 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KWKG setzt voraus, dass durch die Handlung des Täters die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich gefährdet werden und ist als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Daher genügt eine lediglich potentielle Rechtsgutsgefährdung nicht. Notwendig ist vielmehr, dass für das betroffene Schutzgut eine konkret riskante Situation entsteht, bei der das Umschlagen in eine Verletzung unmittelbar bevorsteht und deren Ausbleiben nur vom Zufall abhängt. Es muss daher anhand konkreter tatsächlicher Umstände festzustellen sein, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Tat in eine Lage gebracht werden kann, die es ihr unmöglich macht oder ernsthaft erschwert, ihre Interessen an gedeihlichen Beziehungen zu anderen Staaten zu wahren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn aufgrund der Tat Akte starker diplomatischer Missbilligung, eine feindselige Kampagne der führenden Medien eines wichtigen Landes der Völkergemeinschaft oder eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland in inter- bzw. supranationalen Gremien nahe liegend zu erwarten sind. Demgegenüber reicht nicht jede mögliche negative Reaktion eines fremden Staates, wie z. B. eine bloße Demarche, für sich allein bereits aus. (Bearbeiter)


Entscheidung

529. BGH 3 StR 372/08 - Beschluss vom 10. Februar 2009 (LG Oldenburg)

BGHR; Bankrott (Ankündigung der beabsichtigten Aufgabe der Interessentheorie); Schuldnereigenschaft (Tätigwerden im Geschäftskreis des Vertretenen); Untreue (tatbestandsausschließendes Einverständnis bei der GmbH).

§ 283 StGB; § 14 StGB; § 266 StGB

1. Der Senat neigt dazu, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen Bankrotts abzuweichen und die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelikten der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen.

2. Es erscheint dem Senat – nicht tragend – vorzugswürdig, für die Zurechnung der Schuldnereigenschaft im Sinne der §§ 283 ff. StGB maßgeblich daran anzuknüpfen, ob der Vertreter im Sinne des § 14 StGB im Geschäftskreis des Vertretenen tätig geworden ist.

3. Nach – nicht tragender – Auffassung des Senats werde ein Handeln im Geschäftskreis des Vertretenen bei rechtgeschäftlichem Handeln zu bejahen sein, wenn der Vertreter entweder im Namen des Vertretenen auftrete oder letzteren wegen der bestehenden Vertretungsmacht jedenfalls im Außenverhältnis die Rechtswirkungen des Geschäfts unmittelbar träfen. Gleiches werde gelten, wenn sich der Vertretene zur Erfüllung seiner strafbewehrten Pflichten (vgl. § 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB) eines Vertreters bediene. Bei faktischem Handeln müsse die

Zustimmung des Vertretenen – unabhängig von der Rechtsform, in der dieser agiere – ebenfalls dazu führen, dass der Vertreter in seinem Auftrag handele und ihm die Schuldnerstellung zugerechnet werde.

4. Das Einverständnis des Geschäftsherrn schließt regelmäßig den Tatbestand der Untreue aus. Das gilt grundsätzlich auch für vermögensnachteilige Dispositionen des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft, wenn sie im Einverständnis der Gesellschafter getroffen werden. Ein Einverständnis der Gesellschafter ist allerdings unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb missbräuchlich, wenn unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität (BGHSt 35, 333; 49, 147, 158; BGH wistra 2003, 457, 460; 2006, 265).


Entscheidung

481. BGH 1 StR 479/08 - Urteil vom 17. März 2009 (LG Nürnberg-Fürth)

Rechtsfehlerhafter Freispruch vom Vorwurf der Umsatzsteuerhinterziehung (Erörterungsmängel und Darstellungsversäumnisse); Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung im Fall der Zahlungsunfähigkeit (Deliktscharakter; Erfolgsdelikt; Verletzungsdelikt; Abgrenzung von einfach fahrlässigem und leichtfertigem Handeln); Aufhebung weiterer Strafaussprüche wegen der Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs.

§ 370 AO; § 378 AO; § 261 StPO; § 353 StPO

1. Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch nicht notwendig Verletzungsdelikt. Wie die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt, ist der Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO bereits erfüllt, wenn die gesetzlich geschuldete Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird. Für eine Steuerverkürzung genügt deshalb eine konkrete Gefährdung des Steueranspruchs. Die Erfüllung der Steuerschuld ist demgegenüber erst Gegenstand des dem Festsetzungsverfahren nachgelagerten Erhebungs- und Vollstreckungsverfahrens (vgl. §§ 218 ff., 249 ff. AO).

2. Vor diesem Hintergrund kann dem Umstand, dass das Steueraufkommen mangels ausreichender finanzieller Mittel zur Abführung der geschuldeten Steuern auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflichten des Angeklagten geschädigt worden wäre, für die Bestimmung des Schuldgehalts der Tat kein erhebliches Gewicht im Sinne eines bestimmenden Strafzumessungsumstandes (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) zukommen. Dies gilt im besonderen Maße, wenn es sich bei den hinterzogenen Steuern um solche handelt, die der Steuerschuldner wie bei der Umsatzsteuer wie ein Treuhänder für den Fiskus verwaltet. Demgegenüber hat es erhebliche strafmildernde Bedeutung, wenn die Verkürzung von Steuern beim Fiskus nicht zu einem dauerhaften Steuerausfall geführt hat, weil etwa der Täter die geschuldeten Steuern nachgezahlt hat.

3. Bei Tatmehrheit kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs zur Aufhebung weiterer Strafaussprüche führen, wenn nicht auszuschließen ist, dass diese durch den Rechtsfehler im Ergebnis beeinflusst sind. Dies kann insbesondere dann zu bejahen sein, wenn die Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen (BGH NStZ 2001, 323, 324; NStZ-RR 2007, 195, 196 m.w.N.). Nichts anderes gilt im Falle der Aufhebung eines Teilfreispruchs, wenn insoweit aufgrund einer neuen Hauptverhandlung eine Verurteilung noch in Betracht kommt und eine solche Verurteilung die Strafzumessung bei den übrigen Taten beeinflussen kann.


Entscheidung

484. BGH 1 StR 737/08 - Beschluss vom 5. Mai 2009 (LG Dortmund)

Steuerhehlerei (Absetzen; Absatzhilfe; kein Absatzerfolg; Beendigung); tateinheitlicher Besitz von Schusswaffen und Munition; unerlaubtes Überlassen einer Waffe an eine Vertrauensperson der Polizei.

§ 373 AO; § 52 WaffG; § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG

1. Der Umstand, dass dieser Absatz aufgrund des Einschreitens der Strafverfolgungsbehörden nicht gelungen ist, steht der Vollendung der Absatzhilfe bei der Steuerhehlerei nicht entgegen. Denn die Tatvarianten des Absetzens und der Absatzhilfe setzen einen Absatzerfolg nicht voraus (BGH NJW 2007, 1294, 1297 m.w.N.). Ausreichend ist, dass ein nach den Gesamtumständen hinreichend konkretisierter Absatz unterstützt wurde.

2. Das gleichzeitige unerlaubte Ausüben der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen oder Waffenteile bzw. Munition, auch wenn sie nicht unter dieselbe Strafbestimmung fallen, gilt als nur ein Verstoß gegen das Waffenrecht (st. Rspr., vgl. BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 1; BGH NStZ-RR 2003, 124 f.; BGHR WaffG § 52a Abs. 1 Konkurrenzen 1 m.w.N.; BGH, Beschl. vom 13. Januar 2009 - 3 StR 543/08 jew. m.w.N.). Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Rechtsprechung in Frage zu stellen, wenn die Waffen gemeinsam an einem Ort aufbewahrt werden.

3. Das durch § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG geschützte Rechtsgut ist darin zu erblicken, dass im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. § 1 Abs. 1 WaffG) Waffen nicht an unberechtigte Personen überlassen werden sollen. Dieses Rechtsgut ist bei einer Übergabe an eine Vertrauensperson der Polizei nicht beeinträchtigt. Vielmehr soll das Scheingeschäft gerade verhindern, dass Waffen unter Missachtung der waffenrechtlichen Vorschriften in Umlauf kommen bzw. bleiben. Insoweit ist die Sach- und Interessenlage mit der vergleichbar, die bei der Lieferung eines Hehlers an eine Vertrauensperson gegeben ist (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 266).