HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2008
9. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

723. BGH 3 StR 490/07 – Urteil vom 19. Juni 2008 (LG Hildesheim)

Bestechung; Bestechlichkeit; Amtsträger („sonstige Stelle“); Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr; DB Netz AG; Ausbau von Schienenwegen.

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB; § 332 StGB; § 299 StGB; § 334 StGB; Art. 87e Abs. 4 GG

1. Zur Amtsträgereigenschaft eines selbständigen Ingenieurs, der aufgrund eines Dienstvertrages langfristig bei einer 100-prozentigen Tochter der Deutsche Bahn AG im Konzernbereich Fahrweg (jetzt: DB Netz AG) beim Um- oder Ausbau des Streckennetzes tätig ist (Fortführung von BGHSt 49, 214). (BGHSt)

2. Trotz der teilweisen Privatisierung der deutschen Eisenbahnen stellt das Eisenbahnwesen eine öffentliche Aufgabe dar. Dies gilt insbesondere für die Planung, Bauvorbereitung, Baudurchführung und Bauüberwachung von Schienenverkehrsprojekten. (Bearbeiter)

3. „Sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist eine behördenähnliche Institution, die unabhängig von ihrer Organisationsform befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen mitzuwirken, ohne dabei eine Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein. Ist eine Einrichtung der Öffentlichen Hand in der Form einer juristischen Person des Privatrechts organisiert, müssen bei ihr Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen; sie muss bei einer Gesamtbetrachtung „als verlängerter Arm des Staates erscheinen“. (Bearbeiter)

4. Der Senat hat – nicht tragend – Bedenken, das Kriterium eines weitergehenden, insbesondere gesellschaftsrechtlich verankerten Einflusses der Öffentlichen Hand auf die laufenden Geschäfte und Einzelentscheidungen als stets für die Gleichstellung einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft mit einer Behörde maßgeblich anzusehen. (Bearbeiter)


Entscheidung

700. BGH 3 StR 90/08 – Urteil vom 19. Juni 2008 (LG Düsseldorf)

Bestechung; Bestechlichkeit; Verjährungsbeginn (materieller Beendigungsbegriff; materieller Unrechtskern); Unrechtsvereinbarung.

§ 78a StGB; § 332 StGB; § 334 StGB

1. Werden Bestechung und Bestechlichkeit in der Form begangen, dass der Bestechende zunächst den Vorteil gewährt und der Amtsträger sodann die pflichtwidrige Diensthandlung vornimmt, so beginnt die Verjährung beider Straftaten erst mit der Vornahme der Diensthandlung. (BGHSt)

2. Eine Tat ist erst dann beendet, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abschließt, das Tatunrecht also tatsächlich in vollem Umfang verwirklicht ist. Die Beendigung der Tat knüpft daher nicht allein an die weitere Verwirklichung tatbestandlich umschriebener

Merkmale der Straftat nach deren Vollendung. Vielmehr zählen zur Tatbeendigung auch solche Umstände, die zwar nicht mehr von der objektiven Tatbestandsbeschreibung erfasst werden, aber dennoch das materielle Unrecht der Tat vertiefen, weil sie den Angriff auf das geschützte Rechtsgut perpetuieren oder gar intensivieren (materieller Beendigungsbegriff). (Bearbeiter)

3. Zwar ist die Vornahme der pflichtwidrigen Diensthandlung nicht objektives tatbestandliches Element des § 332 Abs. 1 Satz 1 StGB. Die Bestechlichkeit ist vielmehr bereits dann vollendet, wenn der Amtsträger für eine ausgeübte oder künftige pflichtwidrige Diensthandlung einen Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Die pflichtwidrige Diensthandlung ist aber dennoch zentraler Bezugspunkt all dieser Tatbestandsvarianten, denn sie umschreibt den materiellen Unrechtskern, der den Tatbestand der Bestechlichkeit von dem der Vorteilsannahme abhebt und die erhöhte Strafandrohung im Vergleich zu § 331 Abs. 1 StGB rechtfertigt. Dies gilt selbst im Falle einer für sich fehlerfreien Ermessensentscheidung, deren Pflichtwidrigkeit allein dadurch begründet wird, dass der Amtsträger sich bei der Entscheidung durch den Vorteil beeinflussen lässt oder sich wenigstens beeinflussbar zeigt (§ 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB). (Bearbeiter)

4. Wird die pflichtwidrige Diensthandlung tatsächlich vorgenommen, so findet der Angriff auf das Schutzgut des § 331 StGB erst darin seinen Abschluss. Denn die Lauterkeit der Amtsausübung sowie das öffentliche Vertrauen in diese werden am nachhaltigsten dadurch beeinträchtigt, dass der durch die Bestechung befangene Amtsträger den „Staatswillen“ tatsächlich verfälscht, indem er die erkaufte pflichtwidrige Diensthandlung ausübt. (Bearbeiter)

5. In den Fällen, in denen es nicht zu einer Unrechtsvereinbarung tritt die Beendigung mit der Ablehnung durch den Amtsträger ein. Erfüllt der Amtsträger die Unrechtsvereinbarung nicht, so ist die Bestechung wie die Bestechlichkeit jedenfalls in dem Zeitpunkt beendet, in dem sich die Vereinbarung endgültig als „fehlgeschlagen“ erweist (so BGH NStZ 2004, 41, 42). Es könnte demgegenüber auch erwogen werden, die jeweilige Tat in einer Betrachtung ex post dann als mit der Unrechtsvereinbarung beendet anzusehen, wenn innerhalb des der gesetzlichen Verjährungsfrist entsprechenden Zeitraums von fünf Jahren keine Bemühungen zu deren Erfüllung mehr entfaltet werden. (Bearbeiter)


Entscheidung

683. BGH 2 StR 577/07 – Urteil vom 4. Juni 2008 (LG Hanau)

BGHSt; unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln durch einen in der Substitutionsbehandlung tätigen Arzt (Polamidon); Berufsverbot (Untersagung der beruflichen Tätigkeit als Substitutionsarzt).

§ 3 BtMG; § 13 Abs. 1 BtMG; § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; § 5 BtMVV; § 70 StGB

Ein in der Substitutionsbehandlung von Drogenabhängigen tätiger Arzt ist von einer Erlaubnispflicht gemäß § 3 BtMG nicht befreit und daher wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG strafbar, wenn und soweit er Betäubungsmittel außerhalb des Anwendungsbereichs von § 13 Abs. 1 BtMG, § 5 BtMVV an drogenabhängige Patienten zur freien Verfügung abgibt. (BGHSt)


Entscheidung

798. BGH 5 StR 89/08 – Urteil vom 24. Juni 2008 (LG Berlin)

BGHR; Vortaten der Geldwäsche (gewerbsmäßige Untreue des Täters; unzureichende Beihilfe; gebotene restriktive Auslegung der Geldwäsche insgesamt; Bestimmtheitsgrundsatz); Leichtfertigkeit bei der Geldwäsche (enge Auslegung); Konkurrenzen zwischen Geldwäsche und Bestechlichkeit; Beweiswürdigung beim Vorsatz.

Art. 103 Abs. 2 GG; § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. a, Abs. 5 StGB; § 332 StGB; § 261 StPO; § 15 StGB

1. Die Untreue kann nur dann taugliche Vortat für die Geldwäsche sein, wenn der (Haupt-)Täter gewerbsmäßig gehandelt hat. (BGHR)

2. Eine Beihilfe kann nicht selbst eine Katalogtat sein. (Bearbeiter)

3. Durch die Kombination von einerseits Katalogtaten (mit teilweise zusätzlichen Erfordernissen) mit einer Vielfalt von Tathandlungen, die nahezu jedweden Umgang mit dem deliktsbehafteten Gegenstand unter Strafe stellen, bewegt sich die Geldwäsche an der Grenze der Verständlichkeit. Um eine noch ausreichende Bestimmtheit und Übersichtlichkeit dieser Strafvorschrift sicherzustellen, ist eine restriktive Auslegung der Tatbestandsmerkmale geboten. Dies bedeutet, dass nur solche Handlungen als tatbestandsmäßig angesehen werden können, die sich ohne weiteres und sicher dem Wortlaut der Bestimmung unterordnen lassen. (Bearbeiter)

4. Die Strafbarkeit der Geldwäsche ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nur für schwerwiegende Vortaten angeordnet. Eine Ausdehnung auf sämtliche rechtswidrige Taten ist zu vermeiden. (Bearbeiter)

5. Zwar stehen die Bestechlichkeit gemäß § 332 StGB und die Untreue gemäß § 266 StGB häufig wegen ihrer unterschiedlichen Schutzzwecke im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander (vgl. BGHSt 47, 22, 25; jeweils m.w.N.). Für den Tatbestand der Geldwäsche ist diese konkurrenzrechtliche Folge jedoch unerheblich. Der Bezug zu der vorgelagerten Tat wird vielmehr durch das Tatbestandsmerkmal des „aus der Vortat herrührenden Gegenstandes“ autonom bestimmt. (Bearbeiter)

6. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind im Blick auf das Bestimmtheitsgebot strenge Anforderungen an die Auslegung des Merkmals der Leichtfertigkeit im Sinne des § 261 Abs. 5 StGB zu stellen (BGHSt 43, 158, 167; 50, 347, 350 ff.). Nur durch eine Auslegung des Begriffs der Leichtfertigkeit als vorsatznaher Schuldform und durch eine Anknüpfung an die bestehende Rechtsprechung zu diesem Begriff kann vermieden werden, dass die Strafvorschrift der Geldwäsche ihre verfassungsmäßig durch Art. 103 Abs. 2 GG gebotenen Konturen verliert. Deshalb liegt eine Leichtfertigkeit im Sinne des § 261 Abs. 5 StGB nur vor, wenn sich die Herkunft

des Gegenstands aus einer Katalogtat nach der Sachlage geradezu aufdrängt und der Täter gleichwohl handelt, weil er dies aus besonderer Gleichgültigkeit oder großer Unachtsamkeit außer Acht lässt (BGHSt 43, 158, 168; vgl. auch BGHSt 33, 66, 67 zu § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG). Dabei entspricht das Merkmal der Leichtfertigkeit in objektiver Hinsicht der groben Fahrlässigkeit im Zivilrecht. Von dieser unterscheidet sich die strafrechtliche Leichtfertigkeit jedoch insoweit, als – wie generell beim strafrechtlichen Fahrlässigkeitsvorwurf – die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Täters zu berücksichtigen sind (vgl. BGHSt 50, 347, 352). (Bearbeiter)

7. Das Merkmal der Leichtfertigkeit bezieht sich nur auf die Herkunft der deliktisch verstrickten Gegenstände; hinsichtlich der übrigen Tatbestandsmerkmale ist auch im Rahmen der leichtfertigen Geldwäsche Vorsatz erforderlich. Es ist eine Gesamtabwägung durchzuführen, ob der Angeklagte leichtfertig gehandelt hat. Dabei ist allerdings für die Annahme der Leichtfertigkeit nicht erforderlich, dass der Angeklagte eine gegebene Möglichkeit versäumt hat, sich Gewissheit über die Herkunft des Geldes zu verschaffen (vgl. BGHSt 43, 157, 169). Umgekehrt schließt es die Leichtfertigkeit aber auch nicht aus, dass er eine solche Erkundigungsmöglichkeit gerade nicht hatte. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich ihm aufgrund der Umstände die Herkunft des Gegenstandes aus einer Straftat im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB aufdrängen musste. Für die Annahme der Katalogtat ist aber die Feststellung konkreter Umstände erforderlich, aus denen der Angeklagte die Vortat nach § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB hätte entnehmen müssen (vgl. BGHR StGB § 261 Vortat 1). (Bearbeiter)


Entscheidung

800. BGH 5 StR 156/08 – Urteil vom 11. Juli 2008 (LG Berlin)

Grunderwerbsteuerhinterziehung (Pflichtwidrigkeit; Anzeigepflicht: Änderungen des Gesellschafterbestandes einer Personengesellschaft; Freistellung von der Grunderwerbsteuer; Kognitionspflicht: Teilnahme an der Steuerhinterziehung, Beihilfe, Anstiftung); Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (Steuerumgehung und Gesetzlichkeitsprinzip); Scheingeschäft.

§ 370 AO; § 153 AO; § 27 StGB; § 26 StGB; § 6 Abs. 3 GrEStG; § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG; § 1 Abs. 2a GrEStG; § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO; § 42 AO; § 41 AO

1. Zur Kognitionspflicht des Tatgerichts hinsichtlich einer Teilnahmestrafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bei Verneinung einer eigenständigen Pflicht zur Anzeige steuererheblicher Tatsachen.

2. Die Rechtsfolge eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO ist allein, dass der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Demgegenüber bestehen steuerrechtliche Erklärungs- und Anzeigepflichten auch in den Fällen eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten nur dann, wenn sich solche unmittelbar aus den Steuergesetzen ergeben. Einer über den Wortlaut des Gesetzes hinausgehenden Auslegung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG (1997) unter dem Blickwinkel des § 42 AO steht das strafrechtliche Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) entgegen.

3. Für den Steuerpflichtigen abgegeben im Sinne von § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind auch die Angaben über den Steuerpflichtigen betreffende steuerlich erhebliche Tatsachen im Rahmen der Anzeige eines Notars, die der Notar aufgrund ihn selbst treffender gesetzlicher Pflichten, z. B. aus § 18 GrEStG, dem Finanzamt mitteilt (vgl. auch BGH wistra 2008, 22, 25 sowie BFH/NV 2002, 917, 918). Der Notar erfüllt dadurch nicht nur eigene Verpflichtungen, sondern wirkt zugleich bei der Ermittlung des für die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen maßgeblichen Sachverhalts mit.

4. Ein Scheingeschäft im Sinne von § 41 Abs. 2 Satz 1 AO liegt vor, wenn beide Parteien sich einig sind, dass die mit den Willenserklärungen an sich verbundenen Rechtsfolgen tatsächlich nicht eintreten sollen und damit das Erklärte in Wirklichkeit nicht gewollt ist. Entscheidend ist dabei, ob die Beteiligten zur Erreichung des erstrebten Erfolges ein Scheingeschäft für genügend oder ein ernst gemeintes Rechtsgeschäft für erforderlich erachtet haben. Die Beurteilung, ob ein Geschäft nur zum Schein abgeschlossen wurde, obliegt dabei grundsätzlich dem Tatrichter. Lässt das Urteil erkennen, dass der Tatrichter die wesentlichen für und gegen ein Scheingeschäft sprechenden Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt und in eine Gesamtwürdigung einbezogen hat, so dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht nur eine Annahme oder bloße Vermutung ist, hat das Revisionsgericht dies hinzunehmen (BGH wistra 2007, 112, 114; 2002, 221, 223).

5. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a GrEStG a.F. bezieht sich allein auf die von § 1 Abs. 2a GrEStG erfassten Fälle. Für das Entstehen der Grunderwerbsteuer kommt es allein auf die formale Betrachtung des § 1 Abs. 2a Satz 3 GrEStG a.F. an, die mangels eines hinreichend bestimmten Abgrenzungsmaßstabes nicht durch eine weitergehende wirtschaftliche Betrachtung im Sinne des § 1 Abs. 2a Sätze 1 und 2 GrEStG a.F. ergänzt werden kann (vgl. BFH, Urteil vom 30. April 2003 – II R 79/00, BFHE 202, 387).


Entscheidung

806. BGH 5 StR 194/08 (alt: 5 StR 87/07) – Beschluss vom 11. Juni 2008 (LG Potsdam)

Steuerhehlerei (Wertungsfehler bei der Strafzumessung nach Aufhebung einer Entscheidung wegen mangelhafter Berechnungsdarstellung: Verhängung einer gleich hohen Gesamtfreiheitsstrafe trotz gesunkener Hinterziehungsbeträge).

§ 374 AO; § 46 StGB

Legt ein Tatgericht gegenüber seiner – wegen einer mangelhaften Berechnungsdarstellung aufgehobenen – Vorentscheidung deutlich geringere Hinterziehungsbeträge der Strafzumessung zugrunde, und kommt es dennoch zu zur Verhängung gleich hoher Gesamtfreiheitsstrafen, muss dies ausreichend begründet werden. Zwar sind die ursprüngliche Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung kein Maßstab für die neue Strafzumessung. Gleichwohl muss die Strafzumessung im Rahmen der Gesamtstrafenbildung erken-

nen lassen, mit welcher Begründung das Tatgericht aus überwiegend verringerten Einzelfreiheitsstrafen (einschließlich jeweils der Einsatzstrafen) und deutlich reduzierter hinterzogener Einfuhrabgaben Gesamtfreiheitsstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten an sich für angemessen hält (vgl. BGH NStZ 1982, 507).


Entscheidung

797. BGH 5 StR 145/08 – Beschluss vom 11. Juni 2008 (LG Wuppertal)

Steuerhehlerei (Absatzhilfe; Beihilfe); versagte Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung (Darlegung der Voraussetzungen für das Revisionsgericht).

§ 374 Abs. 1 AO; § 27 StGB; § 56 StGB

1. Das Merkmal der Absatzhilfe erfasst nur solche Handlungen, mit denen sich der Hehler an den Absatzbemühungen des Vortäters oder eines Zwischenhehlers in dessen Interesse und auf dessen Weisung unselbständig beteiligt (BGH wistra 2008, 105 m.w.N.). Der Sache nach ist die Absatzhilfe eine Beihilfe, die wegen der Straflosigkeit der Absatztat des Vortäters zur selbständigen Tat aufgewertet ist (BGHSt 26, 358, 362). Der Helfer muss dabei „im Lager“ des Vortäters oder des Zwischenhehlers stehen und diesen unmittelbar beim Absetzen der Sache unterstützen.

2. Sowohl die Würdigung der Prognosegesichtspunkte im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB als auch die nach § 56 Abs. 2 StGB erforderliche Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Täters sind für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzustellen (vgl. dazu BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung 1; Gesamtwürdigung, unzureichende 4). Der bloße Hinweis auf den „Eindruck“ des Tatgerichts lässt eine revisionsgerichtliche Nachprüfung nicht zu.


Entscheidung

767. BGH 4 StR 178/08 – Beschluss vom 27. Mai 2008 (LG Schwerin)

Erörterungsmangel hinsichtlich der Tatbegehung als Heranwachsender; keine gleichzeitige Verurteilung zu Jugendstrafe und zu Erwachsenenstrafe bei einer Tat.

§ 1 JGG; § 105 JGG; § 32 JGG

1. Es ist nicht statthaft, bei gleichzeitiger Aburteilung von Taten, auf die teils Jugendstrafrecht, teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, sowohl auf Jugendstrafe als auch auf Erwachsenenstrafe zu erkennen (vgl. BGHSt 29, 67 m.w.N.), vielmehr ist entsprechend dem Schwergewicht der Taten entweder nur nach Jugendstrafrecht oder nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen.

2. Welches Recht einheitlich auf mehrere in verschiedenen Alterstufen begangene Taten anzuwenden ist, richtet sich danach, wo deren Schwergewicht liegt. Dies hat der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Lässt sich nicht eindeutig erkennen, dass das Schwergewicht bei den vom Angeklagten als Heranwachsenden begangenen und nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Straftaten liegt, so ist für alle Taten allgemeines Strafrecht anzuwenden (vgl. BGHR JGG § 32 Schwergewicht 4 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – 1 StR 570/99).


Entscheidung

815. BGH 5 StR 265/08 – Beschluss vom 10. Juli 2008 (LG Potsdam)

Revisibilität der Strafzumessung (Verneinung minder schwerer Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Gesamtwürdigung; ungewöhnlich geringer Gewinn beim Betäubungsmittelhandel).

§ 29a Abs. 2 BtMG; § 30a Abs. 3 BtMG; § 46 StGB

1. Für das Vorliegen eines minder schweren Falls ist entscheidend, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (BGHSt 26, 97, 99; BGHR StGB § 250 Abs. 2 Gesamtbetrachtung 5). In der hierzu gebotenen Gesamtwürdigung (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 2 Wertungsfehler 1 und 3) dürfen wesentliche Strafzumessungsfaktoren nicht unbeachtet bleiben.

2. Für die Tat des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist ein ungewöhnlich geringer Gewinn ein wesentlicher Strafzumessungsfaktor, der auch bei Anerkennung eines minder schweren Falles bei der konkreten Strafzumessung nicht unerwähnt bleiben darf.