Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2004
5. Jahrgang
PDF-Download
1. In Fällen, in denen eine den Nichtrevidenten nicht unmittelbar begünstigende, ihn nach Zurückversetzung der Sache möglicherweise belastende Entscheidung nach § 357 StPO in Betracht kommt, ist der Nichtrevident in Anwendung des § 33 StPO nach Art. 103 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zuvor anzuhören, damit er eine Erstreckungsentscheidung gegebenenfalls durch Widerspruch verhindern kann. Hierauf beschränkt sich indes das Anhörungsrecht; eine aktive Mitwirkungsbefugnis des Nichtrevidenten am Revisionsverfahren, auf das er für sich selbst gerade verzichtet hatte, erwächst hieraus nicht, so dass eine Pflichtverteidigerbestellung für den Nichtrevidenten, bezogen auf die Hauptverhandlung, ausscheidet.
2. Die Strafnorm des § 370a AO begegnet nach Auffassung des Senats erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken (= Fortsetzung von BGH HRRS 2004 Nr. 714). Die gegen die Verbrechensnorm des § 370a AO bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken sind grundsätzlicher Natur; sie können nicht dadurch ausgeräumt werden, dass ein unbestimmtes Gesetz durch die Rechtsprechung in geeignet erscheinenden Einzelfällen allmählich nachgebessert und ausgefüllt wird.
3. Beim besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO (Steuerverkürzung "aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß") bestehen nicht dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der weiten Fassung der Regelmerkmale wie bei der Abgrenzung zwischen Vergehens- und Verbrechenstatbestand.
4. Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Von Tatmehrheit ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen durch eine
körperliche Handlung gleichzeitig abgegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (vgl. BGHSt 33, 163; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; BGH wistra 1996, 62 m.w.N.).
5. Auch bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ist grundsätzlich im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von selbständigen Taten im Sinne des § 53 StGB auszugehen. Allein ein einheitlicher Tatentschluss, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit zwischen den einzelnen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen (vgl. BGHSt 18, 376). Tateinheit ist nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (vgl. BGH wistra 1985, 66).
1. Bei Urteilsaufhebung nach § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO wegen fehlerhafter Gesamtstrafenbildung bedarf es keiner Zurückverweisung. (BGHR)
2. Zur Kostenentscheidung in diesem Fall. (BGHR)
1. Die Vorführung der ermittlungsrichterlichen Vernehmung der ausweislich des Protokolls nach § 52 StPO belehrten Geschädigten ist neben ihrer persönlichen Vernehmung im Wege des Urkundsbeweises zulässig (BGH NStZ 2004, 348).
2. Die ergänzende Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung soll in derartigen Fällen aus Gründen des Opferschutzes nur im Ausnahmefall nach Maßgabe der Aufklärungspflicht oder auch des Beweisantragsrechts erfolgen (dazu BGHSt 48, 268).
1. Die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung ist ebenso wenig wie die rechtliche Beurteilung der Tat einer Vereinbarung zugänglich (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 1998 - 4 StR 17/98, in BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6 nicht mit abgedruckt).
2. Der Tatrichter ist nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen Sachverständigen abzuweichen. Will der Tatrichter jedoch eine Frage, zu der er einen Sachverständigen gehört hat, im Widerspruch zu dessen Gutachten lösen, muss er sich in einer Weise mit den Darlegungen des Sachverständigen auseinandersetzen, die erkennen lässt, dass er mit Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat (vgl. BGH StV 1993, 234).
Den Berufsrichtern ist es unbenommen, sich schon vor den Schlussvorträgen, ja schon vor der Hauptverhandlung auch durch die Fertigung eines Votums (Urteilsentwurfs) entsprechend dem jeweiligen Ermittlungs- bzw. Verfahrensstands auf die Hauptverhandlung bzw. die Urteilsberatung vorzubereiten. Den Schluss auf Vorverurteilung des Angeklagten oder Befangenheit der Richter lässt dies nicht zu.
Der Tatrichter wird von seiner Verpflichtung, die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten und die für die Frage der Strafaussetzung bedeutsamen Umstände darzulegen, nicht deswegen befreit, weil der Angeklagte sich zu seinen persönlichen Verhältnissen nicht äußert und Auskünfte verweigert. In einem solchen Fall muss sich der Richter vielmehr um Aufklärung auf anderem Wege bemühen.
Ist eine Einheitsjugendstrafe aus einer neuen Strafe und einer Strafe aus einer Vorverurteilung zu bilden, in die ihrerseits bereits eine frühere Entscheidung einbezogen worden
war, so sind in die Entscheidung über die nun zu bildende Einheitsjugendstrafe auch die früher bereits einbezogenen Entscheidungen formell einzubeziehen und im Urteilstenor zu kennzeichnen.