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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2003
4. Jahrgang
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Der Senat stimmt den im Tenor des Anfragebeschlusses bezeichneten Rechtssätzen unter Aufgabe eigener entgegenstehender Rechtsprechung zu: Der Senat billigt nach erneuter Überprüfung anlässlich des Anfragebeschlusses die darin vertretene rechtliche Folgerung regelmäßiger Unwirksamkeit des in einer Verfahrensabsprache unzulässig vorab abgesprochenen Rechtsmittelverzichts.
1. Der Senat begrüßt das mit der Entscheidung BGH NJW 2003, 74 verfolgte Anliegen, gegenüber der bislang üblichen Vernehmung von polizeilichen Führungs- und Vernehmungsbeamten die Vertrauenspersonen selbst als Beweismittel in die Hauptverhandlung einzubringen und damit bessere Erkenntnismöglichkeiten für alle Verfahrensbeteiligten zu schaffen, insbesondere aber das Fragerecht nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK in weitergehendem Umfang zu gewährleisten.
2. Er hat jedoch Zweifel, ob dieses Ziel bei Wahrung der berechtigten Interessen der Vertrauensperson und der Innenbehörde in den nicht seltenen Fällen erreichbar ist, in denen die Vertrauenspersonen dem engeren Umfeld der Tätergruppe angehören und Befragungen zur Herkunft ihres Wissens und zu anderen Details nahe liegender Weise indirekt zur Offenlegung ihrer Identität führen können.
3. Das Verschlechterungsgebot nach § 358 Abs. 2 StPO gebietet lediglich, die nach Durchführung des Kompensationsvorganges gebildete herabgesetzte Strafe nicht höher zu bemessen als die jetzt verhängte Strafe (BGHSt 45, 308).
Auch ein eindeutiges psychiatrisches Gutachten, dass eine bestimmte Motivation nach der "höchsten Wahrscheinlichkeit, die die Psychiatrie kenne" für gegeben hält, entbindet den Tatrichter nicht von der eigenen Würdigung der festgestellten inneren und äußeren Tatsachen.
1. Eine Notwendigkeit, auf die Verwertbarkeit prozessordnungsgemäß festgestellten, wegen Verjährung aber nicht verfolgbaren Geschehens hinzuweisen, besteht nicht.
2. Soweit ein Hinweis zur Verwertung eines gemäß §§ 154, 154a StPO eingestellten Geschehens erforderlich ist, beruht dies darauf, dass anderenfalls das Verhalten der Justiz widersprüchlich und daher missverständlich erscheinen kann.
3. Es folgt zwingend aus dem Gesetz, dass eine Bestrafung wegen verjährten Geschehens nicht möglich ist: Ein Beurteilungsspielraum besteht insoweit nicht. Verjährte Taten blieben in jeder Hinsicht unberücksichtigt.
4. Ein Hinweis auf die Verwertbarkeit von Feststellungen der in Rede stehenden Art ist entbehrlich, wenn ein "Vertrauenstatbestand" nicht besteht. Ein Vertrauen kann nur verletzt sein, wo es zuvor geschaffen wurde, wo also der Angeklagte in eine Lage versetzt wurde, die sein Verteidigungsverhalten beeinflusst hat und bei verständiger Einschätzung der Verfahrenslage auch beeinflussen konnte (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 154 Abs. 1 Hinweispflicht 1, StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 2, 3, 4 m. zahlr. N.). Es lassen sich insoweit keine starren Regeln aufstellen, maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Verfahrens (vgl. BGHR StPO § 154 Abs. 1 Hinweispflicht 1).
1. Nach § 76 Abs. 2 GVG steht der das Hauptverfahren eröffnenden Strafkammer bei der Entscheidung über ihre Besetzung in der Hauptverhandlung mit zwei oder drei Berufsrichtern kein Ermessen zu. Die Dreierbesetzung ist zu beschließen, wenn dies nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache notwendig erscheint. Bei der Auslegung dieser gesetzlichen Merkmale ist der Strafkammer indes ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt, bei dessen Ausfüllung die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (Bestätigung von BGHSt 44, 328, 334).
2. Bedeutsam für den Umfang der Sache sind etwa die Zahl der Angeklagten, Verteidiger und erforderlichen Dolmetscher, die Zahl der den Angeklagten vorgeworfenen Straftaten, die Zahl der Zeugen und anderen Beweismittel, die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten, der Umfang der Akten sowie die zu erwartende Dauer der Hauptverhandlung. Die überdurchschnittliche Schwierigkeit der Sache kann sich aus der Erforderlichkeit umfangreicher Sachverständigengutachten, aus zu erwartenden Beweisschwierigkeiten oder aus der Komplexität der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen ergeben.
3. Im Zweifel verdient die Dreierbesetzung den Vorzug, weil die Mitwirkung eines weiteren Berufsrichters es ermöglicht, die Aufgaben in der Hauptverhandlung sachgerechter zu verteilen und den Tatsachenstoff intensiver zu würdigen (Bestätigung von BGHSt 44, 328, 335)
4. Ein Verstoß gegen § 76 Abs. 2 GVG begründet die Revision allerdings nur dann, wenn die Strafkammer ihre Entscheidung auf sachfremde Erwägungen gestützt oder den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat, so dass ihre Entscheidung objektiv willkürlich erscheint (Bestätigung von BGHSt 44, 328, 333).
5. Da ein rechtsfehlerhafter Beschluss nach § 76 Abs. 2 GVG zur Folge hat, dass das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt ist, wird durch die nachträgliche Abänderung eines derartigen Beschlusses der Angeklagte nicht seinem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen, sondern gerade erst zugeführt. Daher ist eine nachträgliche Änderung nicht etwa ausgeschlossen, sondern vielmehr geboten, wenn der ursprüngliche Besetzungsbeschluss fehlerhaft war.
6. Bei betrügerischen Warentermingeschäften besteht der Vermögensschaden der Anleger in der Regel nicht in dem vollen gezahlten Optionspreis, sondern in der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem wirklichen Wert der Option, der sich aus den Beschaffungskosten (plazierte Börsenprämie zuzüglich Brokerkommission) und der Provision eines seriösen inländischen Maklers (marktüblich 20 %) zusammensetzt (vgl. BGHSt 32, 22, 23 ff.; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 59). Anders verhält es sich nur dann, wenn der Anleger über Eigenart und Risiken des Optionsgeschäfts derart getäuscht wird, dass er mit der Option etwas völlig anderes erwirbt, als er erwerben wollte, etwa wenn ihm der Erwerb einer Option als wertbeständige Geldanlage vorgespiegelt wird (BGHSt 32, 22, 23).
1. Versucht ist eine Tat nicht nur dann, wenn der Täter bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestands entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Vielmehr kann auch eine frühere, dem vorgelagerte Handlung bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht. Für den Tatbestand der Gründung einer terroristischen Vereinigung kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass der Täter jedenfalls dann das Vorbereitungsstadium verlassen und zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat, wenn er eine Person mit dem konkreten Ansinnen, diese als Mitglied der zu gründenden terroristischen Vereinigung zu rekrutieren, angesprochen hat.
2. Zum Beleg des dringenden Tatverdachts des Versuchs der Gründung einer terroristischen Vereinigung durch eine anonyme Zeugenaussage.
Auch wenn ein Verfahren, in dem der Angeklagte inhaftiert ist, nicht durchgängig mit der gebotenen Zügigkeit gefördert worden ist, so dass es letztlich zu gewissen Verfahrensverzögerungen gekommen ist, führt dies nicht zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung,
wenn dadurch noch keine insgesamt unangemessene Gesamtdauer des gegenständlichen Revisionsverfahrens eintritt (BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 9).
Will das Tatgericht im Anschluss an einen Sachverständigen eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit verneinen, obwohl das Tatgeschehen und eine ganze Reihe ärztlicher Befunde und gutachterliche Befunde das Gegenteil nahe legen, ist es ein durchgreifender Darstellungsmangel, wenn die Urteilsgründe nicht erkennbar machen, warum der gehörte Sachverständige von den zahlreichen vorherigen, die Voraussetzungen des § 21 StGB bejahenden ärztlichen Befunden und gutachtlichen Äußerungen abgewichen ist.