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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2003
4. Jahrgang
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1. Die Verhängung einer Todesstrafe, die in Friedenszeiten nicht in einem fairen Verfahren gemäß Art. 6 EMRK begründet worden ist, stellt eine unmenschliche Behandlung dar und verletzt Art. 3 EMRK.
2. Die Vollstreckung einer Todesstrafe, die in Friedenszeiten nicht in einem fairen Verfahren gemäß Art. 6 EMRK begründet worden ist, verletzt Art. 2 EMRK.
3. Die EMRK steht Rechtshilfe nicht per se entgegen, solange diese keine in ihr garantierten Rechte verletzt. Eine Freiheitsentziehung, die ein Konventionsstaat auf dem Territorium eines anderen Staates vollzieht, stellt einen Eingriff in Art. 5 EMRK dar.
4. Auch wenn die Untersuchung terroristischer Straftaten die Strafverfolgungsbehörden vor besondere Probleme stellt, befreit sie dies nicht von der Beachtung und der effektiven Kontrolle gemäß Art. 5 EMRK.
5. Das vor allem seitens des Angeklagten erforderliche Vertrauen in das Gericht ist dann nicht mehr gegeben, wenn berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit bzw. der Unparteilichkeit bestehen.
6. Art. 6 EMRK kann auch anzuwenden sein, bevor die Anklage vor Gericht erhoben ist, wenn ein nachfolgendes Strafverfahren durch anfängliche Mängel beeinträchtigt werden kann. Art. 6 EMRK erfordert grundsätzlich, dass der Angeklagte auch bei den ersten polizeilichen Befragungen einen anwaltlichen Beistand hinzuziehen kann. Das Verteidigungsrecht erfordert grundsätzlich eine freie und nicht überwachte Kommunikation zwischen dem Verteidiger und dem Angeklagten.
7. Unter dem Gesichtspunkt der von Art. 6 EMRK garantierten Waffengleichheit hat jede Partei das Recht, ihre Sicht des Falles hinreichend unter Bedingungen darzulegen, die sie nicht gegenüber der anderen Partei benachteiligen. Dabei kommt es auch auf den Eindruck einer Benachteiligung an.
8. Das von Art. 6 EMRK umfasste Recht auf Akteneinsicht kann dann nicht allein auf den Verteidiger beschränkt werden, wenn davon auszugehen ist, dass der Angeklagte selbst die Beweise hinsichtlich seiner Verteidigung besser einschätzen kann. Darüber hinaus müssen jedem Angeklagten die Akten vor der Hauptverhandlung grundsätzlich zugänglich sein.