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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
August 2002
3. Jahrgang
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1. Die Strafkammer, vor der die Jugendkammer gemäß § 209 Abs. 1 i. V. mit § 209 a Nr. 2 Buchst. a StPO ein bei ihr angeklagtes Verfahren eröffnet hat, ist, wenn sie in der Hauptverhandlung zu der Erkenntnis gelangt, dass der Angeklagte entgegen der Einschätzung der Jugendkammer bei Begehung der Tat (nicht ausschließbar) noch Heranwachsender war, ungeachtet des Eröffnungsbeschlusses gehalten, die Sache gemäß § 270 Abs. 1 StPO an die zuständige Jugendkammer zu verweisen. (BGHSt)
2. Es bleibt offen, ob der Entscheidung eines höheren Gerichts gem. § 209 Abs. 1 StPO insoweit Bindungswirkung für das weitere Verfahren bis zur Hauptverhandlung zukommt, dass eine (Rück)Vorlegung des niedrigeren Gerichts gemäß § 225a StPO unzulässig wäre. Jedenfalls reicht die Bindungswirkung nicht in die Hauptverhandlung hinein, weil in dieser weit bessere Erkenntnismöglichkeiten bestehen als im Zwischenverfahren und im Hauptverfahren vor Beginn der Hauptverhandlung. (Bearbeiter)
3. Auch wenn die erweiterten Erkenntnismöglichkeiten in der Hauptverhandlung nicht zu einer neuen Sach- und Beweislage führen, so ist die Rückverweisung nach Beginn der Hauptverhandlung gem. § 270 Abs. 1 StPO dennoch zulässig, weil eine geänderte Beurteilung auch auf einer eingehenden Würdigung des als solchen unveränderten Beweismaterials beruhen kann. (Bearbeiter)
1. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs im Beschlußverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO, wenn der Beschwerdeführer die Sachrüge nachträglich, etwa in der Gegenerklärung nach § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO, erläutert oder im Falle einer zunächst nur allgemein erhobenen Sachrüge erstmalig detailliert begründet. (BGHR)
2. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer detaillierte Gründe erst in der Gegenerklärung nach § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO vorgebracht hat, steht der Zulässigkeit des Beschlussverfahrens ebenfalls nicht entgegen. Auch bei dieser Verfahrenssituation ist zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG die Durchführung einer Hauptverhandlung nicht geboten. (Bearbeiter)
3. Verfassungsrechtliche Gründe erfordern nicht, dass das Revisionsgericht seinen verwerfenden Beschluß ausführlich begründet, da sich die für die Zurückweisung des Rechtsmittels maßgeblichen Gründe bei diesem Verfahrensgang aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und dem Inhalt des Verwerfungsantrags im Zusammenhang mit dem Merkmal der offensichtlichen Unbegründetheit mit ausreichender Klarheit ergeben. (Bearbeiter)
4. Bei Strafsachen, für die nach § 120 GVG die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts begründet ist, ist das Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 StPO nicht generell ausgeschlossen. (Bearbeiter)
Der Senat neigt in Abweichung von seinem bisherigen Standpunkt (NStZ 2000, 254, 255 m. w. N.; Beschl. vom 15. Februar 2001 - 3 StR 574/00) dazu, wegen der von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderten rechtlichen Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der Qualifikationen in der Urteilsformel für erforderlich zu halten.
Die neuere und inzwischen gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGHSt 45, 164) stellt bei der Beurteilung der Frage, ob ein Zeuge subjektiv die Wahrheit sagt, weniger auf dessen (allgemeine) Glaubwürdigkeit, sondern entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der konkreten Aussage ab. Das geeignete Instrumentarium dafür, ob der Zeuge subjektiv die Wahrheit sagt, ist insbesondere die Aussageanalyse. Hat der Tatrichter die Zuverlässigkeit der Aussage nach diesen Maßstäben überprüft und hält er sie danach - ohne der Tatsache der Vereidigung Gewicht beizumessen - für glaubhaft, so kann das Revisionsgericht ein Beruhen des Urteils auf der zu Unrecht vorgenommenen Vereidigung ausschließen (vgl. BGH NStZ 2000, 546; NStZ-RR 2001, 18; BGHR StPO § 60 Nr. 2 Vereidigung 5).
1. § 55 StPO gibt dem Zeugen grundsätzlich nur das Recht, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern. Ausnahmsweise ist er zur umfassenden Verweigerung der Auskunft berechtigt, wenn seine gesamte in Betracht kommende Aussage mit einem möglicherweise strafbaren oder ordnungswidrigen eigenen Verhalten in so engem Zusammenhang steht, dass nichts übrig bleibt, was er ohne die Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aussagen könnte.
2. Der Grundsatz des Strafklageverbrauchs hat in der Senatsentscheidung BGHSt 29, 288, 294 für den Bereich der Organisationsdelikte Einschränkungen erfahren. Danach werden gegen über § 129 StGB schwerere Straftaten, die mit Beteiligungsakten nach § 129 StGB in Tateinheit stehen, dann nicht von der Rechtskraft eines wegen der Beteiligung ergangenen Urteils erfasst, wenn sie tatsächlich nicht - auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung - Gegenstand der Anklage und der Urteilsfindung in dem früheren Verfahren waren. Das ändert aber nichts daran, dass der wegen eines Organisationsdelikts Verurteilte durch die Rechtskraft von weiterer Strafverfolgung wegen dieses Delikts und tateinheitlich mit diesem zusammentreffender weiterer, nicht schwerer wiegender Delikte geschützt ist.
3. Soweit der Beschwerdeführer darauf abhebt, der Angeklagte könnte ihn nach seiner Aussage zu Unrecht belasten, stellt dies ein Risiko dar, das zu einer Aussageverweigerung nach § 55 StPO nicht berechtigt.
Bei einer Hauptverhandlung, die mehrere Tage dauert, genügt die förmliche Ladung zum ersten Verhandlungstag. Weitere Termine können in der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden bekannt gegeben werden (BGH MDR 1987, 777).
1. Auch wenn eine Zeugenaussage mehrere Tatkomplexe betrifft, fordert § 247 Satz 4 StPO eine abschnittsweise Unterrichtung des Angeklagten nicht.
2. Der Angeklagte hat keinen Anspruch darauf, die Zeugin unmittelbar nach Teilaussagen zu bestimmten Tatkomplexen befragen zu lassen, denn ein solches Recht sieht § 240 Abs. 1 StPO für den anwesenden Angeklagten ebensowenig wie für die übrigen Verfahrensbeteiligten vor. Vielmehr ist es Sache der Verhandlungsleitung des Vorsitzenden, wann und in welcher Reihenfolge er die Ausübung des Fragerechts gestattet.
Die Benennung einer unbestimmten Vielzahl instruierter Vertreter der Betreiber in einem Gutachtenanhang genannter Internetseiten lässt ohne nähere Erläuterung die erforderliche eindeutige Individualisierung der Zeugen vermissen, deren Vernehmung in dem Antrag begehrt wurde: in diesem Fall liegt in dem Antrag kein förmlicher Beweisantrag.
1. Der Beweiswürdigung sind alle in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zugrunde zu legen (§ 261 StPO). In den schriftlichen Urteilsgründen muss sich dies widerspiegeln unter Darlegung der wesentlichen Aspekte der Beweisführung, soweit dies zu deren Verständnis und zur Überprüfung des Urteils notwendig ist. Beweiserhebungen, die sich für die Beweisführung als bedeutungslos herausstellen, bedürfen keiner Erwähnung. Dies gilt auch für - zunächst als erheblich angesehene - entlastende Tatsachen, deren Vorhandensein nach einem entsprechenden Beweisantrag als wahr unterstellt wurde.
2. Die Urteilsgründe müssen sich nicht stets mit einer als wahr unterstellten Behauptung auseinandersetzen. Eine Stellungnahme ist aber dann erforderlich, wenn nicht ohne weiteres zu ersehen ist, wie die Beweiswürdigung mit der Wahrunterstellung in Einklang gebracht werden kann, oder wenn aus sonstigen Gründen ohne ausdrückliche Erörterung der als wahr unterstellten Tatsache die Überlegungen des Gerichts zur Beweisführung lückenhaft bleiben (BGHSt 28, 310, 311; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende, 11).
3. Zur Klärung der Voraussetzungen des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO steht auch das Freibeweisverfahren zur Verfügung (BGHR StPO § 244 Abs. 5 Satz 2, Auslandszeuge, 5 und 6).
1. Wird ein Angeklagter aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so muss der Tatrichter im Urteil zunächst die Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, und danach in der Beweiswürdigung darlegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können.
2. Bei einem leugnenden Angeklagten können innere Tatsachen wie seine Vorstellungen über die möglichen Folgen seines Handelns und deren Billigung regelmäßig durch Rückschlüsse aus dem äußeren Tatgeschehen festgestellt werden. Zur Ablehnung des bedingten Vorsatzes genügt hier nicht die bloß theoretische Möglichkeit, daß sich der Angeklagte über die möglichen Tatfolgen keine Gedanken gemacht hat, wenn sich diese jedermann unmittelbar aufdrängen und für die fehlende Vorstellung des Täters von den Folgen seines Handelns keine realen Anknüpfungspunkte vorliegen. Vielmehr ist für die Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände erforderlich.
Zur Bindungswirkung der rechtskräftigen Feststellungen zum Schuldspruch gehören auch diejenigen, welche das Tatgeschehen näher beschreiben, wie etwa die Tatentstehung und die Beweggründe für die Tatbegehung (BGHSt 30, 340, 343, 346).