HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2002
3. Jahrgang
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IV. Nebenstrafrecht, Haftrecht und Jugendstrafrecht


Entscheidung

BGH 5 StR 395/01 - Beschluss vom 7. November 2001 (LG Mühlhausen)

BGHSt; BGHR; Hinterziehung von Vermögensteuer; Beginn der Verfolgungsverjährung einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen bei Veranlagungssteuern; Weitergeltung einer verfassungswidrigen Norm; Gesetzeskraft; Unechtes Unterlassungsdelikt; Verkürzungserfolg; Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo); Zeitgesetz; Rechtsgüterschutz

§§ 2, 78a StGB; § 370 AO; VStG; § 31 Abs. 2 BVerfGG; § 79 Abs. 1 BVerfGG; § 261 StPO

1. Hinterziehung von Vermögensteuer für Besteuerungszeiträume bis zum 31. Dezember 1996 bleibt strafbar. (BGHSt)

2. Bei Veranlagungssteuern beginnt die Verfolgungsverjährung einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen erst, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat. (BGHSt)

3. Die befristete weitere Anwendbarkeit des bisherigen Vermögensteuerrechts auf Grund von § 31 Abs. 2 BVerfGG schafft kein Recht minderer Qualität, das vom Normadressaten ohne das Risiko, mit einer der vorgesehenen Sanktionen überzogen zu werden, ignoriert werden kann. (Bearbeiter)

4. § 370 AO ist nicht restriktiv dahin auszulegen, daß ungeachtet einer verfassungsgerichtlichen Weitergeltungsanordnung nur materiell mit der Verfassung in Einklang stehende Steuernormen Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit sein können. Ebensowenig kommt es für die Strafbarkeit darauf an, wie hoch die Verkürzungsbeträge bei verfassungsgemäßen Besteuerungsvorschriften gewesen wären. (Bearbeiter)

5. Die Vorschrift des § 79 Abs. 1 BVerfGG steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Diese einfachgesetzliche Vorschrift wird von der vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen und nach § 31 Abs. 2 BVerfGG ebenfalls mit Gesetzeskraft ausgestatteten Weitergeltungsanordnung als neuerer und speziellerer gesetzlicher Vorschrift gleichen Ranges verdrängt (so auch BFH BStBl II 2000, 378, 380). Die in § 79 Abs. 1 BVerfGG vorausgesetzte Rechtslage, daß auch eine lediglich mit dem Grundgesetz unvereinbare Norm nicht mehr angewandt werden darf, ist in Fällen der vom Bundesverfassungsgericht mit Gesetzeskraft ausgesprochenen Weitergeltung der Norm nicht gegeben. (Bearbeiter)

6. Zwar hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit einer den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden Neuregelung des Vermögensteuergesetzes innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist keinen Gebrauch gemacht. Im Verstreichenlassen dieser Frist durch den Gesetzgeber liegt indes keine Aufhebung eines Gesetzes im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB mit der Folge, daß eine Strafbarkeit wegen Vermögensteuerhinterziehung auch für die Vergangenheit nicht mehr in Betracht kommen würde. § 2 Abs. 3 StGB greift hier deswegen nicht ein, weil das Vermögensteuergesetz hinsichtlich der Veranlagungszeiträume vor 1997 weiter anzuwenden ist. Anders als es § 2 Abs. 3 StGB voraussetzt, gelten die blankettausfüllenden Normen bezogen auf die maßgeblichen Besteuerungszeiträume wie Zeitgesetze (§ 2 Abs. 4 StGB) fort. (Bearbeiter)

7. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt auch die Änderung der Ausfüllungsnormen von Blankettgesetzen als Rechtsänderung im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB (BGHSt 20, 177). (Bearbeiter)

8. Zwar ist der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" grundsätzlich auch auf die Frage der Verjährung anzuwenden (vgl. BGHSt 18, 274). Bleibt offen, zu welchem Zeitpunkt der zum Tatbestand gehörige Erfolg eingetreten ist, so greift der Grundsatz "in dubio pro reo" ein. Voraussetzung hierfür ist aber, daß beim Tatrichter Zweifel über tatsächliche Gegebenheiten bestehen, die für die Verjährungsfrage von Bedeutung sind. Weiß das Gericht hingegen, daß kein Steuerbescheid ergangen ist, und kennt es den Zeitpunkt des Abschlusses der Veranlagungsarbeiten durch das Finanzamt, sind ihm die für die Tatbeendigung maßgeblichen Tatsachen bekannt; für die Anwendung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten" bleibt dann kein Raum. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 4 StR 208/01 - Urteil vom 25. Oktober 2001 (LG Dortmund)

BGHSt; BGHR; Täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge); Lieferung von Fertigungsstoffen für Betäubungsmittelimitate; Tatherrschaft und Tatinteresse; Beihilfe

§ 29 Abs. 6 BtMG; § 25 StGB; § 9 Abs. 2 Satz 2 StGB; § 27 StGB

1. Werden Stoffe geliefert, die (noch) keine Betäubungsmittelimitate sind, sondern nur Grundlage für deren Fertigung sein sollen, so liegt darin noch kein (allein-) täterschaftliches Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 6 BtMG (im Anschluß an BGHSt 38, 58). (BGHSt)

2. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfaßt das Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1, 6 BtMG jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln (bzw. Betäubungsmittelimitaten) zu ermöglichen oder zu fördern; erforderlich ist aber, daß Tätigkeiten erfolgen, die auf die Ermöglichung oder Förderung eines bestimmten Umsatzgeschäftes mit Betäubungsmitteln (bzw. Imitaten) zielen (BGH NStZ 1993, 444; zu § 29 Abs. 6 BtMG vgl. BGHSt 38, 58, 62). Umsatzgeschäft bei der Lieferung eines Grundstoffes zur Herstellung eines Betäubungsmittelimitats ist zunächst allein der Verkauf des Grundstoffs. Selbst wenn man - mit BGHSt 38, 58 - zwischen der Lieferung des "fertigen" Imitats an den Händler und dem (beabsichtigten) Verkauf der Pseudodroge durch diesen an den Endverbraucher eine so enge Verbindung sieht, daß das (täuschende) Handeltreiben des Händlers mit dem Imitat dem Zwischenhändler quasi "zuzurechnen" ist, ist diese enge Verbindung jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn an dem vom Zwischenhändler gelieferten Stoff weitere Veränderungen vorgenommen werden sollen, um Imitate herzustellen (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39). (Bearbeiter)

3. Der Händler eines Grundstoffes zur Herstellung eines Betäubungsmittelimitats macht sich nicht wegen (allein-)täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmittelimitaten nach § 29 Abs. 6 BtMG (i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) strafbar. Er kann aber - je nach Tatinteresse und Tatherrschaft - etwa Mittäter des Händlers oder Teilnehmer an dessen Tat sein. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 4 StR 429/01 - Beschluss vom 8. November 2001 (LG Bochum)

Verfall von Wertersatz bei Einziehung von Betäubungsmitteln; Etwas; Beziehungsgegenstände

§ 73 StGB; § 73a StGB; § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG

Werden beim Täter Betäubungsmittel sichergestellt, so unterliegen diese als sogenannte "Beziehungsgegenstände" der Einziehung gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 BtMG i.V.m. §§ 74 ff StGB (vgl. BGHR BtMG § 33 Beziehungsgegenstand 1) und nicht dem Verfall.