HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

April 2001
2. Jahrgang
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IV. Nebenstrafrecht, Haftrecht und Jugendstrafrecht


Entscheidung

BGH 5 StR 368/00 - Urteil v. 21. Februar 2001 (LG Krefeld)

Steuerhinterziehung (Zigarrettenschmuggel); Beihilfe durch einen V-Mann; Versandverfahren; Unrichtige Angaben; Gestellung; Eingangsabgaben; Gesetzlichkeitsprinzip; Analogieverbot; Irrtum; Kenntnis der Finanzbehörden (Vollendung); Beweiswürdigung (Vorsatzfeststellung); VersandVO

§ 370 AO; § 370 Abs. 7 AO; § 27 StGB; Zollkodex; ZK; VersandVO; § 9 StGB; Art. 103 Abs. 2 GG; § 261 StPO

1. Gemäß § 370 Abs. 6 Satz 1 AO gelten die Absätze 1 bis 5 des § 370 AO auch dann, wenn sich die jeweilige Tat auf Eingangsabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden (vgl. BGH wistra 2001, 62). Es ist daher ohne Bedeutung, daß für das Zollverfahren in derartigen Fällen nach Art. 378 Abs. 1 ZK bzw. Art. 454 Abs. 3 ZK (für 1993: Art. 34 VersandVO) die Tat als in dem Mitgliedstaat begangen gilt, zu dem die Abgangsstelle gehört (T 1 -Versandverfahren) bzw. in dem die Zuwiderhandlung festgestellt worden ist (Carnet-TIR-Verfahren).

2. Soweit § 370 Abs. 7 AO in der zur Tatzeit geltenden Fassung dabei nur auf die Absätze 1 bis 5 verwies und Absatz 6 nicht ausdrücklich erwähnte, handelte es sich um ein offenkundiges redaktionelles Versehen des Gesetzgebers, das die schon nach bisheriger Rechtslage bestehende Strafbarkeit von Auslandstaten nach § 370 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 AO unberührt ließ.

3. Die Kenntnis der Zollfahndungsbehörden und deren Zustimmung schließen die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Steuerhinterziehung durch einen V-Mann nicht aus.

4. Falls es überhaupt auf die Kenntnis der Finanzbehörden ankommen sollte, müßte diese bei dem für die Steuer- bzw. Zollfestsetzung zuständigen Beamten vorliegen; dabei müßte dieser positive Kenntnis von allen Tatsachen haben, die für eine zutreffende Abgabenfestsetzung erforderlich sind (vgl. BGHSt 34, 272, 293; BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 - Vollendung 1). Die Kenntnis einer nationalen Zollfahndungsbehörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union reicht jedenfalls nicht aus.


Entscheidung

BGH 3 StR 562/00 - Beschluß v. 24. Januar 2001 (LG Lübeck)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; Grenzwert für eine nicht geringe Menge bei Marihuana; Schätzung des Wirkstoffgehalts (Beanstandungen als Indiz für den Wirkstoffgehalt)

§ 29a Nr. 2 BtMG

1. Maßstab für die nicht geringe Menge eines Betäubungsmittels ist nicht dessen Gewicht, sondern die Menge des in ihm enthaltenen Wirkstoffs.

2. Der Grenzwert für eine nicht geringe Menge Marihuana beträgt 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC).

3. Anknüpfungspunkt für die Schätzung des Wirkstoffgehalts kann dabei neben dem vom bezahlten Einkaufspreis bzw. dem erzielten Verkaufserlös pro Gramm auch der Umstand sein, daß nach den bisherigen Feststellungen die jeweiligen Erwerber die Qualität des Marihuanas nicht beanstandet hatten.


Entscheidung

BGH 1 StR 423/00 - Urteil v. 30. Januar 2001 (LG München I)

Abgrenzung zwischen tatbestandsmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und straflosen Vorbereitungshandlungen im Rahmen einer Bandentätigkeit; Erfordernis der konkreten Haupttat (Abgrenzung von Versuchs- und Vorbereitungshandlung); Sich verabreden; Sich bereit erklären

§§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 30a Abs. 1 BtMG; § 27 StGB; § 30 Abs. 2 StGB

1. Zur Abgrenzung zwischen tatbestandsmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und straflosen Vorbereitungshandlungen im Rahmen einer Bandentätigkeit. (BGHR)

2. Der Begriff des Handeltreibens erfaßt wegen seiner weiten Auslegung jedes eigennützige Bemühen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern (st. Rspr., vgl. BGHSt 34, 124, 125). Auch verbindet das Handeltreiben alle im Rahmen eines Güterumsatzes aufeinanderfolgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung zu einer Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (BGHSt 30, 28, 29 f). Erforderlich ist aber stets, daß Tätigkeiten erfolgen, die auf die Ermöglichung oder Förderung eines bestimmten Umsatzgeschäfts mit Betäubungsmitteln zumindest in dem Sinne zielen, daß ein konkretes Geschäft "angebahnt" ist oder "läuft" (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 22, 37, 43, vgl. auch BGH NStZ 1996, 507). Auch eine Handlung im Interesse einer Bande ohne konkreten Bezug zu einer Straftat genügt - anders als bei dem Organisationsdelikt des § 129 StGB - nicht, eine Straftat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu begründen. (Bearbeiter)

3. Die Zusage eines Tatbeitrags, der rechtlich als Beihilfe zu einem Verbrechen zu werten ist, ist nicht nach § 30 Abs. 2 StGB strafbar (BGH NStZ 1982, 244 und 1993, 138).