hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1186

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 174/16, Beschluss v. 12.10.2016, HRRS 2016 Nr. 1186


BGH 4 StR 174/16 - Beschluss vom 12. Oktober 2016 (LG Essen)

Mitteilungspflicht über Verständigungsgespräche.

§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die verspätete bzw. unzureichende Mitteilung des Vorsitzenden über ausschließlich die Mitangeklagten betreffende Verständigungsgespräche kann ein in diese Erörterungen nicht einbezogener Mitangeklagter regelmäßig nicht rügen.

2. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO schreibt seinem Wortlaut nach keinen Zeitpunkt für die Mitteilung über während des Laufs der Hauptverhandlung in Bezug auf die Mitangeklagten geführte Verständigungsgespräche vor. Zwar ist nach dem Zweck des Gesetzes regelmäßig eine umgehende Information im Anschluss an Verständigungsgespräche geboten, doch sind davon auch Ausnahmen möglich.

Entscheidungstenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. August 2015 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Einzelstrafe im Fall II. 3. Tat 89 der Anklage auf ein Jahr sechs Monate festgesetzt wird.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Geldwäsche in 104 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall eines Geldbetrages von 130.000 € angeordnet.

Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat überwiegend keinen Erfolg.

1. Die Verfahrensrügen versagen.

Zur Rüge der Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO bemerkt der Senat in Ergänzung zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 9. Mai 2016:

a) Dass die Negativmitteilung des Vorsitzenden erst am 11. Hauptverhandlungstag das Einlassungsverhalten des Angeklagten infolge eines Informationsdefizits beeinflusst haben könnte, das Urteil also auf einem möglichen Verfahrensfehler beruht, schließt der Senat in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt aus. Der Angeklagte entschloss sich erst am 48. Hauptverhandlungstag zu einer Einlassung; mit ihm waren Verständigungsgespräche zuvor (und auch später) nicht geführt worden.

b) Die verspätete bzw. unzureichende Mitteilung des Vorsitzenden über ausschließlich die Mitangeklagten betreffende Verständigungsgespräche kann ein in diese Erörterungen nicht einbezogener Mitangeklagter regelmäßig nicht rügen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2014 - 2 BvR 989/14, NStZ 2014, 528, 529; BGH, Beschluss vom 24. April 2014 - 5 StR 123/14, juris Rn. 4). Ein Ausnahmefall, vergleichbar dem, über den der 2. Strafsenat mit Urteil vom 21. Juli 2015 (2 StR 75/14, NStZ 2016, 228 ff.) entschieden hat, liegt nicht vor.

c) Im Übrigen entnimmt der Senat dem Revisionsvortrag, dass eine Mitteilung über während des Laufs der Hauptverhandlung in Bezug auf die Mitangeklagten geführte Verständigungsgespräche jeweils zeitnah erfolgt ist. Dies gilt angesichts der Zahl der Angeklagten sowie der Komplexität der Tatvorwürfe und der demgemäß über mehr als 60 Tage andauernden Hauptverhandlung auch, soweit dies zum Teil erst einen oder mehrere Verhandlungstage später geschah. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO schreibt seinem Wortlaut nach keinen Zeitpunkt für die Mitteilung vor. Zwar ist nach dem Zweck des Gesetzes regelmäßig eine umgehende Information im Anschluss an Verständigungsgespräche geboten, doch sind davon auch Ausnahmen möglich (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 StR 393/15, NStZ 2015, 353). Soweit der Angeklagte, wie er weiter vorträgt, zu der vom Vorsitzenden angekündigten Verfahrensweise ausdrücklich sein Einverständnis erklärt hat, könnte die Verfahrensrüge schon deshalb keinen Erfolg haben (vgl. dazu LRStPO/Franke, 26. Aufl., § 337 Rn. 212 mwN).

2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Jedoch verringert der Senat die im Fall II. 3. Fall 89 der Anklage festgesetzte Einzelstrafe, dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend, in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO um drei Monate auf ein Jahr und sechs Monate. Das Landgericht, das sich bei der Festsetzung der Einzelstrafen maßgeblich von der Höhe der jeweils transportierten Geldbeträge hat leiten lassen, hat bei der Strafzumessung in diesem Fall - erkennbar versehentlich - einen Betrag von 75.000 € statt des - tatsächlich festgestellten - Betrages von 38.000 € zu Grunde gelegt und eine Einzelstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Die vom Senat vorgenommene Herabsetzung entspricht im Ergebnis der im Fall II. 3. Tat 156 der Anklage für einen Transport von 40.000 € festgesetzten Einzelstrafe.

Dass von dieser Herabsetzung die Höhe der Gesamtstrafe beeinflusst sein könnte, kann der Senat sicher ausschließen.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1186

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner