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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 954

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 75/14, Urteil v. 21.07.2015, HRRS 2015 Nr. 954


BGH 2 StR 75/14 - Urteil vom 21. Juli 2015 (LG Aachen)

Mitteilung über den Inhalt von Verständigungsgesprächen (Mitteilungspflicht bei Verständigungsgesprächen nur mit Mitangeklagten: Beruhen des Urteils auf einer unterlassenen Mitteilung; Begriff des Verständigungsgesprächs: sofortige Ablehnung einer Verständigung; Umfang der Mitteilungspflicht; Anforderungen an die Revisionsbegründung: keine Ausführungen zum Beruhen bei fehlerhafter Mitteilung; keine Erforderlichkeit eines Zwischenrechtsbehelfs für eine zulässige Revision).

§ 243 Abs. 4 StPO; § 273 Abs. 1a StPO; § 257c StPO; § 238 Abs. 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO ist gerade dann von erheblicher Bedeutung, wenn die Möglichkeit einer Verständigung von Gericht und Staatsanwaltschaft mit Mitangeklagten gesehen wird, während ein anderer Angeklagter keine Verständigungsbereitschaft zeigt.

2. Zwar ist eine Drittwirkung von Verfahrensfehlern bei der Verständigung des Gerichts mit Mitangeklagten nicht stets anzunehmen (vgl. BVerfG NStZ 2014, 528 f.). Eine Verständigung des Gerichts mit Mitangeklagten berührt jedoch jedenfalls dann unmittelbar den Rechtskreis des Angeklagten, wenn Gegenstand der Verständigung ein auch ihn betreffendes Geständnis ist. Nur bei Kenntnis der genauen Umstände des Zustandekommens der Verständigung kann seine Verteidigung die Verwertbarkeit und Glaubhaftigkeit der auch ihn belastenden Geständnisse der Mitangeklagten, die aufgrund der Verständigung abgelegt wurden, näher überprüfen und gegebenenfalls gegenüber dem Gericht beanstanden.

3. Eine Darlegung zu der Frage, inwieweit das die Mitangeklagten betreffende Verständigungsgeschehen ihn in seiner Verteidigungsposition beeinträchtigt habe, ist für die Zulässigkeit der Revision wegen eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 StPO nicht erforderlich. Dies betrifft die Frage, ob ein Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers vorliegt und das Urteil auch zu seinem Nachteil darauf beruhen kann, dass die Erörterungen zur Verständigung des Gerichts mit den Mitangeklagten nicht in allen Punkten in der Hauptverhandlung mitgeteilt wurden. Dies ist ein Aspekt der Begründetheit der Rüge, nicht ihrer Zulässigkeit.

4. Die Pflicht zur Mitteilung von Erörterungen nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO gilt unbeschadet der Tatsache, dass der Angeklagte oder sein Verteidiger keine Verständigung wünscht. Vielmehr ist der Vorsitzende gehalten, die Verfahrensbeteiligten von sämtlichen, gegebenenfalls auch erfolglosen Bemühungen des Gerichts um deren Zustandekommen in Kenntnis zu setzen. Selbst die sofortige Ablehnung einer Verständigung ist daher zur Herstellung umfassender Transparenz mitteilungspflichtig.

5. Kommt der Vorsitzende seinen Mitteilungs- und Dokumentationspflichten nur unzureichend nach, muss dies von dem Verteidiger nicht mit einer Anrufung des Gerichts gemäß § 238 Abs. 2 StPO zur Erhaltung einer späteren Revisionsrüge beanstandet werden (vgl. BGHSt 59, 252, 256 ff.).

Entscheidungstenor

I. Auf die Revision des Angeklagten Il. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. Juli 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

1. soweit er verurteilt wurde wegen

a) bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 33 Fällen, davon in 16 Fällen in Tateinheit mit Bestimmen einer Person unter 18 Jahren dazu, mit Betäubungsmitteln Handel zu treiben, und

b) bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln,

2.

a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, und

b) im Ausspruch über den Wertersatzverfall.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten Il. unter Freisprechung im Übrigen wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in dreiunddreißig Fällen, davon in sechzehn Fällen in Tateinheit mit Bestimmen einer Person unter achtzehn Jahren dazu, mit Betäubungsmitteln Handel zu treiben, ferner wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und schließlich wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 20.000 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten Il. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge und einer Verfahrensbeanstandung in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

A.

I. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlossen sich der Angeklagte Il., dessen Bruder S. Il., die Mitangeklagten E., S., O. und C., sowie die gesondert verfolgten M., In. und B. M`H. im Lauf des Jahres 2011 zusammen, um gemeinsam in A. Betäubungsmittel zu verkaufen. Meist handelte es sich dabei um Marihuana.

Die Bande verfügte über eine hierarchische Struktur. An deren Spitze standen der Angeklagte Il., dessen Bruder S. Il. sowie der Mitangeklagte In. Eine Ebene darunter rangierten die Angeklagten O. und S., wiederum eine Ebene darunter die Angeklagten E. und C. sowie die gesondert Verfolgten M. und B. M`H. .

Die von der Bande in A. verkauften Drogen wurden in den Niederlanden beschafft und in Bunkerwohnungen neu verpackt und anders portioniert. Dann wurden sie meist in kleinen Mengen im Straßenhandel verkauft, wozu sich die Bande der Mitwirkung sogenannter Läufer bediente, die Kleinmengen an Konsumenten verkaufen.

Der Angeklagte Il. war nicht nur für die Beschaffung der Drogen zuständig, sondern kümmerte sich auch um das Anwerben von Läufern, deren Einsatz sowie das Anwerben von Kunden. Die Läufer erhielten von ihm Mobiltelefone, deren Anschluss den Kunden bekannt war.

Der Angeklagte E. war beim Verkauf der Drogen im Straßenhandel tätig und hatte Zugang zu den Bunkerwohnungen. Der Angeklagte S. war für den Kauf größerer Mengen und als Depothalter zuständig. Zudem fungierte er als Bindeglied zwischen S. Il. und dem Angeklagten Il. Der Angeklagte O. transportierte Drogen aus den Niederlanden nach A. und bestückte die Bunkerwohnungen. Zudem war er am Verkauf größerer Mengen beteiligt. Der Angeklagte C. half beim Umverpacken der Drogen und war Depothalter.

Die Kommunikation zwischen den Beteiligten fand zunächst telefonisch statt. Dabei achteten die Bandenmitglieder darauf, dass während der Telefonate nicht über konkrete Drogengeschäfte gesprochen wurde. Vielmehr dienten die Telefonate jeweils der Anbahnung eines Treffens, bei dem Einzelheiten der Drogengeschäfte besprochen wurden.

Die Strafkammer konnte nicht feststellen, dass sich alle Mitglieder der Gruppierung kannten. Jedoch hatte der Angeklagte Il. hinsichtlich der von ihm begangenen Drogengeschäfte Kontakt mit seinem Bruder, mit dem gesondert verfolgten Zeugen In. und mit den Mitangeklagten O., S. und E. .

Die Erlöse aus den Drogengeschäften wurden unter den beteiligten Bandenmitgliedern aufgeteilt, wobei die Verteilung auf den verschiedenen Hierarchieebenen unterschiedlich erfolgte.

Das Landgericht hat dreiunddreißig Fälle festgestellt, bei denen der Angeklagte Il. bandenmäßig mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben hat (Fälle 50, 52 bis 71, 73, 74, 76 bis 78, 80 bis 85 und 89 der Urteilsgründe), in den Fällen 56 bis 71 auch tateinheitlich mit der Qualifikation nach § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG. Ferner hat es einen Fall festgestellt, bei dem der Angeklagte Il. bandenmäßig mit Betäubungsmitteln Handel getrieben hat (Fall 90 der Urteilsgründe) und schließlich einen Fall des nicht bandenmäßigen Handeltreibens (Fall 51 der Urteilsgründe).

II. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht ausgeführt, die Tatsache, dass der Angeklagte Il., der seine Bandenzugehörigkeit bestritten hat, an der Spitze der Gruppierung gestanden habe, ergebe sich unter anderem aus abgehörten Telefonaten. Außerdem teilen die Urteilsgründe mit, dass die Feststellungen zu den Einzeltaten auf den zum Teil geständigen Einlassungen der Mitangeklagten sowie Zeugenaussagen beruhen.

B.

I. Die Revision des Angeklagten Il. hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit das Landgericht ihm eine bandenmäßige Tatbegehung zugerechnet hat.

Den getroffenen Feststellungen zur Bandenabrede und zur Bandenstruktur steht keine ebenso geschlossene Beweiswürdigung zu dieser Frage gegenüber. Insbesondere ist in den Urteilsgründen nicht im Einzelnen mitgeteilt, wie sich die Mitangeklagten in ihren zumindest zum Teil geständigen Einlassungen dazu, insbesondere zur Rolle des Angeklagten Il. innerhalb der Bandenstruktur, geäußert haben. Alleine aus konspirativ geführten Telefongesprächen können die Einzelheiten der festgestellten Bandenstruktur nicht umfassend entnommen werden. Um die zur Überzeugung der Strafkammer sichere Widerlegung der bestreitenden Einlassung des Angeklagten Il. zu dieser Frage nachvollziehen zu können, wäre auch eine Mitteilung der diesbezüglichen Einlassungen der anderen Angeklagten und deren Würdigung erforderlich gewesen.

Der Darstellungsmangel zwingt zur Aufhebung des Urteils in allen Fällen, in denen eine bandenmäßig begangene Tat des Angeklagten Il., gegebenenfalls auch tateinheitlich mit einem weiteren Tatbestand, abgeurteilt wurde.

Die Verurteilung wegen nicht bandenmäßig begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall 51 kann dagegen bestehen bleiben. Ihr liegen rechtsfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen zu Grunde.

II. Der Senat hat erwogen, ob die Urteilsaufhebung auf die Verurteilung der Angeklagten, die keine Revision eingelegt oder ihr Rechtsmittel zurückgenommen haben, gemäß § 357 StPO zu erstrecken ist. Dies ist zu verneinen.

1. Hinsichtlich der Angeklagten O. und C. ist das Urteil nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt worden. Insoweit gestattet das Gesetz eine Reduzierung der Ausführungen zu den Beweisgrundlagen für die Feststellungen im schriftlichen Urteil. Deshalb verstößt es im Hinblick auf diese Nichtrevidenten nicht gegen das Gesetz, wenn den Urteilsgründen nicht im Einzelnen zu entnehmen ist, wie das Tatgericht zu seinen Feststellungen über ihre Bandenbeteiligung gelangt ist. Ein gleichartiger Rechtsfehler wie im Falle des Angeklagten Il., der zur Revisionserstreckung gemäß § 357 StPO zwingen könnte, liegt deshalb nicht vor (vgl. Hamm in: Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 195, 200; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 357 Rn. 14; BeckOK/Wiedner, StPO, Ed. 21, § 357 Rn. 3a).

2. Hinsichtlich des weiteren Nichtrevidenten E., der sein Rechtsmittel zurückgenommen hat, ist eine Abkürzung der schriftlichen Urteilsbegründung nicht erfolgt. Auch insoweit liegen aber die Voraussetzungen für eine Revisionserstreckung nicht vor. Der Angeklagte E. handelte nämlich nach den Urteilsfeststellungen auf einer niedrigeren Hierarchieebene als der Angeklagte Il. Er wirkte an Bandentaten in unterschiedlicher Beteiligung anderer Personen mit. Die Beweisgründe für die Feststellung seiner Tatbegehung als Mitglied einer Bande haben daher eine andere Bedeutung als diejenigen, die den Angeklagten Il. betreffen. Insoweit fehlt es an einer gleichartigen Gesetzesverletzung im Sinne von § 357 StPO.

C.

Die Revision des Angeklagten Il. hat auch mit einer Verfahrensrüge der Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO Erfolg. Dieser Aufhebungsgrund reicht ebenso weit wie derjenige aufgrund der Sachrüge; er geht andererseits nicht darüber hinaus. Der Senat stellt ihn gleichwohl neben dem Sachmangel des Urteils fest, weil das Vorliegen eines Verfahrensfehlers bei der neuen Sachentscheidung über die Rechtsfolgen der Taten ein Kriterium bei der Bewertung der Gesamtverfahrensdauer sein kann.

I. Der Rüge liegt Folgendes zu Grunde:

1. Vor Beginn der Hauptverhandlung sprach der Vorsitzende der Strafkammer mit den Verteidigern der Mitangeklagten darüber, ob und in welchem Umfang Geständnisse zu erwarten seien. Er telefonierte danach auch mit einem Verteidiger des Angeklagten Il. Mit diesem führte er zwar keine Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung, da der Verteidiger diese nicht wünschte. Jedoch erwähnte der Vorsitzende die „offene Gesprächsbereitschaft“ der Verteidiger der Mitangeklagten.

Zu Beginn der Hauptverhandlung wurden nach der Verlesung des Anklagesatzes durch den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft vom Vorsitzenden keine Hinweise auf die Vorgespräche erteilt. Nach der Unterbrechung der Hauptverhandlung am Ende des ersten Verhandlungstages bat der Vorsitzende alle Verteidiger und den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zu einem Gespräch mit den Berufsrichtern der Strafkammer in das Beratungszimmer. Dabei eröffnete er den Anwesenden, dass er die Möglichkeit einer Verständigung sehe und erbat die Mitteilung von Strafmaßvorstellungen der Verteidiger. Dem kamen die Verteidiger der Mitangeklagten nach, nicht aber der Verteidiger des Angeklagten Il. Die Berufsrichter der Strafkammer berieten über den Zwischenstand. Anschließend teilte der Vorsitzende den Verteidigern der Mitangeklagten mit, dass ihre Strafmaßvorstellungen nicht fernliegend seien. Die Erörterungen wurden vor der Fortsetzung der Hauptverhandlung am zweiten Verhandlungstag fortgesetzt. Dabei äußerte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft seine Strafmaßvorstellung. Der Vorsitzende erklärte, dass die Strafkammer nicht nur ein allgemein gehaltenes Geständnis der Mitangeklagten, sondern auch Äußerungen über die bandenmäßige Tatbegehung erwarte. Der Mitangeklagte O. müsse jedoch keine Angaben zur Frage seiner nach dem Anklagevorwurf zusätzlich vorhandenen Bewaffnung in bestimmten Fällen machen. Die Verteidiger der Mitangeklagten erklärten ihr Einverständnis mit den Vorschlägen des Gerichts. Der Verteidiger des Mitangeklagten O. erklärte nach dem Revisionsvorbringen: „Wenn das Ergebnis stimmt, gestehe ich alles“. Gegenüber dem Verteidiger des Angeklagten Il. äußerte der Vorsitzende der Strafkammer auch, dass im Fall des Ausbleibens eines Geständnisses durch ihn eine Strafe in Betracht komme, die deutlich über derjenigen für den Mitangeklagten O. liegen könne.

2. In der Hauptverhandlung wurde nach dem Protokoll Folgendes mitgeteilt:

„Der Vorsitzende gibt bekannt, dass nach dem ersten Hauptverhandlungstag sowie vor der heutigen Sitzung mit dem Vertreter der Staatsanwaltschaft, sämtlichen Verteidigern und den Berufsrichtern weitere Erörterungen stattgefunden haben, die auch eine mögliche Verständigung zum Gegenstand haben.

Hinsichtlich des Angeklagten Il. hat sich die Möglichkeit einer Verständigung bislang nicht ergeben.

Nach den stattgefundenen Erörterungen und der Zwischenberatung gibt die Kammer bekannt, welchen Inhalt eine mögliche Verständigung haben könnte:

Im Falle umfassender Geständnisse der Angeklagten E. und C. im Sinne der Anklage, des Angeklagten S. in den Fällen 50 und 56-71 der Anklage und des Angeklagten O. in den Fällen 1-48, 49, 52-55, 74, 78 und 79-84 der Anklage, letztgenannten ohne Berücksichtigung der aufgefundenen Schusswaffe, kämen Strafen mit folgenden Unter-/Obergrenzen in Betracht:

Betreffend den Angeklagten C. eine zur Bewährung auszusetzende Gesamtfreiheitsstrafe oder Jugendstrafe von 2 Jahren bis zu 2 Jahren und 6 Monaten.

Betreffend den Angeklagten E. eine zur Bewährung auszusetzende Jugendstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten bis zu 2 Jahren und 3 Monaten.

Betreffend den Angeklagten S. eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen 3 Jahren und 3 Jahren und 9 Monaten.

Betreffend den Angeklagten O. eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten bis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten.

Die Angeklagten C. und O. könnten mit Erlass des Urteils vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont werden.

Die Fälle 49, 52-55 und 73-90 der Anklageschrift könnten betreffend den Angeklagten S. auf entsprechenden von der Staatsanwaltschaft zu stellenden Antrag nach § 154 StPO behandelt werden.

Die Fälle 50, 56-71, 75-77, 85-90 der Anklageschrift könnten betreffend den Angeklagten O. auf entsprechenden von der Staatsanwaltschaft zu stellenden Antrag nach § 154 StPO behandelt, die Fälle 79-84 der Anklageschrift überdies hinsichtlich ihrer Verfolgung nach § 154a StPO auf den Vorwurf des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beschränkt werden, so dass der Vorwurf des bewaffneten bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Wegfall geriete.

Der Vorsitzende belehrte die Angeklagten gem. § 257c Abs. 4 und 5 StPO nach den Vorgaben der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.08.2010 (3 StR 226/10). Es folgt der Hinweis, dass die Verständigung zustande kommt, wenn jeweils die Angeklagten und der Vertreter der Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichts zustimmen.“

3. Dem Urteil der Strafkammer liegt hinsichtlich der Mitangeklagten eine Verständigung zu Grunde, nicht aber hinsichtlich des Angeklagten Il. .

Dieser hat nach den Urteilsgründen in der Hauptverhandlung vor allem durch eine von ihm bestätigte Erklärung seines Verteidigers zur Sache Stellung genommen. Zudem hat er am zehnten Verhandlungstag Äußerungen zu einzelnen Anklagevorwürfen gemacht. In der Verteidigererklärung hat er vor allem ausgeführt, dass er Betäubungsmittelgeschäfte nur für seinen Eigenkonsum gemacht habe. An den Geschäften der Mitangeklagten habe er kein eigenes Interesse gehabt. Er sei nicht Mitglied einer Bande oder sogar deren „Chef“ gewesen.

Diese Einlassung hat die Strafkammer als widerlegt angesehen. Dazu hat sie sich unter anderem auf die Ergebnisse von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gestützt und diese mit den Einlassungen der Mitangeklagten abgeglichen sowie durch weitere Beweismittel ergänzt.

II. Die Revision rügt, dass der Vorsitzende entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nach Verlesung des Anklagesatzes keinen Hinweis auf Gespräche vor Verhandlungsbeginn gegeben habe, ferner, dass die Erörterungen nach Unterbrechung der Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht mit ihrem wesentlichen Inhalt mitgeteilt wurden. Die Verfahrensrüge hat Erfolg.

1. Die Rüge ist zulässig.

a) Der Angeklagte ist mit seiner Rüge in der Revisionsinstanz nicht deshalb präkludiert, weil er es unterlassen hat, bei der Strafkammer von dem Zwischenrechtsbehelf gemäß § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch zu machen. Kommt der Vorsitzende seinen Mitteilungs-und Dokumentationspflichten nur unzureichend nach, muss dies von dem Verteidiger nicht mit einer Anrufung des Gerichts gemäß § 238 Abs. 2 StPO zur Erhaltung einer späteren Revisionsrüge beanstandet werden (Senat, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/14, BGHSt 59, 252, 256 ff.).

b) Die Verfahrensrüge genügt auch den Anforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Hinsichtlich der Gespräche vor Beginn der Hauptverhandlung hat der Beschwerdeführer dargelegt, dass eine Anfrage des Vorsitzenden an die Verteidiger der Mitangeklagten stattgefunden habe, ob Geständnisse zu erwarten seien, ferner, dass gegenüber seinem Verteidiger die „offene Gesprächsbereitschaft“ der anderen Verteidiger mitgeteilt worden sei. Das genügt zur Erläuterung der Rüge, die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sei verletzt worden.

Soweit der Beschwerdeführer weiter beanstandet, dass § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO verletzt worden sei, genügt sein Vorbringen gleichfalls den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer hat den Verlauf des Prozessgeschehens in tatsächlicher Hinsicht vollständig mitgeteilt. Eine weitere Darlegung zu der Frage, inwieweit das die Mitangeklagten betreffende Verständigungsgeschehen ihn in seiner Verteidigungsposition beeinträchtigt habe, ist nicht erforderlich. Dies betrifft die Frage, ob ein Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers vorliegt und das Urteil auch zu seinem Nachteil darauf beruhen kann, dass die Erörterungen zur Verständigung des Gerichts mit den Mitangeklagten nicht in allen Punkten in der Hauptverhandlung mitgeteilt wurden. Dies ist ein Aspekt der Begründetheit der Rüge, nicht ihrer Zulässigkeit.

2. Die Verfahrensrüge ist begründet.

a) Das Verfahren der Strafkammer war rechtsfehlerhaft.

aa) Gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist, und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese umfassende Mitteilungspflicht ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen nach Beginn der Hauptverhandlung in einer Unterbrechungsphase stattgefunden haben. Das Gesetz will damit erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verhalten eröffnen (vgl. Senat, Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 26). Alle Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit sollen nicht nur darüber informiert werden, dass Erörterungen stattgefunden haben, sondern auch darüber, wer an den Gesprächen teilgenommen hat, welche Standpunkte von den Teilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist. Zur Gewährleistung einer effektiven Kontrolle ist die Mitteilung des Vorsitzenden hierüber gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313; Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, BGHSt 59, 252, 255 f.).

bb) Nach diesem Maßstab wäre eine Mitteilung des Vorsitzenden gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO im Anschluss an die Verlesung des Anklagesatzes darüber erforderlich gewesen, ob und gegebenenfalls mit welchem Erklärungsinhalt er vor Beginn der Hauptverhandlung mit den Verteidigern der Mitangeklagten Gespräche geführt hat und welche Äußerungen im Gespräch mit dem Verteidiger des Beschwerdeführers gemacht wurden.

Die Pflicht zur Mitteilung von Erörterungen nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO galt im vorliegenden Fall unbeschadet der Tatsache, dass der Verteidiger des Beschwerdeführers keine Verständigung wünschte. Vielmehr ist der Vorsitzende gegebenenfalls gehalten, die Verfahrensbeteiligten von sämtlichen, gegebenenfalls auch erfolglosen Bemühungen des Gerichts um deren Zustandekommen in Kenntnis zu setzen. Selbst die sofortige Ablehnung einer Verständigung ist daher zur Herstellung umfassender Transparenz mitteilungspflichtig (vgl. SK/Frister, StPO 5. Aufl. 2015 § 243 Rn. 44e; KK/Schneider, StPO 7. Aufl. 2014 § 243 Rn. 37). Das gilt insbesondere, wenn - wie hier - die Schöffen und die Angeklagten an den Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung nicht teilgenommen haben. Das Schutzkonzept der §§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO ist gerade dann von erheblicher Bedeutung, wenn die Möglichkeit einer Verständigung von Gericht und Staatsanwaltschaft mit Mitangeklagten gesehen wird, während ein anderer Angeklagter keine Verständigungsbereitschaft zeigt (vgl. KK/Schneider aaO § 243 Rn. 38).

cc) Ein Verfahrensfehler ist ferner in dem lückenhaften Inhalt der späteren Mitteilungen in der Hauptverhandlung zu sehen. Dem dort gemachten Verständigungsvorschlag des Gerichts waren Vorgespräche außerhalb der Hauptverhandlung vorangegangen. Zu dem gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO mitzuteilenden Inhalt der Erörterungen gehört dann auch, welche Standpunkte von den Gesprächsteilnehmern vertreten wurden, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628, 2883/10, 2155/11, BVerfGE 133, 168, 217; Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313). Es soll nicht nur das Ergebnis der Erörterungen, sondern auch der dahin führende Entscheidungsprozess mitgeteilt werden. Auch die Gründe für das Scheitern einer Verständigung mit dem Angeklagten Il., die sich aus den Vorgesprächen ergaben, wären mitteilungspflichtig gewesen. Danach waren die protokollierten Mitteilungen unzureichend.

Aus dem Protokoll ergibt sich zwar der Hinweis des Vorsitzenden, dass an den Erörterungen nach Unterbrechung der Hauptverhandlung am Ende des ersten und zu Beginn des zweiten Hauptverhandlungstages die „Berufsrichter“, alle Verteidiger und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft teilgenommen haben. Ferner ist der Mitteilung des Vorsitzenden zu entnehmen, dass die Strafkammer von den Mitangeklagten substantiierte Geständnisse, die sich auch zur Bandenmäßigkeit der Tatbegehung, nicht allerdings zur Bewaffnung des Angeklagten O. bei einem Teil der angeklagten Taten, äußern sollten. Schließlich wurden die Ober- und Untergrenzen der in Betracht gezogenen Strafen und die Möglichkeiten von Verfahrensbeschränkungen mitgeteilt.

Keine Informationen enthielt die Erklärung des Vorsitzenden jedoch zu der Frage, von wem die Initiative zu den Gesprächen ausgegangen war, welche Vorschläge außerhalb der Hauptverhandlung gemacht wurden, wie sich die einzelnen Teilnehmer dazu jeweils geäußert hatten und warum sich die Möglichkeit einer Verständigung mit dem Beschwerdeführer „bislang nicht ergeben“ hatte.

b) Das Urteil beruht zum Nachteil des Beschwerdeführers auf dem fehlerhaften Verfahren, soweit es die Bandentaten durch ihn betrifft.

aa) Zwar hat das Verständigungsgesetz davon abgesehen, einen Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten den absoluten Revisionsgründen zuzuordnen. Jedoch berührt die Verletzung solcher Regeln grundsätzlich die Verteidigungsposition des Angeklagten. Deshalb kann das Beruhen des Urteils auf einem solchen Verfahrensfehler nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 313 f.; Schmitt aaO S. 408). Dies gilt auch bei einer Verletzung der Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Das Beruhen ist insoweit nur auszuschließen, wenn feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 5 StR 310/13, NJW 2015, 1260 f.). Dies ist angesichts der Vorgespräche vor Beginn der Hauptverhandlung hier nicht anzunehmen. Wie sich aus der Fortsetzung der Gespräche nach Unterbrechung der begonnenen Hauptverhandlung durch „weitere Erörterungen“ und dem schließlich gemachten Verständigungsvorschlag des Gerichts ergibt, zielten schon die anfänglichen Gespräche auf die Herbeiführung einer Verständigung.

bb) Erst recht ist nicht auszuschließen, dass die unvollständige Mitteilung der weiteren Erörterungen nach Beginn der Hauptverhandlung, während ihrer Unterbrechung die Verteidigungsposition des Beschwerdeführers beeinträchtigt hat.

Zwar ist eine Drittwirkung von Verfahrensfehlern bei der Verständigung des Gerichts mit Mitangeklagten nicht stets anzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2014 - 2 BvR 989/14, NStZ 2014, 528 f.). Die Verteidigung des Beschwerdeführers gegen die Verwertung und die Annahme der Glaubhaftigkeit der auch ihn hinsichtlich der Bandenabrede, der Bandenstruktur der Gruppe und der Bandenmäßigkeit der Begehung der Taten belastenden Geständnisse der Mitangeklagten, die aufgrund der Verständigung abgelegt wurden, wurde hier aber dadurch beeinträchtigt, dass die Vorgespräche nicht umfassend offengelegt wurden. Eine Verständigung des Gerichts mit Mitangeklagten berührt jedenfalls in einer solchen Konstellation unmittelbar dessen Rechtskreis. Nur bei Kenntnis der genauen Umstände des Zustandekommens der Verständigung kann seine Verteidigung die Verwertbarkeit und Glaubhaftigkeit der auch ihn hinsichtlich der bandenmäßigen Tatbegehung belastenden Geständnisse der Mitangeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2013 - 5 StR 423/12, BGHSt 58, 184, 190), die aufgrund der Verständigung abgelegt wurden, näher überprüfen und gegebenenfalls gegenüber dem Gericht beanstanden.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Schöffen an den Erörterungen nicht beteiligt waren und diese (vgl. Allgayer NStZ 2015, 185, 190), sowie die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 878/14, NJW 2015, 1235, 1236 f. mit Anm. Schlothauer StV 2015, 275 ff.; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 2055/14, NStZ 2015, 172, 173 mit Anm. Knauer/Pretsch), über die Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung zu unterrichten waren. Weil dies nur unzureichend geschehen ist, kann auch insoweit nicht sicher ausgeschlossen werden, dass das Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers auf dem Verfahrensfehler beruht.

3. Hinsichtlich der nicht bandenmäßig begangenen Tat des Angeklagten Il., an der die anderen Angeklagten nicht beteiligt waren, hat sich das Landgericht auf die Einlassung des Angeklagten Il. gestützt, soweit es ihr zu folgen vermochte, ferner auf ein überwachtes Telefonat. Insoweit schließt der Senat aus, dass sich der Verfahrensfehler auf das Urteil ausgewirkt hat.

D.

Die Aufhebung des Urteils in weiten Teilen des Schuldspruchs zwingt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe und den Wertersatzverfall.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 954

Externe Fundstellen: NStZ 2016, 228 ; StV 2016, 94

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel