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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 966

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 594/24, Beschluss v. 27.05.2025, HRRS 2025 Nr. 966


BGH 3 StR 594/24 - Beschluss vom 27. Mai 2025 (LG Kleve)

Gegenstand des Urteils (verfahrensrechtlicher Tatbegriff bei sachlichrechtlich selbständigen Handlungen); fehlende Nachtragsanklage; Revisionserstreckung auf Mitverurteilte.

§ 264 StPO; § 266 StPO; 357 Satz 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten J. wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 11. September 2024, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Die ihn betreffenden Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

2. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das vorbezeichnete Urteil, auch soweit es den Mitangeklagten F. betrifft,

a) mit den Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit diese beiden Angeklagten wegen Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung verurteilt worden sind; im Umfang der Einstellungen fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der vorbezeichneten Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass schuldig sind aa) der Angeklagte S. des Handeltreibens mit Cannabis, bb) der Mitangeklagte F. der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis;

c) in den Strafaussprüchen aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebungen der Strafaussprüche wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit Bedrohung und mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, den Angeklagten J. wegen Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, sowie den nichtrevidierenden Mitangeklagten F. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Bedrohung und versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten J. und S. mit den auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten J. führt zur Aufhebung des ihn betreffenden Urteils mit den zu Grunde liegenden Feststellungen und Einstellung des Verfahrens nach § 206a StPO. Die Revision des Angeklagten S. hat - gemäß § 357 StPO auch zu Gunsten des Mitangeklagten F. - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

1. Der Angeklagte S. betrieb ab Anfang 2024 in den Kellerräumen eines Mehrparteienhauses in K. eine professionelle Cannabisplantage mit mehreren hundert Jungpflanzen, die zum Zeitpunkt ihrer Sicherstellung einen Wirkstoffgehalt von 9,6 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) aufwiesen. Er beabsichtigte, eine möglichst große Menge Marihuana mit guter Qualität zu produzieren, zu ernten und gewinnbringend zu veräußern, um sich damit eine Einnahmequelle von einiger Dauer sowie einigem Umfang zu verschaffen. Nach Art und Ausstattung der Plantage hätten bereits im Rahmen der ersten Ernte aus den 853 Marihuanapflanzen mindestens 34 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % THC und einer Wirkstoffmenge von 3,4 Kilogramm THC gezogen werden können. Der Mitangeklagte F. half dem Angeklagten S. beim Aufbau und Betrieb der Plantage.

2. Der Zeuge H. führte am Nachmittag des 21. Februar 2024 Elektrikerarbeiten in dem betreffenden Objekt durch. Er bemerkte eine Manipulation des Hausanschlusskastens und setzte den Angeklagten S. hiervon und von seiner Absicht in Kenntnis, dies dem Stromanbieter zu melden. Der Angeklagte S. befürchtete eine Entdeckung der Plantage und unterrichtete den Angeklagten J. und den Mitangeklagten F. über den Inhalt des Gesprächs. Alle drei kamen überein, den Zeugen durch Drohungen einzuschüchtern und ihn auf diese Weise von seinem Vorhaben abzubringen. Damit wollten sie den Weiterbetrieb der Plantage sowie ihre eigenen Einkünfte absichern und ein gegen sie gerichtetes Strafverfahren verhindern. Entsprechend ihrem Tatplan suchten sie noch am selben Abend den Zeugen auf und postierten sich vor dessen Haustür, um eine Drohkulisse aufzubauen. Nachdem der Zeuge an der Haustür erschienen war, äußerte der Angeklagte S. ihm gegenüber, er solle „die Füße stillhalten“, andernfalls werde er sein „blaues Wunder“ erleben, wobei die drei Angeklagten die Absicht hatten, den Zeugen mittels körperlicher Gewalt von einer Anzeige abzuhalten. Der Zeuge, der die Ernsthaftigkeit der Drohung verstand, ließ sich nicht einschüchtern, erklärte, die Polizei zu verständigen, und schlug die Haustür zu. Die Angeklagten erkannten, dass sie ihre Ziele mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr erreichen konnten, und gaben ihr Vorhaben auf.

II.

Das Verfahren ist bezüglich des Angeklagten J. insgesamt und hinsichtlich des Angeklagten S., soweit dieser wegen Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung verurteilt worden ist, nach § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Die Teileinstellung des Verfahrens betreffend den Angeklagten S. und die damit verbundene Schuldspruchänderung bedingen die Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist die Revision dieses Angeklagten unbegründet. Die teilweise Verfahrenseinstellung nebst Korrektur des Schuldspruchs und die Aufhebung der verhängten Freiheitsstrafe sind ferner auf den Mitangeklagten F. nach § 357 StPO zu erstrecken. Im Einzelnen:

1. Das Verfahren ist gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, soweit das Landgericht die Angeklagten und den Mitangeklagten F. wegen Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung verurteilt hat. Insofern besteht ein Verfahrenshindernis, weil die Tat nicht Gegenstand der Anklage und eine Nachtragsanklage (§ 266 Abs. 2 StPO) nicht erhoben worden ist.

a) Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage hat den Angeklagten und dem Mitangeklagten F. zur Last gelegt, „in nicht rechtsverjährter Zeit“ bis zum 21. Februar 2024 in K. mit Cannabis Handel getrieben zu haben. Der Tatvorwurf wird im Anklagesatz dahin konkretisiert, dass sie auf einem näher bezeichneten Grundstück in K. eine professionell eingerichtete Cannabisplantage aufgebaut und in Betrieb genommen hätten. Aufgrund eines Hinweises sei die Plantage am 21. Februar 2024 entdeckt und sichergestellt worden.

b) Die Urteilsfindung hat die Tat im verfahrensrechtlichen Sinne zum Gegenstand (§ 264 Abs. 1 StPO). Diese bestimmt sich nach dem von der zugelassenen Anklage umschriebenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Sie erstreckt sich auf das gesamte Verhalten des Täters, das nach natürlicher Auffassung ein mit diesem geschichtlichen Vorgang einheitliches Geschehen bildet (BGH, Beschlüsse vom 19. November 2020 - 2 StR 358/20, juris Rn. 3; vom 9. September 2020 - 2 StR 261/20, StV 2021, 795 Rn. 7; vom 27. September 2011 - 3 StR 255/11, NStZ 2012, 168 Rn. 6 mwN). Liegen nach dieser Maßgabe verschiedene Lebenssachverhalte und mithin mehrere selbständige prozessuale Taten vor, so sind diese nur dann vollumfänglich Gegenstand der Urteilsfindung, wenn sich nach dem aus der Anklageschrift erkennbaren Willen der Staatsanwaltschaft ergibt, dass sie sämtlich einer Aburteilung zugeführt werden sollen (BGH, Beschluss vom 19. November 2020 - 2 StR 358/20, juris Rn. 3; Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, juris Rn. 10 mwN).

c) Die von der Strafkammer festgestellte Errichtung und der Betrieb einer Cannabisplantage (s. oben Ziffer I. 1.) stellt mit dem weiterhin festgestellten Bedrohungsgeschehen zum Nachteil des Zeugen H. (s. oben Ziffer I. 2.) weder eine einheitliche prozessuale Tat dar, noch erstreckt sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft auf den zuletzt genannten Lebensvorgang. Im Einzelnen:

aa) Es besteht zwischen diesen beiden Lebenssachverhalten keine prozessuale Tatidentität im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO.

(1) Von prozessualer Tatidentität kann zwar in der Regel ausgegangen werden, wenn mehrere Taten materiellrechtlich zueinander im Verhältnis der Tateinheit nach § 52 Abs. 1 StGB stehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2023 - 6 StR 545/22, juris Rn. 5; vom 27. April 2010 - 3 StR 54/10, juris Rn. 8; Schmitt/Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 264 Rn. 12 mwN; zu in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen von dieser Regel s. BGH, Urteil vom 14. November 2024 - 3 StR 189/24, NJW 2025, 456 Rn. 51).

Die Annahme des Landgerichts, das Handeltreiben mit Cannabis stehe mit der versuchten Nötigung und der Bedrohung in Tateinheit, begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Tatort der Cannabisplantage und derjenige des Bedrohungsgeschehens sind verschieden. Auch besteht ein zeitlicher Abstand zwischen beiden Vorgängen. Zwar diente die Bedrohungs- und Nötigungshandlung dem Zweck, den Cannabishandel gegen behördliche Entdeckung zu schützen und den weiteren Betrieb der Plantage zu sichern. Allein Handeln mit einem einheitlichen Ziel oder aus einem übereinstimmenden Beweggrund genügt aber zur Begründung von Tateinheit ebenso wenig wie der Umstand, dass eine andere Straftat verdeckt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2023 - 1 StR 281/22, wistra 2023, 335 Rn. 9; Beschluss vom 7. März 2017 - 1 StR 41/17, juris Rn. 9; jeweils mwN; LK/Scholze, StGB, 14. Aufl., § 52 Rn. 21 mwN).

Der Betrieb der Cannabisplantage und die Bedrohung des Zeugen sind zudem nicht zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammenzufassen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1 Rn. 15 ff.; Urteil vom 20. März 2025 - 3 StR 447/24, juris Rn. 12; jeweils mwN). Denn zwischen den einzelnen Betätigungsakten besteht weder in örtlicher noch in zeitlicher Hinsicht ein solch unmittelbarer Zusammenhang, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise (objektiv) auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt.

(2) Mehrere sachlichrechtlich selbständige Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB können zwar eine einheitliche prozessuale Tat im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO bilden, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zugrundeliegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann, und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 - 2 BvR 111/06, BVerfGK 7, 417, 418 f.; BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 292 f.; Beschlüsse vom 24. November 2004 - 5 StR 206/04, BGHSt 49, 359, 362 f.; vom 9. April 2008 - 3 StR 86/08, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 44 Rn. 2 f.; vom 4. September 2013 - 1 StR 374/13, NStZ 2014, 102 Rn. 15; vom 11. September 2024 - 4 StR 147/24, juris Rn. 12; Urteil vom 14. November 2024 - 3 StR 189/24, NJW 2025, 456 Rn. 46). Nach diesen Maßstäben stellen die materiellrechtlich selbständigen Handlungen keinen einheitlichen Lebenssachverhalt dar, der die Annahme einer prozessualen Tat rechtfertigte. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Lebensvorgänge, die, wenngleich sie Überschneidungen aufweisen, sich hinsichtlich Tatbild, -ort und -zeit unterscheiden. Insbesondere mit Blick auf diese erheblichen Abweichungen und daneben unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Normzwecke der in Rede stehenden Strafvorschriften stellt das Bedrohungsgeschehen einen unabhängigen Sachverhalt dar, dessen Unrechts- und Schuldgehalt getrennt gewürdigt werden kann.

bb) Die Verfahrensbehandlung der unterschiedlichen Lebenssachverhalte durch die Staatsanwaltschaft ist dahin zu verstehen, dass sich die Anklage und damit der Eröffnungsbeschluss nicht auf das Bedrohungsgeschehen als selbständige prozessuale Tat erstrecken.

Der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft ist allein auf die Errichtung und den Betrieb der Cannabisplantage gerichtet gewesen. Die Bedrohungen zum Nachteil des Zeugen H. finden weder im abstrakten noch im konkreten Anklagesatz Erwähnung. Soweit der Zeuge in der Anklageschrift als Beweismittel benannt ist, begründet weder dies noch der Umstand, dass als wesentliches Ergebnis der Ermittlungen das Bedrohungsgeschehen mitgeteilt wird, einen Willen der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung dieses Lebenssachverhalts. Denn diese Ausführungen dienen erkennbar allein dem Zweck, den Betrieb der Cannabisplantage durch das Nachtatverhalten der Angeklagten beweiswürdigend zu belegen.

Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft ein gesondertes Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten und den Mitangeklagten F. unter anderem wegen des Vorwurfs der Bedrohung zunächst eingeleitet (204 Js 294/24) und sodann von der Verfolgung dieser Tat betreffend den Angeklagten S. und den Mitangeklagten F. nach § 154 Abs. 1 StPO mit Blick auf die wegen Handeltreibens mit Cannabis erhobene Anklage abgesehen hat. Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft in dem vorgenannten Verfahren bezüglich des Angeklagten J. eine abschließende Entschließung bislang nicht getroffen.

d) Der von der Strafkammer in der Hauptverhandlung erteilte Hinweis auf eine mögliche Strafbarkeit wegen Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung hat das Verfahrenshindernis der fehlenden Anklage nicht zu beseitigen vermocht. Denn durch einen gerichtlichen Hinweis gemäß § 265 StPO darf die Strafklage nicht in der Form umgestaltet werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. August 2018 - 4 StR 200/18, NStZ-RR 2018, 353, 354 mwN; vom 8. August 2001 - 3 StR 208/01, NStZ-RR 2002, 257, 258).

e) Das Landgericht hat mithin nicht zur Aburteilung der Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung gelangen dürfen. Das Verfahren ist betreffend den Angeklagten J. insgesamt und hinsichtlich des Angeklagten S. insoweit teilweise nach § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Der Senat ändert den Schuldspruch bezüglich des Angeklagten S. entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich dieser bei einem Hinweis nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung, ob die Bedrohung im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter der versuchten Nötigung zurücktritt (vgl. einerseits BGH, Beschlüsse vom 29. Juni 2022 - 3 StR 161/22, juris Rn. 4; vom 12. August 2021 - 3 StR 474/20, juris Rn. 4; vom 29. September 2020 - 3 StR 238/20, juris Rn. 3; vom 19. Februar 2019 - 3 StR 14/19, NStZ 2019, 410 Rn. 7; s. andererseits BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2024 - 5 StR 443/23, juris Rn. 6 f.; vom 30. April 2024 - 1 StR 152/24, juris; vom 20. Juli 2022 - 4 StR 220/22, BGHR StGB § 241 Abs. 2 Konkurrenzen 1 Rn. 6; vom 12. November 2024 - 6 StR 572/24, juris Rn. 7 mwN; Urteil vom 18. Dezember 2024 - 2 StR 297/24, juris Rn. 3; Fischer/Anstötz, StGB, 72. Aufl., § 240 Rn. 64).

2. Die vom Angeklagten S. erhobenen Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführten Gründen nicht durch.

3. Die auf die Sachbeschwerde veranlasste materiellrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils hat zum verbleibenden Schuldspruch betreffend den Angeklagten S. keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Cannabis.

4. Die Teileinstellung des Verfahrens und die damit verbundene Änderung des Schuldspruchs ziehen bezüglich des Angeklagten S. die Aufhebung der Freiheitsstrafe nach sich. Die Strafkammer hat der Bestimmung des Strafmaßes den Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG zugrunde gelegt und zu seinen Lasten die nach ihrer rechtlichen Würdigung tateinheitlich begangene Bedrohung und versuchte Nötigung gewertet. Jedenfalls deshalb ist es nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne die Verurteilung wegen dieser Delikte auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Die getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).

5. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Überprüfung stand. Die Einziehung der Cannabispflanzen gemäß § 37 KCanG, § 74 Abs. 2 StGB begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2024 - 1 StR 121/24, juris Rn. 22).

6. Das Verfahrenshindernis nach § 206a StPO betrifft nicht nur die beiden Revisionsführer, sondern in gleicher Weise den Mitangeklagten F. Daher sind die teilweise Verfahrenseinstellung und die Änderung des Schuldspruchs, soweit der Mitangeklagte zu Unrecht wegen Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung verurteilt worden ist, gemäß § 357 Satz 1 StPO auf ihn zu erstrecken. § 265 StPO hindert eine Schuldspruchkorrektur nicht, denn auch er hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.

Ferner ist die Aufhebung des Strafausspruchs auf den Mitangeklagten zu erstrecken, da die tateinheitliche Verurteilung wegen Bedrohung und versuchter Nötigung gleichfalls strafschärfend gewertet worden ist.

7. Eine Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten J. für die am 21. Februar 2024 erlittene vorläufige Festnahme und die vom 22. Februar 2024 bis 11. September 2024 vollzogene Untersuchungshaft ist nicht veranlasst. Denn das Verfahren hat durch die Entscheidung des Senats keinen endgültigen Abschluss im Sinne des § 2 Abs. 1 StrEG gefunden. Vielmehr ist im Umfang der Verfahrenseinstellung die Erhebung einer neuen Anklage möglich (BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2024 - 2 StR 528/23, juris Rn. 9; vom 29. September 2011 - 3 StR 280/11, juris Rn. 12; vom 22. Juni 1994 - 3 StR 457/93, NJW 1994, 2966; MüKoStPO/Kunz/Gommes, 2. Aufl., § 2 StrEG Rn. 22 mwN; Schmitt/Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 8 StrEG Rn. 2).

8. Der Senat hat nach Ausübung des ihm zustehenden Ermessens davon abgesehen, den Angeklagten ihre notwendigen Auslagen gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO aufzulegen, soweit das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt worden ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 966

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede