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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 909

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 455/21, Urteil v. 14.07.2022, HRRS 2022 Nr. 909


BGH 3 StR 455/21 - Urteil vom 14. Juli 2022 (LG Oldenburg)

Erfolglose Rüge einer informellen Verfahrensabsprache (Erklärung des Vorsitzenden zur Schuldangemessenheit eines vorgeschlagenen Strafrahmens auch ohne Verständigung; transparenter und kommunikativer Verhandlungsstil; keine Zustimmung der Staatsanwaltschaft; Übereinstimmung von vorgeschlagener und ausgeurteilter Strafe; Indizien für informelle Absprache; Protokoll; Mitteilungspflicht; Rügevorbringen).

§ 257c StPO; 243 Abs. 4 StPO; § 273 Abs. 1a StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Erklärt der Vorsitzende im Rahmen von Verständigungsgesprächen unmittelbar im Anschluss an eine zurückhaltende Reaktion der Staatsanwaltschaft auf einen gerichtlichen Verständigungsvorschlag, dass die Strafkammer den vorgeschlagenen Strafrahmen bei einem Geständnis des Angeklagten auch dann für schuldangemessen erachtet, wenn keine förmliche Verständigung zustande kommt, ist diese Vorgehensweise nicht völlig unbedenklich. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Vorsitzende die Erklärung nicht mit einem klarstellenden Hinweis darauf verbindet, die geäußerte Einschätzung zu einer schuldangemessenen Strafe sei vorläufig und dürfe vor dem Hintergrund einer (bislang) nicht zustande gekommenen Verständigung nicht als verbindliche Zusage interpretiert werden.

2. Eine entsprechende Erklärung des Vorsitzenden ist jedoch in der Regel kein belastbares Indiz für eine Bereitschaft der Strafkammer, sich mit dem Angeklagten jenseits der Regelungen des § 257c StPO auf ein Verfahrensergebnis zu verständigen, und nicht als verdecktes Angebot eines solchen „Deals“ zu interpretieren. Von Rechts wegen ist nicht zu beanstanden, dass der Vorsitzende im Zusammenhang mit einer Erörterung nach § 212 StPO erklärte, die Strafkammer erachte bei dem Prozessverhalten des Angeklagten, auf dem der Verständigungsvorschlag basiere, auch ohne eine Verständigung eine Strafe innerhalb des Rahmens für angemessen, der in dem Verständigungsvorschlag genannt sei. Denn es ist dem Gericht unbenommen, im Sinne einer transparenten und kommunikativen Verhandlungsführung ein mögliches Prozessergebnis bei einem Geständnis des Angeklagten in Aussicht zu stellen, solange damit keine endgültige Festlegung oder Zusage verbunden ist.

3. Auch eine Verständigung muss eine schuldangemessene Strafe zum Inhalt haben, so dass es keine grundsätzlichen Bedenken aufwirft, wenn der ohne eine Verständigung für den Fall eines Geständnisses in Aussicht gestellte Strafrahmen dem eines zuvor unterbreiteten Verständigungsvorschlages entspricht.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 6. August 2021

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen schuldig ist;

aufgehoben

im gesamten Strafausspruch, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;

mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Ferner hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 307.500 € gegen den Angeklagten als Gesamtschuldner angeordnet.

Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die Verletzung formellen Rechts und erhebt die ausgeführte allgemeine Sachrüge. Das vom Generalbundesanwalt teilweise vertretene Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen betrieb der Angeklagte spätestens ab 2006 als Kopf einer Bande Handel mit Betäubungsmitteln, vornehmlich Marihuana. Er erwarb das Rauschgift in den Niederlanden und sorgte unter Mitwirkung anderer Bandenmitglieder für dessen Verbringung in den Raum N. sowie einen dortigen gewinnbringenden Verkauf. Als einer der regelmäßigen Kurierfahrer war das bereits rechtskräftig verurteilte Bandenmitglied I. tätig. Als „Bunkerhalter“ fungierte das ebenfalls rechtskräftig abgeurteilte Bandenmitglied M. Ferner waren die gesondert verurteilten E. G. und Y. G., zwei Brüder des Angeklagten, sowie der gleichfalls bereits rechtskräftig verurteilte D. als weitere Mitglieder der Bande in den Rauschgifthandel eingebunden.

Die Betäubungsmittelgeschäfte, zu deren fortgesetzter Begehung sich die Bandenmitglieder zusammengefunden hatten, liefen typischerweise wie folgt ab: Der Angeklagte oder im Falle seiner Verhinderung sein Bruder E. G. vereinbarte telefonisch mit einem niederländischen „Stammverkäufer“ den Erwerb einer größeren Menge Marihuana. Sodann fuhren der Angeklagte, seine Brüder und D. - wenn auch nicht stets alle gemeinsam - in die Niederlande und übernahmen in Gr. jeweils größere Mengen Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10% Tetrahydrocannabinol. Die Betäubungsmittel wurden zumeist einem Kurierfahrer übergeben, der sie über die niederländisch-deutsche Grenze verbrachte, während der Angeklagte und seine Begleiter die Transporte mit einem weiteren Fahrzeug absicherten. Das Marihuana wurde zu dem „Bunkerhalter“ M. oder einem anderen Helfer transportiert, in deren Wohnungen im B. zwischengelagert, anschließend verkaufsfertig verpackt sowie an Abnehmer veräußert.

2. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen folgender in diesem Rahmen begangener Taten verurteilt:

a) Im Dezember 2006 brachte der Angeklagte gemeinsam mit einem anderen Bandenmitglied sechs Kilogramm Marihuana, das sie zuvor in Gr. zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben und nach Deutschland verbracht hatten, zur Wohnung des M. und forderte diesen auf, die Hälfte für ein oder zwei Tage zu verwahren. M. sagte zu; am Folgetag wurden die Drogen von dem anderen Bandenmitglied wieder abgeholt (Fall II. 1 der Urteilsgründe).

b) Am 27. März 2007 fuhren der Angeklagte, D. und M. nach Gr. Dort erwarb der Angeklagte drei Kilogramm Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf und ließ dieses von einem Kurier in den Raum N. bringen, wo er, D. und M. die Betäubungsmittel übernahmen. Sie wurden anschließend von M. verwahrt (Fall II. 2 der Urteilsgründe).

c) Im Dezember 2007 verbrachte der Kurierfahrer I. an insgesamt sechs Tagen jeweils fünf Kilogramm Marihuana für den Angeklagten aus den Niederlanden nach Deutschland (Fall II. 3 bis II. 8 der Urteilsgründe). Zudem transportierte er am 17. Dezember 2007 für den Angeklagten neun Kilogramm Marihuana aus den Niederlanden nach Deutschland (Fall II. 9 der Urteilsgründe). Auch diese Betäubungsmittel waren zum Handeltreiben durch den Angeklagten bestimmt.

d) Am 14. Januar 2008 fuhr D. nach Gr. Dort erwarb er im Auftrag des Angeklagten fünf Kilogramm Marihuana, das anschließend von dem Kurierfahrer I. nach Deutschland verbracht wurde. D. sicherte die Einfuhrfahrt ab, indem er mit seinem Fahrzeug vorwegfuhr. Nach Überqueren der niederländisch-deutschen Grenze übernahm er das Rauschgift und verbrachte es zu M., wo es zwischengelagert wurde. Anschließend wurde das Marihuana von D. verkauft. Der Angeklagte begleitete das gesamte Geschehen telefonisch (Fall II. 12 der Urteilsgründe).

e) Am 25. Januar 2008 fuhren der Angeklagte und E. G. gemeinsam nach Gr., erwarben dort fünf Kilogramm Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf und ließen es vom Kurierfahrer I. über die Grenze nach Deutschland bringen. Der Angeklagte und E. G. fuhren voraus und achteten darauf, dass am Grenzübergang keine Kontrollen stattfanden. Hinter der Grenze übernahm erneut D. das Marihuana und verbrachte es zur Wohnung des M., wo es zwischengelagert wurde (Fall II. 13 der Urteilsgründe).

f) Schließlich fuhr E. G. am 2. Februar 2008 nach Gr., wo er dreieinhalb Kilogramm Marihuana erwarb, das zuvor vom Angeklagten telefonisch geordert worden war. Dieses ließ er durch einen Kurierfahrer nach Deutschland und in den Raum N. verbringen, damit es dort weiterverkauft werden konnte (Fall II. 14 der Urteilsgründe).

g) Sämtliche Betäubungsmittel - insgesamt 61,5 Kilogramm Marihuana - wurden verkauft, und zwar zu einem Preis von mindestens 5.000 € pro Kilogramm.

3. Das Landgericht hat die Tat im Fall II. 1 der Urteilsgründe als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 52 StGB gewertet. Hinsichtlich der übrigen Taten (Fälle II. 2 bis II. 9 sowie Fälle II. 12 bis II. 14 der Urteilsgründe) hat die Strafkammer eine Strafbarkeit des Angeklagten jeweils wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG angenommen.

4. Von dem Vorwurf, zwei weitere Taten begangen zu haben (Fälle 10 und 11 der Anklageschrift), hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

II.

1. Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg.

a) Die Staatsanwaltschaft macht mit ihrer zentralen Verfahrensbeanstandung geltend, die Strafkammer habe sich, nachdem ein Verständigungsvorschlag des Gerichts von der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden sei, allein mit dem Verteidiger außerhalb der Hauptverhandlung auf ein bestimmtes Verfahrensergebnis verständigt und den Angeklagten entsprechend dieser Übereinkunft verurteilt. Durch diesen „Deal“ ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft habe das Landgericht gegen § 257c StPO verstoßen.

aa) Die Rüge einer informellen Verfahrensabsprache ist statthaft (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 93; BGH, Urteil vom 28. Juli 2016 - 3 StR 153/16, NStZ 2017, 52; KKStPO/Moldenhauer/Wenske, 8. Aufl., § 257c Rn. 59d; KKStPO/Schneider, 8. Aufl., § 243 Rn. 113) und auch im Übrigen zulässig erhoben. Einer Vorlage des vollständigen Hauptverhandlungsprotokolls im Rahmen der Revisionsbegründung bedurfte es für die Rüge, dem Urteil liege eine unzulässige informelle Absprache zu Grunde (Verstoß gegen § 257c StPO), nicht. Denn gesetzeswidrige informelle Absprachen sind typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass sie dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht zu entnehmen sind, zumal sie ohnehin regelmäßig außerhalb der Hauptverhandlung getroffen werden dürften (vgl. insofern BGH, Urteil vom 28. Juli 2016 - 3 StR 153/16, NStZ 2017, 52).

bb) Die Verfahrensbeanstandung ist jedoch unbegründet.

(1) Der Beurteilung der Rüge ist ausweislich dienstlicher Stellungnahmen des Vorsitzenden Richters, des beisitzenden Richters und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft sowie des Revisionsvortrags der Staatsanwaltschaft und der schriftlichen Urteilsgründe folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde zu legen:

Zu Beginn der Hauptverhandlung fand nach Verlesung der Anklageschrift und in der Verhandlung zunächst ein Gespräch im Sinne des § 257b StPO statt. In diesem erklärte der Vorsitzende, angesichts strafmildernder Umstände seien gegebenenfalls minder schwere Fälle anzunehmen, die Staatsanwaltschaft fordere ausweislich eines Telefonats, das er vor der Hauptverhandlung mit dem Anklageverfasser geführt habe, aber auch im Falle einer Verständigung eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht unter sechs Jahren. Der Verteidiger entgegnete, er halte das von der Staatsanwaltschaft geforderte Mindeststrafmaß für deutlich zu hoch.

Die Strafkammer zog sich daraufhin zur Beratung zurück und unterbreitete anschließend in der Hauptverhandlung einen Verständigungsvorschlag gemäß § 257c StPO. Dieser ging dahin, den Angeklagten bei einem umfassenden Geständnis unter Annahme minder schwerer Fälle zu einer Gesamtfreiheitsstrafe zwischen vier Jahren und vier Jahren und sechs Monaten zu verurteilen (vgl. zur Zulässigkeit einer Vereinbarung der Anwendung eines Strafrahmens für unbenannte minder schwere Fälle im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO BGH, Beschlüsse vom 18. August 2021 - 5 StR 199/21, NStZ 2022, 55 Rn. 10 ff.; vom 10. Januar 2017 - 3 StR 216/16, BGHR StPO § 243 Abs. 4 Mitteilungspflicht 10 Rn. 18 ff.; vom 25. April 2013 - 5 StR 139/13, NStZ 2013, 540, 541; BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 74, 130; KKStPO/Moldenhauer/Wenske, 8. Aufl., § 257c Rn. 18 ff.). Ergänzend teilte der Vorsitzende mit, die Strafkammer verhänge bei einer Verständigung üblicherweise eine Strafe im unteren Bereich des vorgeschlagenen Strafrahmens, so dass eher mit einer Strafe von vier Jahren als mit einer solchen von vier Jahren und sechs Monaten zu rechnen sei.

Auf Wunsch des Verteidigers wurden die Verständigungsgespräche sodann außerhalb der Hauptverhandlung und in Abwesenheit des Angeklagten im Beratungszimmer fortgesetzt (§ 212 StPO). Der Verteidiger äußerte Bedenken, vom Angeklagten ein der Anklage entsprechendes vollumfassendes Geständnis zu verlangen, weil „die Wahrheit zwischen Anklage und Freispruch“ liege. Der Vorsitzende entgegnete, für eine Verständigung sei nur bei einem umfassenden Geständnis Raum; die vorgeschlagene Mindeststrafe werde nicht unterschritten. Nachdem der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft kundgetan hatte, er wolle den Vorschlag des Landgerichts mit dem Anklageverfasser besprechen, erklärte der Vorsitzende, die Strafkammer halte auch für den Fall, dass keine prozessuale Verständigung zustande komme, den vorgeschlagenen Strafrahmen für angemessen, sofern sich der Angeklagte geständig einlasse. Der Verteidiger teilte daraufhin mit, er wolle sich zunächst mit seinem Mandanten besprechen, und kündigte eine Einlassung für den nächsten Sitzungstag an.

Zu Beginn des nächsten Hauptverhandlungstermins erklärte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, dass diese dem Verständigungsvorschlag nicht zustimme. Der Vorsitzende ließ daraufhin protokollieren, die Strafkammer habe den Verfahrensbeteiligten einen Verständigungsvorschlag unterbreitet, den Angeklagten „für den Fall eines umfassenden Geständnisses hinsichtlich der mit der Anklageschrift (…) vorgeworfenen Taten mit Ausnahme der Anklagepunkte 10 und 11, bezüglich derer eine Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO in Betracht kommt“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe zwischen vier Jahren und vier Jahren und sechs Monaten zu verurteilen; die Staatsanwaltschaft habe dem Vorschlag aber nicht zugestimmt, so dass keine Verständigung zustande gekommen sei. Am selben Verhandlungstag gab der Angeklagte ein Geständnis ab, mit dem er die ihm zur Last gelegten Taten mit Ausnahme der Anklagepunkte 10 und 11 und bis auf kleinere Details hinsichtlich der Mitwirkung seiner Brüder einräumte. Am dritten Hauptverhandlungstag wurde er sodann unter Freispruch hinsichtlich dieser beiden Anklagepunkte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Angeklagte erklärte sogleich Rechtsmittelverzicht; die Strafkammer setzte den Haftbefehl gegen ihn außer Vollzug.

(2) Zwar steht der Rüge einer informellen Verfahrensabsprache nicht entgegen, dass das Hauptverhandlungsprotokoll ausweislich des Revisionsvortrages entsprechend § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO vermerkt, es habe Erörterungen über die Möglichkeit einer Verständigung gemäß § 257c StPO gegeben, die aber ohne Ergebnis geblieben seien. Denn ein solcher Protokollvermerk erfasst unzulässige Vereinbarungen außerhalb der Hauptverhandlung und damit jenseits des § 257c StPO nicht, entfaltet also insofern keine negative Beweiskraft im Sinne des § 274 StPO (BGH, Urteil vom 28. Juli 2016 - 3 StR 153/16; NStZ 2017, 52; KKStPO/Gericke, 8. Aufl., § 344 Rn. 59a; KKStPO/Moldenhauer/Wenske, 8. Aufl., § 257c Rn. 69a).

(3) Jedoch liegt ausgehend von dem vorstehend geschilderten Prozessgeschehen keine den Vorgaben des § 257c StPO widerstreitende und damit rechtswidrige informelle Verständigung ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 29. April 2021 - 2 BvR 1543/20, NJW 2021, 2269 Rn. 10 ff.; Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 75 f., 115; BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21 Rn. 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 257c Rn. 4; KKStPO/Moldenhauer/Wenske, 8. Aufl., § 257c Rn. 44, 59d) vor.

(a) Allerdings erscheint die Vorgehensweise des Vorsitzenden, unmittelbar im Anschluss an eine zurückhaltende Reaktion der Staatsanwaltschaft auf einen gerichtlichen Verständigungsvorschlag zu erklären, die Strafkammer erachte den vorgeschlagenen Strafrahmen bei einem Geständnis des Angeklagten auch dann für schuldangemessen, wenn keine förmliche Verständigung zustande komme, nicht völlig unbedenklich (vgl. insofern Schneider, NStZ 2018, 232, 234). Sie eröffnet Raum für die Mutmaßung, die Strafkammer habe dem Angeklagten eine Zusage dahin gemacht, bei geständiger Einlassung unabhängig vom Verhalten der Staatsanwaltschaft eine dem Verständigungsvorschlag entsprechende Strafe zu verhängen, und sich letztlich konkludent mit ihm auf ein solches Verfahrensergebnis verständigt. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Vorsitzende die Erklärung nicht mit einem klarstellenden Hinweis darauf verband, die geäußerte Einschätzung zu einer schuldangemessenen Strafe sei vorläufig und dürfe vor dem Hintergrund einer (bislang) nicht zustande gekommenen Verständigung nicht als verbindliche Zusage interpretiert werden, in die der Angeklagte bei Abgabe eines Geständnisses Vertrauen setzen könnte.

(b) Entgegen der Auffassung der Revision belegt die Erklärung des Vorsitzenden in einer Gesamtschau mit dem übrigen Prozessgeschehen indes nicht, dass die Strafkammer das Zustimmungserfordernis der Staatsanwaltschaft (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 29. April 2021 - 2 BvR 1543/20, NJW 2021, 2269 Rn. 12 ff.) umgehen wollte und sich mit dem Angeklagten und seinem Verteidiger (konkludent) dahin verständigte, der Angeklagte werde bei einer geständigen Einlassung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt (vgl. zur Notwendigkeit des Erwiesenseins einer informellen Verständigung für den Erfolg einer hierauf abzielenden Verfahrensrüge BGH, Urteil vom 28. Juli 2016 - 3 StR 153/16, NStZ 2017, 52).

(aa) Zum einen ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass der Vorsitzende im Zusammenhang mit einer Erörterung nach § 212 StPO erklärte, die Strafkammer erachte bei dem Prozessverhalten des Angeklagten, auf dem der Verständigungsvorschlag basiere, auch ohne eine Verständigung eine Strafe innerhalb des Rahmens für angemessen, der in dem Verständigungsvorschlag genannt sei (vgl. BGH, Urteile vom 2. September 2020 - 5 StR 630/19, NStZ 2020, 749 Rn. 22; vom 14. April 2011 - 4 StR 571/10, NStZ 2011, 590, 591; kritisch Schneider, NStZ 2018, 232, 233 ff.). Denn es ist dem Gericht unbenommen, im Sinne einer transparenten und kommunikativen Verhandlungsführung ein mögliches Prozessergebnis bei einem Geständnis des Angeklagten in Aussicht zu stellen, solange damit keine endgültige Festlegung oder Zusage verbunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. September 2020 - 5 StR 630/19, NStZ 2020, 749 Rn. 21; Beschlüsse vom 23. Juli 2019 - 1 StR 2/19, NStZ 2019, 684 Rn. 12; vom 14. April 2015 - 5 StR 9/15, BGHR StPO § 243 Abs. 4 Mitteilung 4 Rn. 15; Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 571/10, NStZ 2011, 590, 591; KKStPO/Moldenhauer/Wenske, 8. Aufl., § 257c Rn. 59e; Mosbacher, NZWiSt 2013, 201, 204; s. auch BT-Drucks. 16/12310, S. 12). Auch eine Verständigung muss eine schuldangemessene Strafe zum Inhalt haben (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 67, 105, 109), so dass es keine Bedenken aufwirft, wenn der ohne eine Verständigung für den Fall eines Geständnisses in Aussicht gestellte Strafrahmen dem eines zuvor unterbreiteten Verständigungsvorschlages entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. April 2021 - 2 BvR 1543/20, NJW 2021, 2269 Rn. 25; BGH, Urteil vom 2. September 2020 - 5 StR 630/19, NStZ 2020, 749 Rn. 22). Die Erklärung des Vorsitzenden ist daher kein belastbares Indiz für eine Bereitschaft der Strafkammer, sich mit dem Angeklagten jenseits der Regelungen des § 257c StPO auf ein Verfahrensergebnis zu verständigen, und nicht als verdecktes Angebot eines solchen „Deals“ zu interpretieren. Dies gilt auch deshalb, weil die Erklärung nicht verknüpft war mit einer Äußerung, die als endgültige Festlegung auf ein bestimmtes Prozessergebnis beziehungsweise als Zusage einer bestimmten Strafe mit Bindungswillen der Strafkammer hätte interpretiert werden können.

(bb) Zum anderen ist eine tatsächlich - und sei es nur konkludent - erzielte Übereinkunft zwischen Gericht und Verteidigung über das Verfahrensergebnis aus dem Prozessgeschehen nicht ableitbar. Dagegen spricht, dass der Verteidiger im Anschluss an die vorgenannte Erklärung des Vorsitzenden kein Geständnis des Angeklagten ankündigte oder gar zusagte, sondern lediglich eine Einlassung in Aussicht stellte und kundtat, sich zunächst mit dem Angeklagten besprechen zu wollen. Die dem protokollierten Verständigungsvorschlag entsprechende Einlassung des Angeklagten am folgenden Hauptverhandlungstag und der nach Urteilsverkündung von ihm erklärte Rechtsmittelverzicht sind vorliegend entgegen der Auffassung der Revision keine belastbaren Indizien für eine informelle beziehungsweise konkludent erzielte Absprache zwischen Gericht und Verteidigung, weil es sich hierbei angesichts des Verfahrensgeschehens ohne Weiteres um autonome Entscheidungen des Angeklagten handeln kann (vgl. BGH, Urteil vom 2. September 2020 - 5 StR 630/19, juris Rn. 25 [insofern in NStZ 2020, 749 nicht abgedr.]). Insofern ist auch zu bedenken, dass die Einlassung des Angeklagten sich nicht in einem Formalgeständnis durch Verteidigererklärung erschöpfte, sondern das Geständnis in - wenngleich unwesentlichen - kleineren Details vom Anklagevorwurf abwich.

(4) Eine Verfahrensrüge mit der Stoßrichtung, die Strafkammer sei zu Unrecht davon ausgegangen, angesichts des Hinweises zur Angemessenheit einer Strafe im Rahmen des mit dem Verständigungsvorschlag genannten Strafrahmens auch ohne eine Verständigung sei sie rechtlich - aufgrund einer (vermeintlich) bindenden Zusage - daran gehindert, eine höhere Strafe zu verhängen (vgl. insofern BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 - 5 StR 176/17, NStZ 2018, 232; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 257c Rn. 25b; Schneider, NStZ 2018, 232, 233), ist von der Beschwerdeführerin nicht erhoben worden. Ohnehin liegt eine derartige irrtümliche Selbstbindung der Strafkammer hier fern (vgl. BGH, Urteil vom 2. September 2020 - 5 StR 630/19, juris Rn. 25 f. [insofern in NStZ 2020, 749 nicht abgedr.]).

b) Die Staatsanwaltschaft beanstandet als Verletzung des formellen Rechts zudem, das Landgericht habe gegen die Protokollierungspflicht des § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO in Verbindung mit § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO verstoßen, indem es vor der Hauptverhandlung sowie außerhalb dieser geführte verständigungsbezogene Gespräche mit der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger (§§ 202a, 212 StPO) nur unzureichend protokolliert habe.

Die Verfahrensbeanstandung bleibt ohne Erfolg, weil Mängel des Hauptverhandlungsprotokolls in der Revision nicht gerügt werden können (unzulässige Protokollrüge; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13, BGHSt 59, 130 Rn. 8 ff.; Urteil vom 20. April 2006 - 4 StR 604/05, NStZ-RR 2007, 52; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 344 Rn. 133 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 344 Rn. 26). Jedenfalls aber kann ein Urteil auf der Verletzung einer Protokollierungspflicht nicht beruhen, zumal das Protokoll erst nach der Urteilsverkündung fertiggestellt wird. Dies gilt auch für die in § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO normierte Pflicht zur Protokollierung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2015 - 2 BvR 1043/15, juris Rn. 9 ff.; BGH, Beschlüsse vom 15. April 2014 - 3 StR 89/14, BGHR StPO § 243 Abs. 4 Hinweis 4 Rn. 11 ff.; vom 12. Dezember 2013 - 3 StR 210/13, BGHSt 59, 130 Rn. 12 ff.; aA BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 StR 470/14, NStZ 2015, 353, 354; Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310 Rn. 9 ff.; s. auch MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 344 Rn. 138 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 273 Rn. 12c, § 344 Rn. 26a; Radtke, NStZ 2013, 669 f.; Schneider, NStZ 2014, 252, 255 f.).

Hinzu kommt, dass die Revision beanstandet, das Protokoll gebe Ablauf und Inhalt von Erörterungen, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung im Sinne des § 257c StPO gewesen sei und die vor der Hauptverhandlung zwischen dem Vorsitzenden, dem Verteidiger und dem Anklageverfasser der Staatsanwaltschaft sowie nach Beginn der Hauptverhandlung, aber außerhalb dieser unter Beteiligung der Mitglieder der Strafkammer, des Verteidigers und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft stattfanden (§ 212 StPO), nicht vollständig wieder. Der Inhalt derartiger Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung ist indes nicht als solcher in der Sitzungsniederschrift zu dokumentieren. Die Protokollierungspflicht des § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO erstreckt sich vielmehr auf die Mitteilung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung gemäß § 243 Abs. 4 StPO zu verständigungsbezogenen Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung.

Erfolgreich gerügt werden könnte mithin allein, der Vorsitzende habe gegen die ihm nach § 243 Abs. 4 StPO obliegende Pflicht verstoßen, die Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung über Ablauf und wesentlichen Inhalt von Gesprächen im Sinne der §§ 202a, 212 StPO zu informieren, die zuvor außerhalb der Hauptverhandlung stattfanden. Zum Nachweis eines solchen Verstoßes kann gegebenenfalls das Hauptverhandlungsprotokoll dienen, weil diese Mitteilung gemäß § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO nicht nur als solche, sondern auch ihrem Inhalt nach zu protokollieren ist (BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310 Rn. 8; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 344 Rn. 139; KKStPO/Schneider, 8. Aufl., § 243 Rn. 65).

Eine derartige Rüge hat die Staatsanwaltschaft indes nicht erhoben. Zudem kann die unstatthafte Protokollrüge nicht in eine Rüge der Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO umgedeutet werden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 - 1 StR 564/17, NStZ 2018, 487, 488; Urteil vom 28. Juli 2016 - 3 StR 153/16; NStZ 2017, 52, 53; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 344 Rn. 143). Denn gerügt wird ausdrücklich ein Verstoß gegen die Protokollierungspflicht; vorgetragen wird, das Hauptverhandlungsprotokoll genüge den rechtlichen Anforderungen nicht, weil verständigungsbezogene Erörterungen nur unvollständig wiedergegeben seien.

Es kann daher offenbleiben, ob die Staatsanwaltschaft überhaupt Verstöße gegen die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO in Bezug auf außerhalb der Hauptverhandlung geführte verständigungsbezogene Erörterungen mit Erfolg rügen kann, wenn sie an den Erörterungen selbst beteiligt war und damit kein Informationsdefizit hat (offengelassen von BGH, Urteil vom 28. Juli 2016 - 3 StR 153/16, NStZ 2017, 52, 53 f.; s. auch KKStPO/Schneider, 8. Aufl., § 243 Rn. 115, 122).

c) Der auf den Zeugen I. bezogenen Inbegriffsrüge (Verstoß gegen § 261 StPO) bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt. Auf sie kommt es zudem nicht an, weil die Revision mit dieser Rüge allein auf die Beweiswürdigung der Strafkammer in den Freispruchfällen abzielt, der Teilfreispruch indes wegen durchgreifender sachlich-rechtlicher Mängel ohnehin der Aufhebung unterliegt (hierzu unten II. 2. c)).

2. Hinsichtlich der erhobenen Sachrüge gilt Folgendes:

a) Der Schuldspruch bedarf hinsichtlich des Falles II. 1. der Urteilsgründe der Änderung; im Übrigen lässt er keinen Rechtsfehler erkennen.

Nach den Feststellungen zu Fall II. 1. der Urteilsgründe, die von der Strafkammer insbesondere auf der Basis eines Geständnisses des Angeklagten rechtsfehlerfrei getroffen worden sind, agierte der Angeklagte bei dieser Tat gleichermaßen als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbunden hatte. Auch insofern ist er mithin des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG schuldig.

Die ebenfalls verwirklichte Tatbestandsvariante der bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geht in derjenigen des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf; der Bandenhandel verbindet in den Fällen des § 30a Abs. 1 BtMG die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte, insbesondere auch den Teilakt der Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. September 2018 - 3 StR 65/18, NStZ 2020, 45 Rn. 4; vom 7. August 2018 - 3 StR 301/18, NStZ-RR 2018, 352; vom 14. April 2015 - 3 StR 627/14, NStZ 2015, 589, 590; vom 29. September 2009 - 3 StR 322/09, NStZ 2010, 223; Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 30a Rn. 24; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 30a Rn. 36).

Der Senat ändert den Schuldspruch daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. § 265 Abs. 1 StPO steht dem angesichts der geständigen Einlassung des Angeklagten nicht entgegen.

b) Die Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 1. der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der für diese Tat verhängten Einzelstrafe nach sich.

Die weiteren Einzelstrafen haben ebenfalls keinen Bestand, weil das Landgericht der Strafbemessung nicht ausschließbar eine zu geringe Strafrahmenuntergrenze zu Grunde gelegt hat. Denn die Strafkammer ist bei der Strafzumessung in den Fällen II. 2 bis II. 9 sowie II. 12 bis II. 14 der Urteilsgründe jeweils vom Strafrahmen für minder schwere Fälle des § 30a Abs. 3 BtMG ausgegangen, ohne erkennbar eine mögliche Sperrwirkung der Strafrahmen der tatbestandlich ebenfalls verwirklichten und lediglich im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängten § 29a Abs. 1 und § 30 Abs. 1 BtMG hinsichtlich der Mindeststrafe zu beachten (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 16. November 2021 - 3 StR 200/21, juris Rn. 7; vom 4. Februar 2021 - 4 StR 457/20, juris Rn. 6; vom 1. September 2020 - 3 StR 469/19, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 5 Rn. 5; vom 7. November 2017 - 1 StR 515/17, StV 2018, 512 Rn. 3; Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, BGHR BtMG § 30a Abs. 3 Strafzumessung 1). Da die Strafrahmen der verdrängten Gesetze jeweils gegenüber § 30a Abs. 3 BtMG höhere Mindeststrafen von einem Jahr (§ 29a Abs. 1 BtMG) beziehungsweise zwei Jahren Freiheitsstrafe (§ 30 Abs. 1 BtMG) vorsehen, ist nicht auszuschließen, dass die Strafen rechtsfehlerhaft aus einem für den Angeklagten zu vorteilhaften Strafrahmen entnommen worden sind.

Die Aufhebung der Einzelstrafen bedingt die Aufhebung auch der verhängten Gesamtstrafe.

Die in Bezug auf die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe getroffenen Feststellungen sind von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen und bleiben daher aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht zu den bisherigen in Widerspruch stehen.

c) Der Teilfreispruch hält gleichfalls der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Urteilsgründe bieten keine hinreichende Basis für die revisionsrechtliche Kontrolle des Freispruchs auf Rechtsfehler und entsprechen damit nicht den Anforderungen, die nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.

aa) Ein den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freisprechendes Urteil hat zunächst, damit es aus sich heraus verständlich wird, die individuellen Anklagevorwürfe nach Ort, Zeit und Begehungsweise aufzuzeigen. In einer geschlossenen Darstellung müssen sodann die als erwiesen angesehenen Tatsachen festgestellt werden. Davon ausgehend muss in der Beweiswürdigung dargelegt werden, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Denn es ist Aufgabe der Urteilsgründe, dem Revisionsgericht auf diese Weise eine umfassende Nachprüfung der freisprechenden Entscheidung zu ermöglichen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 4. Februar 2021 - 4 StR 457/20, juris Rn. 14; vom 1. August 2018 - 5 StR 30/18, juris Rn. 5; vom 16. Juni 2016 - 1 StR 50/16, juris Rn. 9; vom 17. Dezember 2008 - 1 StR 552/08, NStZ-RR 2009, 116 f.; vom 5. August 1997 - 5 StR 210/97, NStZ-RR 1997, 374; vom 26. April 1990 - 4 StR 24/90, BGHSt 37, 21, 22; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 267 Rn. 33 mwN).

bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

Das Landgericht hat hinsichtlich der beiden Freispruchfälle lediglich festgestellt, der Angeklagte sei „von den Vorwürfen der Taten Nr. 10 bis 11 der Anklage vom 20. Mai 2021" aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Die Strafkammer hat diesen Teilfreispruch sodann damit begründet, der Angeklagte, der die übrigen ihm zur Last gelegten Taten in vollem Umfang eingeräumt habe, habe von seinem Geständnis diese beiden Taten ausgenommen und zu diesen keine Einlassung abgegeben. Die Angaben des Zeugen I. hätten keine hinreichend sichere Grundlage für eine Verurteilung geboten.

Das Urteil lässt bereits eine Darlegung dessen vermissen, was genau dem Angeklagten in Bezug auf die „Taten Nr. 10 bis 11 der Anklage“ zur Last gelegt worden ist, wenngleich der Gesamtzusammenhang der Gründe darauf hindeutet, dass der Vorwurf grundsätzlich vergleichbarer Betäubungsmittelgeschäfte des Angeklagten wie in den Verurteilungsfällen erhoben worden ist. Anhand der Urteilsgründe lässt sich nicht überprüfen, ob die Strafkammer den nur rudimentär und damit unzureichend geschilderten Angaben des Zeugen I. frei von Rechtsfehlern keine durchgreifende Beweiskraft beizumessen vermocht hat, zumal immerhin mitgeteilt wird, der Zeuge habe angegeben, noch weitere Kurierfahrten für den Angeklagten durchgeführt zu haben. Auch verhält sich die Begründung des Urteils nicht dazu, ob es hinsichtlich der Freispruchfälle weitere Beweismittel außer dem Zeugen I. gegeben hat und falls ja, warum diese aus Sicht der Strafkammer nicht geeignet gewesen sind, die Tatvorwürfe zu belegen.

d) Von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hat die - insofern sachverständig beratene - Strafkammer rechtsfehlerfrei abgesehen. Zwar konsumierte der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe im Tatzeitraum und auch während seines langjährigen Aufenthaltes in der Türkei von 2008 bis 2020 illegale Drogen - Cannabis sowie gelegentlich Ecstasy und Kokain. Indes war er in der Türkei beruflich erfolgreich in einem Bauunternehmen tätig und finanziell gut situiert. Zudem trat er ausweislich der Urteilsgründe seit der letzten verfahrensgegenständlichen Tat, mithin seit 2008, weder in der Türkei noch in Deutschland erneut strafrechtlich in Erscheinung, und zwar auch nicht in der Zeitspanne zwischen seiner Rückkehr nach Deutschland und seiner Verhaftung in vorliegender Sache. Angesichts dessen hat die Strafkammer eine Gefahr zukünftiger erheblicher rechtswidriger Taten des Angeklagten tragfähig verneint.

e) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 307.500 € als Gesamtschuldner gemäß §§ 73, 73c StGB ist frei von Rechtsfehlern und hat daher Bestand. Denn nach den Feststellungen zu den Fällen II. 1 bis II. 9 sowie II. 12 bis II. 14 der Urteilsgründe erzielte der Angeklagte aus dem Verkauf von 61,5 Kilogramm Marihuana für mindestens 5.000 € pro Kilogramm jedenfalls Taterträge in Höhe dieser Summe. Der Umstand, dass die Taten vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. 2017 I, S. 872) begangen wurden, steht der Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, BGHR StGB § 73c Verhältnismäßigkeit 1 Rn. 41 ff.; Beschlüsse vom 22. März 2018 - 3 StR 577/17, BGHR StGB § 73 Abs. 1, Verhältnismäßigkeit 1; vom 22. März 2018 - 3 StR 42/18, BGHR StGB § 73 Abs. 1 Ansprüche Geschädigter 1).

Sollte im zweiten Rechtsgang der Angeklagte auch in den Fällen 10 und 11 der Anklage verurteilt und festgestellt werden, dass ihm insofern zusätzliche Taterträge zufließen, kommt die Anordnung einer weiteren Einziehung des Wertes von Taterträgen, also der Wertersatzeinziehung eines über 307.500 € hinausgehenden Geldbetrages, in Betracht. Die mit dem vorliegenden Beschluss rechtskräftig gewordene Einziehungsentscheidung des angefochtenen Urteils vom 6. August 2021 entfaltet keine Sperrwirkung dahin, dass bei einer weiteren Verurteilung eine diese Fälle betreffende ergänzende Einziehungsanordnung ausgeschlossen wäre. Das neue Tatgericht wird insofern gegebenenfalls zu beachten haben, dass gemäß § 55 Abs. 2 StGB die Einbeziehung des bereits rechtskräftig festgesetzten Einziehungsbetrages in eine einheitliche Gesamtsumme notwendig ist (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 20. April 2022 - 3 StR 62/22, juris Rn. 2; vom 26. Januar 2022 - 3 StR 479/21, juris Rn. 3; Urteil vom 55 25. September 2008 - 3 StR 94/08, NStZ-RR 2008, 275; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 55 Rn. 29a mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 909

Bearbeiter: Christian Becker