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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 470

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 42/18, Beschluss v. 22.03.2018, HRRS 2018 Nr. 470


BGH 3 StR 42/18 - Beschluss vom 22. März 2018 (LG Oldenburg)

Kein Strafcharakter der auf Schadenswiedergutmachung gerichteten Einziehung (Übergangsregelung; Altfälle; Rückwirkungsverbot).

§ 2 Abs. 5 StGB; § 73 StGB; Art. 7 Abs. 1 S. 2 MRK; Art. 103 Abs. 2 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 306h EGStGB

Leitsatz des Bearbeiters

Eine Einziehungsentscheidung hat jedenfalls dann keinen Strafcharakter, wenn sie der bloßen Wiedergutmachung von Schäden dient, zu der der Angeklagte ohnehin zivilrechtlich verpflichtet ist. Insofern steht Art. 7 Abs. 1 S. 2 MRK der Anwendung der - § 2 Abs. 5 StGB abbedingenden - Übergangsregelung des Art. 306h EGStGB nicht entgegen.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 28. September 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei die Einziehung des Werts der Taterträge von 208.118 € angeordnet. Die Strafkammer hat nach Art. 306h EGStGB zutreffend die Vorschriften der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) angewendet, weil sie erst nach dessen Inkrafttreten am 1. Juli 2017 über die Abschöpfung der Tatgewinne befunden hat und in dem Verfahren zuvor keine andere Entscheidung zum früheren Verfall oder Wertersatzverfall ergangen war.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers steht Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK der Anwendung der - § 2 Abs. 5 StGB abbedingenden - Übergangsregelung nicht entgegen, auch wenn nach altem Recht eine Anordnung des Wertersatzverfalls wegen § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF ausgeschlossen, vielmehr nur eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 Satz 1, 3 StPO aF möglich gewesen wäre; denn die von der Strafkammer getroffene Einziehungsentscheidung hat keinen Strafcharakter.

Dies ergibt sich hier bereits daraus, dass die Anordnung der Wertersatzeinziehung der Befriedigung von Ersatzansprüchen der Tatopfer dient. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden in den sieben Fällen des vollendeten gewerbsmäßigen Bandenbetruges die Verletzten um insgesamt mindestens 208.118 € geschädigt. Jedenfalls in dieser Höhe ist der Angeklagte ihnen gegenüber zivilrechtlich zum Schadensersatz verpflichtet. Erfüllt er (teilweise) seine Verbindlichkeiten oder kommt es - etwa im Vergleichswege - zu einem (Teil-)Erlass, so ordnet im Vollstreckungsverfahren das Gericht nach § 459g Abs. 4 StPO nF im jeweiligen Umfang den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung an. Zahlt hingegen der Angeklagte auf die Wertersatzeinziehung oder führt die hieraus gegen ihn betriebene Vollstreckung zu für die Opferentschädigung ausreichenden Erlösen, werden sie gemäß § 459h Abs. 2, § 459n StPO nF bzw. § 459h Abs. 2 StPO nF an die Verletzten ausgekehrt.

In der bloßen Wiedergutmachung der Betrugsschäden, zu der der Angeklagte ohnehin zivilrechtlich verpflichtet ist, vermag der Senat kein Strafübel zu erkennen. Zwar kann nach dem neuen Vermögensabschöpfungsrecht die Opferentschädigung auch eine Insolvenzantragstellung erforderlich machen (näher hierzu Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 680 f.; Korte, wistra 2018, 1, 2). Dies berührt jedoch nicht den Zweck der von der Strafkammer angeordneten Wertersatzeinziehung und verleiht ihr (entgegen LG Kaiserslautern, Urteil vom 20. September 2017 - 7 KLs 6052 Js 8343/16 (3), wistra 2018, 94 f.) keinen Strafcharakter.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 470

Externe Fundstellen: NStZ 2018, 400

Bearbeiter: Christian Becker