HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 926
Bearbeiter: Fabian Afshar
Zitiervorschlag: BGH, StB 24/23, Beschluss v. 15.06.2023, HRRS 2023 Nr. 926
Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2023 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Generalbundesanwalt führt gegen zahlreiche Personen aus dem Umfeld des gesondert verfolgten R. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung und weiterer Straftaten (2 BJs 274/22-5). Bei den Ermittlungen wurde bekannt, dass eine Vielzahl weiterer - derzeit zumeist noch nicht bekannter - Personen als Mitglieder oder Unterstützer der Gruppierung in Betracht kommt. Vor diesem Hintergrund leitete der Generalbundesanwalt das vorliegende, gegen unbekannt gerichtete Ermittlungsverfahren ein (2 BJs 21/23-5).
Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 16. März 2023 (1 BGs 467/23) die Durchsuchung der Person des Betroffenen, der von ihm genutzten Wohn-, Keller- und sonstigen Nebenräume sowie seines Fahrzeugs zum Zwecke der Sicherstellung näher beschriebener Beweismittel gemäß §§ 103, 105 StPO angeordnet. Die Durchsuchung ist am 22. März 2023 vollzogen worden. Dabei sind ein Mobiltelefon, ein PC und zwei Festplatten in Verwahrung genommen worden. Das Mobiltelefon ist nach vorgenommener Datenspiegelung an den Betroffenen zurückgegeben worden; im Übrigen dauert die Durchsicht der Asservate an.
Der Betroffene hat gegen den Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters und „die Beschlagnahme vom 22. März 2023“ Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, dass kein Auffindeverdacht bestanden habe, eine erforderliche Beschuldigtenbelehrung unterblieben sei und er als freier Journalist sowie freier Mitarbeiter einer Anwaltskanzlei tätig sei.
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Über den Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 94 Abs. 1, § 98 Abs. 2 Satz 2 (entsprechend), §§ 103, 162 Abs. 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO auf richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung der erlangten elektronischen Speichermedien zum Zweck derer Durchsicht hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs bislang noch nicht entschieden.
Das Rechtsmittel ist gemäß § 304 Abs. 5 StPO zulässig, aber unbegründet, soweit es sich gegen die Durchsuchungsanordnung richtet. Soweit der Betroffene die Herausgabe seiner elektronischen Datenträger verlangt, ist eine Entscheidung des Senats derzeit nicht veranlasst. Für den Antrag des Generalbundesanwalts auf gerichtliche Entscheidung über die vorläufige Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht ist der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zuständig (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2021 - StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795).
1. Die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung ist gemäß § 304 Abs. 5 StPO statthaft. Das Beschwerdeziel ist noch nicht prozessual überholt und daher nicht in einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen umzudeuten. Angesichts der nicht vollständig abgeschlossenen Durchsicht der vorläufig sichergestellten Beweismittel dauert die Durchsuchungsmaßnahme an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. November 2021 - StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795 Rn. 5; vom 3. September 1997 - StB 12/97, juris Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 110 Rn. 9 - 10 mwN).
2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 103, 105 StPO) lagen vor.
a) Gegen die gesondert Verfolgten bestand ein die Durchsuchung nach § 102 StPO rechtfertigender Anfangsverdacht.
aa) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen durchzuführenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05, BVerfGK, 9, 149, 153; BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2022 - StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 6; vom 12. August 2015 - StB 8/15, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 3 Rn. 4; vom 18. Dezember 2008 - StB 26/08, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 2 Rn. 5).
bb) Gemessen hieran lagen zum Zeitpunkt des Durchsuchungsbeschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung vor. Es bestand der Anfangsverdacht, dass sich die gesondert Verfolgten an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB beteiligten oder sie gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB unterstützten.
(1) Im Sinne eines Anfangsverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die gesondert Verfolgten gehörten der sogenannten Reichsbürger- und QAnon-Bewegung an. Sie schlossen sich spätestens Ende November 2021 zu einer auf längere Dauer angelegten Organisation zusammen, die sich zum Ziel setzte, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland insbesondere durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen. Dabei rechneten sie mit der Tötung von Personen und nahmen dies billigend in Kauf. Sie lehnten die freiheitliche-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und deren Institutionen ab. Auf der Grundlage einer entsprechenden gemeinsamen Gesinnung erwarteten sie an einem konkreten und unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht festgelegten „Tag X“ einen Angriff auf die oberste Ebene der staatlichen Führung der Bundesrepublik Deutschland durch die sogenannte Allianz, ein Geheimbund bestehend aus Angehörigen ausländischer Regierungen, Streitkräften und Geheimdiensten.
Zum Zwecke der Umsetzung ihrer Umsturzpläne schufen die Mitglieder der Gruppierung organisatorische, hierarchische und verwaltungsähnliche Strukturen mit einem sogenannten Rat als zentralem Gremium und einem militärischen Arm. Dieser sollte nach dem Angriff durch die Allianz die noch verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates bekämpfen und die Macht durch ein deutschlandweites Netz von sogenannten Heimatschutzkompanien absichern. Ferner plante der engste Führungszirkel der Vereinigung das gewaltsame Eindringen einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude mit dem Ziel, Abgeordnete, Kabinettsmitglieder sowie deren Mitarbeiter zu verhaften und abzuführen, wobei sie hierfür bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen eingetreten waren.
(2) Der Anfangsverdacht gründet sich im Wesentlichen auf Erkenntnisse des Bundeskriminalamts, der Landeskriminalämter Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen sowie der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst, die maßgeblich auf G 10-Maßnahmen - insbesondere Telefonüberwachung und Observation nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a, Abs. 2 G 10 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB - zurückzuführen sind. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen sind für die Zwecke der Strafverfolgung freigegeben und gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 G 10, § 161 Abs. 3 Satz 1 StPO in das Ermittlungsverfahren überführt worden.
(3) In rechtlicher Hinsicht sind die den gesondert Verfolgten vorgeworfenen Handlungen als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Unterstützung einer solchen zu werten, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2023 - StB 58/22, NStZ-RR 2023, 182, 183f.). Ob die gesondert Verfolgten daneben verdächtig waren, sich zugleich wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB strafbar gemacht zu haben, bedarf hier keiner Entscheidung.
(4) Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom 30. März 2023 Bezug genommen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2023 - StB 58/22, NStZ-RR 2023, 182).
b) Es lagen auch hinreichende Tatsachen dafür vor, dass bei dem Betroffenen bestimmte Beweismittel im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO aufgefunden werden können.
aa) Eine Ermittlungsdurchsuchung, die eine nichtverdächtige Person betrifft, setzt nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO Tatsachen dahin voraus, dass sich das gesuchte Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Es müssen konkrete Gründe im Zeitpunkt der Anordnung, mithin aus ex ante-Sicht dafür sprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. August 2019 - 2 BvR 1684/18, NJW 2019, 3633 Rn. 35; BGH, Beschlüsse vom 18. November 2021 - StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795 Rn. 11; vom 5. Juni 2019 - StB 6/19, juris Rn. 18; vom 13. Juni 1978 - StB 51/78, BGHSt 28, 57, 59), dass der gesuchte Beweisgegenstand in den Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2003 - 2 BvR 358/03, BVerfGK 1, 126, 132 f.; BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 1999 - StB 9/99, BGHR StPO § 103 Gegenstände 1; vom 7. Juni 1995 - StB 16/95, NJW 1996, 405, 406 [dort mit dem Aktenzeichen 2 BJs 127/93-7]; vom 13. Januar 1989 - StB 1/89, BGHR StPO § 103 Tatsachen 1; vom 20. Dezember 1988 - 1 BGs 1143/88, BGHR StPO § 103 Tatsachen 2; vom 13. Juni 1978 - StB 51/78, BGHSt 28, 57, 59; KKStPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 103 Rn. 5; LR/Tsambikakis, StPO, 27. Aufl., § 103 Rn. 14).
Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Der Betroffene nahm am 10. November 2022 in B. an einem Treffen mit den gesondert verfolgten M., F., P. und H. teil. Hierbei handelte es sich um Mitglieder des militärischen Führungsstabs der vorgenannten terroristischen Vereinigung. Durch die Ergebnisse der Observation ist nicht nur das Treffen als solches belegt, sondern auch der Umstand, dass der Betroffene eine engere Beziehung zum gesondert verfolgten F. unterhielt, da er ihn mit einem Soldatengruß und anschließender Umarmung begrüßte. Überdies war ausweislich überwachter Telefonate Gegenstand dieses Treffens die Rekrutierung weiterer Mitglieder für die militärischen Heimatschutzkompanien der Gruppierung. Außerdem planten die gesondert Verfolgten und der Betroffene im Nachgang ein weiteres Treffen mit zahlreichen Mitgliedern des Vereins“ “. Da der Betroffene der erste Vorsitzende dieses Vereins war, bestand die begründete Vermutung, dass über ihn Kontakte zu Vereinsmitgliedern hergestellt wurden, um diese für eine Mitwirkung in den Heimatschutzkompanien zu gewinnen. Daher lag auch eine Auffindewahrscheinlichkeit für Gegenstände vor, die zu einer weiteren Aufklärung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts, insbesondere der entfalteten Rekrutierungsbemühungen beitragen können. Hierzu zählen auch elektronische Kommunikationsmittel, die nicht nur Aufschluss über den Inhalt der Gespräche zwischen den gesondert Verfolgten und dem Betroffenen erbringen, sondern auch mit (noch unbekannten) weiteren Kontaktpersonen der Vereinigung.
bb) Die Durchsuchung bei einer nichtverdächtigen Person setzt - anders als im Fall des § 102 StPO für die Durchsuchung beim Tatverdächtigen, bei dem eine allgemeine Aussicht genügt, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden - nach § 103 StPO überdies voraus, dass hinreichend individualisierte (bestimmte) Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden. Diese Gegenstände müssen im Durchsuchungsbeschluss so weit konkretisiert werden, dass weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können (BGH, Beschluss vom 21. November 2001 - StB 20/01, BGHR StPO § 103 Gegenstände 2). Ausreichend ist dafür allerdings, dass die Beweismittel der Gattung nach näher bestimmt sind; nicht erforderlich ist, dass sie in allen Einzelheiten bezeichnet werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2022 - StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 14; vom 28. Juni 2018 - StB 14/18, juris Rn. 16; vom 15. Oktober 1999 - StB 9/99, BGHR StPO § 103 Gegenstände 1; jeweils mwN).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss ebenfalls gerecht. Es wurden die zu sichernden Gegenstände, insbesondere elektronische Kommunikationsmittel, Dokumente und Unterlagen, auch in elektronischer Form, dahin konkretisiert, dass diese mit der terroristischen Vereinigung in Zusammenhang stehen mussten. Durch diese Einschränkung der möglicherweise aufzufindenden Beweismittel war den durchsuchenden Beamten hinreichend deutlich aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk zu richten hatten. Im Übrigen unterliegen Schriftstücke und elektronische Speichermedien vor ihrer Beschlagnahme oder sonstigen Sicherstellung nach § 110 Abs. 1 StPO der Durchsicht durch die Staatsanwaltschaft oder von ihr beauftragten Ermittlungspersonen. Dies ermöglicht die Überprüfung, welche Dokumente oder Dateien als Beweismittel in Betracht kommen und deshalb sicherzustellen oder nach § 110 Abs. 3 Satz 2 StPO zu sichern sind. Um diese Durchsicht zu gewährleisten, kann die Mitnahme einer Gesamtheit von Daten zur Durchsicht zulässig sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. August 2014 - 2 BvR 969/14, NJW 2014, 3085 Rn. 44 f.; BGH, Beschluss vom 5. August 2003 - StB 7/03, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 3).
c) Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ergibt sich aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 6, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG.
d) Die Durchsuchungsanordnung entsprach auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Beschuldigten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
aa) Sie war zur weiteren Aufklärung einer Beteiligung bislang unbekannt gebliebener Personen an dem Tatgeschehen geeignet und erforderlich, da unter den gegebenen Umständen zu erwarten war, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Gegenständen, insbesondere von elektronischen Kommunikationsmitteln, führen werde, die nicht nur eine inhaltliche Kommunikation zwischen den gesondert Verfolgten und dem Betroffenen nachweisen oder widerlegen, sondern auch Aufschluss über weitere Kontaktpersonen der Vereinigung erbringen können. Der Umstand, dass die Ermittlungsbehörden bereits über andere Beweismittel verfügten, stellt die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht in Frage (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 - StB 17/22, juris Rn. 17).
bb) Die Anordnung der Durchsuchung stand zudem in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Schwere der aufzuklärenden Straftat. Die von der in Rede stehenden Gruppierung ausgehende Gefahr ist erheblich. Dies zeigt sich insbesondere in den konkreten vielfältigen Vorbereitungshandlungen der gesondert verfolgten W. und E. für eine bewaffnete Erstürmung des Deutschen Bundestages und dem geplanten sowie in Teilen bereits umgesetzten Aufbau von militärischen „Heimatschutzkompanien“ im gesamten Bundesgebiet.
cc) Das dem Betroffenen möglicherweise zustehende Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 StPO stand der Anordnung und Durchführung der Durchsuchungsmaßnahme nicht entgegen. Aus dem Fehlen besonderer Regelungen für Durchsuchungen bei Zeugnisverweigerungsberechtigten ergibt sich, dass sie nach den allgemein in der Strafprozessordnung zur Durchsuchung bei nicht verdächtigen Personen niedergelegten Grundsätzen (§ 103 StPO) durchgeführt werden können. Wegen der Fernwirkung des § 97 StPO darf nur nicht gezielt nach beschlagnahmefreien Gegenständen geforscht werden (BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2003 - 2 BvR 1120/02, NVwZ-RR 2003, 495, 496; KKStPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 103 Rn. 7; MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl., § 103 Rn. 10; Meyer-Goßner/Schmidt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 103 Rn. 7 mwN). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kontakte des Betroffenen zu den gesondert Verfolgten im Zusammenhang mit seinen lediglich pauschal behaupteten Tätigkeiten als freier Journalist und als freier Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei stehen.
3. Der behauptete Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 110 Abs. 4, § 98 Abs. 2 Satz 5 StPO führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Durchsuchung als solcher. Durch diese Vorschriften soll sichergestellt werden, dass ein Betroffener von der Mitnahme oder vorläufigen Sicherstellung von Papieren oder Speichermedien zeitnah Kenntnis erhält und seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 2008 - 2 BvR 236/08 u.a., BVerfGE 122, 63, 79 f.). Die Belehrung ist folglich weder Voraussetzung für die Durchführung der genannten Maßnahmen gegenüber einem anwesenden Betroffenen, noch lässt ihr Ausbleiben sie gegenüber einem bei der Durchsuchung nicht Anwesenden unzulässig werden.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 926
Bearbeiter: Fabian Afshar