hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 597

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, StB 58/22, Beschluss v. 30.03.2023, HRRS 2023 Nr. 597


BGH StB 58/22 - Beschluss vom 30. März 2023

Durchsuchung bei Beschuldigten (Anfangsverdacht); Durchsuchung bei anderen Personen (Auffindeverdacht für bestimmte Beweismittel; Grundsatz der Verhältnismäßigkeit); Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht von elektronischen Speichermedien.

§ 102 StPO; § 103 StPO; § 110 StPO; § 129 StGB; § 129a StGB

Entscheidungstenor

Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. November 2022 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Der Generalbundesanwalt führt gegen zahlreiche Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung und weiterer Straftaten. Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 25. November 2022 (1 BGs 726/22) die Durchsuchung der Person des Betroffenen, der von ihm genutzten Wohn-, Keller-, Garagen- und sonstigen Nebenräume, der von ihm genutzten Räumlichkeiten an seiner Arbeitsstelle sowie der auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeuge zum Zwecke der Sicherstellung näher beschriebener Beweismittel angeordnet. Die Durchsuchung ist am 7. Dezember 2022 vollzogen worden. Dabei sind mehrere Smartphones, zwei Laptops, ein Tablet und verschiedene USB-Sticks in Verwahrung genommen worden. Der Generalbundesanwalt, der auf einen Antrag auf richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellungen verzichtet hat, hat zwischenzeitlich die Herausgabe sämtlicher Asservate an den Beschwerdeführer angeordnet.

Der Betroffene wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss. Er begehrt die Feststellung, dass sowohl der Durchsuchungsbeschluss als auch die „Beschlagnahme der mitgenommenen Sachen“ rechtswidrig waren. Er macht geltend, schon für die Anordnung der Durchsuchung seien die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen; wie sich bereits aus dem Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 9. Dezember 2022 ergebe, habe eine Personenverwechselung des Beschwerdeführers mit seinem Bruder H. vorgelegen. Angesichts der Eingriffsschwere einer Durchsuchungsmaßnahme habe bei der Identifikation der betroffenen Person ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab angelegt werden müssen. Diesen Anforderungen hätten die polizeilichen Ermittlungen nicht genügt.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 304 Abs. 5 StPO zulässig, aber unbegründet.

1. Das Rechtsmittel richtet sich gegen die Durchsuchungsanordnung als solche. Seiner Zulässigkeit steht insoweit nicht entgegen, dass die Maßnahme inzwischen vollzogen ist. Eine bereits eingelegte Beschwerde ist in diesem Fall als auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung gerichtet anzusehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 1997 - 2 BvR 817/90 u.a., BVerfGE 96, 27, 38 ff.; BGH, Beschlüsse vom 18. Mai 2022 - StB 17/22, NStZ 2022, 638 Rn. 7; vom 17. Dezember 2014 - StB 10/14, juris Rn. 3 mwN; vom 9. Februar 2021 - StB 9/20 u.a., juris Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 65. Aufl., § 105 Rn. 15).

2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) und die vorläufige Sicherstellung der Asservate zum Zwecke der Durchsicht (§ 110 Abs. 1 und 3 StPO) lagen vor.

a) Gegen die Beschuldigten lag ein die Durchsuchung nach § 102 StPO rechtfertigender Anfangsverdacht vor, sich mitgliedschaftlich an einer Vereinigung beteiligt zu haben, deren Zwecke oder deren Tätigkeit auf die Begehung von Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) gerichtet gewesen seien, oder eine solche unterstützt zu haben.

aa) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen durchzuführenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05, BVerfGK 9, 149, 153; BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2022 - StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 6; vom 12. August 2015 - StB 8/15, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 3 Rn. 4; vom 18. Dezember 2008 - StB 26/08, BGHR StPO Tatverdacht 2 Rn. 5).

bb) Gemessen hieran lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung vor. Es bestand der Anfangsverdacht, dass die Beschuldigten sich an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB beteiligten oder sie gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB unterstützten.

(1) Nach dem maßgeblichen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. September 2010 - 2 BvR 2561/08, NJW 2011, 291 Rn. 28) war im Sinne eines Anfangsverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die Beschuldigten gehörten der sogenannten Reichsbürger- und QAnon-Bewegung an. Sie schlossen sich spätestens Ende November 2021 zu einer auf längere Dauer angelegten Organisation zusammen, die sich zum Ziel setzte, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland - insbesondere durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten - zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen. Dabei rechneten sie mit der Tötung von Personen und nahmen dies billigend in Kauf. Sie lehnten die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und deren Institutionen ab. Auf der Grundlage einer entsprechenden gemeinsamen Gesinnung erwarteten sie an einem konkreten und unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht festgelegten „Tag X“ einen Angriff auf die oberste Ebene der staatlichen Führung der Bundesrepublik Deutschland durch die sogenannte Allianz, ein Geheimbund bestehend aus Angehörigen ausländischer Regierungen, Militärs und Geheimdienste.

Zum Zwecke der Umsetzung ihrer Umsturzpläne schufen die Mitglieder der Gruppierung organisatorische, hierarchische und verwaltungsähnliche Strukturen mit einem „Rat“ als zentralem Gremium und einem „militärischen Arm“. Dieser sollte nach dem Angriff durch die „Allianz“ die noch verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates bekämpfen und die Macht durch ein deutschlandweites Netz von Heimatschutzkompanien absichern. Ferner plante der engste Führungszirkel der Vereinigung das gewaltsame Eindringen einer bewaffneten Gruppe in den Bundestag mit dem Ziel, Abgeordnete, Kabinettsmitglieder sowie deren Mitarbeiter zu verhaften und abzuführen, wobei sie hierfür bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen eingetreten waren. Im Einzelnen:

(a) Der von den Mitgliedern der Organisation unter der Führung des Beschuldigten R. geschaffene, hierarchisch aufgebaute „Rat“ beschäftigte sich in regelmäßig stattfindenden Sitzungen mit dem Aufbau künftiger staatlicher Strukturen, die an die Stelle der geltenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung treten sollten. In den Rat wurden Personen aufgenommen, die als besonders vertrauenswürdig angesehen wurden und die dafür vorgesehen waren, an ministerielle Aufgabenverteilungen angelehnte Zuständigkeiten wahrzunehmen. So verfügte der Rat - vergleichbar mit einem Kabinett einer regulären Regierung - über von einzelnen Beschuldigten besetzte Ressorts „Justiz“, „Außen“, „Gesundheit“, „Bildung“ und „Militär“. Ein Beschuldigter suchte zudem auf verschiedenen Wegen Kontakt zur russischen Regierung, mit der Vorbereitungshandlungen für Friedensverhandlungen getroffen werden sollten. Die Mitglieder hatten die ideologische Überzeugung, bis zum Abschluss eines Friedensvertrages mit den Alliierten gelte das Kriegsrecht unter Anwendung der Haager Landkriegsordnung fort.

(b) Da den Ratsmitgliedern und allen weiteren Angehörigen der Vereinigung bewusst war, dass der angestrebte Systemwechsel nicht auf friedlichem Weg zu erreichen war, wurde neben dem Rat ein hieran anknüpfender „militärischer Arm“ geschaffen. Dieser wurde von der Gruppierung vereinfacht als das „Militär“ bezeichnet und vom Beschuldigten P., einem ehemaligen Kommandanten eines Fallschirmjägerbataillons der Bundeswehr, geführt. Da er in dieser Funktion auch Mitglied des Rates war, bildete er zugleich das maßgebliche Bindeglied zwischen beiden Ebenen. Weitere Mitglieder des „militärischen Arms“ waren u.a. die Beschuldigten Oberst a.D. E., der an der Gründung des Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) beteiligt gewesen war, und der ehemalige Kommandosoldat des KSK W. .

Zum Zwecke des Aufbaus von Militärverwaltungsstrukturen waren die Angehörigen des „Militärs“ damit befasst, neue Mitglieder insbesondere aus den Reihen des KSK sowie der Polizei zu rekrutieren und Waffen, Munition sowie Ausrüstungsgegenstände zu beschaffen, wobei mehrere Beschuldigte über eigene Waffen verfügten. Ferner planten sie die zukünftige Unterbringung und Verpflegung der „neuen deutschen Armee“. Hierfür besuchten einige Beschuldigte unter Vorlage des Truppenausweises eines von ihnen Kasernen im Bundesgebiet. Auch organisierten sie zur Vorbereitung des geplanten Umsturzes Schießübungen und führten diese durch. Daneben arbeiteten sie an der Schaffung einer eigenen, abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur. Zu diesem Zweck wurde der militärische Zweig der Gruppierung in erheblichem Umfang von Mitgliedern des Rates finanziell unterstützt.

Parallel dazu bauten die Mitglieder des „Militärs“ ein bundesweites System regionaler „Heimatschutzkompanien“ (HSK) auf. Diese sollten nach der „Befreiung“ durch die „Allianz“ zur Absicherung der Macht der Vereinigung als Polizei und Armee fungieren sowie Kasernen, Waffen und sonstige Ausrüstung der Bundeswehr übernehmen, die ihrerseits aufgelöst werden sollte.

(c) Der maßgebliche Führungszirkel der Organisation plante zudem das gewaltsame Eindringen in den Deutschen Bundestag mit dem Ziel, Regierungsmitglieder und Abgeordnete festzunehmen sowie in Handschellen abzuführen. Alle insoweit involvierten Mitglieder wussten, dass dieses Unternehmen nur durch Anwendung von Waffengewalt gegen die Polizei und Sicherheitskräfte des Deutschen Bundestages durchgeführt werden könne. Sie rechneten daher auch mit der Tötung von Personen und nahmen dies billigend in Kauf.

Die Planungen der Beschuldigten E. und W. sahen die bewaffnete Erstürmung des Bundestages durch eine Gruppe von bis zu 16 Personen vor, vornehmlich aus den Reihen aktiver oder ehemaliger Angehöriger des KSK oder anderer Spezialeinheiten der Bundeswehr und Polizei. Hierfür traten sie bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen ein. So nahmen sie Kontakt zu mehreren Angehörigen des KSK auf. Der Beschuldigte W. verschaffte sich mehrere hundert Schuss Munition, sechs Gewehrmagazine, Nachtsichtgeräte, Fesselungsmaterial, weitere Militärausrüstung und einen Totschläger. Ferner begab er sich nach Berlin und fertigte Fotos von Absperrgittern im Bereich des Paul-Löbe-Hauses, vom Eingang der U-Bahn-Station „Bundestag“ sowie dem Schloss Bellevue. Zudem erstellte er eine Liste mit Namen zahlreicher Mitglieder der Bundesregierung und der Bayerischen Staatsregierung sowie von weiteren Politikern, Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens.

Spätestens im Rahmen eines Treffens am 25. November 2021 informierten die Beschuldigten E. und W. die Beschuldigten R., P. und F. über ihre Pläne zur bewaffneten Erstürmung des Deutschen Bundestages, die sich diese nicht nur zu eigen machten, sondern auch zukünftig förderten. So übergab der Beschuldigte R. dem Beschuldigten E. einen Betrag in Höhe von 50.000 €. Die der Gruppierung angehörige, für das Justizressort vorgesehene Beschuldigte und frühere Bundestagsabgeordnete M. informierte verschiedene Mitglieder der Vereinigung über Anwesenheitszeiten von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern. Daneben plante sie, das Reichstagsgebäude gemeinsam mit dem Beschuldigten P. zu betreten.

(2) Der Anfangsverdacht gründet sich im Wesentlichen auf Erkenntnisse des Bundeskriminalamts, der Landeskriminalämter Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen sowie der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst, die maßgeblich auf G 10-Maßnahmen - insbesondere Telefonüberwachung und Observation nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a, Abs. 2 G 10 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB - zurückzuführen sind. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen sind für die Zwecke der Strafverfolgung freigegeben und gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 2 G 10, § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO in das Ermittlungsverfahren überführt worden.

Zu den weiteren Einzelheiten der den Tatverdacht gegen die Beschuldigten begründenden Umstände wird auf die Ausführungen im Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. November 2022 sowie die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 24. November 2022 verwiesen.

(3) In rechtlicher Hinsicht sind die Handlungen der Beschuldigten nach gegenwärtigem Erkenntnisstand als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Unterstützung einer solchen zu werten, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 StGB. Ob die Beschuldigten daneben verdächtig sind, sich zugleich wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB strafbar gemacht zu haben, bedarf hier keiner Entscheidung.

Bei der Gruppierung um die Beschuldigten handelte es sich hochwahrscheinlich um eine terroristische Vereinigung im Sinne der § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn die Gruppe bestand aus mehr als zwei Personen, war auf längere Dauer angelegt, hatte eine organisatorische Struktur und verfolgte mit der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie der Schaffung eines neuen deutschen Staatswesens ein übergeordnetes gemeinsames Interesse (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2022 - AK 40-43/22, juris 44 ff.; vom 2. Juni 2021 - 3 StR 33/21, NStZ 2022, 159 mwN).

Dieses Ziel wollten die Mitglieder der Vereinigung nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen durch die Begehung von Katalogtaten im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB erreichen. Die Beschuldigten wussten und fanden sich um des von ihnen verfolgten Zieles willen damit ab, dass es sowohl bei der geplanten gewaltsamen Erstürmung des Deutschen Bundestages als auch bei der Unterstützung des Angriffs durch die „Allianz“ am „Tag X“ zu vorsätzlichen Tötungen von Amtsträgern und Repräsentanten des Staates gemäß §§ 211, 212 StGB kommen werde.

Dem steht nicht entgegen, dass der konkrete Eintritt des „Tages X“ - anders als das geplante bewaffnete Eindringen in das Reichstagsgebäude - scheinbar noch ungewiss war sowie die Gruppierung die Begehung von Katalogtaten durch den Einsatz ihres Militärs vom Eingreifen der Allianz abhängig machte und insoweit mit dem Eintritt eines zukünftigen Ereignisses verknüpfte.

Eine Vereinigung ist dann auf die Begehung von Straftaten gerichtet, wenn dies der verbindlich festgelegte Zweck ist, zu dessen Erreichung sich die Mitglieder verpflichtet haben. Die Organisation der Vereinigung muss auf den Zweck der gemeinschaftlichen Begehung von Straftaten hin konzipiert sein. Nur dann vermag die Betätigung der Vereinigung die ihre besondere Gefährlichkeit begründende Eigendynamik zu entfalten, die Grund für die durch § 129 StGB bestimmte Vorverlagerung des Strafschutzes ist. Daraus folgt, dass der gemeinsame Wille zur Begehung von Straftaten fest gefasst sein muss und nicht nur vage oder insbesondere von dem Ergebnis weiterer Willensbildungsprozesse abhängig sein darf. Deshalb reicht es nicht aus, wenn sich die in der Vereinigung zusammengefassten Mitglieder bewusst sind, es könne bei der Verfolgung ihrer Pläne zu Straftaten kommen, sie diese mithin lediglich „ins Auge gefasst“ haben (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 2015 - 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166 Rn. 30; vom 21. Oktober 2004 - 3 StR 94/04, BGHSt 49, 268, 271 f.; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 48; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 64).

Die Angehörigen der Gruppierung hatten ihren Entschluss, die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unter Anwendung von Waffengewalt gegen Repräsentanten des Staates zu beseitigen und sie durch eine eigene Staatsstruktur zu ersetzen, bereits fest gefasst. Dass der Willensprozess innerhalb der Gruppe abgeschlossen war, zeigt sich in den vielfältigen Vorbereitungshandlungen der Beschuldigten für den gewalttätigen Umsturz. So erwarben einzelne Mitglieder nicht nur Munition, zahlreiche militärische Ausrüstungsgegenstände und Fesselungsmaterialien, sondern suchten darüber hinaus mehrere Waffengeschäfte zum Erwerb von Schusswaffen auf und führten Schießübungen durch. Daneben wurden durch die Gruppierung bereits drei Heimatschutzkompanien aufgebaut, denen polizeiliche und militärische Aufgaben im Fall der Realisierung der Umsturzpläne zukommen sollten. Für die Ausführung war gerade kein neuer Tatentschluss, sondern nur der Eintritt eines konkreten und unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht festgelegten Ereignisses erforderlich. Die Gruppierung behielt sich damit gerade nicht die Begehung von Straftaten für die Zukunft bloß vor.

Dies gilt umso mehr, als allein die Angehörigen der Gruppierung die Deutungshoheit darüber hatten, welches tagesaktuelle Ereignis der „Allianz“ zuzurechnen und als Startsignal zur Umsetzung ihrer Umsturzpläne zu werten sein sollte. Die Mitglieder der Vereinigung hatten mithin nur noch darüber zu entscheiden, wann die Umsturzpläne umgesetzt werden. Dies zeigt sich insbesondere an den zahlreichen internen Diskussionen darüber, auf welches Geschehen insoweit abzustellen ist, wobei von den Mitgliedern der Gruppierung ein möglicher Börsencrash, das Ableben von Queen Elizabeth II., ein elektromagnetischer Impuls durch Wladimir Putin, Naturkatastrophen oder ein großflächiger Stromausfall als mögliches Startsignal diskutiert und in Betracht gezogen wurden. Es bestand daher die konkrete und sich potentiell jederzeit realisierende Gefahr, dass die Umsturzpläne vollzogen werden. Es mehrten sich zudem Anzeichen dafür, dass der Handlungsdruck innerhalb der Gruppierung immer weiter anstieg. Trotz des teilweise fernliegenden Gedankenguts war somit die spezifische Gefährlichkeit der Vereinigung gegeben (vgl. MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 2 mwN).

(4) Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ergibt sich aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 6, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG.

b) Es lagen zudem hinreichende Tatsachen dafür vor, dass bei dem Beschwerdeführer bestimmte Beweismittel im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO aufgefunden werden können.

aa) Eine Ermittlungsdurchsuchung, die eine nichtverdächtige Person betrifft, setzt nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO Tatsachen dahin voraus, dass sich das gesuchte Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Es müssen konkrete Gründe im Zeitpunkt der Anordnung, mithin aus ex ante-Sicht dafür sprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. August 2019 - 2 BvR 1684/18, NJW 2019, 3633 Rn. 35; BGH, Beschlüsse vom 18. November 2021 - StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795 Rn. 11; vom 5. Juni 2019 - StB 6/19, juris Rn. 8; vom 13. Juni 1978 - StB 51/78, BGHSt 28, 57, 59), dass der gesuchte Beweisgegenstand in den Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann. Der Auffindeverdacht ist daher gegeben, wenn die vorliegenden Erkenntnisse den vertretbaren Schluss zulassen, dass die gesuchte Person oder Beweismittel gefunden werden (BVerfG, Beschluss vom 28. April 2003 - 2 BvR 358/03, BVerfGK 1, 126, 132 f.; BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 1999 - StB 9/99, BGHR StPO § 103 Gegenstände 1; vom 7. Juni 1995 - StB 16/95, NJW 1996, 405, 406 [dort mit dem Aktenzeichen 2 BJs 127/93-7]; vom 13. Januar 1989 - StB 1/89, BGHR StPO § 103 Tatsachen 1; vom 20. Dezember 1988 - 1 BGs 1143/88, BGHR StPO § 103 Tatsachen 2; vom 13. Juni 1978 - StB 51/78, BGHSt 28, 57, 59; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 103 Rn. 5; LR/Menges/Hauck/Tsambikakis, StPO, 27. Aufl., § 103 Rn. 14).

bb) Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Es lagen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung dafür vor, dass sich Beweismittel beim Beschwerdeführer befinden, die in dem anhängigen Ermittlungsverfahren von Bedeutung sein können. Auch der Vollzug der richterlichen Durchsuchungsanordnung war rechtmäßig.

(1) Die zum Zeitpunkt der richterlichen Durchsuchungsanordnung vorliegenden Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass sich der Beschwerdeführer mit den Beschuldigten P. und F., bei denen es sich um führende Mitglieder des militärischen Zweigs der terroristischen Vereinigung handelte, am 4. Oktober 2022 in einem Restaurant in Ro. getroffen und mit ihnen den Aufbau der Heimatschutzkompanien, das geplante Vorgehen am „Tag X“ sowie die geplanten neuen Staatstrukturen besprochen hatte. Nach dem damaligen Erkenntnisstand wurde der Beschwerdeführer als damals im Restaurant anwesende Person identifiziert. Dieser Verdacht gründete sich zum einen auf das zum Treffpunkt mitgeführte Fahrzeug, welches auf ihn zugelassen ist, zum anderen auf einen Abgleich zwischen den durch die Observationseinheit von den Teilnehmern des Treffens gefertigten Lichtbildern einerseits und dem Lichtbild des Bundespersonalausweises des Beschwerdeführers sowie einem im Internet von ihm aufgefundenen Lichtbild andererseits.

(2) Trotz der sich aus dem Vermerk des Bundeskriminalamtes vom 9. Dezember 2022 ergebenen Zweifel an der Identität des Beschwerdeführers war der Vollzug der Durchsuchungsanordnung rechtmäßig. Zwar kann sich ein zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegender Verdacht durch neu hinzugetretene Umstände zerstreuen und damit die Maßnahme erübrigen (BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2005 - 2 BvR 2428/04, BVerfGK 5, 347, 353 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 65. Aufl., § 105 Rn. 8a; MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl., § 105 Rn. 27; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 12). Derartige während der Durchsuchung neu hinzugetretene evidente Umstände, die den Auffindeverdacht beim Betroffenen und damit die Rechtmäßigkeit der ursprünglich zulässig angeordneten Maßnahme haben nachträglich entfallen lassen und aufgrund derer die für den Vollzug zuständige Staatsanwaltschaft sie hätte beenden müssen, lagen jedoch nicht vor. Zwar hatte eine am Vollzug der Durchsuchungsanordnung beteiligte Polizeibeamtin Zweifel, ob der anwesende Beschwerdeführer und die auf dem Lichtbild der Observationseinheit abgebildete Person identisch waren. Eine mögliche Verwechselung mit dem Bruder des Beschwerdeführers konnte jedoch während der Maßnahme durch die Ermittlungsbehörden nicht näher aufgeklärt werden. Erst eine Einwohnermeldeanfrage zwei Tage später ergab eine „hohe Ähnlichkeit“ zwischen dem Bruder und der während der Observation abgelichteten männlichen Person.

cc) Die Durchsuchung bei einer nichtverdächtigen Person setzt - anders als im Fall des § 102 StPO für die Durchsuchung beim Tatverdächtigen, bei dem eine allgemeine Aussicht genügt, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden - nach § 103 StPO überdies voraus, dass hinreichend individualisierte (bestimmte) Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden. Diese Gegenstände müssen im Durchsuchungsbeschluss so weit konkretisiert werden, dass weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können (BGH, Beschluss vom 21. November 2001 - StB 20/01, BGHR StPO § 103 Gegenstände 2). Ausreichend ist dafür allerdings, dass die Beweismittel der Gattung nach näher bestimmt sind; nicht erforderlich ist, dass sie in allen Einzelheiten bezeichnet werden (BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2022 - StB 29/22, NStZ 2022, 692, 693 Rn. 14; vom 28. Juni 2018 - StB 14/18, juris Rn. 16; vom 15. Oktober 1999 - StB 9/99, BGHR StPO § 103 Gegenstände 1; jeweils mwN).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss ebenfalls gerecht. Es wurden die zu sichernden Gegenstände, insbesondere elektronische Kommunikationsmittel, Dokumente und Unterlagen, auch in elektronischer Form, Waffen und militärische Ausrüstungsgegenstände dahin konkretisiert, dass diese mit der terroristischen Vereinigung in Zusammenhang stehen mussten. Durch diese Einschränkung der möglicherweise aufzufindenden Beweismittel war den durchsuchenden Beamten hinreichend deutlich aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk zu richten hatten.

c) Die Mitnahme der bei der Wohnungsdurchsuchung aufgefundenen elektronischen Speichermedien im Rahmen einer vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht auf beweisrelevante Daten war noch Teil der richterlichen angeordneten Durchsuchung und von § 110 Abs. 1 und 3 StPO gedeckt.

aa) Die Asservate durften als elektronische Speichermedien, deren Durchsicht auf Beweisrelevanz im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung vor Ort nicht möglich war, zur Auswertung mitgenommen und hierfür einstweilen sichergestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 2248/00, NJW 2002, 1410; BGH, Beschlüsse vom 20. Mai 2021 - StB 21/21, BGHR StPO § 98 Abs. 2 Bestätigung 2 Rn. 11; vom 5. Juni 2019 - StB 6/19, juris Rn. 17; vom 5. August 2003 - StB 7/03, BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 3; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 65. Aufl., § 110 Rn. 2a).

bb) Da die Durchsicht der sichergestellten Asservate noch Teil der Durchsuchung ist (BVerfG, Beschlüsse vom 20. November 2019 - 2 BvR 31/19 u.a., NJW 2020, 384 Rn. 39; vom 20. September 2018 - 2 BvR 708/18, NJW 2018, 3571 Rn. 25; vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 2248/00, NJW 2002, 1410, 1411; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 65. Aufl., § 110 Rn. 10), ist ihre Zulässigkeit weiter davon abhängig, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Wohnungsdurchsuchung gemäß §§ 102, 103 StPO zum Zeitpunkt der Durchsicht gegeben waren (BVerfG, Beschlüsse vom 20. November 2019 - 2 BvR 31/19 u.a., NJW 2020, 384 Rn. 39; vom 20. September 2018 - 2 BvR 708/18, NJW 2018, 3571 Rn. 25; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 65. Aufl., § 110 Rn. 10). Das ist der Fall. Die Beschuldigten sind der ihnen zur Last gelegten Tat (weiterhin) verdächtig. Auch lagen hinreichende Tatsachen dafür vor, dass bei dem Beschwerdeführer bestimmte Beweismittel im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO aufgefunden werden können (vgl. II. 2. a) und b)).

d) Die Anordnung der Durchsuchung entsprach - auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Betroffenen - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

aa) Sie war zur weiteren Aufklärung einer Beteiligung der Beschuldigten an dem Tatgeschehen geeignet und erforderlich, da unter den gegebenen Umständen zu erwarten war, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Gegenständen, insbesondere von elektronischen Kommunikationsmitteln führen würde, die nicht nur eine inhaltliche Kommunikation zwischen den Beschuldigten P. und F. sowie dem Beschwerdeführer nachweisen oder widerlegen, sondern auch Aufschluss über weitere Kontaktpersonen innerhalb der Vereinigung erbringen können. Der Umstand, dass die Ermittlungsbehörden bereits über andere Beweismittel verfügten, stellt die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht in Frage (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 - StB 17/22, juris Rn. 17).

bb) Die Anordnung der Durchsuchungen stand zudem in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Schwere der aufzuklärenden Straftat. Die von der in Rede stehenden Gruppierung ausgehende Gefahr ist erheblich. Dies zeigt sich insbesondere in den konkreten vielfältigen Vorbereitungshandlungen einiger Mitglieder der Vereinigung für eine bewaffnete Erstürmung des Deutschen Bundestages durch eine Gruppe von bis zu 16 Personen, vornehmlich aus den Reihen aktiver oder ehemaliger Angehöriger des KSK oder anderer Spezialeinheiten der Bundeswehr sowie Polizei, und dem geplanten sowie in Teilen bereits umgesetzten Aufbau von militärischen „Heimatschutzkompanien“ im gesamten Bundesgebiet.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 597

Bearbeiter: Karsten Gaede