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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 251

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 333/22, Beschluss v. 10.01.2023, HRRS 2023 Nr. 251


BGH 1 StR 333/22 - Beschluss vom 10. Januar 2023 (LG Stade)

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (Einziehung: Erlangen ersparter Aufwendungen nur durch Arbeitgeber).

§ 266a Abs. 1 StGB; § 73 StGB; § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV

Leitsatz des Bearbeiters

Durch ersparte Aufwendungen etwas erlangt hat ein Täter des § 266a StGB nur, soweit er selbst als Arbeitgeber zahlungspflichtig (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV) war. Für einen Beauftragten einer natürlichen Person gilt insofern, nichts anders als für ein Organ einer juristischen Person, dass dieser regelmäßig nicht selbst Arbeitgeber ist. Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB und des Sozialversicherungsrechts ist derjenige, dem der Anspruch auf die vom Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 13. Mai 2022 im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben, soweit die Einziehung 289.574,45 € übersteigt.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 187 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Außerdem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 342.875,46 € angeordnet. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die Prüfung des Schuld- und des Strafausspruchs hat keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Entgegen der Auffassung der Revision durfte die Strafkammer insbesondere die Einlassung des Angeklagten, er habe in Steuer- und Sozialversicherungsangelegenheiten „Fehler in Kauf genommen“ und „sich mehr auf das Unternehmerische konzentriert“ (UA S. 25), rechtsfehlerfrei dahingehend würdigen, dass er hinsichtlich der Steuerhinterziehungen und des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt bedingt vorsätzlich handelte. Für bedingten Vorsatz ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass er sich mit den Taterfolgen zumindest abfand, um sich dem operativen Geschäft widmen zu können, mögen sie ihm auch unerwünscht gewesen sein („Billigen im Rechtssinne“; vgl. BGH, Urteile vom 22. April 1955 - 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363, 368 ff. und vom 18. Juni 2020 - 4 StR 482/19, BGHSt 65, 42 Rn. 22 mwN).

Die Einziehungsentscheidung hat allerdings nur hinsichtlich des Wertes von Taterträgen aus dem Taxibetrieb Bestand. Betreffend die Vergehen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt von Beschäftigten der Funkzentrale (Fälle 82 bis 206 der Urteilsgründe, 53.301,01 €) ist der Einziehungsausspruch demgegenüber aufzuheben, weil bisher nicht festgestellt ist, dass der Angeklagte, der die Funkzentrale als Generalbevollmächtigter seines Vaters betrieb, insofern selbst Aufwendungen erspart und daher etwas erlangt (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB) hat. Für den Schuldspruch kann dahingestellt bleiben, ob der Angeklagte selbst oder sein Vater Arbeitgeber der Beschäftigten der Funkzentrale war, da nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe § 266a StGB auf den Angeklagten, auch wenn er nicht selbst Arbeitgeber war, jedenfalls als Beauftragten (§ 14 Abs. 2 StGB) anzuwenden ist, weil die Generalvollmacht als solche ausdrücklich erteilt war und der Angeklagte eigenverantwortlich entscheiden konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. September 2012 - 5 StR 363/12, BGHSt 58, 10 Rn. 13 ff. und vom 4. September 2019 - 1 StR 579/18 Rn. 33). Durch ersparte Aufwendungen etwas erlangt hat der Angeklagte aber nur, soweit er selbst als Arbeitgeber zahlungspflichtig (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV) war. Für einen Beauftragten einer natürlichen Person gilt insofern nichts anderes als für ein Organ einer juristischen Person (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2020 - 1 StR 529/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 33 Rn. 15; vom 19. Mai 2021 - 1 StR 139/21 Rn. 9 und vom 22. August 2022 - 1 StR 187/22 Rn. 5; jeweils mwN). Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB und des Sozialversicherungsrechts ist derjenige, dem der Anspruch auf die vom Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2022 - 1 StR 511/21 Rn. 15; BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 - B 12 KR 10/09 R Rn. 18). Der Angeklagte hätte dafür entweder gegenüber den Beschäftigten in eigenem Namen (vgl. § 164 Abs. 2 BGB) auftreten oder sich mit den Beschäftigten einig sein müssen, dass sein Vater nur vorgeschoben war (§ 117 Abs. 2 BGB). Dazu hat die Strafkammer nichts festgestellt. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Das nunmehr berufene Tatgericht hat ergänzende Feststellungen zu treffen, welche zu den bisherigen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen dürfen.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 251

Bearbeiter: Christoph Henckel