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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 595

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 203/08, Beschluss v. 07.05.2008, HRRS 2008 Nr. 595


BGH 1 StR 203/08 - Beschluss vom 7. Mai 2008 (LG Nürnberg)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur weiteren Begründung der Revision (Erhebung von Verfahrensrügen; rechtliches Gehör: plötzliche Auflösung einer Sozietät als ein auf äußeren Umständen beruhendes nicht zurechenbares Hindernis; Anbringung von Verfahrensrügen); Aufklärungspflicht.

§ 44 StPO; § 244 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Der Angeklagten wird antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, soweit sie im Rahmen der Begründung ihrer Revision gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 3. Dezember 2007 die Frist zur rechtzeitigen Anbringung der im Schriftsatz vom 4. März 2008 erhobenen Verfahrensrüge (Aufklärungsrüge) versäumt hat.

2. Die Revision der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Die Angeklagte wurde wegen mehrfacher - in einem Fall gefährlicher - Körperverletzung, mehrfachen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und weiterer Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.

Ihre Revision gegen dieses Urteil ist innerhalb der mit Ablauf des 25. Februar 2008 endenden Frist des § 345 StPO rechtzeitig mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge begründet worden. Darüber hinaus wurde mit Schriftsatz vom 4. März 2008 noch eine Verfahrensrüge (Aufklärungsrüge) erhoben und insoweit zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

1. Der Wiedereinsetzungsantrag hat Erfolg (§ 44 StPO).

a) Der Verteidiger hat insoweit rechtzeitig im Einzelnen vorgetragen und glaubhaft gemacht: Er habe zusammen mit Sozien eine gemeinschaftliche Kanzlei betrieben. Am 24. Februar 2008 habe er den Sozietätsvertrag fristlos gekündigt. Daraufhin habe ihn ein (ehemaliger) Sozius am Morgen des 25. Februar 2008 aus den Räumen der Kanzlei gewiesen. Für den Fall, dass er nicht freiwillig gehe, habe ihm dieser angedroht, er würde ihn durch die Polizei entfernen lassen.

Um eine Eskalation zu vermeiden, sei er gegangen und habe noch am gleichen Tag beim Landgericht (Zivilkammer) eine einstweilige Verfügung erwirkt, die ihm das Betreten der Kanzlei wieder gestattete. Diese einstweilige Verfügung habe ihm dann unter Einschaltung des Gerichtsvollziehers am nächsten Tag das Betreten der Kanzlei wieder ermöglicht. Es habe sich ergeben, dass seine Akten bereits aus seinem Zimmer entfernt gewesen wären. Sie hätten erst wieder zurückgebracht und sortiert werden müssen. Dies habe die Revisionsbegründung im vorliegenden Verfahren weiter verzögert.

b) Der Generalbundesanwalt hat zu alledem unter anderem ausgeführt:

"Zwar hat die Beschwerdeführerin keine Frist versäumt, sondern lediglich - nach ... fristgerecht erhobener allgemeiner Sachrüge - keine Verfahrensrügen innerhalb der Frist erhoben. Dies berechtigt grundsätzlich nicht dazu, Wiedereinsetzung zu verlangen (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 4, 5, 7; StPO § 345 Abs. 2 Begründungsschrift 5; Senatsbeschluss vom 25. September 2007 - 1 StR 432/07).

Die Rechtsprechung hat von diesem Grundsatz jedoch Ausnahmen zugelassen, wenn dies zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint, etwa wenn der Beschwerdeführer aufgrund Erkrankung seines Verteidigers gehindert worden ist, Verfahrensrügen innerhalb der Revisionsbegründungsfrist anzubringen (vgl. BGH NStZ 1985, 204). Ein Ausnahmefall liegt auch bei der vorliegenden Fallgestaltung vor."

c) Dem stimmt der Senat zu. Insoweit vergleichbar dem Fall einer Erkrankung liegt hier ein Fall vor, in dem der rechtzeitigen Anbringung der Verfahrensrüge unverschuldet ein auf äußeren Umständen beruhendes nicht zurechenbares Hindernis entgegenstand (vgl. auch BGH NStZ-RR 1999, 110; BGH Beschl. vom 8. August 2001 - 2 StR 313/01).

2. Die danach als rechtzeitig angebracht zu behandelnde Aufklärungsrüge bleibt jedoch aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos. Da auch die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat, war die Revision als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 595

Externe Fundstellen: NStZ 2008, 525; NStZ-RR 2008, 247

Bearbeiter: Karsten Gaede