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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1308

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 308/25, Beschluss v. 13.08.2025, HRRS 2025 Nr. 1308


BGH 4 StR 308/25 - Beschluss vom 13. August 2025 (LG Essen)

Räuberischer Diebstahl (Zueignungsabsicht: Aneignungsabsicht, Wegnahme eines Mobiltelefons zur Löschung oder Überprüfung gespeicherter Daten, Einstecken als Indiz, Beweiswürdigung).

§ 242 Abs. 1 StGB; § 252 StGB; § 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten „einverleiben“ oder zuführen will. Das setzt nicht notwendig voraus, dass er sie auf Dauer behalten will. Unerheblich ist etwa der Vorbehalt, sich der Sache nach Gebrauch zu entledigen. Desgleichen kann die Zueignungsabsicht auch bei einer Wegnahme mit dem Willen vorhanden sein, die Sache zunächst zu behalten und sich erst später darüber schlüssig zu werden, wie über sie zu verfügen sei. Dagegen fehlt es an dieser Voraussetzung in Fällen, in denen der Täter die fremde Sache nur wegnimmt, um sie zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseitezuschaffen oder zu beschädigen, wie ferner bei bloßer Gebrauchsanmaßung, also in der Regel dann, wenn er schon bei der Wegnahme den bestimmten Willen hat, die Sache dem Berechtigten unverändert zurückzugeben und so den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen.

2. Entsprechend verhält es sich in Fällen, in denen der Täter ein Mobiltelefon lediglich in der Absicht wegnimmt, dort abgespeicherte Bilder zu löschen oder anzusehen. Eine Zueignungsabsicht ist in solchen Konstellationen nur dann zu bejahen, wenn der Täter das Mobiltelefon zum Zeitpunkt der Wegnahme - wenn auch nur vorübergehend - über die für die Löschung oder das Ansehen der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten will.

3. Das Einstecken des Mobiltelefons hat ohne zusätzliche stützende Erwägungen keine Aussagekraft im Hinblick auf einen weiter reichenden Aneignungswillen, wenn es auch allein mit einem anderen Tatmotiv (z. B. Ermöglichung einer Überprüfung von gespeicherten Daten) erklärbar ist.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 17. Dezember 2024 - auch soweit es den nicht revidierenden Mitangeklagten I. betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten hat es wegen Beihilfe zum besonders schweren räuberischen Diebstahl in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt - unter Erstreckung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten gemäß § 357 Satz 1 StPO - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs 2 StPO).

I.

Nach den Feststellungen war der Angeklagte zu der Überzeugung gelangt, dass der Zeuge E. eine außereheliche Beziehung mit der Ehefrau des Angeklagten führte. Deshalb lauerte er am 11. Juni 2024 gegen 22:15 Uhr gemeinsam mit dem Mitangeklagten, seinem Sohn, dem Zeugen auf, als dieser sein Fahrzeug auf einem Parkplatz abstellte. Der Mitangeklagte stellte sich an die zunächst noch geschlossene Fahrertür, während der Angeklagte die Beifahrertür des Pkw öffnete und sich auf den Beifahrersitz setzte, wobei er ein Messer in der einen Hand und eine mit Ottokraftstoff gefüllte Plastikflasche in der anderen Hand hielt. Der Angeklagte ergriff das Handy des Zeugen, das sich in einer Halterung in der Mitte des Armaturenbretts befand, und steckte es in seine Jackentasche in der Absicht, es für sich zu behalten. Unmittelbar danach drückte er dem Zeugen die Messerspitze an die linke Halsseite und äußerte „Ich werde deine Tochter entführen und ficken. Dich werde ich umbringen.“ Dabei bewegte er die Flasche mit der Flüssigkeit und drohte dem Zeugen ferner, ihn zu verbrennen. Dem Angeklagten kam es dabei auch darauf an, im Besitz des Handys zu bleiben.

Dem Zeugen, der Benzingeruch wahrnahm, gelang es, die Hand des Angeklagten, in der sich das Messer befand, festzuhalten, was dieser zum Anlass nahm, die Flüssigkeit über den Zeugen auszugießen. Auf der Fahrerseite öffnete der Mitangeklagte die Fahrertür und sprühte dem Zeugen entsprechend dem gemeinsamen Tatplan Pfefferspray in das Gesicht, um dem Angeklagten den Besitz des Handys zu sichern. Entgegen der Erwartung der Angeklagten gelang es dem Zeugen jedoch, den Startknopf in der Mittelkonsole des Fahrzeugs zu drücken und davonzufahren. Hierbei sprang der Angeklagte, der lediglich mit einem Bein im Auto saß und befürchtete, mitgeschleift zu werden, aus dem Fahrzeug. Anschließend suchten die Angeklagten den Boden des Parkplatzes nach dem Handy des Zeugen ab, fanden dieses aber nicht. Der Zeuge erlitt durch die Tat brennende Augen, eine Schnittspur am Hals sowie eine kratzerartige Verletzung an der Hand.

II.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls hat keinen Bestand, weil nicht belegt ist, dass der Angeklagte, wie von § 252 StGB vorausgesetzt, das Handy des Zeugen in der Absicht wegnahm, es sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen.

1. Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten „einverleiben“ oder zuführen will (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10 Rn. 20; Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, juris Rn. 14; Urteil vom 28. Juni 1961 - 2 StR 184/61, BGHSt 16, 190, 192). Das setzt nicht notwendig voraus, dass er sie auf Dauer behalten will. Unerheblich ist etwa der Vorbehalt, sich der Sache nach Gebrauch zu entledigen. Desgleichen kann die Zueignungsabsicht auch bei einer Wegnahme mit dem Willen vorhanden sein, die Sache zunächst zu behalten und sich erst später darüber schlüssig zu werden, wie über sie zu verfügen sei (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, juris Rn. 14). Dagegen fehlt es an dieser Voraussetzung in Fällen, in denen der Täter die fremde Sache nur wegnimmt, um sie zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseitezuschaffen oder zu beschädigen, wie ferner bei bloßer Gebrauchsanmaßung, also in der Regel dann, wenn er schon bei der Wegnahme den bestimmten Willen hat, die Sache dem Berechtigten unverändert zurückzugeben und so den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2024 - 1 StR 75/24 Rn. 5; Beschluss vom 12. Januar 2021 - 4 StR 501/20 Rn. 3; Urteil vom 17. Oktober 2019 - 3 StR 536/18 Rn. 16; Beschluss vom 11. Dezember 2018 - 5 StR 577/18 Rn. 8; Beschluss vom 9. Juni 2015 - 3 StR 146/15 Rn. 3; Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10 Rn. 21; Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, juris Rn. 14; Urteil vom 10. Mai 1977 - 1 StR 167/77, juris Rn. 15).

Entsprechend verhält es sich in Fällen, in denen der Täter ein Mobiltelefon lediglich in der Absicht wegnimmt, dort abgespeicherte Bilder zu löschen. Eine Zueignungsabsicht ist in solchen Konstellationen nur dann zu bejahen, wenn der Täter das Mobiltelefon zum Zeitpunkt der Wegnahme - wenn auch nur vorübergehend - über die für die Löschung der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten will (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 3 StR 536/18 Rn. 18; Beschluss vom 11. Dezember 2018 - 5 StR 577/18 Rn. 9; Beschluss vom 9. Juni 2015 - 3 StR 146/15 Rn. 4; Beschluss vom 28. April 2015 - 3 StR 48/15 Rn. 4; zur Zueignungsabsicht bei Durchsuchung und Kopieren vom Speicher des entwendeten Handys auch BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 StR 392/11 Rn. 4).

2. Eine diesen Vorgaben entsprechende Zueignungsabsicht wird in den Urteilsgründen - auch unter Berücksichtigung des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Mai 2025 - 4 StR 477/24 Rn. 10) - nicht belegt. Zwar hat die Jugendkammer festgestellt, dass der Angeklagte das Mobiltelefon des Geschädigten in der Absicht weggenommen hat, dieses für sich zu behalten. Eine unmittelbar auf diese Annahme bezogene Beweiswürdigung lässt sich den Urteilsgründen aber nicht entnehmen. Soweit sich das Landgericht auf der Belegebene im Übrigen zur inneren Tatseite verhält, lässt sich aus den dazu gemachten Ausführungen eine Zueignungsabsicht nicht herleiten. So hat die Jugendkammer ihre Überzeugung, dass der Angeklagte das Messer (auch) dazu eingesetzt habe, um im Besitz des eingesteckten Mobiltelefons zu bleiben, maßgeblich damit begründet, dass er dieses an sich bringen wollte, um zu überprüfen, ob seine Ehefrau ein Verhältnis mit dem Geschädigten habe (UA 20). Mit dieser Erwägung lässt sich aber lediglich ein auf diesen Überprüfungsvorgang bezogener und damit zeitlich eng begrenzter Besitzwille belegen. Dass es dem Angeklagten bei der Wegnahme des Mobiltelefons auch darum ging, dieses darüber hinaus - wenn auch nur vorübergehend - seinem Vermögen zuzuführen, liegt mit Blick auf dieses Motiv auch nicht auf der Hand. Soweit im Weiteren davon die Rede ist, dass die Beweisaufnahme keinen Anhaltspunkt dafür erbracht habe, dass die „mit dem Einstecken des Telefons nach außen getretene Zueignungsabsicht“ von dem Angeklagten wieder aufgegeben worden sei, ist dies unter den hier gegebenen Umständen ohne argumentatives Gewicht. Zwar kann dieser Wendung entnommen werden, dass die Jugendkammer in dem Vorgang des Einsteckens ein Indiz für ein „Einverleiben“ gesehen hat. Diese Indizwirkung ist aber unter den hier gegebenen Umständen nicht selbsterklärend. Denn das Einstecken des Mobiltelefons ist auch allein mit dem an anderer Stelle hervorgehobenen Tatmotiv (Ermöglichung einer Überprüfung) erklärbar und hat damit ohne zusätzliche stützende Erwägungen keine Aussagekraft im Hinblick auf einen weiter reichenden Aneignungswillen.

3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der dargelegte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls, die sich auch auf die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung erstreckt. Dies zieht die Aufhebung der verhängten Strafe nach sich. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, da sie durch den zur Aufhebung führenden Rechtsfehler nicht betroffen werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen. Die Aufhebung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den wegen der nämlichen Tat verurteilten, nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1308

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede