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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 230

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 536/18, Urteil v. 17.10.2019, HRRS 2020 Nr. 230


BGH 3 StR 536/18 - Urteil vom 17. Oktober 2019 (LG Koblenz)

Aneignungsabsicht beim Raub („Einverleiben“ in das Vermögen; Substanzwert; Sachwert; Zerstörung der Sache; wirtschaftliche Nutzung; materieller Vorteil; eigentümerähnliche Verfügungsgewalt; Zueignungsabsicht); subjektive Voraussetzungen der falschen Verdächtigung; Tateinheit; Bewertungseinheit bei Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.

§ 249 StGB; § 164 StGB; § 52 StGB; § 29 BtMG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Täter kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Die Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten „einverleiben“ oder zuführen will.

2. Der Täter muss mithin neben der dauernden Enteignung des Berechtigten, für die bedingter Vorsatz genügt, die Aneignung der Sache beabsichtigen. Hierfür ist nicht erforderlich, dass er diese auf Dauer behalten will. Jedoch muss er die - wenn auch möglicherweise nur vorübergehende - Aneignung zum Wegnahmezeitpunkt mit unbedingtem Willen erstreben. Deshalb liegt eine Aneignungsabsicht nicht vor, wenn der Täter die Sache - ohne sie behalten zu wollen - an sich bringt, um sie „zu zerstören“, „zu vernichten“, „preiszugeben“, „wegzuwerfen“, „beiseite zu schaffen“ oder „zu beschädigen“.

3. Das bedeutet indes nicht, dass es immer dann an der Aneignungsabsicht fehlt, wenn der Täter die weggenommene Sache irgendwann vernichten oder wegwerfen will. Vielmehr handelt dieser nur dann ohne Zueignungsabsicht, wenn er die Sache entsorgen will, bevor er sie seinem Vermögen einverleibt. Ist die Aneignung abgeschlossen, wirkt es sich auf die Zueignungsabsicht nicht mehr aus, wie der Täter sodann mit dem erlangten Gegenstand verfährt. Mithin kommt es auch in Fällen, in denen der Täter die Entsorgung der Sache erstrebt, darauf an, ob er diese zunächst körperlich oder wirtschaftlich seinem Vermögen einverleiben will, er also beabsichtigt, sie - möglicherweise auch nur vorübergehend - für sich zu haben oder wirtschaftlich zu nutzen.

4. Eine körperliche Einverleibung der Sache in das Vermögen des Täters kann etwa dadurch bewirkt werden, dass er sie unter Ausschluss des wahren Berechtigten von der Ausübung der Sachherrschaft der eigenen eigentümerähnlichen Verfügungsgewalt unterwirft. Ein eigenmächtiges Verfügen über die Sache begründet allein allerdings gerade in den Fällen, in denen diese weggeworfen oder zerstört werden soll, eine Aneignung noch nicht. Dass der Täter erstrebt, den Besitz an der Sache für den für die Zerstörung erforderlichen Zeitraum zu erlangen, bedeutet noch nicht das Vorliegen eines Aneignungswillens.

5. Die Frage, ob bei einer der geplanten Entsorgung vorausgehenden Nutzung der entwendeten Sache diese - wenn auch vorübergehend - dem Vermögen des Täters zugeführt werden soll, kann nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Dabei ist jeweils insbesondere von Bedeutung, ob er in irgendeiner Weise im weitesten Sinne wirtschaftlich von dem Gebrauch profitieren will und damit aus der Nutzung mittelbar oder unmittelbar einen irgendwie gearteten wirtschaftlichen oder jedenfalls materiellen Vorteil ziehen will. Davon ist nicht ohne Weiteres auszugehen, wenn der Täter seiner Expartnerin das Mobiltelefon wegnimmt, um einen möglichen Kontakt mit anderen Männern zu unterbinden und um es nach Kontaktdaten auszulesen, die ihm Aufschluss über solche Beziehungen geben könnten.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19. März 2018

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte

im Fall II. 6. der Urteilsgründe des Führens eines Schlagrings und

in den Fällen II. 7. a) - e) der Urteilsgründe der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig ist;

mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

soweit er in den Fällen II. 4. und II. 5. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,

im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 7. a) - e) der Urteilsgründe,

im Ausspruch über die Gesamtstrafen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geldfälschung in Tateinheit mit Betrug, Sachbeschädigung in Tateinheit mit Bedrohung, Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, falscher Verdächtigung, Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung sowie Besitzes eines Schlagrings unter Einbeziehung der Strafen aus einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen sowie gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht abgesehen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, von der er die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wirksam ausgenommen hat. Er greift insbesondere die Verurteilung wegen Raubes im Fall II. 5. der Urteilsgründe, die Annahme von Gewerbsmäßigkeit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Fall II. 7. der Urteilsgründe sowie die Strafzumessung an. Der Generalbundesanwalt beantragt, das Urteil im Schuldspruch aufzuheben, soweit der Angeklagte im Fall II. 4. der Urteilsgründe wegen falscher Verdächtigung verurteilt worden ist, in den Fällen II. 5. und 6. der Urteilsgründe sowie in den Fällen II. 7. a) - e) der Urteilsgründe die jeweiligen Schuldsprüche zu ändern und die jeweiligen Einzelstrafen sowie beide Gesamtfreiheitsstrafen aufzuheben.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen getroffen:

1. Der Angeklagte erwarb zusammen mit einem Mittäter bei einem Unbekannten Falschgeld im Nennwert von insgesamt 2.000 €, das die beiden hälftig untereinander aufteilten. Im Bemühen, damit Waren und ggf. echtes Wechselgeld zu erhalten, bezahlten sie in einer Gaststätte mit einem gefälschten 20-€-Schein (Fall II. 1. der Urteilsgründe).

2. In der zweiten Jahreshälfte 2016 trennte sich die Lebensgefährtin des Angeklagten von ihm, was in der Folge zu heftigen Streitigkeiten führte. Am Tattag begab sich der Angeklagte zur Wohnung der Geschädigten, bedrohte sie mit dem Tode und schlug so heftig gegen die Wohnungstür, dass diese beschädigt wurde (Fall II. 2. der Urteilsgründe).

3. An zwei Tagen befuhr der Angeklagte mit seinem Pkw öffentliche Straßen, ohne in Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Dabei traf er in einem Fall auf seine ehemalige Lebensgefährtin, die in ihrem Fahrzeug saß. Der Angeklagte schlug mehrfach mit seiner Faust gegen den Pkw der Geschädigten, so dass dieser mehrere Eindellungen aufwies (Fälle II. 3. a) und b) der Urteilsgründe).

4. Am Tattag hatte ein Bekannter, F. B., dem Angeklagten und einem Mittäter sein Fahrzeug überlassen, das der alkoholisierte und unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stehende Mittäter führte. Aufgrund Rauschmittelbeeinflussung und nicht angepasster Geschwindigkeit verursachte dieser einen Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug sich überschlug und liegen blieb. Gegenüber der Polizei bezeichneten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte nach entsprechender Absprache einen „B. F.“ als Fahrer. Nachdem die Polizeibeamten im Fahrzeug den Ausweis des F. B. entdeckt hatten, befragten sie den Angeklagten ein zweites Mal. Dieser bestätigte, dass B. das Fahrzeug geführt habe. Darauf wurde gegen diesen ein Verfahren wegen Verkehrsunfallflucht eingeleitet, was der Angeklagte - wie die rechtliche Würdigung ergibt - bei seinen irreführenden Angaben jedenfalls billigend in Kauf genommen hatte (Fall II. 4. der Urteilsgründe).

5. Am Tatabend begab sich der Angeklagte zur Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Dort traf auch diese mit ihrem Fahrzeug ein. Der Angeklagte öffnete die Fahrertür des Fahrzeugs der Geschädigten, um ihr das Smartphone, das sie in der Hand hielt, zu entreißen. Er wollte es in seinen Besitz bringen, um die Handydaten auszulesen und es „der Verfügungsgewalt der Zeugin ... im Hinblick auf eventuelle Kontakte zu anderen Männern zu entziehen“. Dies gelang ihm zunächst nicht, da die Geschädigte das Handy unter den Fahrersitz schob. Der Angeklagte legte sich jedoch auf die Geschädigte, hielt ihre Hände fest und nahm das Smartphone an sich. Als er sich mit dem Gerät entfernen wollte, lief die Geschädigte hinter ihm her und forderte die Rückgabe, worauf der Angeklagte ihr zwei Faustschläge ins Gesicht versetzte, um sich in Besitz des Handys zu halten. Schließlich versetzte er der am Boden Liegenden weitere Schläge und Tritte. Die herbeigerufenen Polizeibeamten konnten bei ihrem Eintreffen den Angeklagten in der Nähe des Tatorts antreffen. Das Smartphone hatte er zwischenzeitlich weggeworfen (Fall II. 5. der Urteilsgründe). Bei der Durchsuchung des Angeklagten wurde in seiner Jackentasche ein Schlagring sichergestellt (Fall II. 6. der Urteilsgründe).

6. Spätestens im Juni 2017 beschloss der Angeklagte, sich mit dem Verkauf von Marihuana, das er zuvor aus einer unbekannt gebliebenen Quelle und in nicht feststellbarer Menge besorgt hatte, eine fortlaufende zusätzliche Einkommensquelle zu verschaffen, um seinen Lebensbedarf und seinen Eigenkonsum zu finanzieren. Im Folgenden verkaufte er an fünf Tagen zwischen dem 17. Juni und dem 30. Juni 2017 kleine Mengen Marihuana, davon zweimal an eine erst 17jährige, deren Alter er allerdings im ersten Fall noch nicht kannte (Fälle II. 7. a) - e) der Urteilsgründe).

II.

1. Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Geldfälschung in Tateinheit mit Betrug, im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit Bedrohung und in den Fällen II. 3. a) und b) der Urteilsgründe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, zu Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten, acht Monaten, fünf Monaten und neun Monaten verurteilt hat, erweist sich seine Revision aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2. Dagegen hat die Verurteilung des Angeklagten wegen falscher Verdächtigung nach § 164 Abs. 2 StGB im Fall II. 4. der Urteilsgründe keinen Bestand. Die getroffenen Feststellungen belegen - auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe - nicht die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 164 StGB.

Nach § 164 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer unter anderem gegenüber einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger einen anderen wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren gegen ihn herbeizuführen oder fortführen zu lassen. Abs. 2 der genannten Vorschrift bestraft denjenigen, der bei einer der genannten Stellen in der gleichen Absicht über einen anderen eine sonstige Behauptung aufstellt, die geeignet ist, ein solches Verfahren gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. In beiden Fällen ist auf der subjektiven Tatseite vorausgesetzt, dass der Täter - neben der Kenntnis von der Unwahrheit seiner Behauptung - diese in dem sicheren Wissen aufstellt, dass sie zu einem Verfahren gegen den Betroffenen führen oder ein solches fortdauern lassen wird, und er dieses auch will. Ein zielgerichtetes Verhalten ist zwar nicht erforderlich, doch reicht bedingter Vorsatz nicht aus (BGH, Urteil vom 1. Juli 1959 - 2 StR 220/59, BGHSt 13, 219, 221 f.).

Das Landgericht hat eine Strafbarkeit nach § 164 Abs. 2 StGB angenommen, weil der Angeklagte mit seinem Hinweis auf einen Dritten als Fahrer eine Behauptung aufstellte, die das Ermittlungsverfahren gegen B. auslöste. Zur inneren Tatseite hat es sich in den Feststellungen nicht verhalten. Mit der Einlassung des Angeklagten, dass er B. „keinen“ habe „reinwürgen“ wollen, hat es sich im Rahmen der Beweiswürdigung nicht weiter auseinandergesetzt. Lediglich bei der rechtlichen Würdigung hat es ausgeführt, dass der Angeklagte, als er gegenüber den Polizeibeamten wider besseres Wissen angab, ein dritter Fahrzeuginsasse namens „B. F.“ sei gefahren, „zumindest billigend in Kauf genommen“ habe, dass die ermittelnden Beamten diesen als B. identifizieren und verfolgen würden. Das Vorliegen bedingten Vorsatzes genügt nach dem oben dargelegten Maßstab zur Erfüllung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 164 Abs. 2 StGB indes nicht. Aus den gleichen Gründen kommt auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen eine Strafbarkeit nach § 164 Abs. 1 StGB nicht in Betracht, soweit der Angeklagte auch den objektiven Tatbestand dieses Absatzes erfüllt haben könnte, indem er bei seiner späteren Befragung bestätigte, dass B. der Fahrer gewesen sei. Es liegt nicht ohne weiteres auf der Hand, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt sicher mit der Einleitung eines Verfahrens gegen B. rechnete und dieses auch wollte.

Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

3. Auch die Verurteilung im Fall II. 5. der Urteilsgründe wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Feststellungen belegen die vom Tatbestand des § 249 Abs. 1 StGB geforderte Zueignungsabsicht nicht.

a) Täter kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Die Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 4 StR 400/06, NStZ-RR 2007, 15) die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten „einverleiben“ oder zuführen will (BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 - 2 StR 184/61, BGHSt 16, 190, 192; Beschluss vom 5. März 1971 - 3 StR 231/69, BGHSt 24, 115, 119; Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 Rn. 20; Beschlüsse vom 11. Oktober 2006 - 4 StR 400/06, NStZ-RR 2007, 15; vom 28. April 2015 - 3 StR 48/15, NStZ-RR 2015, 371 f.). Der Täter muss mithin neben der dauernden Enteignung des Berechtigten, für die bedingter Vorsatz genügt, die Aneignung der Sache beabsichtigen. Hierfür ist nicht erforderlich, dass er diese auf Dauer behalten will. Jedoch muss er die - wenn auch möglicherweise nur vorübergehende - Aneignung zum Wegnahmezeitpunkt mit unbedingtem Willen erstreben (BGH, Beschluss vom 22. März 2012 - 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 241). Fehlt es an einer beabsichtigten „Einverleibung“ in das Vermögen des Täters, handelt es sich lediglich um eine Sachentziehung, die - auch wenn der bisherige Eigentümer damit dauerhaft aus seiner Position verdrängt wird - keine Form der Aneignung darstellt (BGH, Beschluss vom 22. März 2012 - 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 241; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 55). Der Wille zur reinen Sachentziehung genügt für das Tatbestandsmerkmal der Zueignungsabsicht nicht. Deshalb liegt eine Aneignungsabsicht nicht vor, wenn der Täter die Sache - ohne sie behalten zu wollen - an sich bringt, um sie „zu zerstören“, „zu vernichten“, „preiszugeben“, „wegzuwerfen“, „beiseite zu schaffen“ oder „zu beschädigen“ (vgl. schon RG, Urteil vom 12. Juli 1902, RGSt 35, 355, 357; BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2006 - 4 StR 400/06, NStZ-RR 2007, 15; vom 28. April 2015 - 3 StR 48/15, NStZ-RR 2015, 371 f.; vom 3. Mai 2018 - 3 StR 148/18, NStZ 2018, 712, 713; vom 11. Dezember 2018 - 5 StR 577/18, NStZ 2019, 344, 345; jeweils mwN).

Das bedeutet indes nicht, dass es immer dann an der Aneignungsabsicht fehlt, wenn der Täter die weggenommene Sache irgendwann vernichten oder wegwerfen will (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812). Vielmehr handelt dieser nur dann ohne Zueignungsabsicht, wenn er die Sache entsorgen will, bevor er sie seinem Vermögen einverleibt. Ist die Aneignung abgeschlossen, wirkt es sich auf die Zueignungsabsicht nicht mehr aus, wie der Täter sodann mit dem erlangten Gegenstand verfährt. Mithin kommt es auch in Fällen, in denen der Täter die Entsorgung der Sache erstrebt, darauf an, ob er diese zunächst körperlich oder wirtschaftlich seinem Vermögen einverleiben will, er also beabsichtigt, sie - möglicherweise auch nur vorübergehend - für sich zu haben oder wirtschaftlich zu nutzen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 - 2 StR 184/61, BGHSt 16, 190, 192). Eine solche körperliche Einverleibung der Sache in das Vermögen des Täters kann etwa dadurch bewirkt werden, dass er sie unter Ausschluss des wahren Berechtigten von der Ausübung der Sachherrschaft der eigenen eigentümerähnlichen Verfügungsgewalt unterwirft (vgl. BGH, Urteile vom 24. Mai 1960 - 1 StR 184/60, MDR 1960, 689; vom 2. Juli 1980 - 2 StR 224/80, NStZ 1981, 63; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812). Ein eigenmächtiges Verfügen über die Sache begründet allein allerdings gerade in den Fällen, in denen diese weggeworfen oder zerstört werden soll, eine Aneignung noch nicht (so schon RG, Urteile vom 7. März 1927, RGSt 61, 229, 232 f.; vom 27. Juni 1930, RGSt 64, 250; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. März 2012 - 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Dass der Täter erstrebt, den Besitz an der Sache für den für die Zerstörung erforderlichen Zeitraum zu erlangen, bedeutet noch nicht das Vorliegen eines Aneignungswillens (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. April 2015 - 3 StR 48/15, NStZ-RR 2015, 371 f.; vom 9. Juni 2015 - 3 StR 146/15, StV 2016, 642 f.; vom 11. Dezember 2018 - 5 StR 577/18, NStZ 2019, 344, 345: der für die Löschung der Bilder benötigte Zeitraum; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 Rn. 21). Ebenso kann die Frage, ob bei einer der geplanten Entsorgung vorausgehenden Nutzung der entwendeten Sache diese - wenn auch vorübergehend - dem Vermögen des Täters zugeführt werden soll, nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Dabei ist jeweils insbesondere von Bedeutung, ob er in irgendeiner Weise im weitesten Sinne wirtschaftlich von dem Gebrauch profitieren will (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1962 - 4 StR 346/61, BGHSt 17, 87, 92 f.; auch BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812) und damit aus der Nutzung mittelbar oder unmittelbar einen irgendwie gearteten wirtschaftlichen oder jedenfalls materiellen Vorteil ziehen will (MüKoStGB/Schmitz, 3. Aufl., § 242 Rn. 152, 155).

b) Hieran gemessen ergeben die bisherigen Feststellungen nicht, dass der Angeklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Wegnahme die Einverleibung des Mobiltelefons in sein Vermögen erstrebte. Während der Wille zur dauernden Enteignung der Geschädigten belegt ist, trifft dies für den Aneignungswillen nicht zu. Soweit das Landgericht die Zueignungsabsicht damit begründet hat, dass der Angeklagte der Geschädigten das Handy auf Dauer entziehen wollte, übersieht es, dass hier nicht die dauerhafte Enteignung, sondern die Aneignung in Frage steht. Dem Angeklagten ging es zum Zeitpunkt der Wegnahme darum, das Mobiltelefon der Geschädigten zu entziehen, um einen möglichen Kontakt mit anderen Männern zu unterbinden und um es nach Kontaktdaten auszulesen, die ihm Aufschluss über solche Beziehungen geben könnten. Damit liegt es aber gerade nicht auf der Hand, dass der Angeklagte den Bestand seines Vermögens durch - wenn auch vorübergehende - Zuführung der Substanz oder des Sachwerts des Mobiltelefons mehren wollte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2006 - 4 StR 400/06, NStZ-RR 2007, 15; vom 28. April 2015 - 3 StR 48/15, NStZ-RR 2015, 371 f.; vom 9. Juni 2015 - 3 StR 146/15, StV 2016, 642 f.; vom 3. Mai 2018 - 3 StR 148/18, NStZ 2018, 712, 713; auch Beschlüsse vom 16. Januar 2018 - 2 StR 527/17, NStZ-RR 2018, 118, 119; vom 11. Dezember 2018 - 5 StR 577/18, NStZ 2019, 344, 345). Auch dazu, ob er das Mobiltelefon für sich haben wollte, indem er es über die für die genannten Zwecke benötigte Zeit hinaus seiner Verfügungsgewalt unterwerfen wollte, verhalten die Urteilsgründe sich nicht. Hiergegen könnte sprechen, dass der Angeklagte das Smartphone alsbald wegwarf, auch wenn dieser Umstand lediglich als Indiz für einen Entsorgungswillen bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Wegnahme anzusehen ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2018 - 5 StR 577/18, NStZ 2019, 344, 345). Schließlich wird nicht erörtert, ob der Angeklagte vor der geplanten Zerstörung das Handy zu seinem - im weitesten Sinne wirtschaftlichen - Vorteil nutzen wollte. Daran dürfte es fehlen, soweit es ihm lediglich darum ging, der Geschädigten die Kontaktaufnahme zu anderen Männern unmöglich zu machen. Auch soweit er die datenspeichernde Funktion des Handys nutzen und die Daten auslesen wollte, wäre ihm ein die Aneignungsabsicht begründender Nutzen dann nicht erwachsen, wenn es ihm in erster Linie um die Zerstörung des Mobiltelefons gegangen wäre und er lediglich diese Gelegenheit genutzt hätte, Kontakte der Geschädigten zu anderen Männern zu sichten. Denn dann wäre ihm ein wie auch immer gearteter materieller Vorteil nicht entstanden.

c) Auch eine - bei fehlender Zueignungsabsicht mögliche (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.) - Strafbarkeit wegen räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB) kommt auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht in Betracht. Dazu müsste der Angeklagte in der Absicht gehandelt haben, sich oder einen Dritten zu bereichern. Bloßer Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 Rn. 21; Beschluss vom 9. Juni 2015 - 3 StR 146/15, StV 2016, 642, 643).

d) Die Sache bedarf somit auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Feststellungen zu der entscheidenden Frage, wie der Angeklagte nach seiner Vorstellung zum Zeitpunkt der Wegnahme mit der Sache verfahren wollte, erscheinen noch möglich, so dass die vom Generalbundesanwalt beantragte Änderung des Schuldspruchs ausscheidet.

4. Im Fall II. 6. der Urteilsgründe bedarf der Schuldspruch der Berichtigung. Die Aufhebung der Verurteilung ist hingegen nicht angezeigt.

a) Dass der Angeklagte einen Schlagring in seiner Jackentasche mit sich trug, erfüllt zwar - wie das Landgericht zurecht angenommen hat - den Tatbestand des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG in Verbindung mit Anlage II Abschnitt 1 1.3.2. Jedoch besaß er diesen Gegenstand nicht nach § 52 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 WaffG, sondern führte ihn im Sinne der 4. Alternative der genannten Vorschrift. Übt der Täter die tatsächliche Gewalt über eine Waffe oder einen tragbaren Gegenstand wie hier außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums aus, so führt er sie (s. Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG Abschnitt 2 Ziffer 4.; vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2009 - 3 StR 226/09, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 2). Der Senat ändert in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Strafausspruch wird durch die Änderung des Schuldspruchs nicht berührt, da die Strafe für das Führen eines tragbaren Gegenstandes demselben Strafrahmen zu entnehmen ist.

b) Das unter II. 6. der Urteilsgründe festgestellte Waffendelikt ist ungeachtet der durch das neu zur Entscheidung berufene Gericht zu beurteilenden Strafbarkeit des unter II. 5. der Urteilsgründe abgeurteilten Geschehens als eine selbstständige Straftat anzusehen, die durch die Aufhebung im Fall II. 5. der Urteilsgründe nicht berührt wird, so dass diese Verurteilung bestehen bleiben kann.

Im Einzelnen:

Die Annahme von Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass die maßgeblichen Tatbestände wenigstens teilweise durch ein und dieselbe Handlung verwirklicht wurden. Die bloße Gleichzeitigkeit zweier Tatbegehungen reicht dazu nicht aus (BGH, Beschluss vom 25. November 1997 - 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317, 319; Urteil vom 21. Oktober 1999 - 4 StR 78/99, NStZ 2000, 85). Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer den Angeklagten im Fall II. 5. der Urteilsgründe nicht wegen Raubes, sondern lediglich wegen Nötigung verurteilen, dann stünde nach diesem Maßstab das Führen des Schlagrings zu dieser Tat im Verhältnis der Tatmehrheit, weil eine Überschneidung der Ausführungshandlungen nicht vorläge. Es bestünde insbesondere kein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Nötigungsgeschehen und dem Führen des Schlagrings, den der Angeklagte lediglich in seiner Tasche bei sich trug (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - 4 StR 302/12, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 3 Rn. 6). Kommt die Strafkammer hingegen zum Ergebnis, dass der Angeklagte im Fall II. 5. der Urteilsgründe wegen Raubes zu bestrafen ist und er zum Zeitpunkt dieser Tat den Schlagring bereits mit sich führte, dann kommt zwar eine Bestrafung wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StGB in Betracht, zu dem das nach § 52 WaffG zu beurteilende Führen des Schlagrings in Tateinheit steht. Allerdings ergeben die insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, dass der Angeklagte auch nach Beendigung der Tat II. 5. der Urteilsgründe den Schlagring weiterhin führte. Dies begründet die Begehung eines selbstständigen Delikts, das seinerseits den Tatbestand des § 52 WaffG erfüllt (BGH, Urteil vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 154). Damit hat sich der Angeklagte unabhängig von der rechtlichen Bewertung des unter II. 5. der Urteilsgründe geschilderten Geschehens im Fall II. 6. der Urteilsgründe wegen Führens einer Waffe schuldig gemacht.

5. Auch die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen (Fälle II. 7. a) - d) der Urteilsgründe) sowie wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige (Fall II. 7. e) der Urteilsgründe) unterliegt rechtlicher Beanstandung. Die Strafkammer hat insoweit fünf tatmehrheitliche Fälle angenommen. Diese konkurrenzrechtliche Bewertung erweist sich auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen als rechtsfehlerhaft.

a) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256), wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (st. Rspr.; Weber, BtMG, 5. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 595 ff. mwN). Soweit sie dieselbe Rauschgiftmenge betreffen, sind mehrere Akte des Betäubungsmittelumsatzes zu einer einheitlichen Tat des Handeltreibens verbunden (BGH, Urteile vom 13. Dezember 1994 - 1 StR 720/94, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 1; vom 23. März 1995 - 4 StR 746/94, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 4). Somit handelt es sich bei einem sukzessiven Weiterverkauf aus einer von einem Lieferanten zum Zwecke der Veräußerung bestimmten einheitlichen Menge von Betäubungsmitteln um einen einheitlichen Gegenstand des Handeltreibens, so dass trotz mehrerer Veräußerungsvorgänge nur von einer Tat des Handeltreibens auszugehen ist (etwa BGH, Urteil vom 21. April 2016 - 1 StR 629/15, NStZ-RR 2016, 211, 212 mwN).

b) Hier ergeben bereits die Feststellungen, dass das Rauschgift, das der Angeklagte in zeitlich engem Abstand in fünf Fällen verkaufte, aus einer einheitlichen Menge stammte, die der Angeklagte zuvor zum gewerbsmäßigen Handel erworben hatte. Zudem hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung die Einlassung des Angeklagten, über kein Betäubungsmitteldepot verfügt zu haben, ausdrücklich als widerlegt angesehen. Damit wurden die fünf Einzelverkaufsmengen derselben Handelsmenge entnommen, so dass sich der Angeklagte wegen einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Fälle II. 7. a) und e) der Urteilsgründe) in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Abgabe an Minderjährige (Fall II. 7. e) der Urteilsgründe) strafbar gemacht hat.

Der Schuldspruch war deshalb auch insoweit in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zu ändern, ohne dass § 265 StPO dem entgegensteht.

6. Mit der Aufhebung des Urteils in den Fällen II. 4. und 5. der Urteilsgründe entfallen die hierfür zuerkannte Einzelstrafe von sieben Monaten sowie die bei Bildung der ersten Gesamtfreiheitsstrafe berücksichtigte Einsatzstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Dies zieht die Aufhebung der - ersten - Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten nach sich. Ebenso kann im Hinblick auf die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II. 7. a) und e) der Urteilsgründe und dem damit verbundenen Wegfall der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen die zweite Gesamtfreiheitsstrafe keinen Bestand haben.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 230

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 102; StV 2020, 667

Bearbeiter: Christian Becker