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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 52

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 300/21, Beschluss v. 23.11.2021, HRRS 2022 Nr. 52


BGH 5 StR 300/21 - Beschluss vom 23. November 2021 (LG Berlin)

Keine Hinweispflicht bei späterem Geständnis nach Verständigungsvorschlag zu Beginn der Hauptverhandlung.

§ 257c StPO; § 265 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Einem vom Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung unterbreiteten Verständigungsvorschlag liegt regelmäßig - für alle Beteiligten ersichtlich - die Erwartung zugrunde, dass der Angeklagte zeitnah dazu ein Geständnis ablegt und damit die Verhandlungsdauer verkürzt. Ein solcher Vorschlag begründet daher regelmäßig nicht das für die Hinweispflicht nach § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO erforderliche Vertrauen dahingehend, dass die ursprüngliche Strafrahmenzusage auch für ein späteres Geständnis gilt.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. März 2021 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die in hiesiger Sache in Belgien erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 angerechnet wird; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Die Rüge eines Verstoßes gegen § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO ist jedenfalls unbegründet. Der Angeklagte beanstandet insoweit, dass das Gericht ihn trotz eines am letzten (fünften) Hauptverhandlungstag im Rahmen seines letzten Wortes abgelegten Geständnisses ohne vorherigen Hinweis zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt hat, obwohl es in einem am ersten Hauptverhandlungstag unterbreiteten Verständigungsvorschlag (dem der Angeklagte nicht zugestimmt hatte) für den Fall eines umfassenden Geständnisses eine Strafe zwischen drei Jahren und neun Monaten und vier Jahren und drei Monaten in Aussicht gestellt hatte.

Einen Rechtsfehler zeigt die Revision damit nicht auf. Ein Hinweis nach § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO ist in derartigen Konstellationen nicht erforderlich. Denn einem vom Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung unterbreiteten Verständigungsvorschlag liegt regelmäßig - für alle Beteiligten ersichtlich - die Erwartung zugrunde, dass der Angeklagte zeitnah dazu ein Geständnis ablegt und damit die Verhandlungsdauer verkürzt. Ein solcher Vorschlag begründet nicht das für die Hinweispflicht nach § 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO erforderliche (vgl. BT-Drucks. 18/11277 S. 37; LR-StPO/Stuckenberg, 27. Aufl., § 265 Rn. 47) Vertrauen dahingehend, dass die ursprüngliche Strafrahmenzusage auch für ein späteres Geständnis gilt (vgl. zur Problematik BGH, Urteile vom 2. September 2020 - 5 StR 630/19, NStZ 2020, 749, 750; vom 30. Juni 2011 - 3 StR 39/11, NJW 2011, 3463; OLG Düsseldorf StraFo 2019, 158; Schneider NStZ 2018, 232, 233).

Da bislang eine Entscheidung über den nach § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB zu bestimmenden Anrechnungsmaßstab für die in Belgien in dieser Sache erlittene Auslieferungshaft fehlt, hat der Senat diesen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst auf 1:1 festgesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2019 - 2 StR 357/19 mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 52

Externe Fundstellen: NStZ 2022, 191; StV 2022, 433

Bearbeiter: Christian Becker