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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1169

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 170/21, Urteil v. 30.09.2021, HRRS 2021 Nr. 1169


BGH 4 StR 170/21 - Urteil vom 30. September 2021 (LG Essen)

Mord (Versuch: Tötungsvorsatz, unmittelbares Ansetzen; Verdeckungsabsicht: Täter bereits zur Tötung aus anderen Gründen entschlossen, subjektive Sicht des Täters entscheidend); Aussetzung des Strafrests bei lebenslanger Freiheitsstrafe (besondere Schwere der Schuld: keine Bindung des Tatrichters an begriffliche Vorgaben, zusammenfassende Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit, revisionsrechtlicher Prüfungsumfang, Verwirklichung mehrerer Mordmerkmale, besondere Verwerflichkeit der Motive beim Mord); Beschränkung der Revision (Beschränkung auf die vollstreckungsrechtliche Vorfrage des Vorliegens besonderer Schwere der Schuld: grundsätzliche Möglichkeit, Unwirksamkeit bei enger Verzahnung).

§ 211 StGB; § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB; § 344 Abs. 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. In Verdeckungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten. Die Verdeckungsabsicht kann auch dann vorliegen, wenn der Täter bereits aus anderen Gründen zur Tötung des Opfers entschlossen war. Schon begrifflich scheidet eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat indes aus, wenn diese in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang bereits aufgedeckt ist. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es nicht auf die objektiv gegebene Sachlage, sondern ausschließlich auf die subjektive Sicht des Täters an.

2. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verlangt Umstände von Gewicht. Der Tatrichter hat seine Entscheidung ohne Bindung an begriffliche Vorgaben im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu treffen. Das Revisionsgericht hat nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat, darf aber seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen.

3. Als möglicher Umstand von Gewicht, der die Annahme besonderer Schuldschwere tragen kann, kommt auch eine besondere Verwerflichkeit der Motive in Betracht, sofern sie über diejenigen Merkmale hinausgehen, die überhaupt erst die Mordqualifikation ergeben. Dabei ist auf die konkrete Tatmotivation des Angeklagten abzustellen, die nicht mit seinen allgemeinen Einstellungen oder Zielen gleichgesetzt werden darf.

4. Grundsätzlich kann eine Rechtsmittelbeschränkung auf die vollstreckungsrechtliche Vorfrage des Vorliegens besonderer Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB wirksam erfolgen, weil die Bejahung oder Verneinung der besonderen Schuldschwere regelmäßig sowohl den Schuldspruch wegen Mordes als auch die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe unberührt lässt.

5. Eine Beschränkung des Rechtsmittels ist aber auch insoweit nur zulässig, wenn die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen. Eine Beschränkung ist deshalb insbesondere dann unwirksam, wenn der Gegenstand der Anfechtung mit dem unangefochtenen Teil so eng verzahnt ist, dass die Gefahr besteht, dass die (stufenweise) entstehende Gesamtentscheidung nicht frei von inneren Widersprüchen bleiben würde.

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 22. Dezember 2020 wird verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass das Schwurgericht die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB abgelehnt hat. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte verkaufte seit dem Jahr 2015 Marihuana zur dauerhaften Geldeinnahme. Am 29. April 2020 lagerte er in seiner im Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses gelegenen Einzimmerwohnung 1.406 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 17,2 % und einer Wirkstoffmenge von 241 Gramm THC, wovon er 90 % gewinnbringend veräußern wollte. Gebrauchsbereit in der Nähe der Betäubungsmittel lagen mehrere Messer, Stahlruten, ein Schlagring und ein Teleskopschlagstock. Außerdem verfügte der Angeklagte über eine griffbereit im Nachttisch neben seinem Bett liegende halbautomatische Selbstladepistole des Kalibers 7.65 mm.

Der Angeklagte hatte ein besonderes Interesse an der sogenannten Reichsbürgerszene entwickelt und verfügte über eine Vielzahl dieser Szene zuzuordnende Videos, in denen u.a. die Existenz einer bundesrepublikanischen deutschen Staatsbürgerschaft in Abrede gestellt wird oder staatliche Stellen als Firmen ohne Hoheitsrechte dargestellt werden. Ferner verfügte er über Videos, in denen der nationalsozialistische Holocaust geleugnet wird. Entsprechende Thesen vertrat er auch in seinem sozialen Umfeld, etwa gegenüber einem seiner Betäubungsmittelabnehmer. Aufgrund seiner Tätigkeit als Drogenhändler rechnete der Angeklagte mit der Möglichkeit, dass die Polizei auf ihn aufmerksam werden und versuchen könnte, seine Wohnung zu durchsuchen. Spätestens Anfang 2020 entschloss er sich, im Falle eines polizeilichen Durchsuchungsversuchs seiner Wohnung Polizeibeamte allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Polizeibeamten zu töten. Er suchte im Internet nach Schlagworten, die sich thematisch mit Angriffen auf bzw. Tötungen von Polizisten im Rahmen ihrer Berufsausübung befassten, und lud sich eine Vielzahl entsprechender Videos herunter.

Nachdem ein Drogenabnehmer des Angeklagten der Polizei Angaben zu dessen Drogenhandel gemacht hatte, erließ das zuständige Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Angeklagten, der wegen Hinweisen auf die Bewaffnung des Angeklagten mit Unterstützung eines Spezialeinsatzkommandos vollstreckt werden sollte. Am 29. April 2020 um 6 Uhr rückten neun Beamte des Spezialeinsatzkommandos in den Hausflur bis vor die Wohnung des Angeklagten vor. Aus den Geräuschen im Hausflur und dem Anschlagen seines Hundes schloss der Angeklagte, dass Polizeibeamte seine Wohnung durchsuchen wollten. In Umsetzung seines zuvor gefassten Tatplans nahm er die durchgeladene und entsicherte halbautomatische Selbstladepistole an sich und positionierte sich im Flur seiner Wohnung.

Das spätere Tatopfer, das wie alle anderen Beamten u.a. eine ballistische Schutzweste mit der Aufschrift „Polizei“ trug, rammte die Wohnungseingangstür mit einem Rammstoß auf. Zugleich riefen zwei Beamte lautstark „Polizei“. Unmittelbar danach gab der Angeklagte zwei Schüsse auf den Oberkörper des vor der Wohnungseingangstür stehenden Geschädigten ab, um ihn zu töten. Ein Schuss traf den Geschädigten an der nach vorne zeigenden Schulter, drang in den Oberkörper ein und verletzte den Beamten tödlich. Der andere Schuss verfehlte sein Ziel und schlug in die Wand des Hausflurs ein. Weitere Schussabgaben waren dem Angeklagten nicht mehr möglich, da sich eine Patrone in der Pistole verklemmt hatte. Der Angeklagte zog sich nach Abgabe von vier Sicherungsschüssen eines Polizeibeamten - die ihn nicht trafen - ins Badezimmer zurück, wo er das Magazin aus der Pistole entfernte, aber erst nach mehrfacher Aufforderung die Waffe weglegte und festgenommen werden konnte. Die Durchsuchung der Wohnung führte zum Auffinden der Betäubungsmittel, der (weiteren) Waffen und von Bargeld in Höhe von 6.000 Euro.

2. Das Landgericht hat seiner Verurteilung das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zugrunde gelegt, weil eine Tötung allein wegen der Zugehörigkeit des Opfers zur Berufsgruppe der Polizeibeamten als nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehend und daher als verwerflich anzusehen sei. Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht hat das Landgericht verneint, da dem Angeklagten bewusst gewesen sei, dass die Durchsuchung wegen seines Drogenhandels erfolgte und ihm eine Verhinderung der Durchsuchung oder das Vernichten von Beweismitteln unmöglich war.

Die besondere Schwere der Schuld gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hat das Schwurgericht nicht festgestellt. Zwar habe der Angeklagte einen zweiten Straftatbestand verwirklicht, mit hoher krimineller Energie gehandelt und durch seinen Handel mit Betäubungsmitteln in vorwerfbarer Weise die Tatsituation begründet. Jedoch habe der Angeklagte nur ein Mordmerkmal verwirklicht, sei nicht vorbestraft und habe die Schussabgabe als solche eingeräumt.

II.

Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

1. Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die Frage der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB beschränkt.

a) Der Antrag der Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründungsschrift ist auf die umfassende Aufhebung des Urteils gerichtet. Allerdings hält die Staatsanwaltschaft das Urteil nur deshalb für rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht verneint und bei der Prüfung der besonderen Schwere der Schuld den schuldsteigernden Umstand einer Mehrheit von Mordmerkmalen neben weiteren Gesichtspunkten nicht berücksichtigt habe.

b) Eine Beschränkung der Revision auf die Frage der besonderen Schwere der Schuld kommt nicht in Betracht, weil sich im vorliegenden Fall die Prüfung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht nicht von der Prüfung der niedrigen Beweggründe, die den Schuldspruch tragen, trennen lässt. Die Revision ist daher als unbeschränkt eingelegt zu behandeln.

aa) Grundsätzlich kann zwar eine Rechtsmittelbeschränkung auf die vollstreckungsrechtliche Vorfrage des Vorliegens besonderer Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB wirksam erfolgen, weil die Bejahung oder Verneinung der besonderen Schuldschwere regelmäßig sowohl den Schuldspruch wegen Mordes als auch die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe unberührt lässt (vgl. BGH, Urteile vom 22. April 1993 - 4 StR 153/93, BGHSt 39, 208, 209; vom 7. Juni 1994 - 1 StR 279/94; vom 2. März 1995 - 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 59).

Eine Beschränkung des Rechtsmittels ist aber auch insoweit nur zulässig, wenn die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen. Eine Beschränkung ist deshalb insbesondere dann unwirksam, wenn der Gegenstand der Anfechtung mit dem unangefochtenen Teil so eng verzahnt ist, dass die Gefahr besteht, dass die (stufenweise) entstehende Gesamtentscheidung nicht frei von inneren Widersprüchen bleiben würde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 1957 - 4 StR 372/57, BGHSt 10, 379, 382; Beschluss vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 38).

bb) Daran gemessen kommt trotz des allein auf die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB gerichteten Angriffsziels der Staatsanwaltschaft eine entsprechende Beschränkung der Revision hier nicht in Betracht.

Im vorliegenden Fall steht das von der Strafkammer angenommene Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe mit dem von der Revision für gegeben erachteten Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht in Wechselwirkung. Denn beide Mordmerkmale haben ihre gemeinsame Wurzel in den Umständen, die der Tatmotivation des Angeklagten für die Tötung des Polizeibeamten im Fall einer Durchsuchung zugrunde liegen. Die Feststellung des Landgerichts, Motiv des Angeklagten sei gewesen, Polizeibeamte allein wegen der Zugehörigkeit zu ihrer Berufsgruppe zu töten, begründet die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe und spricht insoweit gegen Verdeckungsabsicht, als die Durchsuchung damit als bloßer Anlass für die Umsetzung des bereits gefassten Tatentschlusses erscheint. Umgekehrt bestünde bei der Bejahung von Verdeckungsabsicht durch einen neuen Tatrichter die Gefahr, dass dies mit den (dann) bindend festgestellten Umständen, die den niedrigen Beweggrund des Angeklagten für die Tötung des Polizisten tragen, in Widerspruch geriete, dieses Motiv ggf. sogar aufgrund neu zu treffender Feststellungen zu dem weiteren Mordmerkmal in Frage stellen könnte.

2. Die danach umfassende Prüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keine Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten ergeben.

a) Das Landgericht hat seiner Kognitionspflicht genügt und den Unrechtsgehalt der festgestellten Tat erschöpfend gewürdigt (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2019 - 4 StR 30/19). Erörterungsmängel sind insoweit nicht ersichtlich. Es hat insbesondere einen Versuch der Tötung weiterer Polizeibeamter geprüft und tragfähig verneint.

aa) Dass sich der Tötungsvorsatz des Angeklagten zum Zeitpunkt der Abgabe der beiden Schüsse allein auf den Geschädigten und nicht auch auf weitere Polizeibeamte richtete, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt und belegt. Dazu hat das Landgericht herangezogen, dass nach dem Aufbrechen der Tür nur der Geschädigte unmittelbar vor dem Angeklagten stand, die Distanz zwischen den beiden lediglich 80 cm betrug und die beiden Schüsse auf den Oberkörper des Geschädigten gerichtet waren.

Das Urteil bietet keinen Anhalt dafür, dass der Angeklagte in der konkreten Tatsituation weitere Polizeibeamte im Visier hatte. Nach den Feststellungen stand der nächste Polizeibeamte als Sicherungsschütze auf der linken Seite der Wohnungseingangstür; die übrigen Beamten befanden sich hinter dem Sicherungsschützen an der linken Wand des Hausflurs oder im Treppenhaus, mithin nicht im Schussfeld des Angeklagten. Angesichts der Nahschüsse auf den Geschädigten und der Standorte der übrigen Polizeibeamten ist deshalb selbst für den Fall, dass der Angeklagte ein drittes Mal den Abzug der Waffe betätigt haben sollte (und sich die Patrone dabei verklemmte), nicht zu erkennen, dass eine versuchte weitere Schussabgabe nicht ebenfalls nur auf das vor ihm stehende Tatopfer gerichtet war. Auch eine potentielle Gefährdung weiterer Polizeibeamter durch Querschläger findet in den Feststellungen keine Stütze, so dass ein Erörterungsbedarf auch insoweit nicht bestand. Entsprechende Verfahrensrügen hat die Staatsanwaltschaft nicht erhoben.

bb) Auch soweit das Landgericht ein unmittelbares Ansetzen zur Tötung weiterer Polizeibeamter bei oder nach dem Rückzug des Angeklagten ins Badezimmer verneint hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nach Abgabe der Schüsse (und ggf. eines weiteren Schussversuchs) auf das Tatopfer bei seinem Rückzug ins Badezimmer ein weiteres Mal erfolglos den Abzug der Pistole betätigte, liegen nicht vor. Ein Indiz für das unmittelbare Ansetzen zu weiteren Schussversuchen im Badezimmer hat sich für das Landgericht auch nicht daraus ergeben, dass der Angeklagte das Magazin der Pistole entfernte. Insoweit hat die Strafkammer bereits in subjektiver Hinsicht nicht den Schluss zu ziehen vermocht, dass der Angeklagte bei dem Entfernen des Magazins in dem Bestreben handelte, die Pistole nach der Ladehemmung wieder funktionsfähig zu machen. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

b) Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht verneint.

aa) In Verdeckungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2005 - 1 StR 327/04, BGHSt 50, 11). Die Verdeckungsabsicht kann auch dann vorliegen, wenn der Täter bereits aus anderen Gründen zur Tötung des Opfers entschlossen war (vgl. BGH, Beschluss vom 18. September 2002 - 2 StR 346/02). Schon begrifflich scheidet eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat indes aus, wenn diese in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang bereits aufgedeckt ist. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es nicht auf die objektiv gegebene Sachlage, sondern ausschließlich auf die subjektive Sicht des Täters an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 2. Dezember 1960 ? 4 StR 453/60, BGHSt 15, 291, 295; vom 1. Februar 2005 ? 1 StR 327/04, BGHSt 50, 11; vom 17. Mai 2011 ? 1 StR 50/11, BGHSt 56, 239; vom 19. Juli 2018 ? 4 StR 121/18; vom 6. Juni 2019 - 4 StR 541/18).

bb) Gemessen daran halten die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht abgelehnt hat, rechtlicher Nachprüfung stand.

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte von der Aufdeckung seines Betäubungsmittelhandels durch die Polizei ausging. Es hat dies tragfähig darauf gestützt, dass dem Angeklagten als langjährigem Drogenhändler aufgrund der Offensichtlichkeit der Umstände der unmittelbar bevorstehenden Durchsuchung klar war, dass den Ermittlungsbehörden seine illegale Tätigkeit, seine Identität und seine Wohnung als Fundort von Beweismitteln bekannt waren, er mithin aufgedeckt war und jedwede Art von Verdeckungshandlungen zum Tatzeitpunkt aussichtslos waren.

Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch insoweit kein Erörterungsmangel vor, als sich die Urteilsausführungen nicht zur Kenntnis des Angeklagten von der Anzahl der eingesetzten Polizeibeamten verhalten. Mit seiner Annahme, wonach dem Angeklagten nach seinem Vorstellungsbild eine Verhinderung der Durchsuchung oder ein Vernichten von Beweismitteln in der konkreten Situation „auch bei einer etwaigen Tötung mehrerer Polizeibeamter“ unmöglich war, hat das Landgericht den von der Revision vermissten Umstand hinreichend in den Blick genommen.

c) Dass das Schwurgericht das Vorliegen der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verneint hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verlangt Umstände von Gewicht. Der Tatrichter hat seine Entscheidung ohne Bindung an begriffliche Vorgaben im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 2/94, BGHSt 40, 360, NStZ 1995, 122). Das Revisionsgericht hat nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat, darf aber seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 2/94, BGHSt 40, 360; Beschluss vom 20. August 1996 - 4 StR 361/96; Urteil vom 2. März 1995 - 1 StR 595/94, BGHR § 57a Abs. 1 StGB Schuldschwere 18).

bb) Daran gemessen hält die Ablehnung der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB rechtlicher Nachprüfung stand.

(1) Das Landgericht hat die von ihm herangezogenen Gesichtspunkte rechtsfehlerfrei abgewogen.

Es hat den Maßstab für die Abwägung auch insoweit nicht verkannt, als es u.a. berücksichtigt hat, dass der Angeklagte „nur“ ein Mordmerkmal verwirklicht habe und die Tat „schon vor diesem Hintergrund tendenziell das Gepräge eines erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Mordfalls“ aufweise. Diese Ausführungen lassen die falsche Gewichtung eines einzelnen Gesichtspunkts nicht besorgen. Vielmehr wird mit diesen Erwägungen lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der bei der Prüfung der besonderen Schwere der Schuld in der Regel zu berücksichtigende Umstand der Verwirklichung mehrerer Mordmerkmale (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1993 - 4 StR 153/93, BGHSt 39, 208, 211; Urteil vom 27. Juni 2012 - 2 StR 103/12; Beschluss vom 23. Januar 2014 ? 2 StR 637/13) hier nicht vorliegt und dass dieser Aspekt somit im Rahmen der umfassenden Gesamtbewertung durch das Schwurgericht die Schuld im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB nicht erhöht.

(2) Der Tatrichter hat keine gegen den Angeklagten sprechenden Umstände von Gewicht übersehen.

(a) Entgegen der Auffassung der Revision liegen für eine Gefährdung weiterer Polizeibeamter durch die abgegebenen Schüsse keine Anhaltspunkte vor.

Nach den Feststellungen befand sich kein weiterer Polizist im Schussfeld des Angeklagten. Dies hat das Landgericht - wie bereits ausgeführt - tragfähig mit den gezielten Nahschüssen auf den Oberkörper des Geschädigten und den Standorten der anderen Polizeibeamten belegt.

(b) Auch musste hier eine gesteigerte Verwerflichkeit der Tatmotivation des Angeklagten nicht in die Gesamtabwägung einbezogen werden. Durchgreifende Erörterungslücken enthält das Urteil insoweit nicht.

Zwar kommt als möglicher Umstand von Gewicht, der die Annahme besonderer Schuldschwere tragen kann, auch eine besondere Verwerflichkeit der Motive in Betracht, sofern sie über diejenigen Merkmale hinausgehen, die überhaupt erst die Mordqualifikation ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 ? GSSt 2/94, BGHSt 40, 360; Urteil vom 2. März 1995 - 1 StR 595/94, NJW 1995, 2365). Dabei ist auf die konkrete Tatmotivation des Angeklagten abzustellen, die nicht mit seinen allgemeinen Einstellungen oder Zielen gleichgesetzt werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2008 - 2 StR 305/08 [zu niedrigen Beweggründen]). Anhaltspunkte für eine gesteigerte Verwerflichkeit der Tatmotivation, die der Erörterung bedurft hätten, lassen sich dem Urteil nicht entnehmen.

(aa) So war das Landgericht nicht gehalten, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Angeklagte beabsichtigte, im Fall einer Durchsuchungsmaßnahme weitere Polizeibeamte zu töten.

Eine solche Absicht hat das Landgericht rechtlich beanstandungsfrei nicht festgestellt. Maßgeblich ist allein die Motivation des Täters bei Begehung der Tat. Insoweit hat das Landgericht die Frage eines fortbestehenden Tötungsvorsatzes nach Abgabe der Schüsse auf das Tatopfer erörtert und dafür trotz der eingetretenen Ladehemmung an der Pistole - wie bereits oben ausgeführt - keine hinreichenden Anhaltspunkte gefunden. Darauf, dass sich der Angeklagte möglicherweise vor Begehung der Tat mit dem Gedanken trug, mehrere Polizisten zu erschießen, kommt es nicht an, da schulderhöhend im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB nur die Motivationslage wirken kann, die in der konkreten Tatsituation zum Tragen kommt.

(bb) Die Erörterung der besonderen Schwere der Schuld ist auch nicht deshalb lückenhaft, weil das Landgericht die demokratiefeindlichen Ansichten des Angeklagten als möglichen motivatorischen Hintergrund der Tat nicht in den Blick genommen hat. Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht festgestellt, dass der Hass des Angeklagten auf Polizisten Ausfluss seines Sympathisierens mit Holocaustleugnern und seiner Anschauungen aus der sogenannten Reichsbürgerszene ist. Vielmehr entwickelte sich nach den Urteilsfeststellungen dieser Hass und der Entschluss des Angeklagten zur Tötung von Polizeibeamten nur vor dem Hintergrund der von ihm erwarteten Durchsuchung seiner Wohnung. Dass seine verwerfliche Einstellung gegenüber Polizisten darüber hinaus durch seine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Ansichten motiviert war, hat das Landgericht weder festgestellt noch erschließt sich dies aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Die Ausführungen zu den demokratiefeindlichen Einstellungen des Angeklagten werden vom Landgericht an keiner Stelle in einen Zusammenhang mit der Tatbegehung gestellt. Vielmehr erschöpfte sich nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Antrieb des Angeklagten zur Tat in seinem hiervon unabhängigen Hass auf Polizeibeamte. Dieses Motiv war aber bereits Grundlage für die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe und konnte deshalb zur Begründung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB nicht mehr herangezogen werden.

3. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revision der Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht ergeben (§ 301 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1169

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 384; StV 2022, 89

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß