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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 71

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 12/19, Beschluss v. 05.09.2019, HRRS 2020 Nr. 71


BGH 1 StR 12/19 - Beschluss vom 5. September 2019 (LG Bielefeld)

Steuerhinterziehung (Höhe der Steuerverkürzung: Berücksichtigung von „schwarz“ gezahlten Löhnen als Betriebskosten, keine Vergleichbarkeit mit Schmiergeldzahlungen; Zulässigkeit von Schätzungen: erforderliche Darlegungen im Urteil; Konkurrenzverhältnis mehrerer in einem äußeren Vorgang zusammenfallender unrichtiger Steuererklärungen: Tatmehrheit).

§ 370 Abs. 1 AO; § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG; § 261 StPO; § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO; § 53 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei der Ermittlung der Verkürzungsbeträge bei der Steuerhinterziehung zu Gunsten eines Unternehmens sind „schwarz“ gezahlte Löhne im Rahmen der Betriebskosten zu Gunsten des Angeklagten in Ansatz zu bringen. Danach sind gezahlten Schwarzlöhne zumindest im Rahmen der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten gewinnmindernd zu berücksichtigen (st. Rspr.). Eine andere Bewertung liefe darauf hinaus, Schwarzlöhne insofern Schmiergeldzahlungen gleichzustellen. Eine § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG entsprechende Regelung existiert für Schwarzlöhne aber nicht.

2. Fällt die Abgabe von Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammen, liegen im Grundsatz mehrere Taten (§ 53 StGB) vor. Der einheitlichen oder getrennten Versendung der Erklärung und deren Eingang bei der Behörde kommt für die tatbestandliche Handlung der Steuerhinterziehung als auf Steuerarten und Veranlagungszeiträume bezogenes Erklärungsdelikt keine Bedeutung zu. Es mangelt daher an einer Teilidentität der Ausführungshandlungen selbst bei Übermittlung mehrerer Erklärungen durch einen einheitlichen äußeren Akt. Das Geschehen erschöpft sich insoweit in einem bloßen zeitlichen Zusammenfallen, das nicht anders als die Tatbegehung gelegentlich der Ausführung einer anderen Tat die Voraussetzungen einer Tateinheit nicht begründet (vgl. BGH NZWiSt 2019, 28).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten H. und Bö. wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 23. Juli 2018

a) betreffend beide Angeklagten,

aa) im Schuldspruch in den Fällen 21 bis 24 der Urteilsgründe dahin geändert, dass sie der Steuerhinterziehung in sechs Fällen schuldig sind;

bb) aufgehoben,

(1) in den Fällen 26 bis 28 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen;

(2) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 21 bis 24 der Urteilsgründe, in Bezug auf die Fälle 21 und 22 der Urteilsgründe mit den Feststellungen dazu, inwieweit sich die zu Unrecht geltend gemachten Betriebsausgaben durch ausgezahlte Schwarzlöhne reduzieren;

(3) im Gesamtstrafenausspruch;

b) betreffend den Angeklagten Bö. darüber hinaus aufgehoben, im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen;

c) betreffend den Mitangeklagten T. - unter Erstreckung auf diesen - aufgehoben,

aa) in den Fällen 22, 27 sowie 28 der Urteilsgründe;

bb) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 21 der Urteilsgründe;

cc) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen 27 und 28 der Urteilsgründe sowie in den Fällen 21 und 22 der Urteilsgründe mit den Feststellungen dazu, inwieweit sich die zu Unrecht geltend gemachten Betriebsausgaben durch ausgezahlte Schwarzlöhne reduzieren;

dd) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten Bö. wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie den nicht revidierenden Mitangeklagten T. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und von den Strafen jeweils drei Monate für vollstreckt erklärt. Die Vollstreckung der gegen den Mitangeklagten T. verhängten Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen den Angeklagten Bö. hat die Strafkammer zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 204.667,92 Euro angeordnet.

Hiergegen wenden sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge - gemäß § 357 StPO auch zugunsten des Mitangeklagten T. - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Ab dem Jahr 2006 hatte der Angeklagte Bö. die Alleingesellschafterstellung sowie zwischen dem 11. Januar 2007 und dem 12. September 2008 auch die Geschäftsführung bei der Bö. GmbH (im Folgenden: B.), einem Malerbetrieb, inne. Abgesehen von dem genannten Zeitraum war der Angeklagte H. deren Geschäftsführer. Der Angeklagte Bö. war darüber hinaus ab dem Jahr 2010 im gleichen Geschäftsfeld als Einzelunternehmer tätig.

Die B. war ab Mitte August 2007 damit beauftragt, Mängel an einer Vielzahl von Baumarkt-Immobilien zu beheben. Die Aufträge umfassten unterschiedliche Arbeiten, die über den Kernbereich der B. hinausreichten, und waren so umfangreich, dass die B. sie nicht allein mit ihren Arbeitnehmern erbringen konnte. Sie setzte daher Subunternehmer und in erheblichem Umfang Schwarzarbeiter ein. Insoweit vereinbarten die Angeklagten Bö. und H. mit dem Mitangeklagten T., dass dessen Firmen K. GmbH bzw. später K. O. GmbH (jeweils im Folgenden: K.) zum einen Subunternehmerleistungen für die B. erbringen und dass T. zum anderen auf Anforderung des Angeklagten H. Scheinrechnungen an die B. erstellen sollte. Hierfür erhielt er als Provision 10 % der jeweiligen Rechnungssumme.

2. Die Scheinrechnungen wurden als laufende Betriebsausgaben verbucht, um so die Entnahme von liquiden Mitteln aus der B. zu verschleiern und das so generierte Bargeld einerseits für die Lebenshaltungskosten des Angeklagten Bö. und dessen Angehörigen sowie andererseits für Schwarzlöhne und Bestechungsgelder einzusetzen. Die Scheinrechnungen hatten ein Gesamtvolumen von 990.197,35 Euro im Jahr 2007 und 589.068,98 Euro im Jahr 2008. Darüber hinaus verschwiegen die Angeklagten Bö. und H. im Jahr 2007 eine bei der B. als verdeckte Gewinnausschüttung zu erfassende Zahlung an die Ehefrau des Angeklagten Bö. über 5.033,25 Euro. In den jeweils vom Angeklagten H. als Geschäftsführer abgegebenen Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 2007 (Fall 21) und 2008 (Fall 22) wurden die genannten verdeckten Gewinnausschüttungen nicht offengelegt, was zu entsprechenden Steuerverkürzungen führte.

Das Landgericht ist für die einzelnen Jahre aufgrund der jeweils gleichzeitig abgegebenen Steuererklärungen für die verschiedenen Steuerarten (Körperschaft- und Gewerbesteuer) von Tateinheit ausgegangen. Einen Abzug von den geltend gemachten Betriebsausgaben für Schwarzlöhne, die entweder zusätzlich an sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer der B. oder als reine Schwarzlöhne gezahlt wurden, hat das Landgericht nicht vorgenommen, da es insofern ein Eingreifen des Kompensationsverbots nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO angenommen hat. Lediglich im Rahmen der Strafzumessung hat es diesen Aspekt berücksichtigt, ihm aber nur geringes Gewicht beigemessen.

3. Darüber hinaus flossen dem Angeklagten Bö. verdeckte Gewinnausschüttungen privat zu, ohne dass er diese in den von ihm persönlich abgegebenen Einkommensteuerklärungen für die Jahre 2007 (Fall 26), 2008 (Fall 27) und 2009 (Fall 28) als Kapitaleinkünfte offenlegte.

Im Hinblick auf die Höhe der entsprechenden Zuflüsse aus den durch die genannten Scheinrechnungen generierten Barmittel hat das Landgericht nicht auf das Rechnungsvolumen abgestellt, da nicht feststellbar sei, inwiefern auch an die K. überwiesene Beträge an die Angeklagten zurückgeflossen seien. Stattdessen hat es eine „Bargeldverkehrsrechnung“ vorgenommen und dabei neben dem Angeklagten Bö. neun weitere, eng mit ihm verbundene Personen einbezogen. Den monatlichen Bargeldbedarf von 1.500 Euro pro Kopf hat die Strafkammer anhand der Bargeldbewegungen in zwei auf den Tatzeitraum folgenden Jahren bestimmt und den niedrigeren Jahresbetrag abgerundet. Da sich die Lebensumstände nicht geändert hätten, sei von einem gleichbleibenden Bargeldbedarf auszugehen. Die Bargeldunterdeckung hat das Landgericht als Differenz zwischen dem jährlichen Bargeldbedarf und dem Saldo aus den tatsächlichen Bareinzahlungen und -auszahlungen auf den Konten des Angeklagten Bö. und seiner Ehefrau berechnet; berücksichtigt wurden ferner größere, in bar getätigte Anschaffungen und sonstige Zahlungen im maßgeblichen Zeitraum.

Die Strafkammer hat angenommen, dass die so ermittelte Bargeldunterdeckung mittels durch die genannten Scheinrechnungen generierten Bargelds gedeckt worden sei. Im Hinblick auf die Möglichkeit, dass das Geld stattdessen aus einer Bargeldreserve gestammt haben könnte, hat sie wie folgt differenziert: Für den Zeitraum Mai bis August 2007 sei von einer Barmittelreserve von rund 75.000 Euro auszugehen, da Mittel durch die Scheinrechnungen in größerem Umfang erst ab September 2007 vorhanden gewesen seien. Eine darüberhinausgehende Barmittelreserve habe es aber nicht gegeben. Bezüglich größerer Geldzuflüsse in den Vorjahren - insbesondere zweier im Oktober 2005 ausgezahlter Darlehen über insgesamt 600.000 Euro sowie einer möglichen Barauszahlung über 180.000 Euro um die Jahreswende 2005/2006 - nimmt das Landgericht an, dass diese jeweils zeitnah verwandt worden seien.

Neben den durch die Bargeldverkehrsrechnung ermittelten Beträgen hat es noch weitere Positionen als verdeckte Gewinnausschüttungen berücksichtigt und zwar die an den Mitangeklagten T. geflossenen Provisionszahlungen, die bereits genannte Leistung an die Ehefrau, Zahlungen der Firmen L. GbR und Ko. GmbH, die für durch die B. erbrachte Leistungen auf ein Privatkonto des Angeklagten Bö. überwiesen wurden, sowie Barzahlungen auf Scheinrechnungen für vorgebliche Mängelbeseitigungsarbeiten an zwei bestimmten Baumarktimmobilien.

4. Im Hinblick auf die jeweils am 31. März 2010 übermittelten Umsatzsteuervoranmeldungen der B. für die Monate November und Dezember 2009, bei denen jeweils einzelne Rechnungen nicht angegeben wurden, so dass die Umsatzsteuer für November um 10.070 Euro (Fall 23) und für Dezember um 11.355,82 Euro (Fall 24) verkürzt wurde, geht das Landgericht wiederum wegen der gleichzeitigen Abgabe von Tateinheit aus.

5. Der Mitangeklagte T. leistete durch das Ausstellen der Scheinrechnungen Beihilfe zu den Hinterziehungstaten der Angeklagten. Das Landgericht ist insoweit bezogen auf die Fälle 21 (2007), 22 und 27 (2008) sowie 28 (2009) von drei Fällen der Beihilfe ausgegangen.

II.

1. Die Verfahrensrüge des Angeklagten H. hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen keinen Erfolg. Auf die Verfahrensrüge des Angeklagten Bö. kommt es nicht an, da das angefochtene Urteil hinsichtlich der Fälle 26 bis 28 der Urteilsgründe - auf welche sich die Rüge ausschließlich bezieht - schon sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht standhält (vgl. 2.c)).

2. Die Sachrügen der Angeklagten führen in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Änderung und Aufhebung des angegriffenen Urteils.

a) Im Hinblick auf die Fälle 21 bis 24 der Urteilsgründe waren die Schuldsprüche dahingehend abzuändern, dass die Angeklagten jeweils der Steuerhinterziehung in sechs Fällen schuldig sind. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften ausgeführt:

„Die konkurrenzrechtliche Einordnung der Taten hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Fällt die Abgabe von Steuererklärungen wie der vorliegenden im äußeren Vorgang zusammen, liegen im Grundsatz mehrere Taten (§ 53 StGB) vor. Der einheitlichen oder getrennten Versendung der Erklärung und deren Eingang bei der Behörde kommt für die tatbestandliche Handlung der Steuerhinterziehung als auf Steuerarten und Veranlagungszeiträume bezogenes Erklärungsdelikt keine Bedeutung zu. Es mangelt daher an einer Teilidentität der Ausführungshandlungen selbst bei Übermittlung mehrerer Erklärungen durch einen einheitlichen äußeren Akt. Das Geschehen erschöpft sich insoweit in einem bloßen zeitlichen Zusammenfallen, das nicht anders als die Tatbegehung gelegentlich der Ausführung einer anderen Tat die Voraussetzungen des § 52 StGB nicht begründet (so in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung BGH vom 27. Januar 2018 - 1 StR 535/17, NZWiSt 2019, 28).

Im Übrigen kann auch jede Steuererklärung elektronisch nur gesondert verschickt werden; die Ausführungshandlungen überschneiden sich daher nicht (Jäger in Klein, AO 14. Aufl. § 370 241). Auch der ?fast zeitgleiche Eingang? der Umsatzsteuervoranmeldungen in elektronischer Form (UA S. 86) begründet eine Teilidentität danach nicht. Soweit die Kammer die Tateinheit auch darin begründet sieht, dass in beiden Umsatzsteuervoranmeldungen ?übereinstimmende unrichtige Angaben in Ansehung desselben Lebenssachverhalts (d.h. mit sachlichem Zusammenhang)? getätigt worden sind, ?da sämtliche Rechnungen das Vertragsverhältnis zur E. Rhein-Ruhr betreffen und die Rechnungen an die Bauunternehmen J. und He. mit nach § 13b UStG versteuerten Erlösen dies verdecken sollten? (UA S. 86), tragen die Rechnungen nach den Feststellungen der Kammer (UA S. 21, Anlage 11) zwar (auch) alle den Rechnungsempfänger E. Rhein Ruhr und stehen zueinander in ?sachlichem Zusammenhang?, übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen (vgl. dazu Jäger aaO Rn. 231) liegen danach jedoch nicht vor.“

Dem schließt sich der Senat an.

Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergeben sich nach Maßgabe des Vorgenannten für die Fälle 21 bis 24 der Urteilsgründe folgende Schuldsprüche für die Angeklagten Bö. und H. : In den Fällen 21 und 22 der Urteilsgründe haben sich beide Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig gemacht. Es handelt sich um die Hinterziehung von Körperschaftsteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag, weil aufgrund derselben Erklärung festzusetzen) sowie um diejenige von Gewerbesteuer jeweils für die Veranlagungszeiträume 2007 und 2008. In den Fällen 23 und 24 der Urteilsgründe liegen jeweils zwei vollendete Umsatzsteuerhinterziehungen für die Veranlagungszeiträume November und Dezember 2009 vor. Der Senat ändert die Schuldsprüche in den genannten Fällen daher in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO für beide Angeklagten dahingehend ab, dass diese wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen schuldig sind. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil die Angeklagten sich gegen die Vorwürfe nicht erfolgreicher als geschehen hätten verteidigen können.

Die Schuldspruchänderungen bedingen die Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen. Demgegenüber sind die dem Urteil insoweit zugrundeliegenden Feststellungen von der abweichenden konkurrenzrechtlichen Beurteilung nicht betroffen und haben daher in Bezug auf die Fälle 23 und 24 der Urteilsgründe Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann insofern weitere, mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.

b) In den Fällen 21 und 22 der Urteilsgründe hat das Landgericht aber darüber hinaus auch den Schuldumfang rechtsfehlerhaft bestimmt.

Bei der Ermittlung der Verkürzungsbeträge für die Körperschaft- und Gewerbesteuer sind - entgegen der Auffassung des Landgerichts - zumindest die von dem Angeklagten an seine Mitarbeiter gezahlten zusätzlichen „schwarzen“ Löhne im Rahmen der Betriebskosten zu Gunsten des Angeklagten in Ansatz zu bringen (BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2019 - 1 StR 44/19 Rn. 10; vom 19. Juli 2007 - 5 StR 251/07 Rn. 10 und vom 4. Mai 1990 - 3 StR 72/90 Rn. 10). Dies betrifft aber nur den Schuldumfang und hat keine Auswirkungen auf die Schuldsprüche als solche, da nach den Urteilsfeststellungen in den verfahrensgegenständlichen Jahren jeweils auch andere Zahlungen - insbesondere für Bestechungsgelder - zu Unrecht als Betriebsausgaben in Abzug gebracht wurden und daher auszuschließen ist, dass es in einem der Besteuerungszeiträume nicht zu einer Steuerverkürzung gekommen sein könnte.

Im Übrigen sind die gezahlten Schwarzlöhne insgesamt zumindest im Rahmen der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten gewinnmindernd zu berücksichtigen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 17. März 2005 - 5 StR 461/04 Rn. 11). Die vom Landgericht in dieser Hinsicht angestellten, restriktiven Erwägungen gehen zu weit und laufen darauf hinaus, Schwarzlöhne insofern Schmiergeldzahlungen gleichzustellen. Eine § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG entsprechende Regelung existiert aber nicht.

Bezüglich der Fälle 21 und 22 der Urteilsgründe sind daher auch die Feststellungen dazu aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO), inwieweit sich die zu Unrecht geltend gemachten Betriebsausgaben durch ausgezahlte Schwarzlöhne reduzieren. Die übrigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende Feststellungen bleiben möglich.

c) In den Fällen 26 bis 28 der Urteilsgründe hält die Verurteilung der Angeklagten rechtlicher Nachprüfung insgesamt nicht stand. Die festgestellten Besteuerungsgrundlagen beruhen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.

aa) Zunächst ist die vom Landgericht vorgenommene Schätzung der dem Angeklagten Bö. aus den durch die Scheinrechnungen der K. generierten Barmitteln zugeflossenen verdeckten Gewinnausschüttungen fehlerhaft.

Im Ausgangspunkt geht es allerdings zutreffend davon aus, dass es seine Überzeugung aufgrund eigener Schätzung bilden durfte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine Schätzung im Steuerstrafverfahren dann in Betracht, wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, aber ungewiss ist, welches Ausmaß die Besteuerungsgrundlagen haben (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 29. August 2018 - 1 StR 374/18 Rn. 7 mwN). So verhält es sich hier. Der Angeklagte H. hat eingeräumt, dass Teile des durch die Scheinrechnungen generierten Bargeldes dem Angeklagten Bö. privat zugeflossen sind. Zu dem genauen Umfang konnte er jedoch keine Angaben machen. Eine konkrete Berechnung der Besteuerungsgrundlagen war nicht möglich, weil die Buchführung der B. wegen der dort erfassten Scheinrechnungen unzutreffend war.

Die Strafkammer hätte aber in den Urteilsgründen nachvollziehbar darlegen müssen, warum sie sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und weshalb diese dafür geeignet ist (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2011 - 1 StR 90/11 Rn. 10; siehe auch BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 - KRB 51/16 Rn. 63 ff.), insbesondere, dass keine konkretere und damit genauere Schätzungsmethode zur Verfügung stand (BGH, Beschluss 20. Dezember 2016 - 1 StR 505/16 Rn. 23 mwN). Daran fehlt es hier. Gerade durch die Beschränkung auf Bargeldumsätze handelt es sich bei der Geldverkehrsrechnung um ein verhältnismäßig grobes Schätzungsverfahren. Alternativ wäre es etwa denkbar gewesen, von dem Gesamtvolumen der Scheinrechnungen auszugehen und davon die - schätzungsweise - für Schwarzlöhne, Schmiergeld- und Provisionszahlungen aufgewandten Geldmittel abzuziehen (vgl. UA S. 77 f.).

bb) Zudem hat die Strafkammer nicht tragfähig ausgeschlossen, dass die durch die Geldverkehrsrechnung ermittelten Bargeldüberschüsse aus einer Bargeldreserve stammen könnten.

Die Beweiswürdigung ist allerdings grundsätzlich Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 21. August 2019 - 1 StR 218/19 Rn. 8 mwN). Aus den Urteilsgründen muss sich ergeben, dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, für die es weder eine belastbare Tatsachengrundlage noch einen gesicherten Erfahrungssatz gibt (BGH aaO mwN).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Feststellungen zur Höhe der dem Angeklagten Bö. in den dem Tatzeitraum vorgelagerten Jahren zugeflossenen Barmittel und zu deren konkreten Verbleib fehlen. Bei der Annahme, dieser habe das Darlehen über insgesamt 600.000 Euro für einen bestimmten Zweck aufgenommen und auch zeitnah entsprechend verwandt, handelt es sich letztlich um eine nicht mit Tatsachen belegte Vermutung. Die vom Landgericht gegen das Vorhandensein einer Bargeldreserve ab September 2007 herangezogenen Indizien - im Jahr 2007 seien im Gegensatz zu den Jahren 2008/2009 keine größeren Anschaffungen getätigt worden, im Jahr 2006 seien liquide Mittel für Steuernachzahlungen aufgewandt worden oder in die B. geflossen und in den Jahren 2008/2009 hätten der Angeklagte Bö. und dessen Angehörige ihren Fuhrpark runderneuert, was zeige, dass sie nicht dazu neigen würden, überschüssige Mittel anzusparen - bilden weder allein noch in ihrer Gesamtheit eine tragfähige Grundlage für den daraus gezogenen Schluss. Zudem nimmt das Landgericht es nicht in den Blick, dass die ausweislich der Urteilsfeststellungen im Jahr 2006 in Bezug auf die damalige Gesellschaft des Angeklagten Bö. erfolgten Steuerfahndungsmaßnahmen durchaus Anlass für das Beiseiteschaffen von Bargeld gewesen sein könnten.

cc) Schließlich hat das Landgericht bei der Bestimmung der Höhe der dem Angeklagten Bö. zugeflossenen verdeckten Gewinnausschüttungen verschiedene Positionen doppelt erfasst. Da die angestellte Geldverkehrsrechnung die Zuflüsse ausgehend vom Geldbedarf des Angeklagten Bö. und dessen Angehörigen bestimmt, dürfen nicht kumulativ weitere Geldzuflüsse - namentlich die Zahlung an die Ehefrau, die Umsätze aus Rechnungen an die L. GbR und die Ko. GmbH sowie Zahlungen auf Scheinrechnungen für vorgebliche Mängelbeseitigungsarbeiten an zwei Baumarktimmobilien - berücksichtigt werden.

Im Hinblick auf Letztgenannte erschließt sich aus den Urteilsgründen zudem nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich, warum diese im Gegensatz zu den sonstigen durch die K. ausgestellten Scheinrechnungen bei der Bemessung der verdeckten Gewinnausschüttungen überhaupt in Ansatz gebracht wurden. Da die Strafkammer eingangs dargelegt hat, gerade nicht auf die Scheinrechnungen abstellen zu wollen (UA S. 56 f.), ist das Urteil insofern widersprüchlich.

dd) Aufgrund dieser Rechtsfehler können die Schuldsprüche keinen Bestand haben. Angesichts der Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Positionen kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei rechtsfehlerfreier Schätzung dem Angeklagten Bö. letztlich gar keine verdeckten Gewinnausschüttungen zugeflossen sind. Die Aufhebung der Schuldsprüche entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage. Die zugehörigen Feststellungen sind von den zur Aufhebung führenden Rechtsfehlern betroffen und daher ebenfalls aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO).

d) Die Teilaufhebung der Einzelstrafen entzieht auch den Gesamtstrafen die Grundlage. Sie lässt aber die ohne Rechtsfehler ergangenen Kompensationsentscheidungen unberührt (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2017 - 1 StR 464/17 Rn. 19 mwN).

Hinsichtlich des Angeklagten Bö. konnte zudem die Einziehungsentscheidung nicht bestehen bleiben, da sich die vom Landgericht angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen nur auf die der Aufhebung unterliegenden Taten (26 bis 28 der Urteilsgründe) bezieht.

e) Die Entscheidung ist gemäß § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten T. zu erstrecken, da die Fehler bei der Berechnung des jeweiligen Hinterziehungsumfangs auch seine Verurteilung wegen Beihilfe zu diesen Taten (Fälle 21, 22 und 27 [ein Fall der Beihilfe] sowie 28 der Urteilsgründe) betreffen. Zwar ist im Hinblick auf die Beihilfe zu Fall 22 der Urteilsgründe an sich nur der Schuldumfang fehlerhaft bestimmt; die tateinheitlich hierzu abgeurteilte Beihilfe zu Fall 27 der Urteilsgründe führt jedoch auch insofern zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 StR 135/01 Rn. 18 mwN). Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 22, 27 sowie 28 und der Einzelstrafe im Fall 21 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung des ihn betreffenden Gesamtstrafenausspruchs.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 71

Externe Fundstellen: StV 2020, 738

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede