hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 651

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 1 BvR 2821/16, Beschluss v. 30.03.2022, HRRS 2022 Nr. 651


BVerfG 1 BvR 2821/16 (2. Kammer des Ersten Senats) - Beschluss vom 30. März 2022

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen den Straftatbestand der Datenhehlerei (Grundrecht der Pressefreiheit; investigativ tätige Journalisten; Einschüchterungswirkung von Strafnormen; Veröffentlichung „geleakter“ Informationen; „Whistleblower“; fehlende Strafbarkeit der vorgetragenen Sachverhalte; keine rechtswidrige Vortat bei berechtigtem Zugriff auf Daten; subjektiver Tatbestand der Datenhehlerei; (Dritt-)Bereicherungsabsicht; gesetzlicher Tatbestandsausschluss für Journalisten; tatsächlich keine Verfahren gegen Journalisten).

Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG; § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG; § 92 BVerfGG;§ 202d StGB; § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5; § 97 Abs. 2 Satz 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine gegen den Straftatbestand der Datenhehlerei und die zugehörige Ausnahme von einem Beschlagnahmeverbot (§ 202d StGB, § 97 Abs. 2 Satz 2 StPO) gerichtete, auf das Grundrecht der Pressefreiheit gestützte Verfassungsbeschwerde investigativ journalistisch tätiger Beschwerdeführer ist nicht hinreichend begründet, wenn die beispielhaft vorgetragenen Sachverhaltskonstellationen vom Tatbestand der Datenhehlerei eindeutig nicht erfasst sind, so dass den angegriffenen Normen auch keine Einschüchterungswirkung zukommen kann.

2. Die journalistische Veröffentlichung von Informationen, die von sogenannten Whistleblowern aus nicht allgemein zugänglichen Quellen „geleakt“ worden sind und die vielfach mit einer (Ruf-)Schädigung derjenigen einhergeht, über deren Fehlverhalten berichtet wird, erfüllt den Tatbestand der Datenhehlerei regelmäßig nicht. Handelt es sich bei dem Informanten um einen Mitarbeiter des Betroffenen, der zum Zugriff auf die übermittelten Daten berechtigt ist, sind diese bereits nicht durch eine rechtswidrige Tat erlangt.

3. Zumindest wird es am Vorsatz des Journalisten bezüglich einer rechtswidrigen Vortat fehlen; denn insoweit genügt es nicht, dass eine rechtwidrige Beschaffung der Daten aufgrund ihrer Sensibilität nicht auszuschließen ist. Steht die Aufklärung von Missständen im Vordergrund, so wird außerdem die Absicht einer (Dritt-)Bereicherung ausscheiden. Vor allem wird auf den Sachverhalt der Tatbestandsausschluss nach § 202d Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Satz 2 Nr. 2 StGB, § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO Anwendung finden.

4. Die Einschätzung zur fehlenden Strafbarkeit deckt sich mit einer Auskunft des Bundesministeriums der Justiz, wonach seit 2018 keine Verfahren nach § 202d StGB Journalisten betreffend bekannt geworden sind.

5. Das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit schützt den gesamten Prozess der Herstellung und Verbreitung analoger und digitaler Presseerzeugnisse und Rundfunksendungen von der Informationsgewinnung bis zur Veröffentlichung und zum Vertrieb der hergestellten Inhalte. Das Grundrecht gewährleistet nicht nur den Schutz vor gezielter staatlicher Einflussnahme auf die inhaltliche und formelle Gestaltung, sondern auch die institutionellen Rahmen- und Funktionsbedingungen der journalistischen Tätigkeit. Hierzu gehört insbesondere auch die grundsätzliche Zugänglichkeit der benötigten Informationen.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die 2015 eingeführten Rechtsnormen des § 202d StGB (Datenhehlerei) und § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO a.F. (seit 2017 im Wesentlichen § 97 Abs. 2 Satz 2 StPO n.F.). Sie sind natürliche Personen und Vereine, die selbst oder unterstützend investigativ journalistisch tätig sind, und rügen eine Verletzung der Presse- und Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG, der Freiheit der Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG.

1. Die Beschwerdeführer tragen vor, im Rahmen ihrer Tätigkeit auf Informationen von sogenannten Whistleblowern angewiesen zu sein, die regelmäßig in Form von Daten an sie herangereicht würden. Aufgrund der Einführung des Straftatbestands der Datenhehlerei, § 202d StGB, sowie der Änderung des § 97 Abs. 2 StPO würde ihre Tätigkeit erschwert, sie selbst und Dritte, die an der Erstellung investigativ journalistischer Veröffentlichungen ebenfalls beteiligt seien, von ihr abgehalten und unter Strafe gestellt.

2. Die angegriffenen Vorschriften lauten in ihrer aktuellen Version wie folgt:

§ 202d StGB - Datenhehlerei

(1) Wer Daten (§ 202a Absatz 2), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(3) 1Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. 2Dazu gehören insbesondere

1. solche Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten, mit denen Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen, sowie

2. solche beruflichen Handlungen der in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Personen, mit denen Daten entgegengenommen, ausgewertet oder veröffentlicht werden.

§ 97 StPO - Beschlagnahmeverbot

(1) Der Beschlagnahme unterliegen nicht […].

(2) 1Diese Beschränkungen gelten nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind, es sei denn, es handelt sich um eine elektronische Gesundheitskarte im Sinne des § 291a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. 2Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren.

[…].

3. Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, ihre Verfassungsbeschwerde sei zulässig und begründet, da ihre Tätigkeit von § 202d StGB pönalisiert würde, das Risiko von Strafermittlungsverfahren gegen sie bestehe und aufgrund abschreckender Wirkungen Dritten gegenüber insgesamt eine Behinderung ihrer journalistischen Tätigkeit drohe. Die an der vorliegenden Verfassungsbeschwerde beteiligten Beschwerdeführer seien aufgrund ihrer investigativen journalistischen Tätigkeiten regelmäßig mit Datensätzen aus rechtswidrigen Quellen konfrontiert, die regelmäßig aus sogenannten „Datenleaks“ stammten.

Als typisches Beispiel der durch die Einführung der angegriffenen Vorschriften pönalisierten beruflichen Tätigkeit nennen die Beschwerdeführer etwa eine Recherche und Veröffentlichung aus dem Jahr 2015 zu einem Onlineportal zur Partnersuche mit zugehöriger App. Es sei einem der Beschwerdeführer ein aus 50 Gigabyte an Daten bestehendes Archiv zugespielt worden. Aus diesem habe sich ergeben, dass die Kommunikation mit angeblich auf Partnersuche befindlichen Personen über die App erst nach Zahlung eines Betrags möglich gewesen sei und dass spezielle Computerprogramme gezielt dazu verwendet worden seien, Nutzerinnen der Plattform zu simulieren und somit Nutzer systematisch dazu zu verleiten, gegen Zahlung von Geldbeträgen mit den vermeintlich real existierenden Frauen zu kommunizieren.

Der Beschwerdeführer zu 4) sei neben seiner redaktionellen Tätigkeit im Hörfunk als Ausbilder für junge Journalistinnen und Journalisten auf dem Gebiet der investigativen Recherche tätig. In beiden Funktionen erhalte er regelmäßig „geleakte“ Daten.

4. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig, so die Beschwerdeführer. Insbesondere liege die Beschwerdebefugnis vor, da sie von den angegriffenen Vorschriften selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen seien. Durch die Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit gingen sie ein erhebliches Risiko ein, sich nach § 202d StGB strafbar zu machen. So erhielten sie im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht allgemein zugängliche Daten zugespielt, die für sie erkennbar auf rechtswidrige Art und Weise erlangt worden seien. Diese Daten erhielten die Beschwerdeführer in der Regel nicht unmittelbar von der „undichten Stelle“, so dass das vom Tatbestand des § 202d StGB vorausgesetzte Dreiecksverhältnis vorliege. Ob sich die Beschwerdeführer die Daten als bloße Empfänger verschafften, könne dahinstehen. Jedenfalls überließen sie die Daten häufig anderen Journalisten oder externen Experten zum Zweck der Unterstützung bei der jeweiligen Recherche. Insoweit komme die Begehungsvariante des Verbreitens oder Zugänglichmachens in Betracht. Sie handelten zudem mit Schädigungsabsicht, da sie Missstände aufdecken wollten, was in der Regel eine Schädigung derjenigen, über deren Fehlverhalten berichtet werden solle, nach sich ziehe. Zudem handelten sie in Bezug auf die Medien, für die sie arbeiten, in Drittbereicherungsabsicht, da sie deren Einnahmen durch die Veröffentlichungen steigern wollten. Die Beschwerdeführer könnten sich demgegenüber nicht darauf verlassen, unter den Ausschlusstatbestand des § 202d Abs. 3 StGB zu fallen. Es sei ihnen unzumutbar, eine Strafverfolgung oder gar eine Verurteilung in Kauf zu nehmen.

Die von der möglichen Strafbarkeit ausgehenden Einschüchterungseffekte beträfen nicht nur die Journalisten selbst, sondern auch Informanten und Quellen. Deren Vertrauensverhältnis sei tangiert, da in das Redaktionsgeheimnis im Rahmen von Ermittlungsverfahren eingegriffen werden könne. Diese Eingriffe in das Redaktionsgeheimnis seien besonders sensibel, da dadurch die Identität von Informanten und Quellen aufgedeckt und Strafverfahren gegen diese eingeleitet werden könnten. Informanten und Quellen nähmen deshalb Abstand davon, sich mittelbar oder unmittelbar an Journalisten zu wenden und ihnen „geleaktes“ Material zu übermitteln. Ferner werde es durch diese Einschüchterungseffekte erschwert, IT-Experten zu finden, die bereit seien, Daten zur Prüfung entgegenzunehmen.

5. Die Verfassungsbeschwerde sei begründet, da die angegriffenen Vorschriften die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten verletzten. Der Straftatbestand der Datenhehlerei und die hiermit zusammenhängende Beschränkung von Beschlagnahmeverboten zugunsten von Journalisten verletze insbesondere die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Presse- und Rundfunkfreiheit. Denn der Tatbestand der Datenhehlerei sei in objektiver und subjektiver Hinsicht extrem weit gefasst. Es werde jede Form des Umgangs mit nicht allgemein zugänglichen Daten unter Strafe gestellt, die zu einem früheren Zeitpunkt einmal Gegenstand irgendeiner Straftat gewesen seien. Daten mit brisanten Informationen, die investigativ tätige Journalisten von Dritten erhielten, stammten regelmäßig aus rechtswidrigen Vortaten im Sinne des § 202d StGB. Typische journalistische Tätigkeiten erfüllten zudem den subjektiven Tatbestand. Auf Honorarbasis tätige Journalisten handelten mit Bereicherungsabsicht, angestellte Journalisten mit Drittbereicherungsabsicht. Es sei im Rahmen der Schädigungsabsicht desweiteren ausreichend, wenn die Schädigung ein notwendiges - wenngleich vom Täter nicht erstrebtes - Zwischenziel darstelle. Immaterielle Nachteile wie Ehrverletzungen oder Bloßstellungen genügten. Da investigative Presseveröffentlichungen in aller Regel reputationsschädigendes Verhalten aufdeckten und bekanntmachten, zögen die Veröffentlichungen unweigerlich immaterielle, mitunter auch vermögensrelevante Nachteile nach sich.

Der Ausschlusstatbestand des § 202d Abs. 3 StGB schließe demgegenüber willkürlich nicht alle Verhaltensweisen von der Strafbarkeit aus, die unter den Schutzbereich der Pressefreiheit fielen. Es seien nur solche Pressetätigkeiten umfasst, die berufsmäßig ausgeübt würden. Nicht umfasst seien etwa Personen, die einer beruflichen Tätigkeit nachgingen, aber - wie etwa externe Spezialisten - nur im Einzelfall und ohne Wiederholungsabsicht im Dienst der Presse stünden.

Auch unterfielen Hintergrundrecherchen und einer Veröffentlichung notwendig vorgelagerte Verifizierungen von Material nicht dem Tatbestandsausschluss, weil sie nicht „in Vorbereitung einer konkreten Veröffentlichung“ erfolgten. Dies stelle eine erhebliche Einschränkung journalistischer Tätigkeiten dar.

Eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs des Ausschlusstatbestands nach § 202d Abs. 3 Satz 1 StGB gehe von dem Ausschließlichkeitskriterium aus. Der Tatbestandsausschluss gelte nur für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienten. Keine Straffreiheit erfahre somit eine Tätigkeit, die neben beruflichen auch private Zwecke verfolge.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten durch die angegriffenen Regelungen nicht hinreichend substantiiert dargelegt haben.

1. Die Beschwerdeführer können grundsätzlich Träger von Grundrechten und damit beschwerdefähig sein. Das gilt auch für die Beschwerdeführer zu 2) und zu 9), die als eingetragene Vereine (vgl. BVerfGE 3, 383 <390>; 10, 221 <225>; 24, 278 <282>; 97, 228 <253>; 105, 279 <292 f.>) und damit als inländische juristische Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsberechtigt sind. Juristische Personen können sich grundsätzlich auf die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit berufen (vgl. BVerfGE 95, 28 <34 f.>).

2. Die Beschwerdeführer haben jedoch nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend dargelegt, beschwerdebefugt zu sein.

a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG ist zur Begründung der Verfassungsbeschwerde das angeblich verletzte Recht zu bezeichnen und der seine Verletzung enthaltende Vorgang substantiiert darzulegen (vgl. BVerfGE 9, 109 <114 f.>; 81, 208 <214>; 99, 84 <87>). Die Verfassungsbeschwerde muss sich mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>; 101, 331 <345 f.>). Die Beschwerdeführenden müssen darlegen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert; sie müssen das Grundrecht in Bezug zu dem Lebenssachverhalt setzen und die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung verdeutlichen (vgl. BVerfGE 79, 203 <209>; 108, 370 <386 f.>; 120, 274 <298>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 88). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt sein sollen (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <346>; 115, 166 <179 f.>; 130, 1 <21>). Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen eine gesetzliche Vorschrift, so muss der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert geltend machen, durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 40, 141 <156>; 60, 360 <370>; 72, 39 <43>; 79, 1 <13>; stRspr). Zu den Begründungsanforderungen an eine Rechtssatzverfassungsbeschwerde gehört auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der einfachrechtlichen Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1560/15 -, Rn. 5; vom 20. Mai 2021 - 1 BvR 928/21 -, Rn. 12).

b) Diesen Maßstäben genügt die Verfassungsbeschwerde im Ergebnis nicht. Zwar ist der Schutzbereich der Presse- und Rundfunkfreiheit eröffnet, und die Beschwerdeführer haben dargelegt, dass die Tätigkeiten, die sie durch die angegriffenen Normen für beeinträchtigt halten, dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterfallen. Der Vortrag der Beschwerdeführer genügt hinsichtlich des geltend gemachten Eingriffs und ihrer Beschwer jedoch nicht den Anforderungen.

aa) Das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt den gesamten Prozess der Herstellung und Verbreitung von digitalen oder analogen Presseerzeugnissen und Rundfunksendungen von der Informationsgewinnung bis zur Veröffentlichung und zum Vertrieb der hergestellten Inhalte (vgl. BVerfGE 10, 118 <121>; 66, 116 <133>; 77, 65 <74 ff.>; 117, 244 <258 f.>; stRspr). Dabei schützt das Grundrecht die an diesem Prozess berufsmäßig beteiligten Personen nicht nur vor gezielter staatlicher Einflussnahme auf die inhaltliche und formelle Gestaltung der Presse- und Rundfunkerzeugnisse. Als Grundentscheidung für ein freies Presse- und Rundfunkwesen gewährleistet Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vielmehr auch die institutionellen Rahmen- und Funktionsbedingungen der journalistischen Tätigkeit (vgl. BVerfGE 20, 162 <174 ff.>; 66, 116 <133 f.>). Zu diesen unentbehrlichen Funktionsbedingungen freier Presse- und Rundfunktätigkeit gehören insbesondere auch die grundsätzliche Zugänglichkeit der für diese Tätigkeit benötigten Informationen. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Medien in den Stand, die ihnen in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wahrzunehmen (BVerfGE 91, 125 <134>; 103, 44 <59>). Dies bedingt auch die Notwendigkeit eines besonderen Schutzes der für die Informationsgewinnung benötigten Quellen, des in diesem Rahmen vorausgesetzten Vertrauensverhältnisses und der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit (vgl. BVerfGE 20, 162 <176>; 66, 116 <134>; 100, 313 <365>; 117, 244 <259>). Zudem betrifft der Schutz vor inhaltsbezogenen Einwirkungen nicht allein Eingriffe im traditionellen Sinne (zum herkömmlichen Eingriffsbegriff siehe BVerfGE 105, 279 <300>), sondern kann auch bei mittelbaren Einwirkungen auf die Presse (vgl. BVerfGE 52, 283 <296>) ausgelöst werden, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen (vgl. BVerfGE 105, 252 <273>). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt den Trägern der Pressefreiheit daher ein subjektives Abwehrrecht auch gegen Beeinträchtigungen, die mittelbar über eine Einflussnahme des Staates auf Dritte eintreten, etwa dadurch, dass das Verhalten dieser Dritten die publizistischen Wirkungsmöglichkeiten oder die finanziellen Erträge des Presseorgans in einer Weise nachteilig beeinflusst, die einem Eingriff gleichkommt. Dass über faktische Nachteile des Informationshandelns hinaus rechtliche Auswirkungen an die staatliche Maßnahme geknüpft sein müssen, ist nicht Voraussetzung dafür, dass die Kommunikationsfreiheit beeinträchtigt sein kann (vgl. BVerfGE 113, 63 <76 f.>).

bb) Es bleibt in jedem Fall Sache der Beschwerdeführer, die Einzelheiten der von ihnen erstrebten Handlungen, deren Verbot sie bekämpfen möchten, hinreichend substantiiert darzulegen, so dass das Bundesverfassungsgericht in die Lage versetzt wird, die Frage der unmittelbaren Betroffenheit zu beurteilen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 92 BVerfGG; vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 88).

Die Beschwerdeführer tragen nicht hinreichend substantiiert vor, dass ein grundrechtlich geschütztes Verhalten von der angegriffenen Norm nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik betroffen und eine Auslegung im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 GG nicht möglich ist. Insbesondere sind die von den Beschwerdeführern vorgetragenen Beispielsfälle vom Tatbestand der Datenhehlerei eindeutig nicht umfasst. Mangels ersichtlicher Strafbarkeit besteht hier kein Risiko von Journalisten betreffenden strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen nach § 97 Abs. 2 Satz 2 StPO (n.F.). Das Vorbringen der Beschwerdeführer lässt auch nicht erkennen, dass die angegriffenen Vorschriften für sie oder Dritte eine einem Eingriff gleichkommende abschreckende Wirkung entfalten könnten.

(1) Regelmäßig dürfte es bereits an der rechtswidrigen Tat eines anderen im Sinne des § 202d Abs. 1 StGB fehlen, durch die die Daten erlangt wurden. Handelt es sich bei dem Informanten um einen an sich berechtigten Mitarbeiter des Betroffenen, der auf die übermittelten Daten zugreifen kann, kann sich der Mitarbeiter und Informant durch die Weitergabe der Daten strafbar gemacht haben. Er hätte die Daten aber nicht durch eine rechtswidrige Tat erlangt, da er schon zuvor auf sie zugreifen konnte.

(2) Selbst bei unterstellter Verwirklichung des objektiven Tatbestandes bestehen unter Zugrundelegung des Vortrags der Beschwerdeführer erhebliche Zweifel daran, dass der subjektive Tatbestand der Datenhehlerei erfüllt sein könnte. Zunächst ist fraglich, ob sich aus den Ausführungen der Beschwerdeführer zu den von ihnen gebildeten Beispielsfällen überhaupt ein bedingter Vorsatz des Handelnden im Hinblick auf die rechtswidrige Vortat ergibt. Der Gesetzesbegründung nach reicht das Bewusstsein, dass die Daten aus irgendeiner rechtswidrigen Tat stammen, nicht aus (BTDrucks 18/5088, S. 47). Dass ein Journalist eine rechtwidrige Beschaffung der Daten aufgrund ihrer Sensibilität nicht ausschließen kann, genügt gerade nicht.

Weiter fehlt es an hinreichendem Vortrag, der eine Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht des Journalisten erkennen ließe. Die (Dritt-)Bereicherung und die Schädigung setzen gemäß der Gesetzesbegründung ausdrücklich Absicht voraus (BTDrucks 18/5088, S. 47). Die Schädigung beziehungsweise der Vorteil müssen vom Täter als Erfolg gewollt werden, es muss ihm gerade darauf ankommen. Steht die Aufklärung von Missständen im Vordergrund, richtet sich die Absicht des Täters hierauf, nicht aber auf die Schädigung.

(3) Letztlich fehlt es an hinreichendem Vortrag der Beschwerdeführer dazu, warum der Tatbestandsausschluss für sie keine Anwendung finden sollte. In Anbetracht der weiteren Gesetzesbegründung drängt sich entgegen der Annahme der Beschwerdeführer auf, dass ein umfassender Ausschluss journalistischer Tätigkeiten bezweckt wird („Zum anderen wird klargestellt, dass […] insbesondere journalistische Tätigkeiten unter den Tatbestandsausschluss fallen.“; BTDrucks 18/5088, S. 48). Der Tatbestandsausschluss zielt darauf ab, dass eine journalistische Tätigkeit auch dann nicht unter Strafe gestellt wird, wenn Recherchen gegebenenfalls unergiebig sind und es im Ergebnis nicht zu einer Veröffentlichung kommt. Entscheidend ist die Vorstellung des jeweiligen Journalisten, dass seine Handlungen in eine konkrete Veröffentlichung münden kann.

Soweit die Beschwerdeführer vortragen, das Ausschließlichkeitskriterium des § 202d Abs. 3 Satz 1 StGB werde der journalistischen Praxis nicht gerecht, weil regelmäßig ein Bündel von Motiven vorliege, überzeugt dies bereits im Ansatz nicht. Die Lesart der Beschwerdeführer verengt in nicht nachvollziehbarer Weise den Anwendungsbereich des zugunsten der Journalisten eingefügten Tatbestandsausschlusses und steht in direktem Widerspruch zu der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Zielsetzung, journalistische Tätigkeiten umfassend zu schützen. Aus dem Wortlaut und der Systematik der Norm ergibt sich, dass die Verwendung einen objektiv funktionalen Zusammenhang zur Aufgabenerfüllung aufweisen muss. Der konkrete Zusammenhang mit der - hier journalistischen - Aufgabenerfüllung ist der Grund, der die Tatbestandslosigkeit des Umgangs mit ansonsten bemakelten Daten begründet.

(4) Die von den Beschwerdeführern monierte abschreckende und eingriffsäquivalente Wirkung der angegriffenen Normen, die eine „Aura des vielleicht Strafbaren“ umgebe, lässt sich nach dem Obenstehenden nicht nachvollziehen. Ein hinreichendes Risiko, dass sich Journalisten nach § 202d StGB strafbar machen, besteht nicht. Dementsprechend ist ebensowenig mit vorgelagerten Ermittlungsmaßnahmen zu rechnen. Dies deckt sich mit der vom Bundesministerium der Justiz im Rahmen der Beantwortung des Fragenkatalogs (§ 27a BVerfGG, § 22 Abs. 5 GOBVerfG) durchgeführten Abfrage in den Landesjustizverwaltungen, wonach seit 2018 keine Verfahren nach § 202d StGB Journalisten betreffend bekannt sind.

Gleichfalls ist nicht nachzuvollziehen und von den Beschwerdeführern nicht dargelegt, dass von den angegriffenen Normen eine Einschüchterungswirkung bei den Quellen der Journalisten ausgehen sollte, da sie sich als Vortäter nicht nach § 202d StGB strafbar machen. Auch eine von den angegriffenen Normen ausgehende Abschreckungswirkung auf sonstige Mittelspersonen haben die Beschwerdeführer weder dargelegt, noch würde sie aus den eingegangenen Antworten auf den Fragenkatalog der Kammer sonstwie ersichtlich. Eine Tatbestandsverwirklichung durch Hilfspersonen der Journalisten liegt ebenfalls fern und ist nicht hinreichend ausgeführt; erhalten etwa IT-Spezialisten von Journalisten Daten zur Bearbeitung, so fehlt es aufgrund des Tatbestandsausschlusses zugunsten der Journalisten bereits an einer tauglichen, rechtswidrigen Vortat im Sinne des § 202d StGB mit Blick auf die Hilfspersonen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 651

Bearbeiter: Holger Mann