HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2022
23. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zur Reichweite des Vertrauensgrundsatzes bei arbeitsteiligem Zusammenwirken an bauplanerischen Großprojekten

Zugleich Anmerkung zu BGH HRRS 2022 Nr. 640 – Kölner Stadtarchiv

Von Akad. Rätin a.Z. Dr. Theresa Schweiger, LMU München

A. Einleitung

"Oft tut auch Unrecht, der nichts tut." Mit diesen Worten machte schon Marc Aurel seinerzeit deutlich, dass das Unterlassen einer Handlung eine ebenso schwere Pflichtverletzung markieren kann wie das aktive Tun. Welche schädlichen Ausmaße die Nichtvornahme gebotener Maßnahmen erreichen kann, zeigen tragische Ereignisse auf Großveranstaltungen oder fatale Unglücke auf Großbaustellen leider immer wieder. Im Kopf geblieben sind auch die Bilder vom Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009, in dessen Folge zwei Menschen unter den Trümmern der einstürzenden Häuser begraben wurden und ihr Leben verloren. Das LG Köln hatte zwei angeklagte Bauleiter aus rechtlichen Gründen noch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen freigesprochen. Dieses Urteil hat der 2. Strafsenat jedoch auf die Revision der Staatsanwaltschaft wegen der Verletzung materiellen Rechts hin aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Rechtlich geht es vor allem um die Klärung der Bedeutung von (zugewiesenen) Verantwortungsbereichen und den daraus folgenden Handlungsmaßgaben mit Blick auf die Sorgfaltsanforderungen beim Fahrlässigkeitsdelikt. Der Senat nutzt die Entscheidung, um unter Anknüpfung an vorangegangene Entscheidungen grundlegende Ausführungen zur Reichweite des Vertrauensgrundsatzes bei arbeitsteiligem Zusammenwirken an bauplanerischen Großprojekten zu tätigen.

B. Sachverhalt "Kölner Stadtarchiv"

Am 3. März 2009 stürzten das Historische Archiv der Stadt Köln sowie zwei weitere Wohngebäude infolge von Bauarbeiten an einer vom Stadtrat genehmigten neuen U-Bahnlinie in der Innenstadt von Köln ein, wodurch zwei Menschen ums Leben kamen.[1] Mit der Errichtung des südlichen Teils der Bahnlinie war eine aus mehreren Bauunternehmen bestehende Arbeitsgemeinschaft (ARGE) beauftragt worden, welche zwei getrennte Abteilungen aufwies: Einerseits die Abteilung "Spezialtiefbau", welche unter der Leitung von Bauleiter L. zunächst eine sog. Schlitzwand im Baugrund errichten sollte, um den Zutritt von Grundwasser und Erdreich in die spätere Baugrube zu verhindern; und andererseits die Abteilung "Ingenieurbau", die unter der Leitung von Bauleiter G. die spätere Aushebung der Baugrube vornehmen sollte. Beide Abteilungen waren in Kenntnis über die Besonderheiten des Erdreichs an der Stelle der geplanten Baugrube, das mit Findlingen durchsetzt war und deshalb Probleme bei der Erstellung der Schlitzwand verursachen könnte. Insbesondere wussten die Beteiligten, dass die Gefahr von Fehlstellen in der Wand mit der Folge von Boden- bzw. Wassereinbrüchen bestand, die nur durch eine genaue Kontrolle der Schlitzwandarbeiten beherrscht werden kann. Aus diesem Grund sah ein Kontrollplan die Erstellung von Protokollen über den Herstellungsprozess der Schlitzwand ebenso vor wie Tagesberichte über den Baufortschritt.

Bei den Schlitzwandarbeiten der Abteilung "Spezialtiefbau" kam es zu mehreren Zwischenfällen. So wurde beim Aushub der Lamelle 10 ein massiver Natursteinblock als Hindernis angetroffen, bei dessen Bergungsversuch unbemerkt Erdreich aus dem noch nicht ausgehobenen Bereich der Lamelle 11 abgetragen und der Natursteinblock in den Bereich der Lamelle 11 verdrängt wurde. Beim Betonieren der Lamelle 10 floss sodann unerkannt Beton in den versehentlich ausgehobenen Bereich der Lamelle 11 hinein. Einige Tage später wurde bei der Erstellung der Lamelle 11 das einem kraftschlüssigen Anschluss zwischen den Lamellen dienende Fugenblech der Lamelle 10 beschädigt. Da das Fugenblech den weiteren Aushub der Lamelle 11 behinderte, ordnete der dem Bauleiter L. unterstellte

Polier K. ohne Rücksprache mit diesem die Bearbeitung des Fugenblechs bis hin zur möglichen Zerstörung an, damit der Aushub der Lamelle 11 nicht weiter verzögert würde. L. wurde telefonisch nur über Schwierigkeiten beim Aushub und das Stoßen auf zwei Hindernisse informiert, nicht jedoch darüber, dass es sich hierbei um das Fugenblech der Lamelle 10 handelte. Im Ergebnis wurde das Fugenblech auf einer Länge von mehreren Metern zerstört, was einen außergewöhnlichen Zwischenfall auf einer solchen Baustelle darstellt. Nachdem die Baumannschaft ein paar Tage später erneut auf ein Hindernis beim Aushub der Lamelle 11 traf, wurde L. informiert, dass es sich bei dem vorher angetroffenen Hindernis um das Fugenblech der Lamelle 10 gehandelt hatte. L. ging deshalb – unzutreffend – davon aus, dass es sich erneut um das Fugenblech handele und sich die aktuelle Lamelle 11 nach unten hin verjünge. Tatsächlich handelte es sich bei dem Hindernis um den bei den Arbeiten an der vorherigen Lamelle eingeflossenen Beton und den darunterliegenden Natursteinblock. Nach weiteren Arbeiten erläuterte der Polier K. dem Bauleiter L., dass das Hindernis seiner Einschätzung nach nun beseitigt worden sei. L. ging davon aus, dass die endgültige Bestätigung hierfür aber erst im Zuge des weiteren Aushubs erlangt werden könne. In dem von L. erstellten Tagesbericht wurde die Fortsetzung der Hindernisbeseitigung zwar erwähnt, nicht jedoch die Beschädigung des Fugenblechs. Um eine weitere Beschädigung des Fugenblechs zu vermeiden, ordnete L. die Fortführung der Arbeiten mit einem schmaleren Baggergreifer an.

Am ersten Tag des Urlaubs von L. bemerkte der Polier K., dass das Hindernis entgegen seiner Einschätzung nicht beseitigt worden war. L. wurde während seiner Abwesenheit von H. vertreten, den L. vorab über die anfallenden Arbeiten im Zusammenhang mit der Fertigstellung der Lamelle 11 und die Umstände des bisherigen Herstellungsprozesses in Kenntnis gesetzt hatte. Ob andere Personen außer K. über das Fortbestehen des Hindernisses informiert wurden, konnte nicht geklärt werden. In der Folge wurde die Herstellung der Lamelle 11 fortgesetzt. Aufgrund des übergeflossenen Betons und des Natursteinblocks konnte ein vollständiger Aushub der Lamelle 11 jedoch nicht erfolgen und das Erdreich unterhalb des Hindernisses wurde nicht abgetragen. Die erforderliche Vermessung des Schlitzes nach dessen Aushub unterblieb und der Polier K. trug in das Messprotokoll bereits vorliegende Messdaten einer anderen Lamelle ein. Anschließend wurde der Bewehrungskorb aus Stahl für die Lamelle 11 nicht lagegerecht eingebaut und die Lamelle – in Abwesenheit von L. – betoniert. Der Betonverbrauch, der grundsätzlich ein wichtiger Indikator für den ordnungsgemäßen Aushub des Erdreiches ist, war für die Lamelle 11 der zweitgeringste aller Lamellen, obwohl über die geplante Oberkante der Schlitzwand hinaus betoniert wurde. Der für die Überwachung des Betoniervorgangs zuständige Polier K. gestaltete das Betonierprotokoll dabei grafisch so, dass bei einem flüchtigen Blick der Minderverbrauch nicht deutlich wurde. Allerdings wäre es durch eine Überprüfung der tabellarisch in das Protokoll eingetragenen Werte ohne weiteres möglich gewesen, auf den Minderverbrauch aufmerksam zu werden. Für die Kontrolle des Betonverbrauchs war der Bauleiter L. zuständig. Nach der Urlaubsrückkehr von L. teilte sein Vertreter H. ihm mit, dass mit der Lamelle 11 "alles in Ordnung" sei. Das von H. unterzeichnete Schlitzwandprotokoll für die Lamelle 11 wurde zusammen mit dem Betonierprotokoll im Baucontainer der Bauleitung abgelegt.

Ohne dass eine Übergabe zwischen den Abteilungen "Spezialtiefbau" und "Ingenieurbau" seitens der ARGE vorgesehen war und entsprechend auch nicht stattfand, wurde anschließend die Baugrube durch die Abteilung "Ingenieurbau" unter der Leitung von G. ausgehoben. Hierbei wurde das beschädigte Fugenblech der Lamelle 10 sichtbar. Der Bauleiter G. hielt die Schlitzwand trotz ihrer Makel jedoch für dicht und das beschädigte Fugenblech für nicht kritisch. Eine Rücksprache mit dem Angeklagten L. hielt er für nicht veranlasst. Der Zustand der Schlitzwand insgesamt war allerdings auffällig: Bei 16 der 57 Lamellen kam es zu Undichtigkeiten, so dass seitens der ARGE ein Subunternehmen zur Ausbesserung der mangelhaften Stellen beauftragt werden musste.

Am Morgen des 3. März 2009 wurde das Erdreich bis zu so einer Tiefe ausgehoben, dass der obere Bereich der Betonfehlstelle in der Lamelle 11 freigelegt wurde. Nachdem erster Wasserzutritt bemerkt und ein Pumpensumpf angelegt wurde, kam es mittags zum Durchbruch des Grundwassers durch die Fehlstelle, wodurch in kürzester Zeit Wasser und Erdreich aus dem umliegenden Bereichen der Baugrube abgetragen wurde und ein Hohlraum unter den Gebäuden entstand. Dieser führte kurz darauf zum Einsturz des Historischen Stadtarchivs und zwei umliegender Nachbargebäude.

C. Rechtliche Bewertungen durch das LG Köln und den BGH im Fall "Kölner Stadtarchiv"

Das LG Köln stellte zwar sowohl für den Bauleiter L. als auch für den Bauleiter G. relevante Pflichtverletzungen fest.[2] So hätte L. den G. vor Aushebung der Baugrube darüber informieren müssen, dass das Fugenblech teilweise beschädigt worden sei und dies hinreichend protokollieren müssen. G. dagegen hätte auf das beschädigte Fugenblech reagieren und insbesondere einen Bericht von L. anfordern müssen. Allerdings seien diese Pflichtverletzungen nicht kausal für den Tod der Geschädigten gewesen. Denn Ursache für den Zusammensturz sei nicht das beschädigte Fugenblech der Lamelle 10, sondern die Fehlstelle in der Wand von Lamelle 11 gewesen. Diesen rechtlichen Feststellungen stimmt der 2. Senat noch zu, rügt sodann jedoch die unterlassene Überprüfung weiterer in Betracht kommender Sorgfaltspflichtverletzungen durch das LG Köln mit Blick auf § 222 StGB.

Für den Bauleiter der Abteilung "Spezialtiefbau" L. hätte das Instanzgericht in den Blick nehmen müssen, dass ihn im Rahmen der Delegation der tatsächlichen Bauausführung auf den Polier K. eine entsprechende Überwachungspflicht und im Rahmen der Arbeitsteilung mit H. eine entsprechende Informationspflicht traf. Der Polier K. war dem Bauleiter L. hierarchisch unterstellt. Ausgehend von

den Grundsätzen bei vertikaler, d.h. delegierender Arbeitsteilung hätte das LG Köln berücksichtigen müssen, dass L. sich nicht bloß auf das ordnungsgemäße Handeln seines Unterstellten K. verlassen durfte, sondern sich hiervon durch stichprobenartige Kontrollen selbst hätte überzeugen müssen.[3] Anlass dazu gaben laut dem 2. Strafsenat die auftretenden Hindernisse bei der Errichtung der Lamelle 11, insbesondere das abermalige Stoßen auf ein Hindernis im Erdreich. L. hätte aufgrund der bisherigen Vorkommnisse nicht lediglich auf die Aussagen des Poliers K. vertrauen dürfen, sondern hätte sich selbst von der tatsächlichen Beseitigung des Hindernisses bei Lamelle 11 überzeugen müssen. Denn nach den Feststellungen des LG Köln traten bei keiner anderen Lamelle derartige Probleme auf wie bei der Erstellung von Lamelle 11. Zudem hatte der Polier K. dem Bauleiter L. erst Tage später mitgeteilt, dass es sich bei dem zunächst angetroffenen Hindernis um das Fugenblech der Lamelle 10 gehandelt hatte. Dies hätte das Vertrauen des L. in die Aussagen des K. jedenfalls derart schmälern müssen, dass er eine verstärkte Überwachung desselben hätte veranlassen müssen. Der 2. Senat hält es darüber hinaus für naheliegend, dass aufgrund des Geschehensablaufes und der Kenntnis des L. von der Bedeutung einer nicht ordnungsgemäß errichteten Lamelle für die Stabilität der Schlitzwand eine zumindest vorübergehende Anwesenheit des L. bei der Fortsetzung des Aushubs des Schlitzes der Lamelle 11 angezeigt war. Eine Kontrollpflicht des L. sei aus Sicht des BGH auch nicht deshalb abzulehnen gewesen, weil die Annahme einer Verjüngung der Schlitzbreite durch L. plausibel war. Vielmehr hätte er sich aufgrund des bisherigen Ablaufs und der Wichtigkeit einer dichten Schlitzwand zu einer entsprechenden Prüfung veranlasst sehen müssen.

Zwar konnte L. während seiner Urlaubsabwesenheit die Kontrolle von K. und dem weiteren Aushub der Lamelle 11 nicht selbst vornehmen. Allerdings hätte er seinen hierarchisch gleichgestellten Urlaubsvertreter H., ausgehend von den Grundsätzen horizontaler Arbeitsteilung, über die Notwendigkeit einer Überwachung und Kontrolle in Kenntnis setzen müssen, um den weiteren ordnungsgemäßen Aushub sicherzustellen.[4] Denn ausschließlich L. war als Bauleiter für den Bereich der Schlitzwandarbeiten über den Baufortschritt in Kenntnis und dazu berufen, entsprechend Einschätzungen, wie bspw. über den Umfang notwendiger Kontrollen, vorzunehmen. H. dagegen sei auf entsprechende Informationen durch L. angewiesen gewesen. Aus diesem Grund durfte L. nach seiner Urlaubsrückkehr auch nicht auf die Aussage von H. vertrauen, dass mit der Lamelle 11 "alles in Ordnung" sei.

Für den Bauleiter der Abteilung "Ingenieurbau" G. bemängelt der 2. Senat mit Blick auf die unterlassene Anforderung eines Berichts von der Abteilung "Spezialtiefbau", dass das LG Köln nicht in den Blick genommen habe, welche Auswirkungen ein solches Verhalten auf den Bauleiter L. gehabt haben könnte.[5] Möglicherweise hätte dieser sich zu weiteren Nachforschungen veranlasst gesehen, wenn G. ihn auf den sichtbar gewordenen Zustand der Lamelle 11 angesprochen hätte. Zudem habe die Strafkammer verkannt, dass G. sich infolge der erkannten Beschädigung des Fugenblechs nicht mehr auf das – bei horizontal arbeitsteiligem Handeln auf einer Baustelle grundsätzlich bestehende – gegenseitige Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Kollegen berufen konnte.[6] Vielmehr hätte er sich, insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch eine Reihe anderer Lamellen der Schlitzwand auffällig gewesen sind, veranlasst sehen müssen, die Unterlagen zum Bauablauf der Lamellen und das Betonierprotokoll einzusehen. Schließlich seien durch die strukturellen Defizite in der Organisation der Abteilungen untereinander – eine Übergabe zwischen den Abteilungen war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen – bestehende Informations- und Koordinationspflichten derart verletzt worden, dass G. kein berechtigtes Vertrauen in die Zuverlässigkeit der anderen Beteiligten mehr haben konnte.[7] Stattdessen wäre er zu eigenständiger Kontrolle verpflichtet gewesen, zumal er um die Gefahr eines beschädigten Fugenblechs, das zu Fehlstellen in der Lamellenwand führen kann, wusste.

D. Einordnung der Entscheidung: Fortführung und Konkretisierung der Geltung des Vertrauensgrundsatzes bei arbeitsteiligem Zusammenwirken

Mit der Entscheidung führt der BGH seine Rechtsprechungslinie zur Geltung des Vertrauensgrundsatzes bei Fahrlässigkeitsstrafbarkeiten fort und konkretisiert diese insbesondere für den Bereich arbeitsteiligen Tätigwerdens auf Großbaustellen. Mit der Übertragung des ursprünglich für den Bereich des Straßenverkehrs entwickelten Vertrauensgrundsatzes[8] auf weitere Lebensbereiche hat die Rechtsprechung bereits vor Jahren eine den Umfang der Sorgfaltspflichten begrenzende Kategorie für Fahrlässigkeitsstrafbarkeiten geschaffen.[9] Diese hat die Funktion einer angemessenen Verteilung von Verantwortungsbereichen für das in einer ausdifferenzierten und spezialisierten Gesellschaft notwendige Zusammenwirken mehrerer Beteiligter.[10] Grundsätzlich besagt der Vertrauensgrundsatz, dass man auf das verkehrsgerechte Verhalten seiner Mitmenschen und Kollegen vertrauen darf, es sei denn, diesem Vertrauen ist erkennbar durch bestimmte Umstände die Grundlage entzogen.[11] Diese Kernaussage des Vertrauensgrundsatzes beansprucht Geltung in allen Bereichen, in denen die Rechtsprechung den Vertrauensgrundsatz

bereits explizit für anwendbar erklärt hat:[12] Neben dem Straßenverkehr sind dies vor allem das Arzt- und das Bauwesen, in denen typischerweise gefahrträchtige Handlungen arbeitsteilig vorgenommen werden.[13] Die Reichweite des Vertrauensgrundsatzes variiert dabei nach bisheriger Rechtsprechung sowohl in Abhängigkeit von der Art der Arbeitsteilung (vertikal oder horizontal) als auch – jedenfalls im Bereich horizontaler Arbeitsteilung – vom betroffenen Bereich der Arbeitsteilung (Arzt- oder Bauwesen).

I. Vertrauensgrundsatz und vertikale Arbeitsteilung

Unter vertikaler Arbeitsteilung ist die Aufgabenverteilung innerhalb eines bestimmten Fach- oder Aufgabengebietes durch Delegation bzw. durch Weisung zu verstehen. Sie setzt ein Über-/Unterordnungsverhältnis im Sinne einer Hierarchie bei den an der Arbeit Beteiligten voraus.[14] Grundsätzlich obliegt allein dem Delegierenden als fachlichem Prinzipal die Verantwortung für die erfolgreiche Bewältigung einer ihm und seinem Team gesetzten Aufgabe (Prinzip der Allzuständigkeit).[15] Freilich zwingt eine zunehmend spezialisierte und deshalb a priori auf Arbeitsteilung angelegte Wirklichkeit zu einer angemessenen Verteilung von Aufgaben und Verantwortungsbereichen nicht nur auf ein und derselben Hierarchieebene ("horizontale Arbeitsteilung", dazu sogleich unter D. II.), sondern eben auch zu einer Weiterreichung von Zuständigkeiten einer höheren Hierarchieebene auf eine niedrigere Hierarchieebene. Rechtlich führt eine solche Delegation von Arbeitsbereichen oder -aufgaben zur Übertragung von Sorgfalts- bzw. Verkehrssicherungspflichten des primär Verantwortlichen auf einen anderen, den Sekundärpflichtigen. Dieser Vorgang begründet die naheliegende Folgefrage, in welchem Umfang der Delegierende dann noch für Pflichtverletzungen verantwortlich zeichnet. Denn ein gewisses Maß an Vertrauendürfen muss dem Delegierenden zugestanden werden, soll er nicht jede Aufgabe höchstpersönlich erbringen müssen.[16]

Unstrittig wird der Delegat durch die Übertragung der Aufgabe primär für die Erfüllung der enthaltenen Sorgfalts- bzw. Verkehrssicherungspflichten verantwortlich. Der Delegierende wird dadurch allerdings nicht vollständig von seinem Pflichtenkanon befreit, seine primäre Sorgfalts- bzw. Verkehrssicherungspflicht wandelt sich vielmehr in eine sekundäre Pflicht um.[17] Nach gängiger Auffassung umfasst diese neben der Pflicht zur sorgfältigen Auswahl und Instruktion des Delegaten auch die Pflicht zur – jedenfalls stichprobenartigen – Kontrolle und Überwachung.[18] Liest man in dieses Prinzip vertikaler Delegation nun die Garantien des Vertrauensprinzips hinein, so folgt daraus der Grundsatz, dass sich der Sekundärpflichtige prinzipiell darauf verlassen darf, dass derjenige, an den er die Aufgabe delegiert hat, sorgfältig arbeitet, es sei denn, der Sekundärpflichtige verletzt seine Pflicht zur sorgfältigen Auswahl, Instruktion und Überwachung bzw. Kontrolle.[19] Tun sich ferner berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Beteiligten auf, erweitert sich der Verantwortungsbereich des sekundär Verantwortlichen um eine Pflicht zur näheren Überwachung bis hin zum persönlichen Einschreiten.[20] Dabei sind die Überwachungspflichten umso strenger, desto höher die drohende Gefahr ist.[21] Hier zeigt sich die zentrale Limitierung des Vertrauensschutzes, die darin besteht, dass nur derjenige Vertrauen in Anspruch nehmen kann, der sich auch selbst verkehrsgerecht verhält.[22]

Sowohl für den medizinischen[23] als auch für den baugewerblichen[24] Sektor sind die voranstehenden Grundsätze bereits höchstrichterlich bestätigt worden. Mit der hier zu besprechenden Entscheidung zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat der BGH die Geltung dieser Grundsätze für den Bereich bauplanerischer Großprojekte erneut bekräftigt.[25] So bemängelt der 2. Strafsenat zu Recht, dass das Instanzgericht außer Betracht gelassen hat, dass der Bauleiter der Abteilung "Spezialtiefbau" L. im Rahmen der Delegation der Schlitzwandarbeiten und entsprechender Verkehrssicherungspflichten auf den Polier K. seine daraus resultierenden Sekundärpflichten verletzt hat. Insbesondere hätte er K. als seinen hierarchisch Unterstellten zumindest stichprobenartig überprüfen müssen, wofür die Tatsachenfeststellungen des LG Köln keine Anhaltspunkte bieten. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als L. von K. erst mit einigen Tagen Verspätung darüber informiert wurde, dass es sich bei dem zunächst angetroffenen Hindernis um das

Fugenblech der Lamelle 10 gehandelt hatte, hätte L. die Zuverlässigkeit des K. in Frage stellen und eine verstärkte Überwachung desselben veranlassen müssen. Dies gilt umso mehr, als es ausweislich der tatgerichtlichen Feststellungen bei keiner anderen Lamelle zu derartigen Problemen kam. Überzeugend ist schließlich auch die Forderung des 2. Senates, dass L. mit Blick auf die Wichtigkeit einer ordnungsgemäß hergestellten Lamelle zumindest vorübergehend beim weiteren Aushub der Lamelle 11 hätte anwesend sein müssen. Denn die Forderung korreliert einerseits mit der bei vertikaler Arbeitsteilung vorherrschenden Verteilung von Risikoübernahmepflichten, die sich umso weiter zulasten des Delegierenden verlagern, je größer die drohende Gefahr ist. Andererseits entspricht sie der dem Vertrauensgrundsatz immanenten Ratio, wonach sich der Delegierende nur so lange auf den Unterstellten verlassen kann, wie sich keine Zweifel an dessen Zuverlässigkeit auftun. Mit Blick auf das folgenschwere Risiko von Fehlstellen, das bei einer unsachgemäß errichteten Lamelle ausweislich der tatgerichtlichen Feststellung gerade auch infolge von Beschädigungen des Fugenblechs bestand, hätte L. sich veranlasst sehen müssen, schärfere Kontrollen und notfalls auch eigenständige Überprüfungen an den Schlitzwandarbeiten vorzunehmen.

II. Vertrauensgrundsatz und horizontale Arbeitsteilung

Anders als bei der vertikalen Arbeitsteilung stehen die Beteiligten bei der horizontalen Arbeitsteilung in keinem hierarchischen Über-/Unterordnungsverhältnis, sondern begegnen sich auf gleichgestellter (Fach-)Ebene mit jeweils getrennten Zuständigkeitsbereichen. Sinn und Zweck des Zusammenwirkens im Verhältnis der Gleichordnung ist es, die Bewältigung einer Aufgabe entsprechend der jeweiligen Expertise auf mehrere Schultern zu verteilen, um ein bestmögliches Ergebnis zu erreichen.[26] Folge dieser klaren Abgrenzung von Aufgaben- und Verantwortungsbereichen ist, dass grundsätzlich auf die Zuverlässigkeit der anderen Beteiligten vertraut werden darf. Aber auch im Rahmen der horizontalen Arbeitsteilung gilt der Vertrauensgrundsatz nicht absolut. Welche limitierenden Anforderungen jeweils gelten, hat der BGH in den letzten Jahren zunächst nur für den Bereich des Arztstrafrechts, später aber auch für den Bereich des Bauwesens herausgearbeitet und konkretisiert.

1. Horizontale Arbeitsteilung und Vertrauensgrundsatz im Arztwesen

Die Geltung des Vertrauensgrundsatzes bei horizontal arbeitsteiligem Zusammenwirken hat der BGH zunächst allein für den medizinischen Bereich deklariert. Dort gilt, dass sich ein Arzt im Interesse eines geordneten Ablaufs z.B. von Operationen grundsätzlich auf die fehlerfreie Mitwirkung seiner Kollegen aus anderen Fachrichtungen verlassen kann,[27] es sei denn, es bestehen Anhaltspunkte für ernsthafte Zweifel an der ordnungsgemäßen Arbeit des Kollegen oder seiner fachlichen Qualifikation.[28] Ratio dieses Ansatzes ist die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des medizinischen Arbeitsalltages, der bei überspannten Sorgfaltspflichten in Gestalt von allgegenwärtigen Überwachungs- und Kontrollpflichten erheblich in Mitleidenschaft gezogen und die Qualität medizinischer Leistungen für den Patienten unnötig schmälern würde.[29] Jeder Arzt hat folglich denjenigen Gefahren zu begegnen, die in seinem originären Aufgaben- und Zuständigkeitsgebiet entstehen, eine Pflicht zur Überwachung der Kollegen mit ihrem jeweiligen Aufgabenbereich besteht insoweit nicht.[30]

Resultieren jedoch gerade aus dem arbeitsteiligen Zusammenwirken selbst Gefahren für den Patienten, weil erst die Kombination der Maßnahmen das besondere Risiko schafft, so besteht nach ständiger Rechtsprechung eine gegenseitige Verpflichtung zu wechselseitiger Koordination und Information.[31] Diese Anforderungen stellen allerdings genau genommen keine Erweiterung des Pflichtenkanons für die Geltung des Vertrauensgrundsatzes dar, sondern begrenzen seinen Anwendungsbereich im medizinischen Bereich lediglich auf Konstellationen, in denen es um Gefahren geht, die ausschließlich dem Aufgabenbereich eines der beteiligten Ärzte zugeordnet sind. Anders gewendet: Solange klar verteilte und abgrenzbare Aufgabenbereiche existieren, darf auf die Ordnungsgemäßheit der Tätigkeit aller Beteiligten vertraut werden; sobald jedoch die Aufgabenbereiche zum Zwecke einer erfolgreichen Therapie verbunden werden, markiert dies eine Erweiterung des eigenen Aufgabenbereiches, welcher dann auch die auf den jeweiligen Eingriff bezogenen Maßnahmen des fachfremden Kollegen umfasst. Diese müssen dann qua Koordination und Information mitbeherrscht werden, eine Berufung auf den Vertrauensgrundsatz ist insoweit nicht möglich.

Einigkeit besteht schließlich dahingehend, dass der Vertrauensgrundsatz im medizinischen Bereich nur bei gleichzeitiger Arbeitsteilung gilt. Für den Fall, dass Ärzte derselben Fachrichtung einen Patienten allein in zeitlicher

Nachfolge behandeln, besteht für die Anwendung des Vertrauensgrundsatzes von vornherein kein Raum.[32]

2. Horizontale Aufgabenteilung und Vertrauensgrundsatz im Bauwesen

Für den Bereich des Bauwesens gelten zunächst dieselben Grundsätze wie im medizinischen Bereich: Im Rahmen einer horizontalen Arbeitsteilung darf grundsätzlich auf die Zuverlässigkeit der anderen Beteiligten vertraut werden, Überwachungspflichten bestehen – da sie dem Sinn der Arbeitsteilung in einem gleichberechtigten Zusammenwirken entgegenlaufen – untereinander nicht.[33] Erschüttert wird das berechtigte Vertrauen erst in dem Moment, in dem bei einem Mitwirkenden Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Beteiligten aufkommen.[34] Soweit, so grundsätzlich. Allerdings hat der BGH – in beiden Fällen der 4. Strafsenat – bereits in zwei Entscheidungen konkretisierende Ausführungen zum Anwendungsbereich des Vertrauensgrundsatzes bei arbeitsteiligem Handeln auf Baustellen getätigt, die hier kurz nachgezeichnet werden sollen, bevor auf das gegenständliche Urteil und die daraus folgenden Konsequenzen eingegangen wird.

a) Wuppertaler Schwebebahn

Soweit ersichtlich erstmals zum Geltungsbereich des Vertrauensgrundsatzes im Zusammenhang mit der Arbeitsteilung auf Großbaustellen hat sich der BGH im Fall der Wuppertaler Schwebebahn im Jahr 2002 geäußert. Dort hielt er den Vertrauensgrundsatz jedoch – anders als das LG Wuppertal – von vornherein für nicht anwendbar, da es an einer klaren Abgrenzung der jeweiligen Aufgaben- und Verantwortungsbereiche gefehlt habe.[35] Konkret ging es um die Demontage von vier sog. Stahlkrallen im Schienenbereich der Schwebebahn, für die zwei Arbeiter durch den Bauleiter beauftragt worden waren. Nachdem diese zwei der vier Krallen abgebaut hatten, erschienen zwei weitere Kollegen, welche ebenfalls dem Bauleiter unterstellt und mit den anderen Arbeitern hierarchisch auf einer Ebene angesiedelt waren, und welche anboten, beim Abbau der zwei verbliebenen Stahlkrallen behilflich zu sein. Während die ersten beiden Arbeiter "ihre" Kralle tatsächlich abbauten, wurde die zweite Kralle nicht abgebaut, welche das spätere Unglück verursachte. Das Instanzgericht ließ zugunsten der beiden ersten Arbeiter noch den Vertrauensgrundsatz eingreifen, da eine arbeitsteilige Handlung vorgelegen habe, bei der untereinander auf das ordnungsgemäße Arbeiten vertraut werden durfte; der BGH urteilte dagegen, dass es sich bei dem Abbau der Stahlkrallen um einen einheitlichen Arbeitsvorgang gehandelt habe, für den alle vier Arbeiter gleichermaßen zuständig waren. Dies seien sie auch über den gesamten Arbeitszeitraum gewesen, da eine relevante Aufteilung nach Verantwortungsbereichen zu keinem Zeitpunkt stattgefunden habe.

Das Urteil hat in der strafrechtlichen Literatur wenig Zuspruch erfahren. Kritisiert wurde insbesondere die vom BGH abgelehnte Vergleichbarkeit des Sachverhaltes mit den Fällen arbeitsteiliger Aufgabenerledigung durch Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, in denen der Vertrauensgrundsatz unproblematisch greift (s.o. D. II. 1.).[36] Den entscheidenden Unterschied zu den Fällen medizinischer Arbeitsteilung erkannte der BGH im Fall der Wuppertaler Schwebebahn darin, dass es sich seiner Meinung nach bei der Entfernung der Stahlkrallen – trotz Arbeitsteilung – um einen weiterhin einheitlichen Arbeitsvorgang ohne eindeutige Kompetenz- und Verantwortlichkeitsverteilung gehandelt habe. Ob diese Bewertung des Tatgeschehens im Fall der Wuppertaler Schwebebahn als einheitliche Gesamtaufgabe ohne klare Kompetenzverteilung mit der Folge weiterhin bestehender gegenseitiger Kontrollpflichten überzeugend ist, soll hier nicht entschieden werden. Denn der 2. Strafsenat hat die Entscheidung in seinem Urteil zum Kölner Stadtarchiv weder explizit bestätigt noch hat er ihr widersprochen; er hielt sie aufgrund der eindeutig vorhandenen Kompetenzverteilung im Kölner Fall für schlichtweg nicht übertragbar.[37] Damit gilt das Judiz des Wuppertaler Schwebebahn-Falls, wonach der Vertrauensgrundsatz im Bauwesen keine Anwendung findet, sofern es an einer klar abgrenzbaren Aufgabenverteilung mangelt und eine Gesamtgefahrenabwendungsaufgabe lediglich in verschiedene Arbeitsschritte eingeteilt ist, vorerst fort. Es wird jedoch abzuwarten bleiben, ob die Rechtsprechung das Kriterium einer eindeutigen Aufgabenzuweisung mit klar abgegrenzten Verantwortungsbereichen in künftigen Entscheidungen dauerhaft als einschränkende Voraussetzung des Vertrauensgrundsatzes im Baugewerbe aufrechterhalten wird. Für die Praxis bleibt es bis dahin jedenfalls ratsam, gemäß dem Grundsatz des sichersten Weges auf eine klare Arbeitseinteilung mit eigenen Aufgaben- und Kompetenzbereichen zu achten.

b) Schulsanierungsfall

Erstmalig im Bereich des Bauwesens vollständig angewandt hat der BGH den Vertrauensgrundsatz dann im sog. Schulsanierungsfall im Jahr 2008.[38] Konkret ging es um notwendige Baumaßnahmen an einer Schule, mit denen der Bauunternehmer T. beauftragt wurde. Dieser engagierte für die erforderlichen Abbrucharbeiten den Subunternehmer H., der wiederum seine Mitarbeiter C. und W. mit dieser Aufgabe vor Ort betraute. Die für die Abbrucharbeiten notwendigen Absteifungsarbeiten zur Verhinderung von Einstürzen gehörten jedoch nicht zum Leistungsumfang des Unternehmers H., sondern verblieben im Zuständigkeitsbereich des T. Dieser ließ, nachdem ihn C. in Rücksprache mit W. darüber informiert hatte, dass der vorgesehene Abstand der Stützen zur Grundabsteifung die Abbrucharbeiten unmöglich machen würde, eine unzureichende Absteifung ausführen, um die Abbrucharbeiten zu ermöglichen. Von einer gegenüber C. erwähnten Rückfrage beim Statiker zur ordnungsgemäßen

Absteifung sah T. allerdings ab. Im Ergebnis wurden nur 29 anstelle von statistisch vorgesehen 89 Deckenstützen installiert, was beim Abbruch eines Wandabschnitts durch C. zum Einsturz des Gebäudeteils führte.

Ohne dies explizit kenntlich zu machen,[39] ging der BGH im Schulsanierungsfall von einer horizontalen Arbeitsteilung aus, in welcher sowohl der Bauunternehmer T. als auch der Subunternehmer H. – und ihm folgend die Arbeiter C. und W. – für die ordnungsgemäßen Abbrucharbeiten zuständig waren, allerdings mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen:[40] Während T. für die Absteifung der Decken Sorge zu tragen hatte, traf H. (bzw. C. und W.) die Aufgabe des konkreten Abbruchs der Wand vor Ort. In seiner Entscheidung stellte der 4. Strafsenat unter Anknüpfung an die Rechtsprechung im Zivilrecht zunächst klar, dass auch im Strafrecht jeder, der Gefahrenquellen schafft oder unterhält, die nach Lage der Verhältnisse erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz anderer Personen zu treffen hat.[41] Aus diesem Grund waren nicht nur T., sondern eben auch H. bzw. C. und W., welche die Aufgabe der konkreten Abbrucharbeiten übertragen bekommen hatten, grundsätzlich für die Sicherung des Wandabbruchs durch Absteifung mit zuständig. Da die Absteifung der Wand nach dem Subunternehmervertrag aber in den alleinigen Aufgabenbereich des T. fiel, trafen H. bzw. C. und W. lediglich sekundäre Verkehrssicherungspflichten mit Blick auf die Absteifung der Wand. Für die Erfüllung dieser erklärte der BGH dann den Vertrauensgrundsatz für anwendbar:[42] Zwar besteht für die Beteiligten gefahrenträchtiger Baumaßnahmen die grundsätzliche Pflicht, sich gegenseitig zu informieren und untereinander abzustimmen, um vermeidbare Risiken für Dritte auszuschalten. Dies umfasst auch die Pflicht, sich im Rahmen des Zumutbaren beim Gegenüber zu vergewissern, ob dieser seine Tätigkeit ordnungsgemäß erfüllt. Kommen die Beteiligten dieser Pflicht jedoch nach, dürfen sie auch darauf vertrauen, dass der für die notwendige Sicherung Verantwortliche seine Aufgabe tatsächlich erfüllt. Geschützt ist damit keine blinde Hoffnung in das ordnungsgemäße Handeln der übrigen Mitwirkenden, sondern nur ein berechtigtes Vertrauen, das allein auf belastbarer Grundlage infolge von Koordinations- und Informationsmaßnahmen gebildet werden kann. Im Schulsanierungsfall führte dies zur Entlastung von C. und W., die nach Auffassung des BGH ihren entsprechenden Pflichten durch die Rückfrage bei T. nach einer erneuten statischen Bewertung nachgekommen waren. Einer nochmaligen Nachfrage durch C. und W. habe es, trotz der erkennbar erheblichen Verringerung der Anzahl der Stützen gegenüber der ursprünglichen Planung (29 statt 89), nicht bedurft, da – so der BGH – die hierdurch bedingte unzureichende Absteifung für C. und W. auf Basis der tatgerichtlichen Feststellungen weder offensichtlich noch ohne Weiteres erkennbar war.[43]

Zusammengefasst ist der Weg zur persönlichen Entlastung im Bauwesen im Anschluss an den Schulsanierungsfall beschwerlicher als im Arztwesen:[44] Während dort das Vertrauendürfen bereits bei klar abgrenzbaren Tätigkeiten und fehlenden Anhaltspunkten von der Unzuverlässigkeit eines Mitwirkenden legitim ist, bestehen im Bauwesen auch bei vorhandener klarer Kompetenzverteilung sekundäre Verkehrssicherungspflichten in Form von Koordinations- und Informationspflichten fort.[45] Erst mit Erfüllung dieser darf auf die ordnungsgemäße Tätigkeit der anderen Beteiligten vertraut werden. Eine gewisse Parallele dieses Haftungsbegrenzungsmodells im Bauwesen zu demjenigen im Arztwesen lässt sich allerdings doch ziehen: Informations- und Koordinationsrisiken hat der BGH nämlich auch für Ärzte in den Fällen etabliert, in denen das Risikopotential für den Patienten gerade aus dem arbeitsteiligen Zusammenwirken erwächst (s.o. D. II. 1.). Da im Bauwesen das arbeitsteilige Zusammenwirken der Regelfall ist[46] und insbesondere Großbaustellen erhebliche Gefahrenherde darstellen, liegt es nahe, dass der BGH die stets erforderliche Pflicht zur gegenseitigen Information und Koordination aus der in der Natur der Sache liegenden notwendigen Verschränkung von Aufgaben- und Tätigkeitsbereichen im Bauwesen abgeleitet hat.[47] Die besondere Gefährlichkeit und das aus der Verschränkung von Tätigkeitsbereichen folgende Überlappen von Aufgaben- und Verantwortungsbereichen auf Großbaustellen rechtfertigt aus Sicht des BGH die Etablierung sekundärer Verkehrssicherungspflichten als konkretisierende Anforderungen des Vertrauensgrundsatzes.

c) Kölner Stadtarchiv

Im Fall des Kölner Stadtarchivs hat der 2. Strafsenat diese im Schulsanierungsfall etablierten Grundsätze zum Geltungsbereich des Vertrauensgrundsatzes bei horizontaler Arbeitsteilung im Bauwesen dem Grunde nach bestätigt. Nach diesen Maßstäben konnten sowohl der Bauleiter der Abteilung "Spezialtiefbau" L. als auch der Bauleiter der Abteilung "Ingenieurbau" G. nicht allein aufgrund der zwischen den Abteilungen klar getrennten Kompetenzfelder darauf vertrauen, dass die Tätigkeiten des vom jeweils anderen betreuten Aufgabenbereichs ordnungsgemäß ausgeführt werden. Stattdessen trafen L. mit Blick auf seinen Urlaubsvertreter H., und G. mit Blick auf L. umfassende Informations- und Koordinationspflichten. Diese ergaben sich insbesondere daraus, dass die Aufgabenbereiche der Abteilungen nicht völlig losgelöst nebeneinander standen, sondern die ordnungsgemäße Erfüllung der der Abteilung

"Spezialtiefbau" zugewiesenen Aufgabe (Errichtung der Schlitzwand) zwingende Voraussetzung für das Gelingen der Tätigkeit der Abteilung "Ingenieurbau" (Aushub der Baugrube) war, beide Tätigkeitsfelder also unabdingbar miteinander verschränkt waren.[48] In seiner Entscheidung hat der BGH darüber hinaus zwei wesentliche Konkretisierungen für die Geltung des Vertrauensgrundsatzes bei horizontaler Arbeitsteilung im Bauwesen vorgenommen: Erstens hat er die Konsequenzen, die eine graduelle Verletzung der bestehenden Informations- und Koordinationspflichten mit sich bringt, erläutert, und, zweitens, die Handlungspflichten festgelegt, die aus einem aufgrund struktureller Defizite in der Organisation von vornherein gar nicht vorhandenen Informationsaustausch zwischen den Beteiligten resultieren.

Zum ersten Punkt hat der BGH ausgeführt, dass eine Verletzung der Pflichten zur gebotenen wechselseitigen Information und Koordination den bei einer horizontalen Arbeitsteilung geltenden Vertrauensgrundsatz umso weiter zurückdrängt, je gravierender die Verletzung ist, und dass in der Folge eine vom Maß der Verletzung abhängige eigene Kontrollpflicht begründet wird.[49] Dies ist eine logische Folge der Ausführungen zum Schulsanierungsfall, wonach kein "blindes", sondern allein ein berechtigtes Vertrauen in das ordnungsgemäße Handeln der Beteiligten geschützt wird. Wenn aber eine gegenseitige Information und Koordination nur in unzureichendem Maße stattfindet, hat dies die Notwendigkeit eigenständigen Tätigwerdens und entsprechender Kontrollpflichten zur Folge. Auf die Spitze getrieben wird diese Konsequenz bei dem im Kölner Fall vorliegenden "Totalausfall", wo es aufgrund der unzureichenden Organisation innerhalb der ARGE an jeglichem Informationsaustausch und Koordinationserfordernis fehlte, da bereits eine Übergabe der Baustelle zwischen den Abteilungen nicht vorgesehen war und auch tatsächlich nicht stattfand. Für diesen zweiten Punkt hat der 2. Strafsenat festgestellt: "Fehlt aber – wie hier – jeglicher Informationsaustausch, mangelt es jedenfalls dann an einem Anknüpfungspunkt für ein berechtigtes Vertrauen, wenn das Vorgewerk durch eine zum Teil erhebliche Abweichung vom Soll-Zustand geprägt ist."[50]

In der Gesamtschau ergibt sich damit im Anschluss an den Kölner Stadtarchiv Fall folgendes abgestuftes Haftungsszenario für horizontal arbeitsteiliges Tätigwerden auf Großbaustellen: Grundsätzlich darf auf die Arbeit von den Mitwirkenden vertraut werden, wenn klar getrennte Kompetenz- und Aufgabenbereiche definiert sind, und den im Bauwesen aufgrund verschränkter Tätigkeiten regelmäßig erforderlichen Koordinations- und Informationspflichten genügt wird. Dabei wird der Anwendungsbereich des Vertrauensgrundsatzes umso weiter zurückgedrängt, je mehr die Pflichten zur Information und Koordination verletzt werden. Dies kumuliert in einem völligen Ausschluss der Berufungsmöglichkeit auf den Vertrauensgrundsatz, sobald berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit eines Beteiligten bestehen, was u.a. dann der Fall ist, wenn die involvierten Abteilungen von vorneherein vollständig auf eine gegenseitige Information und Koordination verzichtet haben.

Für die Angeklagten im Kölner Stadtarchiv Fall hat diese Rechtsprechung verheerende Konsequenzen: Für L., der es unterlassen hatte, seinen Urlaubsvertreter H. über die notwendige, zumindest strichprobenartige Kontrolle des Poliers K. zu informieren, führt dies laut BGH zu der Konsequenz, dass er nach seiner Urlaubsrückkehr nicht auf die Aussage von H., mit der Lamelle 11 sei "alles in Ordnung", hätte vertrauen dürfen. Stattdessen hätte er sich von der Ordnungsgemäßheit der Herstellung der Lamelle 11 selbst überzeugen müssen, z.B. durch das Einsehen des von H. unterzeichneten Schlitzwandprotokolls sowie des Betonierprotokolls, aus dem sich der erhebliche Minderverbrauch von Beton bei der Lamelle 11 ergab. Für G. nahm der BGH an, dass er sämtliche ihm zumutbaren Maßnahmen hätte unternehmen müssen, um sicher zu gehen, dass die Schlitzwand eine ausreichende Grundlage für den Aushub der Baugrube bot. Denn den Vertrauensgrundsatz konnte G. aus Sicht der Richter aus gleich zwei Gründen nicht für sich in Anspruch nehmen: Zum einen hätte G. mit Blick auf die Entdeckung des beschädigten Fugenblechs bereits an der Zuverlässigkeit der Arbeiter der Abteilung "Spezialtiefbau" zweifeln müssen. Zum anderen führte das Erkennen der Beschädigung des Fugenblechs dazu, dass das Vorgewerk (die Schlitzwand der Abteilung "Spezialtiefbau") eine erhebliche Abweichung vom Soll-Zustand aufwies, was den Bauleiter G. aufgrund der fehlenden Übergabe und des damit zusammenhängenden fehlenden Informationsaustausches zwischen den Abteilungen dazu hätte veranlassen müssen, die Protokolle zur Erstellung der Lamellen 10 und 11 einzusehen und dabei auch den Betonverbrauch zu kontrollieren. Eine bloße Rücksprache mit L. oder die Einholung eines Berichts hielt der Strafsenat für nicht ausreichend. Unbeachtlich war in diesem Zusammenhang schließlich die Tatsache, dass nicht das beschädigte Fugenblech die Ursache für den späteren Einsturz war, sondern die Fehlstelle in der Wand der Lamelle 11. Denn nach den tatgerichtlichen Feststellungen wusste der Angeklagte G. um die Risiken, die insbesondere ein beschädigtes Fugenblech für die Dichtheit der Schlitzwand aufgrund möglicherweise entstehender Fehlstellen in der Wand mit sich bringt.

E. Bewertung der Entscheidung anhand der aufgestellten Grundsätze

Die Entscheidung wirkt insbesondere mit Blick auf den umfassenden Pflichtenkatalog, der dem Angeklagten G. zugemutet wird, hart und vermag deshalb nicht vollständig zu überzeugen. Denn einerseits unterstellt der BGH dem Bauleiter G. pauschal die vollumfassende Kenntnis von der aufgrund der fehlenden Übergabe der Baustelle nicht vorhandenen wechselseitigen Information und Koordination, und andererseits bürdet er ihm den Großteil der Verantwortung für die eigentlich der ARGE zuzuschreibenden mangelhaften Organisation auf. Nun liegt es in der Natur des Fahrlässigkeitsdelikts, dass nicht nur eine Person für einen konkreten Erfolg haftbar gemacht werden kann, sondern jeder, der objektiv und subjektiv sorgfaltspflichtwidrig den Erfolg zurechenbar (mit)verursacht

hat.[51] Im vorliegenden Fall können freilich auch anderen Personen, z.B. den Geschäftsführern der ARGE sowie den Oberbauleitern, die zum Teil auch gesondert verfolgt wurden,[52] schwere Vorwürfe gemacht werden. Dies entlässt aber weder den Angeklagten L. noch den Angeklagten G. aus ihrer grundsätzlichen Verantwortung. Nichtsdestoweniger bleibt es – auch oder vielleicht gerade bei arbeitsteiligem Zusammenwirken – im Fahrlässigkeitsbereich elementar wichtig, dem grundlegenden Gebot einer realistischen und lebensnahen Beurteilung besondere Aufmerksamkeit zu schenken.[53] Es ist stets aus der Sicht ex-ante zu fragen, welche Pflichten für den Täter realistisch als solche erkennbar und zumutbar waren. Insbesondere bei aufsehenerregenden Unglücksereignissen mit großem medialen Echo und einer aufgrund der Vielzahl von involvierten Personen drohenden Verantwortungsdiffusion muss dem naheliegenden Drang widerstanden werden, durch eine Überspannung der Sorgfaltspflichten das "schwarze Schaf" auf Teufel komm raus identifizieren zu wollen. Denn am Ende führen überzogene Verhaltensanforderungen zu materiell-strafrechtlicher Ungerechtigkeit.[54]

So ist es mit Blick auf G. als Bauleiter der Abteilung "Ingenieurbau" in Anbetracht der den Beteiligten bekannten Gefahren einer undichten Schlitzwand für den erfolgreichen Aushub der späteren Baugrube überzeugend, ihm einen Vorwurf aus der unterlassenen Rücksprache mit L. nach Entdecken des beschädigten Fugenblechs zu machen. Denn auch wenn G. mit seiner Einschätzung, eine Schlitzwand müsse nicht schön, aber dicht sein,[55] Recht haben mag, war es ihm in Anbetracht der erheblichen Gefahren, die ein beschädigtes Fugenblech mit Blick auf die Bildung von Fehlstellen in der Wand entwickeln kann, sowie der insgesamt auffälligen Schlitzwand zuzumuten, sich bei L. über die Ursache für die Beschädigung des Fugenblechs und den Herstellungsvorgang zu informieren. Ob dies bei L. zu entsprechenden Nachprüfungen und einer möglichen Verhinderung des Unglücks geführt hätte, wird eine andere Strafkammer des LG Köln zu bewerten haben. Die vom BGH darüber hinausgehenden Forderungen nach einer umfassenden Kontrollpflicht von G., die sogar so weit gehen sollen, dass sie "das Defizit in Abstimmung der Abteilungen untereinander auszugleichen"[56] geeignet sind, entbehren dagegen nach hiesigem Dafürhalten einer an der Lebensrealität ausgerichteten Beurteilungsgrundlage.[57] Denn sie setzen einerseits die umfassende Kenntnis der mangelhaften Organisationsstruktur innerhalb der ARGE voraus und erwarten andererseits eine vollständige Korrektur der vorhandenen Defizite durch nur einen einzelnen Verantwortlichen.[58] Die eigenständige Kontrolle und Einsicht von Protokollen der Schlitzwand konnte von G. als Reaktion auf das beschädigte Fugenblech nach lebensnahen Umständen nicht erwartet werden.

Für L. dagegen fordert der BGH zu Recht die Überprüfung durch das neue Tatgericht, ob die Notwendigkeit einer engen Überwachung des Herstellungsprozesses der Lamelle 11 und insbesondere des Poliers K. Inhalt des Übergabegesprächs mit seinem Urlaubsvertreter H. gewesen ist.[59] Denn sowohl die Unregelmäßigkeiten bei der Errichtung der Lamellen 10 und 11 als auch das verspätete Melden der Beschädigung des Fugenblechs durch K. hätten L. dazu veranlassen müssen, seinen Urlaubsvertreter H. umfassend zu informieren und mit Blick auf erforderliche Kontrollen angemessen zu instruieren.

F. Fazit

In der Zusammenschau überzeugen die grundsätzlichen Überlegungen des BGH zu den konkretisierten Anforderungen bei der Inanspruchnahme des Vertrauensgrundsatzes bei arbeitsteiligem Handeln auf Großbaustellen. Die Entscheidung knüpft an die Ansätze aus den Urteilen zur Wuppertaler Schwebebahn und der Schulsanierung an und führt diese konsequent fort. Damit gilt für die vertikale Arbeitsteilung im Bauwesen weiterhin, dass auf die Arbeit des Delegaten vertraut werden kann, sofern keine Anhaltspunkte für dessen Unzuverlässigkeit gegeben sind und die eigenen Sekundärpflichten zur Auswahl, Instruktion und Überwachung beachtet werden. Im Rahmen horizontaler Arbeitsteilung im Bauwesen gilt, dass auf die Arbeit der Beteiligten solange vertraut werden darf, wie die Kompetenz- und Aufgabenbereiche klar abgrenzbar verteilt, keine Anhaltspunkte für Unzuverlässigkeiten gegeben sind und die bestehenden Informations- und Koordinationspflichten nicht verletzt werden. Für den Bauleiter der Abteilung "Ingenieurbau" hat der 2. Strafsenat die aus diesen Grundsätzen folgenden Sorgfaltspflichten allerdings mit Blick auf die geforderten Kontrollpflichten überdehnt. Die Entscheidung erinnert deshalb daran, gerade beim Fahrlässigkeitsdelikt auf einen lebensnahen und zumutbaren Maßstab für die Beurteilung der relevanten Sorgfaltspflichten besondere Acht geben zu müssen.


[1] Stark verkürzt dargestellt nach BGH HRRS 2022 Nr. 640 = NJW 2022, 2206 m. Anm. Trüg = NStZ 2022, 669 m. Anm. Brune/Schulte-Rudzio.

[2] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 25 f.

[3] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 38 ff.

[4] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 49 ff.

[5] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 58 f.

[6] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 64 ff.

[7] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 67 ff.

[8] BGHSt 7, 118 = NJW 1954, 1493; BGHSt 13, 169 (172?ff.); MüKo/Duttge, StGB 4. Aufl. (2020), § 15 Rn. 141 ff.; MR/Gaede, StGB, 2. Aufl. (2020), § 15 Rn. 43; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, StVO, 27. Aufl. (2022), § 1 Rn. 24 ff.; BeckOK/Kudlich, StGB, 54. Edt. (Stand. 1.8.2022), § 15 Rn. 46; Renzikowski JA 2009, 443.

[9] Der Vertrauensgrundsatz ist dabei richtigerweise dem Bereich des "erlaubten Risikos" zuzuordnen, MüKo/Duttge (Fn. 8), § 13 Rn. 114, 141; Saliger/Tsambikakis/Gaede, MedStrafR-HdB, 1. Aufl. (2022), § 2 Rn. 121; Lackner/Kühl/Kühl, StGB, 29. Aufl. (2018), § 13 Rn. 39; Roxin, StrafR AT, Bd. 1, 4. Aufl. (2006), § 24 Rn. 22.

[10] Eidam JA 2011, 912, 913; Renzikowski JA 2009, 443, 444.

[11] Für den Straßenverkehr Roxin (Fn. 9), § 24 Rn. 21; weiterführend Duttge ZIS 2011, 349, 350 ff.; Eidam JA 2011, 912; Saliger/Tsambikakis/Gaede (Fn. 9), § 2 Rn. 121 f., 235 ff.

[12] Mit MüKo/Duttge (Fn. 8), § 15 Rn. 142 f. ist eine Beschränkung der Anwendung des Vertrauensgrundsatzes auf bestimmte Lebensbereiche nicht (mehr) angezeigt, da die Legitimation des Vertrauensgrundsatzes – die unvermeidbare Risikoträchtigkeit menschlichen Handelns – eine Grundtatsache menschlichen Lebens schlechthin darstelle und deshalb auch für anonyme Sozialbeziehungen jedweder Art Geltung beanspruchen müsse; vgl. auch ders. ZIS 2011, 349, 352.

[13] Esser/Keuten NStZ 2011, 314, 319; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, 30. Aufl. (2019), § 15 Rn. 151.

[14] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 32; Mit MüKo/Duttge (Fn. 8), § 15 Rn. 147; Eidam JA 2011, 912, 915; Wilhelm Jura 1985, 184.

[15] Duttge HRRS 2009, 145, 147.

[16] Duttge ZIS 2011, 349, 351.

[17] Esser/Keuten NStZ 2011, 314, 320; MAH WirtschaftsstrafR/Knauer/Kämpfer, 3. Aufl. (2020), § 3 Rn. 35.

[18] BGH HRRS, 2022 Nr. 640, Rn. 36; BGHSt 19, 286, 288 f.; OLG Karlsruhe NJW 1977, 1930 f.; Duttge ZIS 2011, 349, 352; ders. HRRS 2009, 145, 147; Eidam JA 2011, 912, 915; Esser/Keuten NStZ 2011, 314, 320; Saliger/Tsambikakis/Gaede (Fn. 9), § 2 Rn. 237; SSW/Momsen, StGB, 5. Aufl. 2020, § 13 Rn. 33. Vgl. auch BGHSt 20, 315, 321 f. = NJW 1966, 673, 674.

[19] Esser/Keuten NStZ 2011, 314, 320.

[20] BGHSt HRRS 2022 Nr. 640 Rn. 36; BGHSt 43, 306, 310; BGHSt 19, 286, 288 f.

[21] BGH HRRS 2022 Nr. 640 Rn. 36; BGHSt 19, 286, 288 f.

[22] Diese Einschränkung bedeutet keine generelle Verwirkung der Garantien des Vertrauensgrundsatzes im Falle irgendeines pflichtwidrigen Verhaltens, sondern dient allein in Fällen, in denen Sorgfaltspflichtverletzungen mehrerer Personen kausal für das schädigende Ereignis sind, der Klarstellung, dass sich derjenige, der sich in diesem Kontext selbst sorgfaltspflichtwidrig verhalten hat, nicht mit der Berufung auf das Vertrauen in die Pflichttreue der anderen exkulpieren kann, NK/Puppe, StGB, 5. Aufl. (2017), Vor § 13 Rn. 165. MüKo/Duttge (Fn. 8), § 15 Rn. 144 hält das Kriterium für inhaltsleer und überflüssig.

[23] BGHSt 43, 306, 310. Hierzu mit ausführlicher Kasuistik Saliger/Tsambikakis/Gaede (Fn. 9), § 2 Rn. 235 ff., 257 ff.

[24] BGHSt 19, 286, 288 f.

[25] BGHSt HRRS 2022 Nr. 640 Rn. 37 ff.

[26] MüKo/Duttge (Fn. 8), § 15 Rn. 147. Im Bauwesen ist das arbeitsteilige Zusammenwirken der Regelfall, vgl. Esser/Keuten NStZ 2011, 314, 319 unter Verweis auf Schünemann ZfBR 1980, 113, 115.

[27] BGHSt 3, 91, 96 = NJW 1952, 1102; BGH StV 1988, 251; BGH NJW 1989, 1536, 1538; BGH NJW 1994, 797, 798; Ulsenheimer/Gaede/Bock, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Aufl. (2020), Rn. 220. Erfasst sind bspw. die getrennten Aufgabenbereiche von Chirurg und Anästhesist, hierzu BGH NJW 1980, 649, 650.

[28] Grundlegend BGH NJW 1980, 649, 650. Ferner BGHSt 43, 306, 310 m.w.N. S. auch Duttge ZIS 2011, 349, 351 und Saliger/Tsambikakis/Gaede (Fn. 9), § 2 Rn. 2236, 250 ff. für weitere Praxisbeispiele.

[29] BGH NJW 1980, 649 (650); Duttge HRRS 2009, 145, 146; Eidam JA 2011, 912, 914; Renzikowski StV 2009, 443, 444.

[30] BGH NJW 1980, 649 (650); Esser/Keuten NStZ 2011, 314, 320.

[31] BGHZ 140, 309, 315 f. = NJW 1999, 1779, 1780 f.; Duttge ZIS 2011, 349, 351; Saliger/Tsambikakis/Gaede (Fn. 9), § 2 Rn. 236. Im Fall wurde im Rahmen einer Augen-OP seitens des Operateurs ein sog. Thermokauter (i.e. Glühbrenner) verwendet, während vom Anästhesisten zugleich hochkonzentrierter Sauerstoff eingesetzt wurde, was zu einer Flammenentwicklung und Verbrennungen bei der Geschädigten führte.

[32] KG Berlin NJOZ 2004, 594; Duttge ZIS 2011, 349, 351; Eidam JA 2011, 912, 914.

[33] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 34.

[34] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 65.

[35] BGHSt 47, 224, 229 f. = NStZ 2002, 421, 422 f. m. krit. Anm. Freund.

[36] MüKo/Duttge (Fn. 8), § 13 Rn. 147; ders. NStZ 2006, 266, 269 f.; ders. ZIS 2011, 349, 351; Freund NStZ 2002, 424, 425. Ferner Knauer/Kämpfer (Fn. 17), § 3 Rn. 38 f.

[37] BGH HRRS 2022 Rn. 640, Rn. 62.

[38] BGHSt 53, 38 = HRRS 2009 Nr. 91 = NStZ 2009, 146 m. Anm. Bußmann NStZ 2009, 386; Duttge HRRS 2009, 145; Renzikowski StV 2009, 443. S. auch Eidam JA 2011, 912, 915 f.

[39] Mangels expliziter Kennzeichnung fällt es auch schwer, in der Entscheidung eine Bestätigung der Aussagen im Urteil zur Wuppertaler Schwebebahn zu sehen, wonach die klare Aufgaben- und Kompetenzverteilung Voraussetzung der Anwendung des Vertrauensgrundsatzes im Bauwesen sei.

[40] Duttge HRRS 2009, 145, 149 und wohl auch Kraatz, JR 2009, 182, 186 sprechen sich dagegen für die Anwendung der Grundsätze vertikaler Arbeitsteilung aus, da es in der Konstellation um die Abgrenzung des Verantwortungsbereiches der Mitarbeiter eines Subunternehmers vom Verantwortungsbereich des Bauunternehmers ging, der lediglich Teilaufgaben an den Subunternehmer delegiert hatte.

[41] BGHZ 103, 338, 340.

[42] BGHSt 53, 38, 41 f. = HRRS 2009 Nr. 91, Rn. 20 f. = NStZ 2009, 146, 147.

[43] BGHSt 53, 38, 41 f. = HRRS 2009 Nr. 91, Rn. 23 = NStZ 2009, 146, 147. Kritisch zu dieser Bewertung Duttge HRRS 2009, 145, 150.

[44] Vgl. Bußmann NStZ 2009, 386; Eidam JA 2011, 912, 916.

[45] Kritisch zu dieser Erweiterung der Voraussetzungen des Vertrauensgrundsatzes Knauer/Kämpfer (Fn. 17), § 3 Rn. 47.

[46] Esser/Keuten NStZ 2011, 314, 319 unter Verweis auf Schünemann ZfBR 1980, 113, 115.

[47] Vgl. Eidam JA 2011, 912, 916; Esser/Keuten NStZ 2011, 314, 321. Ähnlich Bußmann NStZ 2009, 386.

[48] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 68.

[49] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 71.

[50] BGH HRRS 2022 Nr. 640 Rn. 72.

[51] S. nur MüKo/Duttge (Fn. 8), § 15 Rn. 216; MR/Gaede (Fn. 8), § 15 Rn. 37.

[52] Vgl. z.B. LG Köln BeckRS 2019, 39125 zur Verurteilung eines Oberbauleiters wg. fahrlässiger Tötung. Die Entscheidung ist zwar vom BGH aufgehoben wurden (BeckRS 2021, 45064), allerdings nicht wegen der Verletzung materiellen Rechts, sondern wegen eines Verfahrensfehlers.

[53] Hierzu statt vieler MR/Gaede (Fn. 8), § 15 Rn. 31 m.w.N.

[54] Freund NStZ 2002, 424, 425.

[55] Vgl. BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 21.

[56] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 73.

[57] Im Ergebnis ebenso Brosthaus jurisPR-StrafR 12/2022 Anm. 1; wohl auch Brune/Schulte-Rudzio NStZ 2022, 675, 676.

[58] Sofern G. überhaupt als für die Unzulänglichkeiten in der Organisation der ARGE Verantwortlicher einzuordnen ist, was sich aus den Urteilgründen nicht eindeutig ergibt.

[59] BGH HRRS 2022 Nr. 640, Rn. 50.