HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Februar 2022
23. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Psychosoziale Prozessbegleitung – eine Gefährdung der Beschuldigtenrechte?

Von Prof. Dr. Klaus Riekenbrauk, Unkel und Prof. Dr. Gaby Temme, Düsseldorf[*]

I. Einleitung

Der Strafprozess dient allein dem Schutz des*der Beschuldigten und der Geltendmachung des staatlichen Strafanspruches. Insofern sind Einschränkungen der Rechte des*der Beschuldigten im Sinne einer viktimären Gesellschaft, d.h. einer Opferzuwendung der gesamten Gesellschaft[1] , nicht hinzunehmen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass der*die Verletzte durch den Strafprozess zusätzlich belastet (sekundär viktimisiert) werden sollte bzw. darf. Der Staat ist seinem Schutzanspruch gegenüber dem*der Verletzten nicht gerecht geworden. Er benötigt in den meisten Fällen den*die Verletzte*n als wichtige*n Zeugen*in, um seinen staatlichen Geltungsanspruch wiederherzustellen. Insofern ist es auch seine Aufgabe, den*die Verletzte*n vor weiteren Opferwerdungen durch den Strafprozess zu schützen. Dies kann auf professionelle Art und Weise durch die psychosoziale Prozessbegleitung sichergestellt werden, ohne die Unschuldsvermutung des*der Beschuldigten und die Wahrheitsermittlung im Strafprozess zu beeinträchtigen. Das soll im Weiteren näher ausgeführt werden. Dabei erfolgt insbesondere eine dezidierte Auseinandersetzung mit den zumeist von Strafverteidiger*innen vorgebrachten Argumenten gegen die Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung. Zunächst wird die psychosoziale Prozessbegleitung mit ihren rechtlichen Grundlagen kurz dargestellt. Im Anschluss erfolgt eine Zusammenfassung der wesentlichen Gegenargumente eingeteilt nach den wissenschaftlichen Grundlagen, auf die die Kritik rekurriert. Den Schwerpunkt des Beitrags bildet die Auseinandersetzung mit den Argumenten gegen die psychosozialen Prozessbegleitung vor dem Hintergrund der rechtlichen Regelungen des Strafprozesses und der Infragestellung der Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung. Die Kritik, die sich im Ergebnis auf die Disziplinen der Psychologie und Viktimologie bzw. Kriminologie[2] beruft, müsste in einem gesonderten Beitrag analysiert werden. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die vorgebrachten Gegenargumente im Sinne der Zuordnung zu Disziplinen zu systematisieren und eine dezidierte Auseinandersetzung mit den strafrechtlichen Argumenten vorzunehmen.

II. Rechtliche Grundlagen der psychosozialen Prozessbegleitung

Im Rahmen des 3. Opferrechtsreformgesetzes ist das "Gesetz zur psychosozialen Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG)" verabschiedet worden[3] ,das ebenso wie die Vorschriften in der StPO über die psychosoziale Prozessbegleitung am 01.01.2017 in Kraft getreten ist.[4] Der Geltungsbereich der Regelungen zur psychosozialen Prozessbegleitung erstreckt sich nach § 2 Abs. 2 JGG auch auf das Strafverfahren gegen Jugendliche.[5]

1. Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung

Nach § 2 Abs. 1 PsychPbG ist die psychosoziale Prozessbegleitung eine besondere Form der nicht rechtlichen Begleitung im Strafverfahren für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach der Hauptverhandlung. Die Tätigkeit umfasst die Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung und Unterstützung im gesamten Strafverfahren mit dem Ziel, die individuelle Belastung der Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung zu vermeiden. Diese Legaldefinition orientiert sich im Wesentlichen an dem Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe[6], in dem Standards der psychosozialen Prozessbegleitung formuliert sind und die mit dem Beschluss

der Justizminister*innenkonferenz vom Juni 2014 bestätigt worden sind.[7]

Folgende Grundsätze sind danach festgelegt: Akzeptanz des Rechtssystems und der Verfahrensgrundsätze, Verständnis für alle Verfahrensbeteiligte, Kooperation und ggf. Vernetzung, Transparenz der Arbeitsweise, Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und dem Ausgang des Verfahrens, Rollenklarheit und Abgrenzung zu anderen Beteiligten (keine Rechtsberatung, Sachverhaltsaufklärung oder Psychotherapie), Information über das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht des*der Prozessbegleiter*in, keine Beeinflussung oder Beeinträchtigung der Zeugen*innenaussage.

§ 2 Abs. 2 PsychPbG greift diese Standards auf, wonach die psychosoziale Prozessbegleitung "von Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und der Trennung von Beratung und Begleitung" geprägt ist (S. 1). Ausdrücklich wird bestimmt, dass die psychosoziale Prozessbegleitung "weder die rechtliche Beratung noch die Aufklärung des Sachverhaltes" umfasst und "nicht zu einer Beeinflussung des Zeugen oder einer Beeinträchtigung der Zeugenaussage" führen darf (S. 2). Schließlich müssen nach § 2 Abs. 2 S. 3 PsychPbG die Verletzten von dem*der psychosozialen Prozessbegleiter*in bereits zu Beginn seiner*ihrer Tätigkeit über diese Einschränkungen ebenso informiert werden wie über das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht.

Jede*r Verletzte*r kann sich – unabhängig von einer gerichtlich festgestellten besonderen Schutzbedürftigkeit – einer psychosozialen Prozessbegleitung gem. § 406g Abs. 1 StPO bedienen. Liegt kein Fall der Beiordnung gem. § 406g Abs. 3 StPO vor, muss der*die Verletzte die Kosten für die psychosoziale Prozessbegleitung in den meisten Fällen selbst tragen. Außerdem kann in diesen Fällen bei einer Gefährdung des Untersuchungszwecks die psychosoziale Prozessbegleitung von der Vernehmung gem. § 406g Abs. 4 StPO ausgeschlossen werden.

a) Voraussetzungen für die Beiordnung

Die Voraussetzungen für die Beiordnung sind unterschiedlich; dies ist abhängig davon, ob es sich um eine Pflicht- oder eine Ermessensbeiordnung handelt.

aa) Pflichtbeiordnung

Nach § 406g Abs. 3 S. 1 StPO i.V.m. § 397a Abs. 1 Nr. 4 muss zunächst Personen, die zur Tatzeit noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben und nebenklageberechtigt sind, auf ihren Antrag ein*eine psychosozialer Prozessbegleiter*in beigeordnet werden, wenn sie Verletzte von rechtswidrigen Straftaten nach den §§ 174-182, §184i bis 184k und 225 StGB geworden sind. Verletzte der gleichen Altersgruppe haben – sofern sie bei der Antragstellung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben – nach § 406g Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 397a Abs. 1 Nr. 5 StPO ebenfalls einen Anspruch auf Beiordnung, wenn sie durch rechtswidrige Taten nach §§ 221, 226, 226a, 232-235, 237, 238 Abs. 2 und 3, 239a, 239b, 240 Abs. 4, 249, 250, 252, 255 und 316a StGB geschädigt worden sind.

Darüber hinaus ist die Beiordnung auch gegenüber den Verletzten ohne Altersbeschränkung verpflichtend, die ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen können.[8] Dies ist anzunehmen , wenn das erlittene Tatgeschehen zu solchen psychischen oder physischen Belastungen geführt hat, die den*die Verletzte*n unfähig machen, nicht nur seine*ihre Rechte im Strafverfahren zu vertreten, sondern auch seinen*ihren grundlegenden Interessen und Bedürfnissen nachzukommen.[9]

bb) Ermessensbeiordnung

Neben Pflichtbeiordnungen sieht das Gesetz auch sog. Ermessensbeiordnungen vor. Auf Antrag des*der Verletzten können nach § 406g Abs. 3 S. 2 StPO Nebenklageberechtigten – unabhängig von ihrem Alter – ein*e psychosoziale*r Prozessbegleiter*in beigeordnet werden, wenn die besondere Schutzbedürftigkeit des*der Verletzten dies erfordert. Der Begriff der "besonderen Schutzbedürftigkeit" (vgl. § 48a Abs. 1 StPO), die sich aus den tatsächlichen Belastungen sowie den konkreten Tatumständen ergibt, wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich in Bezug zu Art. 22 Abs. 3 der EU-Opferschutzrichtlinie gestellt, der bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs als Prüfmaßstab herangezogen werden soll.[10] Nach dieser Richtlinienvorschrift ist die Rede von Verletzten, "die infolge der Schwere der Straftat eine beträchtliche Schädigung erlitten haben; Opfer, die Hasskriminalität und in diskriminierender Absicht begangene Straftaten erlitten haben, die insbesondere im Zusammenhang mit ihren persönlichen Merkmalen stehen könnten; Opfer, die aufgrund ihrer Beziehung zum und Abhängigkeit vom*von der Täter*in besonders gefährdet sind. Dabei sind Opfer von Terrorismus, organisierter Kriminalität, Menschenhandel, geschlechtsbezogener Gewalt, Gewalt in engen Beziehungen, sexueller Gewalt oder Ausbeutung oder Hassverbrechen sowie Opfer mit Behinderungen gebührend zu berücksichtigen".[11] Diese Gruppen mit besonderer Schutzbedürftigkeit werden ausdrücklich in der Gesetzesbegründung hervorgehoben, so dass Verletzte, die diese Merkmale aufweisen, in der Regel die Voraussetzung einer Beiordnung nach § 406g Abs. 3 S. 2 StPO erfüllen, da bei den Belastungen der genannten Personen das Erfordernis einer psychosozialen Unterstützung allgemein vorliegen wird.[12]

§ 406g Abs. 3 S. 3 StPO bestimmt, dass die Beiordnung für den*die Verletzte*n kostenfrei ist.

Liegen die Voraussetzungen für eine Beiordnung nicht vor, so können sich gem. § 406g Abs. 1 S. 1 StPO Verletzte gleichwohl eines*einer psychosozialen Prozessbegleiters*in bedienen. Dieses Recht gilt uneingeschränkt für alle Verletzte einer Straftat, ohne dass eine besondere Bedingung bzw. Voraussetzung wie die Nebenklageberechtigung erfüllt sein muss. In diesen Fällen haben die Verletzten in den meisten Fällen die Kosten für die psychosoziale Prozessbegleitung selbst zu tragen.

b) Befugnisse der psychosozialen Prozessbegleiter*innen

Nach § 406g Abs. 1 S. 2 StPO ist es den psychosozialen Prozessbegleiter*innen gestattet, während der Vernehmungen des*der Verletzten im Vorverfahren und während der Hauptverhandlung anwesend zu sein.

Entsprechend ihrer Funktion der psychosozialen Unterstützung besitzen Prozessbegleiter*innen über das Anwesenheitsrecht hinaus zwar keine weiteren prozessualen Rechte; in Absprache mit dem*der Klienten*in sollten sie aber im Einzelfall von der Möglichkeit Gebrauch machen, Schutzmaßnahmen zugunsten des*der Zeugen*in anzuregen wie bspw. die Aufzeichnung der Vernehmung gem. § 58a StPO, die getrennte Zeugenvernehmung gem. § 168e StPO, die Entfernung des*der Angeklagten nach § 247 StPO, die Vernehmung des*der Zeugen*in an anderem Ort nach § 247a StPO, die Vorführung der aufgezeichneten Zeugen*innenvernehmung gem. § 255a StPO oder den Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG. Erscheinen aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit des*der Zeugen*in diese Maßnahmen erforderlich zu sein und ist ein*eine Rechtsanwalt*wältin als Nebenklagevertreter*in oder Verletztenbeistand nicht beteiligt oder verweigert sich diese*r der Aufgabe entgegen den Interessen des*der verletzten Zeugen*in, gebietet die Aufgabenstellung der psychosozialen Prozessbegleitung – gerade auch angesichts von § 48a Abs. 1 StPO – eine derartige Intervention.[13]

c) Leistungen und Fachstandards

In dem Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, der der Regelung der psychosozialen Prozessbegleitung durch das 3. Opferrechtsreformgesetz zugrunde liegt, werden die Leistungen und Fachstandards detailliert aufgeführt.[14] Danach umfasst die psychosoziale Prozessbegleitung allgemein die (psycho-)soziale Unterstützung, die Vermittlung von Bewältigungsstrategien und Maßnahmen zur Reduzierung von Belastungen sowie die Informationsvermittlung von Verletzten (und Angehörigen) bzw. an Verletzte (und Angehörige).[15]

Der Bundesverband Psychosoziale Prozessbegleitung hat in seinen Qualitätsstandards die Leistungen in chronologischer Gliederung des Strafverfahrens und der in den einzelnen Phasen in Betracht kommenden Tätigkeiten im Einzelnen beschrieben.[16] Zum Beispiel wird i n § 1 Abs. 3 AGPsychPbG-AusführungsVO NRW diese Tätigkeits- und Aufgabenbeschreibung im Wesentlichen übernommen.[17]

d) Qualifikation

In § 3 PsychPbG werden die Anforderungen an die Qualifikation der Prozessbegleiter*innen benannt; danach müssen diese fachlich, persönlich und interdisziplinär qualifiziert sein (§ 3 Abs. 1).

Für die fachliche Qualifikation sind ein Hochschulabschluss im Bereich Sozialpädagogik, Soziale Arbeit, Pädagogik, Psychologie oder eine in diesen Bereichen abgeschlossene Berufsausbildung erforderlich; darüber hinaus werden berufspraktische Erfahrungen in einem dieser Bereiche gefordert sowie der Abschluss einer von einem Land anerkannten Aus- oder Weiterbildung zum*zur psychosozialen Prozessbegleiter*in (§ 3 Abs. 2 PsychPbG).

Weiterhin verlangt § 3 Abs. 3 PsychPbG, dass die Prozessbegleiter*innen die notwendige persönliche Qualifikation in eigener Verantwortung sicherstellen; dazu gehören insbesondere Beratungskompetenz, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Belastbarkeit sowie organisatorische Kompetenz.

Als interdisziplinäre Qualifikation ist nach § 3 Abs. 4 PsychPbG insbesondere ein zielgruppenbezogenes Grundwissen in Medizin, Psychologie, Viktimologie, Kriminologie und Recht erforderlich. Zudem wird eine regelmäßige Fortbildung nach der Anerkennung als psychosoziale Prozessbegleiter*in vorausgesetzt (§ 3 Abs. 5 PsychPbG).

Der*die Bundesgesetzgeber*in hat es den Ländern überlassen, festzulegen, welche Anforderungen an die Berufsausbildung, -erfahrung und spezialisierte Weiterbildung sowie die Fortbildung zu stellen sind (§ 4 PsychPbG).

e) Vergütung

Ausführlich wird in den Vorschriften der §§ 5 bis 10 PsychPbG die Vergütung der nach § 406g Abs. 3 StPO beigeordneten Prozessbegleiter*innen geregelt. Nach § 6 S. 1 PsychPbG erhält der*die beigeordnete Prozessbegleiter*in für eine psychosoziale Prozessbegleitung aus der Staatskasse im Vorverfahren eine Vergütung in Höhe von 520 Euro, im gerichtlichen Verfahren im ersten Rechtszug in Höhe von 370 Euro und nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens in Höhe von 210 Euro. Schleswig-Holstein hat hiervon abweichend eine Vergütung von 44 Euro pro Stunde festgelegt (§ 2 Landesverordnung) und die abrechenbaren Leistungen genau beschrieben (§ 3

Landesverordnung). In Bayern bestand bis zum 31.12.2020 die Möglichkeit eine Erhöhung in angemessenem Umfang – jedoch höchstens bis zu 15% – im Einzelfall zu erhalten (Art. 3 Abs. 5 BayStrAG).

In Art. 3 des 3. Opferrechtsreformgesetzes sind in Ergänzung des Gerichtskostengesetzes Kostengebühren für die Verurteilten vorgesehen; diese Gebühren entsprechen den genannten Vergütungssätzen.

III. Argumente aus der Strafverteidigung gegen die psychosoziale Prozessbegleitung

Bisher praktizierte, schützende Maßnahmen wie Zeugen*innenzimmer und Informationen über den Ablauf des gesamten Strafverfahrens[18] werden von Strafverteidiger*innen nicht als Eingriff in die Rechte des*der Beschuldigten gesehen.[19] Dagegen gefährde die Stärkung von weitergehenden Rechten (mutmaßlicher) Verletzter die Wahrheitsfindung im Strafverfahren und beeinflusse die Rechte des*der Beschuldigten negativ.[20] Hinzu komme der fehlende empirische Nachweis der Grundannahme der sekundären Viktimisierung durch das Strafverfahren.[21] Die Argumente werden also abgleitet aus strafrechtlichen, psychologischen bzw. kriminologischen und viktimologischen Überlegungen. Wenn es auch zunächst so erscheint, als ob die Gegenargumentationen der Juristen*innen größtenteils rein rechtlicher Natur sind, wird bei näherer Betrachtung sehr schnell deutlich, dass im Ergebnis nur wenige Argumente aus rein rechtlicher Perspektive Bestand haben. Alle anderen Aspekte stützen sich letztendlich auf psychologische, kriminologische, viktimologische Grundlagen oder Fragen zur Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung. Um dies zu verdeutlichen, werden die einzelnen Argumente im Folgenden entsprechend zugeordnet.

1. Strafrecht

Als eines der Hauptargumente wird vorgebracht, die Regelung zur psychosozialen Prozessbegleitung verstoße gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK[22]: Die Beiordnung aufgrund der Verletzteneigenschaft und der besonderen Schutzbedürftigkeit erfolge zu einem Zeitpunkt, bei dem die Täter*innenschaft noch gar nicht rechtskräftig festgestellt worden sei. Es werde unterstellt, die Zeugen*innenaussage entspräche der Wahrheit.[23] Zudem dränge sich das Bild der "Opfer-Entourage" auf[24] : Demnächst sitze neben dem*der Staatsanwalt*wältin, der*die Nebenkläger*in, die psychosoziale Prozessbegleitung, der*die Nebenklagevertreter*in und gegebenenfalls noch eine Vertrauensperson. Hierbei werde vollständig vergessen, dass auch die Angeklagten in diesem asymmetrischen Prozess besonders schutzbedürftig sind.[25] Die "Überzahl" der Unterstützer*innen inklusive der psychosozialen Prozessbegleitung auf der (mutmaßlichen) Verletztenseite beeinträchtige das Fragerecht der Verteidigung.[26] Dies verhindere die Waffen- und Chancengleichheit.[27]

Weitere Argumente gegen die psychosoziale Prozessbegleitung sind einerseits die Pflicht des*der später Verurteilten, die Kosten der psychosozialen Prozessbegleitung zu tragen[28]. Gleiches gilt für Einstellungen gem. § 153a StPO.[29] Andererseits wird auf die fehlende Ausschlussmöglichkeit der beigeordneten psychosozialen Prozessbegleitung bei der Gefährdung des Untersuchungszwecks – Umkehrschluss aus § 406g Abs. 4 S. 1 StPO – verwiesen.[30]

2. Psychologie

Unabhängig von der rein rechtlichen Argumentation im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung wird dieses Argument auch mit psychologischen Effekten begründet. Die Unterstellung bei der Beiordnungsentscheidung, dass es eine Verletzteneigenschaft und eine damit einhergehende Täter*innenschaft gebe, erzeuge eine Wirkung auf die Prozessbeteiligten und insbesondere das Gericht und schränke damit die Unschuldsvermutung ein.[31] Die Beiordnung durch den*die Richter*in bewirke eine Befangenheit, die zu einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, dem Recht auf ein unabhängiges Gericht, führe.[32] Es entstünden bei den Richter*innen möglicherweise eine Self-fulfilling-Prophecy sowie Perseveranz- und Inertia-Effekte. [33] Solche Effekte träten selbst dann ein, wenn der*die Richter*in nicht selbst beigeordnet habe, sondern aufgrund des Aktenstudiums am vorgeprägten Bild festhalte.[34] Dies führe zu einer frühzeitigen Stigmatisierung des*der Beschuldigten.[35] Zudem könnten sich aufgrund der Übermacht (Staatsanwaltschaft, Nebenkläger*in, Nebenklagevertreter*in, psychosoziale Prozessbegleitung, Vertrauensperson) psychologische Effekte auf die Richter*innen ergeben, die das Urteil zum Nachteil des*der Angeklagten beeinflussen.[36] Auch die mögliche Teilnahme der psychosozialen Prozessbegleitung bei einer Sachverständigenexploration wäre bedenklich.[37]

3. Viktimologie

Als viktimologische Argumente gegen die psychosoziale Prozessbegleitung werden vorgebracht, es fehle die empirische Grundlage für die Behauptung der sekundären Viktimisierung von (mutmaßlichen) Verletzten durch das Strafverfahren.[38] Zudem sei die Begriffsdefinition unklar.[39] Hinzu komme, dass es gerade für die streitigen Fälle an validen quantitativen und qualitativen Studien fehle.[40] Der Strafprozess biete mit der Vertrauensperson, dem*der Zeugen*innenhilfe, -beratung, -begleitung, dem*der Nebenklagevertreter*in[41] und der begleitenden Opferhilfe und -beratung ausreichend Unterstützungsangebote. Einer weiteren psychosozialen Prozessbegleitung bedürfe es insofern nicht.[42] Es müsste eher eine Begleitforschung durchgeführt werden, inwieweit weniger Prozessbegleitung nicht möglicherweise sogar für die reine Zeugen*innenposition weniger traumatisierend sei.[43]

4. Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung

Die Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung und deren Funktionsfähigkeit im Sinne des Strafprozesses wird in Frage gestellt. Eine tatsächliche Trennung zwischen Beratung und Begleitung sei schwer vorstellbar, wenn es das Ziel sei, das Vertrauen des*der (mutmaßlichen) Verletzten zu gewinnen.[44] Damit fehle es an der geforderten Neutralität und es könnten sich Suggestivwirkungen entfalten.[45] Das Vertrauensverhältnis könnte auch dazu führen, dass eine fehlerhafte Aussage des*der Zeugen*in nicht zurückgezogen wird, weil die psychosoziale Prozessbegleitung nicht enttäuscht werden solle[46] oder übertriebene Aussagen hervorrufe und damit die Wahrheitsfindung gefährde.[47] Zumindest aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Weiterempfehlung bedürfe es einer engen emotionalen Bindung des*der psychosozialen Prozessbegleiter*in zu dem*der (mutmaßlichen) Verletzten.[48]

Die Qualitätssicherung und -überprüfung der Arbeit der psychosozialen Prozessbegleiter*innen sei über § 3 Abs. 5 PsychPbG nicht ausreichend sichergestellt.[49]

IV. Diskussion

Die von den Strafverteidigern*innen vorgebrachten Argumente sollen im Weiteren diskutiert werden. Dabei erfolgt die Fokussierung auf die strafrechtlichen Gegenargumente und den Hinweis auf die fehlende Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung. Eine Auseinandersetzung mit den Argumentationen, die sich auf psychologische Effekte oder viktimologische Grundannahmen sowie Evaluationen beziehen, müsste an anderer Stelle bzw. in einem gesonderten Artikel erfolgen.

1. Strafrechtliche Gegenargumente

Im Folgenden wird dargestellt, dass durch die psychosoziale Prozessbegleitung weder eine Verletzung der Unschuldsvermutung noch eine Beeinträchtigung der Waffengleichheit vorliegt. Zudem kann nicht von einer fehlenden Legitimation der Opferrechte gesprochen werden. Es ist zuzugeben, dass eine Veränderung der Kostenregelungen bei einer Verurteilung überdacht werden sollte.

a) Beeinträchtigung der Unschuldsvermutung

Eines der wichtigsten Rechte von Beschuldigten ist die Unschuldsvermutung, wie sie in Art. 6 Abs. 2 EMRK zum Ausdruck gebracht wird; danach gilt jede Person, die einer Straftat verdächtig ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig. Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat die Unschuldsvermutung Verfassungsrang.[50] Wenn nun bereits zu Beginn des Ermittlungsverfahrens dem*der "Verletzten" auf Antrag eine psychosoziale Prozessbegleitung beigeordnet wird, dann – so Neuhaus – kann das nur unter der Voraussetzung geschehen, dass für das Gericht bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Verletzung der antragstellenden Person feststeht. Somit gehe das Gericht von einer "Opfervermutung" aus, die die Wahrheit der Zeugenaussage des*der Verletzten unterstellt; die Unschuldsvermutung zwinge aber dazu, dass für die Zeugen*innenaussage die "Nullhypothese" gelte, diese also solange als unwahr gelte, bis das Gegenteil bewiesen ist.[51] Ähnlich argumentiert Pollähne: "Vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens steht noch gar nicht fest, ob jene oder jener ‚Verletzte‘ tatsächlich verletzt wurde, und wenn ja: wodurch und ggf. von wem (ganz abgesehen von den Fragen der materiellen Strafbarkeit). Dem sog. hinreichenden Tat- und Täter*innenverdacht der Anklageerhebung und -zulassung steht gewissermaßen ein hinreichender Opfer- bzw. Verletztenverdacht gegenüber, nicht mehr und nicht weniger."[52]

Folgt man ohne Einschränkungen dieser Argumentation, so wären Zwangsmaßnahmen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens – wie die Beschlagnahme, die Wohnungsdurchsuchung oder die Überwachung der Telekommunikation –, die sich auf einen bloßen Verdacht stützen, also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte wie bspw. eine belastende Zeugen*innenaussage voraussetzen, die die

Wahrscheinlichkeit einer angezeigten Straftat begründen, ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung und folglich unzulässig. Eine solche Auffassung verkennt den rechtlichen Charakter der Unschuldsvermutung, die zwar ein allgemein anerkanntes Grund- und Menschenrecht ist[53], jedoch kein absolutes Recht beinhaltet, sondern nach der Rechtsprechung des EGMR Einschränkungen auch durch zulässige "Schuldvermutungen", besser Rechts- und Tatsachenvermutungen im Rahmen eines Verdachts, erfährt.[54] Voraussetzung für die Zulässigkeit von "Schuldvermutungen" ist, dass sie sich in rechtsstaatlichen Grenzen bewegen, also insbesondere es dem*der Beschuldigten möglich ist, die Vermutung durch wirksame Verteidigung rechtlich sowie tatsächlich zu widerlegen, und das Gericht die Vermutungsregelung nicht automatisch anwendet, sondern die Beweise sorgfältig würdigt.[55] Die Unschuldsvermutung verbietet mithin keine gegen den*die Beschuldigte*n gerichteten Zwangsmaßnahmen, die der Ermittlung des Sachverhaltes und der Sicherung des Strafverfahrens dienen, auch wenn dafür lediglich ein mehr oder weniger qualifizierter Verdacht vorliegt. Derartige Strafverfolgungsmaßnahmen, die bereits zu Beginn des Ermittlungsverfahrens erhebliche Zwangseingriffe in die Rechtsstellung des*der Beschuldigten bedeuten, setzen nicht seine Schuld sondern nur den Verdacht einer Straftat voraus und dienen gerade der Klärung des Tatvorwurfs.[56] So hat das BVerfG solche verfahrensbezogenen Bewertungen von Verdachtslagen für die Durchführung eines an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientierten Strafverfahrens als unerlässlich angesehen und festgestellt, dass die Unschuldsvermutung dadurch nicht verletzt wird.[57]

Zu Recht weist Weigend darauf hin, dass die Unschuldsvermutung eine spezifische Schutzfunktion zugunsten des*der einer Straftat Verdächtigen hat, der*die in besonderem Maße der Gefahr von staatlichen Übergriffen in seine*ihre Freiheitssphäre ausgesetzt ist und die gesetzlich garantierte Unschuldsvermutung die Versuchung staatlicher Organe abwehrt, den*die Verdächtige*n als Schuldige*n zu behandeln; das aber – so Weigend – habe mit der Rechtsstellung des*der Verletzten nichts zu tun.[58]

Umso mehr muss dies für Maßnahmen auf der Grundlage eines Verdachts gelten, die sich nicht unmittelbar gegen den Beschuldigten richten, sondern dem Schutz des*der Verletzten dienen. Um sicherzustellen, dass sich die damit verbundene "Schuldvermutung" in den Grenzen eines rechtstaatlichen Rahmens bewegt, ist es vor Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit i.S.v. § 406g Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 397a Abs. 3 S 2 StPO erforderlich, dass vor einer Entscheidung des Gerichts über die Beiordnung nicht nur die Staatsanwaltschaft (§ 33 Abs. 2 StPO) sondern in Anwendung von Art. 103 Abs. 1 GG auch der*die Beschuldigte angehört wird.[59] Auf dieser Basis muss es dem Gericht gestattet sein, in Entsprechung einer zulässigen "Schuldvermutung" auch eine "Opfervermutung" zu bejahen, die eine Beiordnung der psychosozialen Prozessbegleitung gestattet.

b) Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit

Ein weiterer Einwand betrifft den rechtsstaatlichen Grundsatz der Waffengleichheit im Strafprozess, der nach der Rechtsprechung des BVerfG Ausdruck eines fairen Verfahrens ist und der sowohl dem*der Ankläger*in wie dem*der Beschuldigten grundsätzlich die gleiche verfahrensrechtliche Stellung einräumt.[60] Als Teil des Rechtes auf ein faires Verfahren stammt der Grundsatz der Waffengleichheit ursprünglich aus dem angloamerikanischen Parteiprozess, in dem sich Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde auf der einen Seite und den*die Beschuldigte*n sowie die Verteidigung auf der anderen Seite quasi in einem Zweikampf gegenüberstehen und in Anerkennung von Verfahrensgerechtigkeit dem*der Beschuldigten die Chance sichern soll, sich gegenüber der ihm*ihr gegenüber generell überlegenen Anklagebehörde bestmöglich zu verteidigen.[61] Dabei bedeutet Waffengleichheit nicht, dass Ankläger*in und Beschuldigte*r über die gleichen Rechte verfügen, sondern deren Ausbalancierung unter Berücksichtigung der Verschiedenartigkeit der Prozessrollen.[62] Einschränkend weist jedoch das BVerfG darauf hin, dass die verfahrensspezifischen Unterschiede in der Rollenverteilung von Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem*r nicht in jeder Beziehung ausgeglichen werden müssen.[63]

Neuhaus bewertet die Anwesenheit einer psychosozialen Prozessbegleitung bei Vernehmungen als eine – numerische – Unterlegenheit des*der Beschuldigten, der*die sich außerdem der Staatsanwaltschaft, dem*der Nebenkläger*in sowie seinem*r anwaltlichen Vertreter*in gegenübersieht, also – so Neuhaus – einer "Opfer-Entourage", die die Verfahrensbalance "ersichtlich" stört und letztlich zur Einschüchterung nicht nur des*der Beschuldigten sondern auch seines*r Verteidigers*in sowie darüber hinaus ebenfalls zu einer Beeinflussung des Gerichtes zu führen

vermag.[64] Von "Waffengleichheit" könne daher nicht mehr die Rede sein.[65]

Im Hinblick auf das Jugendstrafverfahren wirkt – zugegebenermaßen – das dramaturgisch gezeichnete Bild der zahlenmäßig überlegenen "Opferseite" verstörend, wenn in den – eher seltenen – Fällen einer nach § 80 Abs. 3 JGG zugelassenen Nebenklage auf der "anderen Seite" Nebenkläger*in, Nebenklagevertreter*in und psychosoziale Prozessbegleitung neben der Staatsanwaltschaft Platz nehmen. Aus der Perspektive des*der jugendlichen Beschuldigten kann eine solche "Übermacht" auf Seiten des*der Verletzten verängstigen, degradieren und möglicherweise bloßstellen mit der Folge, dass das auch im Jugendstrafverfahren herrschende Postulat der "Erziehung" Schaden leidet.[66] Andererseits wird es in der Praxis nur in Ausnahmefällen vorkommen – und das gilt auch für das Strafverfahren gegenüber erwachsenen Beschuldigten –, dass bei Vernehmungen im Ermittlungsverfahren die psychosoziale Prozessbegleitung von ihrem Anwesenheitsrecht Gebrauch machen wird, um zu vermeiden, Einzelheiten des Strafvorwurfs durch die Aussage des*der Verletzten zu erfahren, und damit bewusst oder unbewusst Einfluss auf die Zeugen*innenaussage zu nehmen (vgl. § 2 Abs. 1 PsychPbG).[67] Auch in der Hauptverhandlung wird erfahrungsgemäß der*die Verletzte vor seiner*ihrer Zeugenaussage den Sitzungssaal verlassen oder erst gar nicht erscheinen, bevor er*sie als Zeuge*in aussagen muss.[68] Das gleiche gilt für die psychosozialen Prozessbegleitung, die sich außerhalb des Sitzungssaals bzw. des Gerichts um den*die Verletzte*n zu kümmern hat.[69] Insoweit ist das Bild der einschüchternden "Opferentourage" zu relativieren; wenn – theoretisch betrachtet – die Bank der Staatsanwaltschaft mit weiteren Verfahrensbeteiligten bzw. Anwesenheitsberechtigten gefüllt sein mag, so können – theoretisch betrachtet – zur Herstellung der "Waffengleichheit" auf der Seite des*der Angeklagten insgesamt drei Verteidiger*innen Platz nehmen (§ 137 Abs. 1 S. 2 StPO). Schließlich wird mit dem Argument, die Waffengleichheit werde mit der Anwesenheit der psychosozialen Prozessbegleitung verletzt, die Tatsache verkannt, dass die psychosoziale Prozessbegleitung über keine "Waffen" verfügt. Allein das bloße Anwesenheitsrecht, das der psychosozialen Prozessbegleitung bei Vernehmungen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung zusteht, lässt sich schwerlich als "Waffe" begreifen, mit der die Fairness des Verfahrens beeinträchtigt wird. So trifft dieses Argument auch eher die Nebenklage, mit der der*die Verletzte und seine*ihre anwaltliche Vertretung über vielfältige prozessuale Rechte verfügt, mit denen auf das Strafverfahren wirksam Einfluss genommen werden kann.

c) Zweifelhafte Legitimation von Schutzrechten für die Verletzten

In einer eher strafrechtstheoretischen Betrachtung der Ausweitung von "Opferrechten" kommt Kölbel zu dem Schluss, dass diese Rechte insbesondere in der Nebenkläger*innenrolle einen Umfang erreicht haben, der die Beschuldigten- und Verteidiger*innenrechte in etlichen Aspekten klar übersteigt und "als Paradigmenwechsel vom beschuldigten- hin zum verletztenzentrierten Strafverfahren" einzustufen sind.[70] Im Vordergrund dieser Überlegungen stehen insbesondere die erweiterten Offensiv- bzw. Initiativrechte, wie sie die Nebenklage erlauben,[71] und die Frage, ob die Opfergenugtuung als Strafzweck eine – unzulässige – Aufwertung oder sogar ein subjektiver Anspruch auf Bestrafung des*der Täters*in nicht nur gesellschaftliche sondern auch rechtliche Anerkennung erfährt.[72]

Offensichtlich gilt diese Kritik im Wesentlichen der erweiterten Rechtsstellung der Nebenklage, die einen Umfang erreicht habe, der die Beschuldigten- und Verteidiger*innenrechte in etlichen Aspekten klar übersteige.[73] Demgegenüber scheinen die Schutzrechte der Verletzten im Strafverfahren – auch bei den Kritiker*innen – auf Verständnis zu stoßen.[74] Und das zu Recht! Von Galen weist zutreffend darauf hin, dass als Ausfluss der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG dem*der Verletzten eine Subjektstellung zukommt und für ihn*sie das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete und in Art. 6 EMRK verankerte Recht

auf ein faires Verfahren gilt.[75] Dazu hat das BVerfG bereits 1974 ausgeführt, dass d er*die Zeuge*in "ungeachtet seiner prozessualen Funktion als Beweismittel nicht zum bloßen Objekt eines Verfahrens gemacht werden darf." Zwar gehöre er*sie nicht zu den "Parteien" des Verfahrens. "Seine passive Rolle im Verfahren lässt jedoch unberührt, dass der durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsbereich des Zeugen den Einwirkungen des Verfahrensrechts und seiner Anwendung durch die Verfahrensbeteiligten entzogen ist. Soweit sich der Rechtsstaat in dem Grundrechtsschutz verkörpert und zu diesem Zweck die Mäßigung der staatlichen Gewalt verlangt, muss staatliches Handeln den Menschen in seiner Eigenständigkeit achten und schützen."[76] Die Notwendigkeit des Zeugen*innenschutzes leitet sich ab aus der staatlichen Schutzpflicht einmal gegenüber Beeinträchtigungen des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit zum anderen aus der Pflicht zur Achtung der Persönlichkeit sowie schließlich aus der gerichtlichen und staatsanwaltlichen Fürsorgepflicht für den*die Zeugen*in, insbesondere dann, wenn es sich um mutmaßliche Verletzte einer Straftat handelt.[77] Prägnant weist Safferling darauf hin, dass Opferschutz eine staatliche Notwendigkeit und zugleich ein subjektives Recht des Opfers ist.[78] Selbst der Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins hat sich in seiner Stellungnahme zu der Opferschutzrichtlinie der EU von 2012, die die Diktion des "Opfers" kritisiert, grundsätzlich zu der staatlichen Schutzfunktion gegenüber den – potentiellen – Verletzten bekannt: "Da die Einordnung als Opfer erst nach Rechtskraft möglich ist, potentielle Opfer jedoch ab dem Beginn eines Strafverfahrens einer besonderen Beachtung und Fürsorge bedürfen, stellt die Richtlinie sicher, dass Zeugen, die anzeigen oder aussagen, Opfer einer Straftat geworden zu sein, den erforderlichen Schutz und die erforderliche Hilfe erhalten. Soweit damit Personen von dieser Richtlinie erfasst werden, bei denen sich im Laufe des Strafverfahrens herausstellt, dass sie nicht zu den Opfern im Sinne von Art. 2 a) i) gehören, ist dies zur Gewährleistung eines umfassenden Schutzes für alle Opfer von Straftaten im Sinne von Art. 2 a) i) in Kauf zu nehmen."[79]

Wenn der*die Gesetzgeber*in die Schutzrechte der Verletzten, insbesondere wenn es sich um Kinder und Jugendliche handelt, im Strafverfahren auf die psychosoziale Prozessbegleitung erweitert, bewegt er sich in dem Rahmen der Fürsorgepflicht, die die Rechtsprechung des BVerfG vorgezeichnet hat.

d) Kostentragungspflicht bei Einstellung und Verurteilung

Die Kostentragungspflicht nach Beiordnung der psychosozialen Prozessbegleitung i.S.v. § 465 Abs. 1 StPO durch den*die Verurteilte*n sollte überdacht werden. Die Regelung, wonach bei "Unbilligkeit" nach § 465 Abs. 2 S. 4 StPO die Kostentragungspflicht entfällt, genügt insofern nicht. Wenn der Staat sein Versagen im Hinblick auf seine Schutzpflicht gegenüber dem*der Verletzten mit der psychosozialen Prozessbegleitung abmildern will und es mit dem Opferschutz ernst meint, dann muss er auch die finanziellen Konsequenzen daraus ziehen. Ansonsten entsteht die Folge, dass Strafverteidiger*innen gerade in Fällen, in denen sie sich sicher sind, dass sie keinen Freispruch erwirken können, besonders aggressiv gegen die Beiordnungswünsche vorgehen. Sie tun dies also in Fällen, in denen ihre eigentliche Kritik der Infragestellung der Verletzteneigenschaft vor der rechtskräftigen Verurteilung zwar rein strafprozessual, aber in der Sache nicht greifen würde. Leidtragende wären gegebenenfalls diejenigen, bei denen später die Verletzteneigenschaft durch das rechtskräftige Urteil bestätigt wird. Außerdem würden sonst die Beschuldigten schlechter gestellt, bei denen zum Zeitpunkt der Beiordnung der psychosozialen Prozessbegleitung das Verfahren noch gegen "Unbekannt" geführt wird und so ein*eine Verteidiger*in die Beiordnung gar nicht rechtzeitig in Frage stellen kann. Um diese Effekte zu vermeiden, sollten die Kosten für die psychosoziale Prozessbegleitung auch im Falle einer Verurteilung des*der Täter*in vom Staat getragen werden.

2. Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung

Im Hinblick auf die Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung gibt es zwei Ansätze der Kritik. Einerseits wird behauptet, die Tätigkeiten der psychosozialen Prozessbegleitung würden bereits durch die Nebenklagevertreter*innen und für Beschuldigte durch die Strafverteidiger*innen wahrgenommen. Andererseits wird davon ausgegangen, dass es psychosozialen Prozessbegleiter*innen an ausreichender Professionalität fehlt.

a) Nebenklagevertretung als psychosoziale Prozessbegleitung

Neuhaus argumentiert, dass die Aufgaben der psychosozialen Prozessbegleitung bereits durch die Nebenklagevertretung wahrgenommen würden – genauso wie die psychosoziale Begleitung für den*die Beschuldigte durch den*die Verteidiger*in erfolge –.[80] Es sei Aufgabe des*der Verteidiger*in dem*der Beschuldigten die fremde Welt der Justiz transparent zu machen und der Furcht vor unangemessenem Umgang entgegenzuwirken.[81] Gleiches könne auch der*die Nebenklagevertreter*in tun.[82] Einer psychosozialen Prozessbegleitung bedürfe es dafür nicht.[83] Aus rechtlicher Sicht ist dies sicherlich richtig, allerdings wird damit die eigentliche Aufgabe der psychosozialen Prozessbegleitung nicht erfasst. Sie soll zu einer psychosozialen Stabilisierung beitragen. Um dies zu können, bedarf sie zwar der Kenntnisse strafrechtlicher Abläufe, aber zentral ist die originäre Profession der Sozialen Arbeit, Pädagogik oder Psychologie. Sicherlich will Neuhaus nicht sagen, dass der*die Strafverteidiger*in oder Nebenklagevertreter*in ausgebildete*r Sozialarbeiter*in oder Psychologe*in in

einer Person ist. Selbst wenn er*sie diese Doppelqualifikation besitzen sollte, bleibt unklar, wie er*sie sich einerseits auf die relevanten strafjuristischen Aspekte in der Hauptverhandlung konzentrieren und andererseits die psychosoziale Verfassung seines*seiner Mandanten*in berücksichtigen will. Auch im Hinblick auf Abrechnungs- und Zeitmanagementfragen dürften sich einige Probleme ergeben.

b) Rechtliche Vorgaben zur Sicherstellung der Professionalität

Die Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung und deren Kontrolle kann auf unterschiedlichen Wegen sichergestellt werden. Der Landesrechtsvorbehalt gem. § 4 PsychPbG ermöglicht es den Ländern, konkret die in § 3 PsychPbG genannten Anforderungen an die Qualifikation der Prozessbegleiter*innen auszugestalten, aber auch über diese hinauszugehen sowie diese einer permanenten Kontrolle zu unterziehen. Zudem finden sich in den Standards der Berufsverbände und Organisationen, in die die psychosozialen Prozessbegleiter*innen eingebunden sind, Anhaltspunkte und Vorgaben[84]. Im Folgenden sollen exemplarisch die landesrechtlichen Vorgaben näher betrachtet werden. Eine vollständige Übersicht ist im Rahmen des Artikels nicht zu leisten. Deshalb werden die strengsten Regelungen dargestellt. Zum Abschluss wird anhand von "worst-case"-Szenarien analysiert, ob bzw. inwieweit die Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung durch die normativen Vorgaben sichergestellt werden können.

aa) Darstellung strengster Landesregelungen

Im Hinblick auf die erforderliche Berufserfahrung haben Bayern, Niedersachen und Thüringen die strengsten Anforderungen. Sie fordern eine mindestens zweijährige Berufserfahrung in den einschlägigen Bereichen und lassen keine Ausnahmeregelungen zu (Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayStrAG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Nds. AG PsychPbG, § 1 Nr. 2 ThürPsychPbAG). Bayern legt zudem fest, dass die Berufserfahrung nicht länger als acht Jahre zurückliegen darf (Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayStrAG). Die strengsten und genauesten Regelungen der Weiterbildungsinhalte finden sich in Rheinland-Pfalz ( § 1 S. 2 Verordnung zum AGPsychPbG) und Sachsen (§ 1 Abs. 2 SächsPsychPbGAGDVO). Es werden Mindestanforderungen entsprechend den Vorgaben der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses[85] festgelegt. Niedersachsen legt nur die fünf Oberthemen der Standards der Arbeitsgruppe gesetzlich fest, ergänzt diese allerdings um die Kriminologie und Medizin (§ 2 Abs. 2 AGPsychPbG M-V, § 6 Abs. 2 Nds, AG PsychPbG) . Zudem werden genaue Stundenangaben für die einzelnen Themen festgelegt ( § 4 Abs. 2 NPsychPbVO) .

Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt normieren klare Fortbildungspflichten. Niedersachsen gibt gem. § 7 Nr. 2 Nds. AG PsychPbG inhaltlich vor, dass der*die psychosoziale Prozessbegleiter*in verpflichtet ist, sich über die wichtigen Entwicklungen und Ergänzungen der Fachgebiete Recht, Kriminologie, Viktimologie, Medizin, psychologie, Psychotraumatologie, Theorie und Praxis der Psychosozialen Prozessbegleitung und Methoden und Standards der Qualitätssicherung und Eigenvorsorge zu informieren und Fähigkeiten und Kompetenzen, die die persönliche Qualifikation sicherstellen, aufzufrischen und weiterzuentwickeln. Einmal jährlich muss an einer Fortbildung teilgenommen werden (§ 3 Abs. 1 NPsychPbVO). Nordrhein-Westfalen trifft inhaltliche und zeitliche Vorgaben und legt Kontrollen und Konsequenzen fest. Ein mindestens alle zwei Jahre stattfindender Besuch einer fachspezifischen Fortbildung i.d.R. von mindestens zehn Zeitstunden hörend oder dozierend aus den fünf Themengebieten, die für die Weiterbildung festgelegt wurden, ist verpflichtend (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AG PsychPbG, § 6 Abs. 3 AGPsychPbG-Ausführungsverordnung NRW). Aufeinander folgende Fortbildungen sollen i.d.R. unterschiedliche Schwerpunktthemen haben (§ 6 Abs. 1 S. 2 AGPsychPbG-Ausführungsverordnung NRW). Sofern es sich nicht um Präsenzveranstaltungen handelt, muss die Interaktion zwischen den Teilnehmer*innen und die durchgängige Teilnahme sichergestellt sein (§ 6 Abs. 2 AGPsychPbG-Ausführungsverordnung NRW). Von den zehn Stunden dürfen drei Stunden im Rahmen des Selbststudiums erbracht werden, sofern eine Lernerfolgskontrolle durchgeführt wird (§ 6 Abs. 4 AGPsychPbG-Ausführungsverordnung NRW). Die Erfüllung dieser Pflichten ist der Anerkennungsstelle auf Anforderung nachzuweisen (§ 5 Abs. 2 S. 4 AGPsychPbG NRW). Ein Widerruf der Anerkennung soll erfolgen, sofern der Fortbildungspflicht beharrlich zuwidergehandelt wird (§ 8 Abs. 2 S. 1 AG PsychPbG NRW). Bei einer Neubeantragung der Anerkennung nach dem Ablauf der Befristung soll diese nur erfolgen, wenn die Ableistung der Fortbildungspflicht nachgewiesen wurde (§ 6 Abs. 2 S. 2 AG PsychPbG NRW). Sachsen-Anhalt hat die Widerrufsmöglichkeit als "kann-Regelung" formuliert (§ 8 Abs. 2 S. 2 PsychPbGAG ST). Weitergehende inhaltliche Vorgaben wie in NRW gibt es nicht. Baden-Württemberg legt die Fortbildungspflicht im Kalenderjahr auf einen Tag fest (§ 3 Abs. 2 AG PsychPbG). Sachsen legt acht

Fortbildungsstunden im Kalenderjahr fest (§ 5 SächsPsychPbGAGDVO).

Lediglich Nordrhein-Westfalen trifft verbindliche Regelungen zur Supervision. Im Kalenderjahr muss Supervision oder kollegiale Beratung erfolgen (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AG PsychPbG NRW). Es gilt auch hierfür die Nachweispflicht wie bei der Fortbildung und die Neuantragsnachweispflicht sowie die Widerrufsregelung als "soll"-Regelung. Die Supervision muss mindestens zwei Zeitstunden und die kollegiale Beratung mindestens vier Zeitstunden betragen (§ 7 Abs. 3 AGPsychPbG-Ausführungsverordnung NRW). Es erfolgt eine Definition für die kollegiale Beratung (§ 7 Abs. 2 AGPsychPbG-Ausführungsverordnung NRW). Zudem wird festgelegt, dass Gegenstand der Supervision und der kollegialen Beratung die Tätigkeit als anerkannte*r psychosoziale Prozessbegleiter*in sein muss (§ 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 AGPsychPbG-Ausführungsverordnung NRW). Die Supervision muss durch eine*n unabhängige*n Supervisor*in mit entsprechender Qualifikation bzw. Zusatzausbildung geleitet werden (§ 7 Abs. 1 S. 1 AGPsychPbG-Ausführungsverordnung NRW).

Niedersachen legt gem. § 1 Abs. 2 NPsychPbVO einen genauen Leistungskatalog, Dokumentationspflichten (§ 2 Abs. 1 NPsychPbVO) und dezidierte Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualitätsstandards (§ 3 NPsychPbVO) für die psychosozialen Prozessbegleitung fest.

bb) Mögliche "worst-case"-Szenarien?

Wie könnten "worst-case”-Szenarien aus Sicht der Strafverteidigung aussehen? Gibt es gegen diese Szenarien normative Sicherungen?

Im Hinblick auf das "worst-case"-Szenario gibt es unterschiedliche Varianten.

aaa) Szenario 1: Engagierte Ehrenamtler*innen der Opferhilfe

Das Szenario, wonach engagierte Ehrenamtler*innen der Opferhilfe als psychosoziale Prozessbegleiter*innen im Sinne des PsychPbG tätig werden könnten, ohne einen Hochschulabschluss oder eine Berufsausbildung im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 PsychPbG zu haben, ist rechtlich nicht möglich. Problematisch könnte die Voraussetzung der praktischen Berufserfahrung gem. § 3 Abs. 2 S. 2 PsychPbG werden. Was unter praktischer Berufserfahrung genau zu verstehen ist, hat keines der Gesetze näher ausgeführt. Der Bericht der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses[86] stellte fest, dass in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz und Thüringen die Zeugen*innen- und Prozessbegleitung vorrangig durch Ehrenamtliche oder pädagogische Laien angeboten wurde. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass es sich nicht um psychosoziale Prozessbegleitung handelte. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die dort erworbenen Erfahrungen als praktische Berufserfahrungen in einigen Bundesländern gewertet werden. Wenn dies der Fall wäre, müsste weitergehend die Frage nach der genauen Zeitberechnung gestellt werden. Werden die ehrenamtlich geleisteten Stunden auf eine 38,5 Stunden-Woche gerechnet? Falls eine entsprechende Berechnung möglich ist, kommt hinzu, dass in 13 Bundesländern auch eine geringere praktische Berufserfahrung zulässig ist. Hessen formuliert diese Ausnahmemöglichkeit in § 1 S. 2 PsychPbGHAG wie folgt: "wenn die erforderliche praktische Berufserfahrung gewährleistet ist." Im Ergebnis wird dies aber ein geringer zu bewertendes gegebenenfalls bestehendes Problem sein, denn entscheidend ist, dass die meisten bisherigen Ehrenamtlichen die Grundqualifikation des einschlägigen Hochschulabschlusses oder der einschlägigen Berufsausbildung im Bereich Soziale Arbeit, Sozialpädagogik, Pädagogik oder Psychologie gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 PsychPbG nicht besitzen und deshalb auf keinen Fall – unabhängig von einer anzurechnenden ehrenamtlichen Tätigkeit – die Voraussetzungen für eine*n psychosoziale Prozessbegleitung erfüllen. Sofern die Grundqualifikation gegeben ist, wird in den meistens eine mindestens zweijährige Berufserfahrung in den genannten Bereichen vorliegen.

bbb) Szenario 2: Sozial-, Geisteswissenschaftler*innen oder Polizeibeamte*innen

Interesse an der Qualifikation als psychosoziale Prozessbegleiter*innen zeigen auch andere Professionen außerhalb der Sozialen Arbeit, Sozialpädagogik, Psychologie oder Pädagogik. Möglicherweise hat das zum Teil mit dem derzeitigen Stellenmarkt in bestimmten Bereichen oder besonderem persönlichen Engagement zu tun. Diese erfüllen aber nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 PsychPbG und können dementsprechend nicht als solche anerkannt werden. Das sollten auch Weiterbildungsinstitute von Beginn an klarstellen, um nicht falsche Hoffnungen auf neue Berufsperspektiven zu wecken. Zwar haben einzelne Studiengänge kleine Teilelemente, die aus den Bereichen Pädagogik oder Psychologie stammen, diese reichen aber nicht aus, um eine Grundlage aus psychosozialer Sicht für die Weiterbildung der psychosozialen Prozessbegleitung zu schaffen.

ccc) Szenario 3: Der*die 22-jährige Bachelorabsol-vent*in

Das neue Berufsfeld könnte für junge Hochschulabsolventen*innen attraktiv sein. Formal könnte bei diesen tatsächlich – sofern als Berufserfahrung auch Praktika und staatliche Anerkennungsmodule gezählt werden – die Situation entstehen, dass sie die Weiterbildung in den 13 Bundesländern, die für den Mindestzeitraum der Berufserfahrung von zwei Jahren Ausnahmen zulassen, beginnen und mit sehr wenig Berufserfahrung grundsätzlich die Anerkennung erlangen können. In diesen Fällen ist es besonders wichtig, dass in der Weiterbildung die Aspekte der Reflexion des eigenen Handelns und der Eigenfürsorge vorhanden sind und eine Supervision – wie in NRW vorgeschrieben – erfolgt.

Zum Beispiel in Bayern müssten zwar die zwei Jahre Berufserfahrung zwingend vorhanden sein, aber auch dann könnten sehr junge Menschen im Arbeitsfeld der psychosozialen Prozessbegleitung beginnen. Insofern ist für dieses Bundesland bedenklich, dass es an einer näheren rechtlichen Festlegung der genauen Inhalte der Weiterbildung fehlt, die über § 3 Abs. 4 S. 1 PsychPbG hinausgeht.

Die meisten Bundesländer haben als Grundlage den dezidierten inhaltlichen Katalog des Berichts der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses übernommen und diesen zum Teil sogar noch erweitert.

ddd) Szenario 4: "Zwangsverpflichtete" Gerichts- und Bewährungshelfer*innen

Ein Teil der Bundesländer hatte Sorge, dass die Bedarfe für psychosoziale Prozessbegleitung ab dem 01.01.2017 nicht abgedeckt werden können. Deshalb wurden Gerichts- und Bewährungshelfer*innen mit in die Qualifikation als psychosoziale Prozessbegleiter*innen einbezogen. Über diese sollte die Grundversorgung sichergestellt werden. Alle Bundesländer lassen über Abweichungen vom Regelfall Sonderregelungen zu. Inwieweit sich das Vorgehen, Gerichts- und Bewährungshelfer*innen als psychosoziale Prozessbegleitungen einzusetzen und über nur verkürzte Weiterbildungen zu zertifizieren, tatsächlich im Hinblick auf die Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung bewährt, müsste im Rahmen einer Evaluation näher untersucht werden.

eee) Szenario 5: Parteiliche Opferberatung als psychosoziale Prozessbegleitung

Eines der zentralen Szenarien, das von Strafverteidiger*innen befürchtet wird, ist eine psychosoziale Prozessbegleitung, die die Trennung zwischen Begleitung und Beratung nicht einhält und dadurch die Aussage des*der Verletzten beeinflusst.[87] Dies könnte der Fall sein, wenn die Bedeutung der Trennung in der Weiterbildung nicht als zentral vermittelt werden kann. Das könnte bei verkürzten Weiterbildungen gegeben sein oder solchen, die keine genauen Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung machen (vgl. Ausführungen zu Szenario 3 und 4). Zum Teil werden zudem für langjährig in der Opferarbeit Tätige Sonderregelungen mit verkürzten Weiterbildungen oder dem vollständigen Verzicht geschaffen. Solche Normierungen finden sich in Hessen, dem Saarland und in Schleswig-Holstein. In Hessen wird gem. § 1 Abs. 2 VO zum AG PsychPbG für Personen, die vor dem 01.01.2017 auf eine fünfjährige berufspraktische Tätigkeit im Bereich Opferberatung oder Zeugen*innenbegleitung als hessische Landesbedienstete oder bei einer über das Land Hessen oder eine hessische Gebietskörperschaft finanzierte Opferschutzorganisation ausgeübt haben, eine derartige Sonderregelung geschaffen. Danach genügt eine Weiterbildung von 50 Unterrichtseinheiten. Dies entspricht bei acht Unterrichtseinheiten pro Tag einer knapp siebentätigen Weiterbildung. Für die Module ist gem. Anlage 2 zu § 1 Abs. 2 VO folgender Umfang vorgesehen: Recht (Modul 1), Viktimologie (Modul 2) und Qualitätssicherung, Dokumentation, Selbstfürsorge (Modul 4) jeweils 10 Unterrichtseinheiten und für die Theorie und Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung (Modul 3) 20 Unterrichtseinheiten. Das Saarland macht insofern noch nicht einmal genaue Vorgaben. Dort heißt es in § 1 Abs. 2 VO zum AG PsychPbG lediglich, dass bei mehrjähriger Tätigkeit als psychosozialer Prozessbegleitung vor dem 01.01.2017 von den vorgegebenen Inhalten im Weiterbildungskurs abgewichen werden kann. Schleswig-Holstein regelt die Ausnahmen im Hinblick auf die Weiterbildung in § 2 AG PsychPbGVO. Voraussetzung für eine Abweichung der Weiterbildungsinhalte ist, eine mindestens sechsjährige Tätigkeit als psychosoziale Prozessbegleiter*in vor dem 01.01.2017 und der Nachweis hinreichender Kenntnisse über die Inhalte. Der Nachweis kann die Glaubhaftmachung der Teilnahme an einer landesinternen Fortbildung, insbesondere der Landesarbeitsgemeinschaft psychosoziale Prozessbegleitung in Schleswig-Holstein sein. Diese speziellen Sonderregelungen sowie die Regelungen, die die Vorgaben für die Weiterbildung mit "i.d.R.", "soll" versehen haben, werfen insofern tatsächlich die Frage auf, ob eine klare Trennung zwischen Begleitung und Beratung in allen Fällen über die Vermittlung in den Weiterbildungen bzw. bereits existente Erfahrungen vor dem 01.01.2017 für die bisherige Tätigkeit sichergestellt werden kann.

Das Saarland legt in § 1 Abs. 2 AGPsychPbGVO fest, dass bei einer mehrjährigen Tätigkeit als psychosoziale Prozessbegleitung vor dem 01.01.2017 von den vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalten abgewichen werden kann. Konkretisierungen erfolgen nicht.

Andererseits haben Niedersachsen, NRW und Schleswig-Holstein in ihren Verordnungen dezidiert Mindeststandards für die psychosoziale Prozessbegleitung festgelegt. So verlangen § 2 Abs. 2 AGPsychPbG-AusführungsVO NRW und § 1 Nr. 4b AG PsychPbGVO SH jeweils: die Akzeptanz des Rechtssystems und der Verfahrensgrundsätze, insbesondere der Unschuldsvermutung, sowie der gesetzlichen Regelungen für das Ermittlungs- und Strafverfahren, die Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und dem Ausgang des Verfahrens, die Trennung von Beratung und Begleitung (insbesondere keine Durchführung von Rechtsberatung, keine Aufklärung des Sachverhalts, Vermeidung von Gesprächen über die zugrundeliegende Straftat), die Vermeidung einer Beeinflussung oder Beeinträchtigung der Zeugen*innenaussage, insbesondere durch Anwendung suggestionsfreier Arbeitsmethoden sowie die Wahrung von Unabhängigkeit und einer professionellen Distanz zu den begleiteten Verletzten, transparente Arbeitsweise unter Wahrung des Datenschutzes und der Vertraulichkeit und die einzelfallbezogene Trennung zwischen der Arbeit mit Verletzten und Beschuldigten bzw. Täter*innen. § 1 AGPsychPbG-AusführungsVO NRW hat zudem exakt die Tätigkeit der psychosozialen Prozessbegleitung beschrieben und festgelegt, dass bei einer anwaltlichen Vertretung des*der Verletzten alle Maßnahmen mit dieser abgestimmt werden sollen (§ 1 Abs. 2 AGPsychPbG-AusführungsVO NRW). In den Absätzen 3 bis 5 von § 1 AGPsychPbG-AusführungsVO NRW werden die Tätigkeiten der psychosozialen Prozessbegleitung im Rahmen der sozialen und psychosozialen Unterstützung, Vermittlung von Bewältigungsstrategien, Veranlassung von Maßnahmen der Belastungsreduzierung und der Informationsvermittlung genau dargelegt. Diese sowie die genau festgelegten Standards zeigen, dass normative Regelungen zur optimalen psychosozialen Prozessbegleitung existieren. Wie sich dies im Einzelnen auf die Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung auswirkt, müsste ebenfalls evaluiert werden. Die am 8. März 2021 in Kraft getretene Verordnung Niedersachsens legt ebenfalls Mindeststandards fest und schafft mit § 2 Abs. 1 NPsychPbVO eine Sondervorschrift zur Dokumentation,

sofern ausnahmsweise aufgrund der Initiative des*der Verletzten über das Tatgeschehen gesprochen wurde.

fff) Szenario 6: Psychosoziale Prozessbegleitungen als Unternehmer*innen

Muss die Sorge bestehen, dass psychosoziale Prozessbegleiter*innen aus Sorge um die eigene Existenzsicherung Standards nicht einhalten? Es gibt insgesamt fünf Finanzierungsmodelle von psychosozialen Prozessbegleiter*innen. Sofern kein Beiordnungsfall vorliegt, erfolgt die Bezahlung entweder privat oder über den*die Träger*in, bei dem*der die psychosoziale Prozessbegleitung beschäftigt ist. Sofern die Finanzierung über den*die Träger*in erfolgt, kann diese*dieser daran keinen Gewinn erzielen. Zu viele psychosozialen Prozessbegleitungen könnten wegen der teilweise sehr zeitintensiven Begleitungen eher zu einem Verlustgeschäft für den*die Träger*in führen. Sofern eine Privatfinanzierung durch den*die Verletzte erfolgt und gegebenenfalls dadurch fehlerhafte Anreize und unprofessionelle psychosoziale Prozessbegleitung entstehen könnten, kann gem. § 406g Abs. 4 StPO er*sie bei der Vernehmung ausgeschlossen werden. Im Falle der Beiordnung sind drei Finanzierungsmodelle gesetzlich vorgesehen: 1. Pauschalvergütung gem. § 6 PsychPbG oder Stundenvergütung gem. §§ 2, 3 Landesverordnung SH für die psychosoziale Prozessbegleitung direkt an den*die psychosoziale Prozessbegleiter*in, 2. entsprechende Vergütung an den*die nichtöffentliche Träger*in gem. § 5 Abs. 2 PsychPbG, 3. keine Vergütung an Behörde/öffentliche Stelle oder nicht öffentliche Stelle gem. § 5 Abs. 3 PsychPbG. Zu möglicherweise fehlerhaften finanziellen Anreizen könnte es lediglich in den Konstellationen eins und zwei kommen. Deshalb ist es besonders wichtig, im Rahmen der Weiterbildung und des dort zu erwerbenden Zertifikats sicherzustellen, dass die Standards der psychosozialen Prozessbegleitung verinnerlicht werden, und zu verdeutlichen, dass materielle Gewinne oder gar Existenzsicherungen im Rahmen der Selbständigkeit durch die psychosoziale Prozessbegleitung nicht möglich sind.

ggg) Szenario 7: Fortbildungs- und Supervisionsmuffel

Wie oben (Kapitel 2a) bereits ausgeführt, besitzen fünf Bundesländer Vorgaben für die Fortbildung von psychosozialen Prozessbegleitung. Für die anderen Bundesländer verbleibt es bei der Vorgabe des*der Bundesgesetzgeber*in in § 3 Abs. 5 PsychPbG, dass die regelmäßige Fortbildung in eigener Verantwortung sicherzustellen ist. Nur NRW legt weitere Voraussetzungen für die Supervision dar.

Sofern an diesen Regelungen Kritik geübt wird, stellt sich die Frage, ob nicht mit zweierlei Maß gemessen wird. Pflichtfortbildungen für Strafverteidiger*innen bestehen nur, sofern es sich um eine*n Fachanwalt*wältin – im vorliegenden Kontext für Strafrecht (§§ 2 ff. und § 15 FAO) – handelt. Allerdings ist nicht jede*jeder Rechtsanwalt*wältin, der*die eine Strafverteidigung übernehmen, Fachanwalt*wältin für Strafrecht. Eine Supervision ist in diesem Kontext gar nicht vorgesehen. Teilelemente enthält lediglich die seit einigen Jahren auf den Strafverteidigertagen stattfindende Arbeitsgruppe "Erleben, Verstehen, Voraussehen – Verteidiger*innen-Verhalten reflektieren".

c) Konsequenzen für die Strafverteidigung

Wie bei Strafverteidiger*innen auch hängt die Professionalität von psychosozialen Prozessbegleiter*innen neben der Grundqualifikation über ein Hochschulstudium oder eine Berufsausbildung im einschlägigen Bereich von den weitergehenden (landes)rechtlichen Vorgaben und den jeweils geltenden Standards der Berufsorganisation ab. Aufgabe der Strafverteidigung wird es sein, im Sinne des*der Beschuldigten die Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung kritisch zu hinterfragen.[88] Dies sollte nicht erst in der Verhandlung geschehen, sondern bereits vor der Beiordnung bzw. wenn angezeigt wird, dass eine psychosoziale Prozessbegleitung den*die Verletzte begleiten wird. Zielführend ist es, Nachweise zu verlangen über: 1) das abgeschlossene Hochschulstudium oder die einschlägige Berufsausbildung, die gekoppelt ist mit einer fachspezifischen wissenschaftlich anerkannten Zusatzausbildung; 2) die bisherige Berufserfahrung; 3) Zertifikat der Aus- bzw. Weiterbildung mit genauer Angabe des*der Träger*in, der Inhalte, der Referenten*innen und des Bundeslandes, indem die Weiterbildung ursprünglich anerkannt wurde; 4) aus welchem Bundesland die Anerkennung als psychosoziale Prozessbegleitung ursprünglich stammt; 5) nach welchen landes- oder berufsorganisationsspezifischen Standards gearbeitet wird; 6) wie die Fortbildung für die psychosoziale Prozessbegleitung in den letzten Jahren sichergestellt wurde; 7) inwieweit Supervision für die Tätigkeit als psychosoziale Prozessbegleitung regelmäßig in Anspruch genommen wird; 8) in welchem Rahmen (Träger*in, Selbstständigkeit) die psychosoziale Prozessbegleitung erfolgt. Eine solche Klärung sichert die Beschuldigtenrechte und die Rechte der Verletzten. Die Qualitätskontrolle im Hinblick auf die Professionalität der psychosozialen Prozessbegleitung über die Strafverteidigung hilft damit sowohl den Beschuldigten als auch den Verletzten. Wichtig ist, dass diese nicht erst in der Hauptverhandlung erfolgt. Denn dadurch würde die Prozessbegleitung für den*die Verletze erschwert und ggf. im Vorfeld – sofern ausnahmsweise eine unprofessionelle Prozessbegleitung vorliegt – genau die Beeinflussung der Zeugen*innenaussage nicht abgewehrt, um die es der Strafverteidigung geht.

V. Fazit und Ausblick

Die vorgelegte Darstellung und Analyse haben gezeigt, dass die Kritik gegen die psychosoziale Prozessbegleitung vor dem Hintergrund von Annahmen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen erfolgen. Die Auseinandersetzung mit der strafrechtlichen Kritik verdeutlicht, dass die Gegenargumente widerlegbar sind. Eine Analyse vor dem Hintergrund der Psychologie, Viktimologie und Kriminologie müsste an anderer Stelle erfolgen. Wichtig aus Sicht der Beschuldigtenrechte ist es, dass die psychosoziale Prozessbegleitung entsprechend der Qualitätsstandards durchgeführt wird und Strafverteidiger*innen – sofern daran Zweifel bestehen – rechtzeitig intervenieren. Außerdem sollte auch im Falle der späteren Verurteilung über eine Kostentragungspflicht des Staates für die Beiordnungsfälle nachgedacht werden.


* Prof. Dr. Klaus Riekenbrauk ist Rechtsanwalt in Unkel. Prof. Gaby Temme ist Professorin für Recht am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften an der Fachhochschule Düsseldorf.

[1] Barton, Strafrechtspflege und Kriminalpolitik in der viktimären Gesellschaft. Effekte, Ambivalenzen und Paradoxien; in: ders./Kölbel (Hrsg.): Ambivalenzen der Opferzuwendung des Strafrechts, 2012, 111 (112).

[2] Ob die Viktimologie ein Teilbereich der Kriminologie oder eine eigenständige Wissenschaft ist, soll hier nicht näher diskutiert werden.

[3] BGBl I, S. 2525.

[4] Art. 5 des 3. Opferrechtsreformgesetzes.

[5] BR-Drs. 56/15, S. 30 f.; Weiner in: Graf (Hrsg.), Beck-Online-Kommentar StPO. 38. Ed. (01.10.2020), § 406g, Rn. 27; einschränkend Eisenberg, Noch mehr im Jugendstrafverfahren (nicht auf Seiten des Beschuldigten) anwesende Erwachsene? – Die neue Regelung der Psychosozialen Prozessbegleitung, ZJJ 2016, 33 ff.

[6] Bund-Länder-Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses "Psychosoziale Prozessbegleitung", eingerichtet aufgrund des Beschlusses der 83. Justizminister*innenkonferenz (2014). Bericht der Arbeitsgruppe ( https://jm.rlp.de/fileadmin/mjv/Themen/Bericht_der_AG_Psychosoziale_Prozessbegleitung.pdf )

[7] https://www.jm.nrw.de/JM/jumiko/beschlusse/2014/frue
hjahrskonferenz_14/TOP_II_3.pdf
.

[8] Anders als in der Gesetzesbegründung, die nur auf die Gruppe der Minderjährigen abstellt (BT-Drs. 18/4621, S. 31), muss davon ausgegangen werden, dass der Anspruch auf Beiordnung auch Erwachsenen zusteht, die ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen können, so Herrmann, Die gesetzlichen Grundlagen der Psychosozialen Prozessbegleitung, in: Fastie (Hrsg.): Opferschutz im Strafverfahren, 3. Aufl., 2017, 273 (281); Weiner, (Fn. 5) § 406g Rn. 10; Meyer-Goßner/Schmitt-StPO, 64. Aufl. 2021, § 406g Rn. 4; Riekenbrauk, Psychosoziale Prozessbegleitung – ein neuer Sozialer Dienst der Justiz, ZJJ 2016, 25 (27).

[9] Weiner (Fn. 5) § 406g Rn. 10.

[10] BR-Drs. 56/15, S. 31 f.; Meyer-Goßner/Schmitt-StPO § 406g Rn. 5.

[11] Amtsblatt (EU) L 315/ 71 vom 14.11.2012; vgl. auch Weiner (Fn. 5) § 406g Rn. 11.

[12] Weiner (Fn. 5) § 406g Rn. 10.

[13] So Lyndian, Opferzeuge und psychosoziale Prozessbegleitung StraFo 2018, 6 (10).

[14] Arbeitsgruppe (Fn. 6) S. 65 f.

[15] So auch § 1 der nordrhein-westfälischen Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (AGPsychPbG-AusführungsVO), GV.NRW v. 05.01.2017, S. 51 ff.

[16] Bundesverband Psychosoziale Prozessbegleitung e.V., Qualitätsstandards für die Psychosoziale Prozessbegleitung, 2. Aufl., 2016, https://www.bpp-bundesverband.de/wp-content/uploads/2015/09/bpp_Broschüre.pdf .

[17] Vgl. auch die Darstellung in Riekenbrauk, Psychosoziale Prozessbegleitung – ein neuer Sozialer Dienst der Justiz ZJJ 1/2016, 25 (28 f.).

[18] Vgl. dazu Riekenbrauk, Strafrecht und Soziale Arbeit, 5. Aufl., 2018, 307 f.

[19] Vgl. von Schlieffen/Uwer, Opferbeteiligung im Strafverfahren. Ein Policy Paper der Strafverteidigervereinigungen, 2017, 26.

[20] A.a.O., S. 2.

[21] Neuhaus, Die psychosoziale Prozessbegleitung nach dem 3. ORRG: Ein verhängnisvoller Irrweg, StV 2017, 55 (56 f.).

[22] Pollähne, Zu viel geopfert!? Eine Kritik der Viktimisierung von Kriminalpolitik und Strafjustiz, StV 2016, 671 (677 ff.).

[23] Neuhaus, (Fn. 25), 57.

[24] Pollähne, (Fn. 28) 677.

[25] A.a.O.

[26] Deckers, Neue Initiativen zur Stärkung der Rechte von Kindern in Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs, StraFo 2017, 133 ff. (139).

[27] A.a.O.

[28] Vgl. a.a.O.; so auch Lyndian, (Fn. 13) 9.

[29] Neuhaus, (Fn. 25) 58.

[30] Deckers, (Fn. 32) 140.

[31] Pollähne, (Fn. 28) 677 ff.

[32] Neuhaus, (Fn. 25) 58.

[33] Neuhaus, (Fn. 25) 29 f.

[34] A.a.O., S. 15.

[35] Eisenberg , (Fn. 5) 35.

[36] Neuhaus, (Fn. 25) 60.

[37] Deckers , (Fn. 32) 140.

[38] Fn. 19, 12 f.

[39] A.a.O.

[40] Fn. 19, 11.

[41] Vgl. Barton, Opferanwälte im Strafverfahren: Auf dem Weg zu einem neuen Prozessmodell? in: Pollähne, /Rode (Hrsg.): Opfer im Blickpunkt – Angeklagte im Abseits? 2012, 21 ff. (28), der nach Interviews mit Nebenklagevertreter*innen darauf hinweist, dass vielfach ein Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit in der psychosozialen Stabilisierung und der persönlichen Betreuung der Mandant*innen, gesehen wird.

[42] Deckers, (Fn. 32) 140.

[43] Pollähne, (Fn. 28) 677.

[44] Deckers, (Fn. 32) 140.

[45] A.a.O.

[46] A.a.O.

[47] Neuhaus, (Fn. 25) 60.

[48] A.a.O.

[49] Deckers, (Fn. 32) 140.

[50] BVerfGE 74, 358 (370).

[51] Neuhaus, (Fn. 25) 57 mit Verweis auf BGHSt 45, 164.

[52] Pollähne, (Fn. 28) 675; vgl. auch Bung, Zweites Opferrechtsreformgesetz: Vom Opferschutz zur Opferermächtigung, StV 2009, 430 ff. (432) mit Hinweis auf Rieß, der den Begriff des Verletzten so definiert, dass er "vor Rechtskraft immer nur den durch eine mögliche Straftat möglicherweise Geschädigten" meint; so auch Kanz, Alles im Interesse der Opfer?! MSchrKrim 2017, 227 ff.

[53] Paeffgen, SK-StPO, 4. Aufl. 2012, Art. 6 EMRK Rn. 179.

[54] Salabiaku vs. France, Urt. v. 7.10.1988, 10519/83; vgl. Paeffgen, (Fn. 59) Rn. 181; Löwe-Rosenberg-EMRK/Esser, 26. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 497; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl., 2016, § 24 Rn. 141; im Hinblick auf Art. 48 Abs. 1 EU-GRCH, der wie Art. 6 Abs. 2 EMRK die Unschuldsvermutung regelt, vgl. Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Aufl., 2016, Art. 48 Rn. 12.

[55] Von Galen, "Parallel Justice" für Opfer von Straftaten – ein Verfahren mit "Opfervermutung" außerhalb des Strafrechts, StV 2013, 171 ff. (174) unter Hinweis auf Löwe-Rosenberg-EMRK/Esser, 2012, Art. 6 Rn. 497; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, 3. Aufl., 2009, Art. 6 Rn. 158; zu den dabei auftretenden Problemen vgl. Fischer, Strafverteidiger aus der Sicht des Richters – Rückblick und Ausblick, StV 2014, 47 ff.

[56] Valerius, in: Graf (Hrsg.) Beck-Online-Kommentar StPO, 38. Ed. (01.10.2020), 2020, Art. 6 EMRK Rn. 33; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 29. Aufl., 2017, § 11 Rn. 3.

[57] BVerfG NJW 1990, 2741; allg. M. s. etwa Löwe-Rosenberg-StPO/Kühne 2016 Einl. Abschn. J Rn. 76 m.w.N.

[58] Weigend, Echte Verfahrensrechte für angebliche Opfer? In: Neubacher/Kubink (Hrsg.): Kriminologie – Jugendkriminalrecht – Strafvollzug, Gedächtnisschrift für Michael Walter, 2014, 243 ff., 246.

[59] So überzeugend Neuhaus, (Fn. 25) 58 f. m.w.N; Lyndian (Fn. 13) 9.

[60] BVerfGE 38, 105 (111); 63, 45 (61).

[61] Roxin/Schünemann (Fn. 62) 70.

[62] Dazu grundsätzlich Safferling, Audiatur et altera pars – die prozessuale Waffengleichheit als Prozessprinzip?, NStZ 2004, 181 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, (Fn. 8) Einl. Rn. 88 unter Berufung auf BVerfG NJW 2014, S. 2536.

[63] BVerfG NJW 2014, 2536.

[64] Neuhaus, (Fn. 25) 60 unter Bezugnahme auf Pollähne, (Fn. 28) 677; so auch Kanz, (Fn. 58) 213.

[65] A.a.O., S. 60; Deckers, (Fn. 32) 139.

[66] So Eisenberg, (Fn. 5) 35; vgl. Riekenbrauk, Die Psychosoziale Prozessbegleitung, BAG-S Informationsdienst Straffälligenhilfe 2016, 10, der darauf hinweist, dass gerade unter Berücksichtigung des im Jugendstrafverfahren vorrangig geltenden Erziehungsgedankens (§ 2 Abs. 1 S. 2 JGG) es "die zentrale Aufgabe der Jugendrichtern*innen sein wird, dass Verständnis für die Rollen und Aufgaben aller Verfahrensbeteiligter, mithin auch der Prozessbegleiter*innen, zu fördern und darauf zu achten, dass in Fällen, in denen dem jugendlichen Beschuldigten neben dem Opfer auch ein Anwalt oder eine Anwältin als Nebenklägervertreter*in sowie ein/e psychosoziale/r Prozessbegleiter*in gegenüberstehen, es nicht zu einem Ungleichgewicht zuungunsten des/der Beschuldigten kommt."

[67] Vgl. Herrmann, Die gesetzlichen Grundlagen der Psychosozialen Prozessbegleitung, in: Fastie (Hrsg.): Opferschutz im Strafverfahren, 3. Aufl., 2017, 271 ff. 278.

[68] So nach richterlicher Erfahrung Müller, Opferrechte versus Beschuldigtenrechte – die Thematik aus (meiner) richterlichen Sicht, in: Strafverteidigervereinigungen (Hrsg.): Bild und Selbstbild der Strafverteidigung, Texte und Ergebnisse des 40. Strafverteidigertages 2016, 169 ff. 177; im Hinblick auf die Erwartung der Gerichte und das Verhalten der Nebenklageanwälte*innen, die ihre Mandanten*innen aus strategischen Überlegungen veranlassen, während der Angeklagtenvernehmung den Gerichtssaal zu veranlassen, vgl. Barton (Fn. 47) 25.

[69] Vgl. Neuhaus, (Fn. 25) 60.

[70] Kölbel, Opfergenugtuung oder rehabilitative Idee?, StV 2014, 698 ff. (701) unter Verweis auf Schünemann, Zur Stellung des Opfers im System der Strafrechtspflege, NStZ 1986, 193 ff.; so auch Arnold, Zur Kritikgeschichte opferperspektivischer Wandlungen im Strafrecht und Strafverfahren, in Strafverteidigervereinigungen (Hrsg.), Bild und Selbstbild der Strafverteidigung, Texte und Ergebnisse des 40. Strafverteidigertages 2016, 109 ff. m.w.N.; von Schlieffen/Uwer, Fn. 25.

[71] Vgl. Schünemann, (Fn. 76) 198 f.

[72] Kölbel, (Fn. 76)701 f.; vgl. auch Reemtsma, Das Recht des Opfers auf Bestrafung des Täters – als Problem, 1999, der von einem Anspruch des Opfers auf Bestrafung des*der Täters*in ausgeht.

[73] So Kölbel, (Fn. 76) 701.

[74] So Schünemann, 1(Fn. 76) 199 f.; Weigend, Diskussionsbeitrag. In: Deutscher Juristentag (Hrsg.), Verhandlungen des 55. Deutschen Juristentages, 1984, Bd. II. (iL 69 ff.) 70; Bung, (Fn. 58) 437; Safferling (Fn. 68) 89; von Schlieffen/Uwer, (Fn. 25) 26; Kühne (Fn. 63) Rn. 123.

[75] Von Galen, (Fn. 61) 172; vgl. Jung, Die Stellung des Verletzten im Strafprozess, ZStW 1981, 1155: "Der Staat ist nicht nur dem Beschuldigten, sondern auch dem Verletzten gegenüber zur Fürsorge und zu einem fairen Verfahren verpflichtet."

[76] BVerfGE 38, 105 (113).

[77] Kühne, (Fn. 63) Rn. 127 f.

[78] Safferling, (Fn. 68) 89.

[79] Zit. in König, Von Schuld und Unschuld der Sprache. Über Strafprozess und Sprache, StraFo 2016, 221 ff. 223.

[80] Neuhaus, (Fn. 25) 63.

[81] A.a.O.

[82] A.a.O.

[83] A.a.O.

[84] Vgl. u.a. Bundesverband Psychosoziale Prozessbegleitung e.V. (Rn. 16), Niedersächsisches Justizministerium, Qualitätsstandards für die Durchführung der psychosozialen Prozessbegleitung in Niedersachsen, 2017, https://justizportal.niedersachsen.de/Prozessbegleitung/psychosoziale-prozessbegleitung-in-niedersachsen-160951.html ; Niedersächsisches Justizministerium, Mindeststandards für die Aus- und Weiterbildung der psychosozialen Prozessbegleitung in Niedersachsen, 2017, https://justizportal.niedersachsen.de/Prozessbegleitung/psychosoziale-prozessbegleitung-in-niedersachsen-160951.html ; Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe Frauen gegen Gewalt e.V., Qualitätsstandards für die psychosoziale Begleitung von Mädchen und Frauen im Strafverfahren im Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff). Langfassung, 2012, https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/qualitaetsstandards-fuer-die-psychosoziale-begleitung.html .

[85] Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses ‘Psychosoziale Prozessbegleitung’, Bericht der Arbeitsgruppe. Eingerichtet aufgrund des Beschlusses der 83. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 13. und 14. Juni 2012, 2014, S. 67 ff., https://docplayer.org/11562195-Arbeitsgruppe-des-strafrechtsausschusses-psychosoziale-prozessbegleitung-bericht-der-arbeitsgruppe.html.

[86] A.a.O., S. 16.

[87] So Neuhaus (Fn 25), 61.

[88] Vgl. Lyndian StraFo 2018, 1 ff. (11); vgl. auch Deckers StraFo 2017, 133 ff. (140).