HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2019
20. Jahrgang
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Schrifttum

Detlef Burhoff : Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren; 8. Auflage 2019, ZAP-Verlag, Bonn, 1724 Seiten, 129,00 €, ISBN 978-3896557957 und Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Auflage 2019, ZAP-Verlag, Bonn, 1310 Seiten, 119,00 €, ISBN 978-3-89655-796-4

Soviel vorweggenommen: Jedem im Strafrecht tätigen Rechtsanwalt ist der Kauf dieser beiden hervorragenden Praxishandbücher dringend zu empfehlen, und zwar im Buchpaket des Verlags. Zwar kann der Verfasser aus jahrelanger täglicher Arbeit mit diesen Werken bestätigen, daß man z.B. während der Hauptverhandlung, nicht zwingend das Handbuch EV vermißt: Dennoch gehören sie einfach zusammen und richten sich nach dem typischen Aufbau, wie Strafverteidiger ihren Mandatsablauf erleben.

Der Aufbau nach alphabetisch sortierten Schlagwörtern ist bewährt. Wer die Handbücher noch immer nicht kennt, wird sich schnell daran gewöhnen und dieses System schätzen lernen. Sekundenschneller Zugriff, als würde man eigene Erinnerungen abrufen. Die Masse an Informationen scheint schier unerschöpflich. Das überrascht nicht bei einem Herausgeber, der seit Jahren täglich drei aktuelle Entscheidungen in seinem Blog veröffentlicht und für die Übermittlung von Entscheidungen durch Strafverteidiger und Verkehrsanwälte heute durchaus eine der ersten Anlaufstellen sein könnte. Ob man in der Hauptverhandlung mögliche Ablehnungsgründe prüft oder im Ermittlungsverfahren Argumente und Entscheidungen zur Beiordnung als Pflichtverteidiger: Es gibt hier nichts, was nicht in einer Masse und Tiefe zu finden ist, die durch irgendein anderes Anwaltshandbuch im Strafrecht übertroffen würde.

Manchmal findet der Verteidiger sogar Informationen, die er nicht suchte und doch dringend benötigt und das bloß noch nicht wusste. Ewig in Erinnerung wird dem Verfasser das rein selbstbestätigende Nachschlagen der TOA-Voraussetzungen in einem Raubprozess bleiben. In HV Rn. 2782 springt als letztes Schmankerl die vergütungsrechtliche Auswirkung der Teilnahme an TOA-Gesprächen (Nr. 4102 Nr. 4 VV RVG) ins Auge. Gilt das denn auch bei TOA-Verhandlungen in einer Terminspause? Ja! Wieder schlauer geworden – und sechs weitere Fachanwälte für Strafrecht, die davon noch nie etwas gehört haben, staunen. Sogar die Rechtspflegerin brachte in einem Telefonat über die Pflichtverteidigervergütung ihre Überraschung zum Ausdruck, "dass Sie das alle abrechnen." Mit dieser Gebühr wäre das Buch übrigens finanziell amortisiert.

Was hat sich bei den Neuauflagen geändert? Es gibt wesentlich mehr Inhalt, wobei die Bücher aufgrund Formatänderung dünner erscheinen. Ein Problemchen bei den Randnummern der letzten EV-Auflage ist behoben. Dass die Rechtsprechung zu den einzelnen Schlagworten aktualisiert und erweitert wurde, versteht sich leider längst nicht bei jedem Praxishandbuch von selbst – bei Burhoff hingegen schon. 500 (!) neue Entscheidungen im HV, unfassbar. Die Verarbeitung verschiedener unsäglicher StPO-Reformen und des neuen Einziehungsrechts dürfen in einer 2019er Auflage als selbstverständlich vorausgesetzt werden.

Mit dieser Buchkritik ist es ein bisschen wie mit dem Fragerecht des Verteidigers in der Hauptverhandlung: Vorher waren schon die Berufsrichter, die Schöffen, die StA und die Nebenklagevertreter dran – und jetzt gibt als Letzter der Verteidiger seinen Senf dazu, wohl wissend, dass es zu Wiederholungen kommt. Wo immer diese Handbücher bisher besprochen wurden hagelte es Lob in Superlativen. Dem schließt sich diese Besprechung an. Es gibt viele gute Handbücher. Wer geizig ist und/oder

die Kanzleibibliothek schlank halten möchte, benötigt allein die Burhoff-Quadrologie und wird im Tagesgeschäft nichts, aber auch wirklich gar nichts vermissen. Umso mehr erschreckt es, immer noch auf Kollegen zu treffen, die das noch nicht erkannt haben. Dem Verfasser hat insbesondere das Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung so manches Mal die Lufthoheit im Gerichtsaal beschert oder es den Strafverfolgungsbehörden zumindest massiv erschwert, sich durchzusetzen.

Heiko Urbanzyk, Rechtsanwalt / FAStR, Coesfeld