HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2018
19. Jahrgang
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IV. Strafverfahrensrecht (mit Gerichtsverfassungsrecht)


Entscheidung

529. BGH 1 StR 36/17 - Beschluss vom 24. Januar 2018 (LG Berlin)

BGHSt; rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (Beschleunigungsgebot in Haftsachen: zulässige Dauer der Untersuchungshaft, eingeschränkte Geltung im Revisionsverfahren; Informationspflichten des Bundesgerichtshofs gegenüber den für die Haftkontrolle zuständigen Gerichten).

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK; Art. 5 Abs. 3 EMRK; § 120 StPO; § 112 StPO; 126 Abs. 2 Satz 2 StPO

1. Der Bundesgerichtshof hat das Beschleunigungsgebot in Haftsachen eigenständig – unter den spezifischen Bedingungen des Revisionsverfahrens – zu wahren; er ist nicht gehalten, Einzelheiten zum internen Arbeitsablauf des Senats den mit der Haftkontrolle befassten Gerichten mitzuteilen. (BGHSt)

2. Der Bundesgerichtshof zeigt rechtsstaatswidrige Verzögerungen im Revisionsverfahren oder auch nur absehbaren besonderen Zeitbedarf wegen der Komplexität der zu entscheidenden Rechtsfragen den Landgerichten an. Er ist aber nicht gehalten, über äußere Parameter hinaus, wie etwa Eingang der Sache oder Terminierung, weitere Einzelheiten zum internen Arbeitsablauf des Senats den mit der Haftkontrolle befassten Gerichten mitzuteilen. Darüber hinausgehende Auskunfts- und Rechtfertigungspflichten bestehen nicht. (Bearbeiter)

3. Eine Überprüfung der Tätigkeit des Bundesgerichtshofs auf eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung durch die Instanzgerichte im Rahmen der Haftkontrolle liefe der im Instanzenzug begründeten Aufgabenabschichtung zuwider. Einem Gericht ist grundsätzlich nicht die Möglichkeit eröffnet, einen durch ein höherrangiges Gericht begangenen Verstoß der genannten Art gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK festzustellen und zu berücksichtigen, wenn nicht etwa dieses Gericht selbst entsprechende Hinweise gegeben hat (vgl. BGH NJW 2008, 307, 310 Rn. 34). (Bearbeiter)

4. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. (Bearbeiter)

5. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Je länger die Untersuchungshaft dauert, desto strenger sind die Anforderungen an einen zügigen Fortgang des Verfahrens. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann (vgl. BVerfG NJW 2006, 672 f.). (Bearbeiter)

6. Das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen gilt für das gesamte Strafverfahren und ist auch im Rechtsmittelverfahren bei der Prüfung der Anordnung der Fortdauer von Untersuchungshaft zu beachten (vgl. BVerfG StV 2011, 31, 33). (Bearbeiter)

7. Allerdings vergrößert sich mit der Verurteilung auch das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs, da aufgrund der gerichtlich durchgeführten Beweisaufnahme die Begehung einer Straftat durch den Angeklagten als erwiesen angesehen worden ist (vgl. BVerfG StV 2009, 479, 481). Der Umstand, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. (Bearbeiter)


Entscheidung

528. BGH 1 StR 277/17 - Urteil vom 6. März 2018 (LG Traunstein)

BGHR; Selbstbelastungsfreiheit (Verfassungsrang; Schutz der eigenverantwortlichen Mitwirkung des Beschuldigten am Strafverfahren; Verwertungsverbot bei Verletzung auch außerhalb einer Vernehmung; hier: Mithören eines Arzt-Patienten-Gesprächs durch die Ermittlungsbehörden, Kernbereichsschutz).

Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 6 Abs. 1 EMRK; § 136 StPO; § 136a StPO

1. Die Verletzung der Aussagefreiheit kann auch außerhalb von Vernehmungen nach §§ 136, 136a StPO zu einem Beweisverwertungsverbot führen. (BGHR)

2. Eine Verletzung der Aussagefreiheit liegt vor, wenn eine dezidiert nicht aussagebereite Beschuldigte in prekärer gesundheitlichen Verfassung gegenüber einem Arzt zum Zwecke einer dringend erforderlichen Behandlung Angaben zur Tat macht, die ein Polizeibeamter zur Umgehung des Schweigerechts der Beschuldigten mithört, nachdem die Beschuldigte sich seit der Tat in einer ununterbrochenen Vernehmungssituation befand, in der ihr Schweigerecht nicht berücksichtigt wurde. (Bearbeiter)

3. Es kann dahinstehen, ob das Arzt-Patienten-Gespräch einem solchen Fall nicht ohnehin einem absoluten Verwertungsverbot wegen einer Verletzung des Kernbereichsschutzes unterliegt (vgl. BGHSt 50, 206, 210). Ist der Kernbereich betroffen, sind Ermittlungsmaßnahmen unzulässig (vgl. BVerfGE 129, 208, 265 f). (Bearbeiter)

4. Die Aussagefreiheit des Beschuldigten und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (nemo tenetur se ipsum accusare) sind notwendiger Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung. Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist im Rechts verankert und hat Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 38, 105, 113). Er umfasst das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens (vgl. BVerfG NJW 2014, 3506 f. Rn.13). Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen (vgl. BVerfGE 56, 37, 49). Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt (vgl. BVerfGE 38, 105, 113). (Bearbeiter)


Entscheidung

539. BGH 1 StR 551/17 - Beschluss vom 9. Januar 2018 (LG Rottweil)

BGHR; rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (Anwendbarkeit der Vollstreckungslösung bei der Jugendstrafe).

Art. 2 Abs. 3 GG; Art. 6 Abs. 1 EMRK; § 18 Abs. 2 JGG

1. Anwendbarkeit der sog. Vollstreckungslösung zur Kompensation überlanger Verfahrensdauer bei auf „schädliche Neigungen“ und „Schwere der Schuld“ gestützter Jugendstrafe. (BGHR)

2. Eine Kompensation als solche ist bei Verstößen gegen den Beschleunigungsgrundsatz durch Verfassungs- und Völkerrecht wegen des damit einhergehenden Eingriffs in die verfassungsmäßigen Rechte des davon Betroffenen (vgl. dazu etwa BVerfG NJW 2003, 2225 f.) zwingend auch für Verzögerungen im Jugendstrafverfahren zu gewähren. Im Hinblick auf die damit allein fragliche Art und Weise des gebotenen Ausgleichs vermag der Senat jedenfalls für die sowohl auf „schädliche Neigungen“ als auch auf die „Schwere der Schuld“ gestützte Jugendstrafe keine Gründe zu erkennen, die es erforderten, abweichend von den für Freiheitsstrafen nach allgemeinem Strafrecht geltenden Vorgaben zur Kompensation überlanger Verfahrensdauer darauf zu verzichten, einen bestimmten Teil der Strafe für bereits vollstreckt zu erklären, wenn ein solcher über die Feststellung der Verzögerung hinausgehender Ausgleich geboten ist. (Bearbeiter)

3. Im Regelfall ist bei Vornahme einer erforderlichen Kompensation nach dem Vollstreckungsmodell das Erreichen des Erziehungsziels nicht gefährdet, den Verurteilten (auch) durch den Vollzug der Jugendstrafe zukünftig zu legalem Verhalten zu veranlassen. Sollte im Einzelfall, etwa wegen des bereits bei der Strafzumessung der Jugendstrafe berücksichtigten großen zeitlichen Abstands zwischen der Begehung der Tat und ihrer Aburteilung oder wegen bereits strafzumessungsrechtlich relevanter besonderer Belastungen des Strafverfahrens, lediglich noch ein geringes Ausmaß der Tatschuld bestehen, wird vorrangig zu erwägen sein, ob das Schuldquantum überhaupt eine Ahndung durch eine Jugendstrafe erforderlich macht. (Bearbeiter)

4. Der Senat neigt der Auffassung zu, die nach allgemeinen Regeln gebotene Kompensation auch bei einer ausschließlich auf „schädliche Neigungen“ gestützten Jugendstrafe grundsätzlich anhand der Vollstreckungslösung vorzunehmen. (Bearbeiter)


Entscheidung

476. BGH 3 StR 355/17 - Beschluss vom 2. Mai 2018 (OLG München)

Beweisantragsrecht (Konkretisierungs- und Hinweispflicht des Antragsstellers bei missverständlich formuliertem Beweisantrag; Aufklärungspflicht als Beurteilungsmaßstab bei der Ablehnung Beweisermittlungsanträgen; Ladung von Auslandszeugen); Tötung aus politischen Motiven als niedriger Beweggrund.

§ 244 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 StPO; § 211 StGB

1. Nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO kann der Antrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn die Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Maßstab für diese Prüfung ist die Aufklärungspflicht im Sinne von § 244 Abs. 2 StPO und damit der gleiche Maßstab, der für die Entscheidung über Beweisermittlungsanträge heranzuziehen ist.

2. Der Antragsteller eines Beweisantrags kann gehalten sein, die unzutreffende Auslegung seines Antrags durch einen entsprechenden Hinweis oder einen neuen Beweisantrag noch in der Hauptverhandlung aufzuklären, wenn das gerichtliche Missverständnis jedenfalls auch auf der ungenauen Formulierung des Beweisantrags beruht. Dies ist etwa der Fall, wenn das Gericht ein Beweisbegehren nicht als Beweisantrag behandelt, weil der Antragsteller einen Zeugen nicht zum Beleg für dessen Wahrnehmungen benennt, sondern allein für Schlussfolgerungen (das Beweisziel), die dieser auf nicht mitgeteilter Erkenntnisgrundlage gezogen haben soll; dann ist der Antragsteller gehalten, die Tatsachen zu konkretisieren, die Gegenstand der unmittelbaren eigenen Wahrnehmung des Zeugen gewesen sein sollen.

3. Jenseits des Widerstandsrechts aus Art. 20 Abs. 4 GG sind keine politischen Beweggründe zur Tötung eines Menschen denkbar, die sich nicht als niedrige Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB erweisen.


Entscheidung

496. BGH 5 StR 609/17 - Beschluss vom 11. April 2018 (LG Braunschweig)

Reichweite der Selbstbelastungsfreiheit (Gebot zur Anhebung der Füße).

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK; Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG; § 163a StPO

Wird der Beschuldigte dazu aufgefordert, seine Füße anzuheben, damit Lichtbilder der Schuhsohlen angefertigt werden können, ist die eine Mitwirkungshandlung von allenfalls geringer Intensität ist. Zumal die Erlan-

gung des Beweismittels auch auf strafprozessual unangreifbare Weise möglich gewesen wäre, besteht in einem solchen Fall kein Beweisverwertungsverbot.


Entscheidung

522. BGH 4 StR 579/17 - Beschluss vom 9. Mai 2018 (LG Hamburg)

Ablehnungsgesuch (Ablehnungszeitpunkt bei Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung).

§ 25 Abs. 2 Satz 2 StPO

Entscheidet das Gericht über die Revision außerhalb der Hauptverhandlung im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur solange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist. Etwas anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann nicht, wenn gegen den die Revision verwerfenden Senatsbeschluss eine Anhörungsrüge nach § 356a StPO erhoben wird, die sich mangels Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG als unbegründet erweist. Denn die Regelung des § 356a StPO soll dem Revisionsgericht die Möglichkeit geben, einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen; der Rechtsbehelf dient indes nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung der Verletzung rechtlichen Gehörs doch noch Geltung zu verschaffen.


Entscheidung

518. BGH 4 StR 364/17 - Urteil vom 26. April 2018 (LG Freiburg)

Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (revisionsgerichtliche Überprüfbarkeit); Beihilfe (Tatbeteiligung durch ständige Anwesenheit während der Tatausführung).

§ 261 StPO; § 27 StGB

1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sind. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind.

2. Der Tatrichter ist aus Rechtsgründen nicht gehalten, Sachverhaltskonstellationen zu Gunsten des Angeklagten als unwiderlegt oder möglich zugrunde zu legen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat.

3. Schon die ständige Anwesenheit eines Angeklagten über den gesamten Zeitraum der Tatausführung kann den Täter bestärkt haben und damit eine Tatbeteiligung darstellen.


Entscheidung

538. BGH 1 StR 481/17 - Urteil vom 24. April 2018 (LG Kempten)

Verlesung des Anklagesatz (Erforderlichkeit bei Zurückverweisung der Sache).

§ 243 Abs. 3 StPO, § 354 Abs. 2 StPO

1. Der Anklagesatz ist auch nach Zurückverweisung der Sache durch ein Rechtsmittelgericht in der öffentlichen Hauptverhandlung zu verlesen, wobei nur insoweit Einschränkungen durch eine eingetretene Teilrechtskraft oder vorgenommene Beschränkungen oder Erweiterungen des Verfahrensgegenstandes nach § 154a Abs. 2 und 3 StPO zu berücksichtigen sind. Nur bei Zurückverweisung der Sache allein im Strafausspruch sind statt des Anklagesatzes insoweit das Ausgangsurteil und die zurückverweisende Revisionsentscheidung zu verlesen.

2. Die Verlesung des Anklagesatzes ist ein so wesentliches Verfahrenserfordernis, dass die Unterlassung im Allgemeinen die Revision begründet. Allenfalls in einfach gelagerten Fällen, in denen der Zweck der Verlesung des Anklagesatzes durch die Unterlassung nicht beeinträchtigt worden ist, kann ein Beruhen des Urteils auf der Nichtverlesung des Anklagesatzes unter Umständen ausgeschlossen werden (vgl. BGH NStZ 2000, 214).


Entscheidung

536. BGH 1 StR 461/17 - Beschluss vom 27. März 2018 (BGH)

Anhörungsrüge (keine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör durch Verwerfung der Revision nach § 349 Abs. 2 StPO).

Art. 103 Abs. 1 GG; § 356a StPO; § 349 Abs. 2 StPO

1. Aus dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof die Verwerfung der Revision nicht ausführlich begründet, kann nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs geschlossen werden. Die Vorschrift des § 349 Abs. 2 StPO sieht keine Begründung des die Revision verwerfenden Beschlusses vor. Die für die Zurückweisung des Rechtsmittels maßgeblichen Gründe ergeben sich im Verfahren nach § 349 Abs. 2 StPO mit ausreichender Klarheit aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und dem Inhalt der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Eine weitere Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen besteht nicht (vgl. BVerfG NJW 2006, 136).

2. Das gilt auch dann, wenn in einer Gegenerklärung zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts die Sachrüge weiter ausgeführt wird. Einer Mitteilung des Gerichts, warum es die nachgeschobene Beanstandung für unbegründet erachtet, bedarf es nicht.


Entscheidung

543. BGH 1 StR 606/17 - Beschluss vom 6. Februar 2018 (LG München II)

Verständigung (keine Bindung des Tatgerichts an einen für das Zustandekommen einer Verständigung in Aussicht gestellten Strafrahmen; unzulässiger Zwang durch Inaussichtstellen einer „Sanktionsschere“: Beruhen); Mitteilung über außerhalb der Hauptverhandlung geführte Verständigungsgespräche (Zeitpunkt).

§ 257c Abs. 1 StPO; § 136a Abs. 1 StPO; § 337 StPO; § 243 Abs. 4 StPO

Außerhalb einer Verständigung gemäß § 257c StPO besteht keine Bindung des Tatgerichts an den von ihm für den Fall des Zustandekommens einer Absprache in Aussicht gestellten Strafrahmen (vgl. BGH NStZ-RR 2017, 351 mwN).