HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2017
18. Jahrgang
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IV. Strafverfahrensrecht (mit Gerichtsverfassungsrecht)


Entscheidung

217. BGH 5 StR 548/16 – Beschluss vom 12. Januar 2017 (LG Bremen)

BGHR; Übernahme von Aufgaben der Protokollführung durch nicht der erkennenden Strafkammer zugewiesene Rechtsreferendare.

§ 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG; § 20 AGGVG BR

1. Weder aus § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG noch aus § 20 Bremisches AGGVG ergibt sich, dass nur der erkennenden Strafkammer zugewiesene „Stationsreferendare“ für Aufgaben der Protokollführung herangezogen werden dürfen. (BGHR)

2. Der Bundesgerichtshof legt § 153 Abs. 5 Satz 1 GVG in ständiger Rechtsprechung gemäß seinem Wortlaut und in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers dahin aus, dass die Einzelheiten der Betrauung der betroffenen Personen, zu denen auch Referendare gehören

können, grundsätzlich nach dem jeweiligen Landesrecht zu beurteilen sind. (Bearbeiter)


Entscheidung

254. BGH 2 StR 84/16 – Beschluss vom 25. Oktober 2016 (LG Frankfurt am Main)

Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes (rechtlicher Hinweis: Anforderungen und Zweck); Urteilsgründe (Anforderungen an Tatsachengrundlage); verbotene Vernehmungsmethoden (Abgrenzung von List und bewusster Lüge; Täuschung über Beweis- und Verfahrenslage); minderschwerer Fall des Totschlags (strafschärfende Erwägungen).

§ 136a Abs. 1 StPO; § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO; § 265 Abs. 1 StPO; § 267 Abs. 1 StPO; § 212 Abs. 1 StGB; § 213 StGB

1. § 136a Abs. 1 StPO gilt nach § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO auch für Polizeibeamte. Zwar schließt § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO nicht die Anwendung jeder List bei einer Vernehmung aus. Die Vorschrift verbietet aber eine Lüge, durch die der Beschuldigte bewusst irregeführt und in seiner Aussagefreiheit beeinträchtigt wird. Weiß der Vernehmende, dass aufgrund der bisherigen Ermittlungen kein dringender Tatverdacht bezüglich eines Mordes besteht, erklärt aber trotzdem, die vorliegenden Beweise ließen dem Beschuldigten keine Chance, er könne seine Lage nur durch ein Geständnis verbessern, so täuscht er ihn über die Beweis- und Verfahrenslage.

2. Eine nach § 136a Abs. 1 StPO unzulässige Lüge liegt beispielsweise vor, wenn der Vernehmungsbeamte den Angeklagten in seiner ersten Beschuldigtenvernehmung mehrfach darauf hinweist, dass er ihn zwar nicht für einen „Mörder“ halte, dass die Tat aber angesichts der gravierenden Verletzungsfolgen und des Nachtatverhaltens wie ein „richtiger, klassischer Mord“ erscheine, wenn er – der Beschuldigte – dies nicht richtigstelle und sich zur Sache einlasse.

3. Ein rechtlicher Hinweis gemäß § 265 Abs. 1 StPO ist zu erteilen, wenn der Angeklagte wegen einer andersartigen Begehungsform des in der zugelassenen Anklageschrift aufgeführten Strafgesetzes verurteilt werden soll. Dies gilt insbesondere beim Übergang vom Vorwurf des Verdeckungsmordes zu dem des Mordes aus niedrigen Beweggründen.

4. Dieser rechtliche Hinweis dient dazu, den Angeklagten vor Überraschungen zu schützen und ihm Gelegenheit zu geben, sich gegenüber einem neuen Vorwurf sachgerecht zu verteidigen. Ob es sich um eine andersartige Begehungsform oder um eine gleichartige Erscheinungsform desselben Tatbestands handelt, ist nicht nach den äußeren Merkmalen, sondern nach dem Inhalt der Begehungsform zu entscheiden.

5. Der rechtliche Hinweis muss so abgefasst sein, dass der Angeklagte erkennt, durch welche konkreten Tatsachen das Gericht das Mordmerkmal als erfüllt ansieht. Nur solchermaßen präzise abgefasst kann der Hinweis die ihm zugedachte Funktion erfüllen, den Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen zu schützen und ihm Gelegenheit zu geben, sich gegenüber dem Tatvorwurf sachgerecht zu verteidigen.

6. Dem Tatrichter obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist auf die Frage beschränkt, ob ihm dabei ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Beweiserwägungen unklar oder lückenhaft sind oder der Tatrichter nicht sämtliche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert voneinander bewertet, sondern sie müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt werden. Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit setzt zudem ausreichende objektive Grundlagen voraus. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage beruht, und dass sich die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht als bloße Vermutung erweist.

7. Die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe „einem Kind die Mutter genommen“, kann im Einzelfall rechtlich bedenklich sein.


Entscheidung

233. BGH 1 ARs 16/16 – Beschluss vom 21. Februar 2017

Anfrageverfahren (Zulässigkeit einer Vorlage zum Großen Senat für Strafsachen nur bei Aufrechterhaltung der Anfrage: Rücknahme durch anderslautende Entscheidung; Bindungswirkung des Anfragebeschlusses für den anfragenden Senat: Wegfall der Bindungswirkung durch Rücknahme der Anfrage; Bindungswirkung eines zustimmenden Beschlusses für den zustimmenden Senat); Erpressung (Vermögensschaden: Besitz an Betäubungsmitteln als Bestandteil des geschützten Vermögens; Betrug)

§ 132 Abs. 1, Abs. 3 GVG; § 253 StGB; § 263 Abs. 1 StGB

1. Der 1. Strafsenat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach der Besitz von Betäubungsmitteln Teil des strafrechtlich geschützten Vermögens ist.

2. Wenn ein Senat überbesetzt ist und deswegen mehrere Sitzgruppen gebildet hat, kann er (nach außen) nur eine einheitliche Rechtsprechung verfolgen. § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG ermächtigt nur den Senat als solchen zur Anfrage bei anderen Senaten, nicht einzelne Sitzgruppen eines Senats.

3. Allein aus dem Umstand, dass ein Senat einen Anfragebeschluss gefasst hat, ergibt sich weder aus § 132 GVG, noch aus Sinn und Zweck des Anfrageverfahrens eine Sperrwirkung für die anderen Senate, weiterhin unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung zu entscheiden. Bindungswirkung entfaltet demgegenüber der Beschluss eines angefragten Senats, mit dem er einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung zugestimmt hat. Ab diesem Zeitpunkt ist ihm eine Rückkehr zur „alten“ Rechtsprechung versagt, sofern er nicht vorher seinerseits den Großen Senat anruft.

4. Diese Wirkungen gelten grundsätzlich auch für den Senat, der den Anfragebeschluss gefasst hat (vgl. BGH JR

2017, 82). Jedoch wird durch eine zeitlich nach dem Anfragebeschluss auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung gefasste Entscheidung die gestellte Anfrage hinfällig und damit unzulässig, weil der Senat mit seiner nachfolgenden Entscheidung dokumentiert hat, dass er an seiner Anfrage nicht mehr festhält.

5. Soweit der anfragende Senat darüber hinaus selbst eigene entgegenstehende Rechtsprechung mit dem Anfragebeschluss aufgegeben hat, trifft ihn die Bindungswirkung des Anfrageverfahrens ebenso wie angefragte Senate, d.h. mit der Aufgabe bisheriger Rechtsprechung ist er grundsätzlich ebenso gehindert, weiter nach der aufgegebenen Rechtsprechung zu entscheiden; im Gegensatz zu einem angefragten Senat entfällt die Bindungswirkung für ihn jedoch mit einer gegenteiligen Entscheidung, weil damit zugleich seine Anfrage hinfällig geworden ist.


Entscheidung

211. BGH 5 StR 15/17 – Beschluss vom 24. Januar 2017 (LG Dresden)

Erfordernis der Belehrung des Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags.

§ 257c Abs. 4, Abs. 5 StPO

Das Gericht muss den Angeklagten bereits bei Unterbreitung eines Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren. Anderenfalls ist eine etwaig zustande gekommene Verständigung in der Regel nicht mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens vereinbar (BGH HRRS 2015 Nr. 589).


Entscheidung

223. BGH AK 67/16 – Beschluss vom 11. Januar 2017

Dringender Tatverdacht wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland („IS“); Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate; Fluchtgefahr; Gegenstand der Haftprüfung (Beschränkung auf geschilderten Lebenssachverhalt, nicht auf rechtliche Bewertung); Terrorismusfinanzierung (nicht unerhebliche Vermögenswerte; quantitative Untergrenze).

§ 129a StGB; § 129b StGB; § 89a StGB; § 89c StGB; § 112 StPO; § 116 StPO; § 121 StPO

Nur der nach § 122 Abs. 1 StPO vorgelegte Haftbefehl ist Gegenstand der Haftprüfung und damit grundsätzlich auch ausschließlich der darin gegenüber dem Angeklagten erhobene Vorwurf. Diese Beschränkung bezieht sich indes auf den geschilderten Lebenssachverhalt, aus dem sich die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat ergibt, nicht dagegen auf dessen rechtliche Würdigung.


Entscheidung

244. BGH 4 StR 443/16 – Urteil vom 19. Januar 2017 (LG Frankenthal)

Umfang der Urteilsaufhebung durch das Revisionsgericht (horizontale Rechtskraft innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs: Unterscheidung von Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch und Aufhebung im Strafausspruch).

§ 353 StPO; § 354 Abs. 2 StPO

1. Führt die Revision nur teilweise zur Urteilsaufhebung, erwächst der bestehen bleibende Teil in Rechtskraft; dieser ist im neuen Verfahren nicht mehr nachzuprüfen (vgl. BGHSt 54, 135, 137). Der neue Tatrichter, an den das Verfahren nach Zurückverweisung gelangt, hat lediglich den noch offenen Verfahrensgegenstand neu zu verhandeln und zu entscheiden.

2. Das bedeutet, dass der Schuldspruch rechtskräftig wird, wenn das angefochtene Urteil allein im Strafausspruch aufgehoben wird (sog. horizontale Teilrechtskraft). Aber auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs kann horizontale Teilrechtskraft bezüglich einzelner Rechtsfolgen eintreten, wenn lediglich der Strafausspruch aufgehoben wird. Nach ständiger Rechtsprechung gilt dies, wenn das Tatgericht auf weitere Rechtsfolgen erkannt hat, die von Art und Höhe der Strafe unabhängig sind, was sich nach den für die Rechtsmittelbeschränkung geltenden Grundsätzen richtet. Dies kann etwa der Fall sein, wenn neben der Strafe Sicherungsmaßregeln nach §§ 63 ff. StGB angeordnet worden sind (vgl. BGHSt 33, 306, 310). Nichts Anderes gilt, wenn der Tatrichter die Frage einer Maßregelanordnung geprüft, jedoch von einer solchen Anordnung abgesehen hat.

3. Maßgebend für den Umfang einer Aufhebung ist insoweit die Formulierung im Tenor der revisionsgerichtlichen Entscheidung. Dabei umfasst die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs alle Rechtsfolgen der Tat, unabhängig davon, ob diese vom erstinstanzlichen Gericht angeordnet worden sind, während die Aufhebung des Strafausspruchs lediglich die zur Ahndung der verfahrensgegenständlichen Tat zu verhängenden Strafen betrifft.


Entscheidung

250. BGH 2 StR 280/16 – Beschluss vom 31. Januar 2017 (LG Kassel)

Betrug (Verjährungsbeginn); Verjährungsunterbrechung (Unterbrechung durch Durchsuchungsanordnung; Erstreckung auf andere Beteiligte).

§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB; 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB; § 263 StGB

1. Die für das Vergehen des Betruges maßgebliche Verjährungsfrist beginnt mit der Erlangung des vom Tatvorsatz umfassten Vermögensvorteils zu laufen.

2. Ein gegen einen Dritten gerichteter Durchsuchungsbeschluss kann gegenüber einem Angeklagten keine verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten, wenn diese Ermittlungshandlung nicht darauf gerichtet war, dessen zu diesem Zeitpunkt noch nicht ersichtlichen Tatbeitrag aufzuklären.


Entscheidung

201. BGH 3 StR 193/16 – Beschluss vom 13. Dezember 2016 (OLG Stuttgart)

Anforderung an die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit.

§ 244 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 StPO

Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit erfordert in aller Regel, dass der Beschluss konkrete Erwägungen darüber enthält, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz-

oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist.


Entscheidung

269. BGH 4 StR 593/16 – Beschluss vom 2. Februar 2017 (LG Erfurt)

Ablehnung von Beweisanträgen (Ablehnung wegen Unerreichbarkeit des Zeugen; erforderliche Bemühungen).

§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO

Das Maß der erforderlichen Bemühungen um die Vernehmung des Zeugen richtet sich stets nach der Bedeutung des Beweismittels für die Wahrheitserforschung.


Entscheidung

261. BGH 4 StR 192/16 – Beschluss vom 11. Januar 2017 (LG Münster)

Anhörungsrüge (Auslegung nach Wortlaut und Normzweck; analoge Anwendung auf Vorlegungspflicht, Recht auf einen gesetzlichen Richter).

§ 356a StPO; § 132 Abs. 2, 3 GVG; Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG

1. Der Sonderrechtsbehelf des § 356a StPO ist nach seinem Wortlaut und Normzweck, eine Durchsetzungsgarantie für das „prozessuale Urrecht“ auf rechtliches Gehör zu schaffen, nicht dazu bestimmt, dass damit auch behauptete Verletzungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht werden können. Für eine entsprechende Anwendung des § 356a StPO auf solche Fälle ist kein Raum.

2. Eine Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen besteht nicht.

3. Das Revisionsgericht ist nicht verpflichtet, vor seiner Entscheidung über ein Rechtsmittel des Angeklagten diesen auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen.


Entscheidung

268. BGH 4 StR 541/16 – Beschluss vom 10. Januar 2017 (LG Landau)

Beweisantrag (Entscheidung im Freibeweisverfahren).

§ 244 StPO; § 261 StPO

Betrifft die behauptete Beweistatsache nicht die Schuld- und Straffrage, darf die Strafkammer über Beweisanträge ohne Bindung an die Voraussetzungen der §§ 244 ff. StPO im Freibeweisverfahren nach Maßgabe der Aufklärungspflicht entscheiden.


Entscheidung

267. BGH 4 StR 531/16 – Beschluss vom 31. Januar 2017 (LG Bochum)

Besorgnis der Befangenheit (revisionsrechtlicher Prüfungsumfang; Bindung an festgestellte Tatsachen); Urteilsgründe (Ausführungen zu festgestellten Tatsachen).

§ 74 Abs. 1 StPO; § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO

1. Das Revisionsgericht prüft nicht selbstständig, ob die Voraussetzungen für die Besorgnis einer Befangenheit im konkreten Fall vorliegen. Es hat vielmehr allein nach revisionsrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden, ob das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung zurückgewiesen worden ist. Dabei ist es an die vom Tatgericht festgestellten Tatsachen gebunden, die dieses in seinem Beschluss darzulegen hat.

2. Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen in den Urteilsgründen die für erwiesen erachteten Tatsachen angegeben werden, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Hierzu hat der Tatrichter auf der Grundlage einer vorausgegangenen rechtlichen Subsumtion die Urteilsgründe so abzufassen, dass sie erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen können.


Entscheidung

222. BGH 5 ARs 54/16 – Beschluss vom 26. Januar 2017

Nichtbescheidung offensichtlich unzulässiger Rechtsbeschwerden.

§ 23 EGGVG; § 29 Abs. 1 EGGVG; Art. 103 Abs. 1 GG

Sofern der Senat durch den selben Antragssteller wiederholt mit offensichtlich unzulässigen „Rechtsmitteln“ gegen nicht rechtsmittelfähige Entscheidungen konfrontiert wird, kann er – auch zur Vermeidung erheblicher Kosten für den Antragsteller – jedenfalls dann von einer weiteren Bescheidung absehen, wenn der Antragssteller aufgrund vorangegangener Beschlüsse um die Unzulässigkeit seiner Eingaben weiß. Der Senat muss es nicht hinnehmen, durch sinnentleerte Inanspruchnahme seiner Arbeitskapazitäten bei der Erfüllung seiner Aufgaben behindert zu werden.


Entscheidung

230. BGH 1 StR 533/16 – Beschluss vom 10. Januar 2017 (LG Rottweil)

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (Verschulden der Säumnis: krankhafte Störung der Geistestätigkeit).

§ 44 StPO

Unverschuldete Säumnis kommt bei einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit regelmäßig nur dann in Betracht, wenn sie mit Verhandlungsunfähigkeit einhergeht.


Entscheidung

252. BGH 2 StR 412/16 – Beschluss vom 10. Januar 2017 (LG Aachen)

Urteilsgründe (Erörterung der Einlassung des Angeklagten).

§ 261 StPO; § 267 Abs. 1 StPO

Es empfiehlt sich regelmäßig, im Rahmen der Beweiswürdigung zu erörtern, ob (und bejahendenfalls wie) ein Angeklagter sich zum verfahrensgegenständlichen Tatvorwurf eingelassen oder ob er von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat. Verhalten sich die Urteilsgründe zu dieser Frage nicht, kann dies den Bestand des Urteils im Einzelfall gefährden.


Entscheidung

260. BGH 2 ARs 132/16 2 AR 69/16 – Beschluss vom 21. Dezember 2016

Örtliche Zuständigkeit (Abgabe des Verfahrens; Unzweckmäßigkeit der Abgabe).

§ 42 Abs. 3 JGG

1. Die Voraussetzungen für eine Abgabe des Verfahrens liegen grundsätzlich vor, wenn der Angeklagte zum wiederholten Male seinen tatsächlichen Aufenthaltsort nach Anklageerhebung gewechselt hat.

2. Die im richterlichen Ermessen stehende Abgabe kann sich jedoch als unzweckmäßig erweisen, wenn der Angeklagte seinen Aufenthaltsort seit Einleitung des Strafverfahrens mehrfach gewechselt hat, künftige Wechsel des Aufenthaltsorts zu erwarten sind und der Reiseaufwand für den Angeklagten und die in den Anklageschriften benannten Zeugen im Falle einer Hauptverhandlung sich durch die Abgabe nicht in unzumutbarer Weise erhöht.


Entscheidung

251. BGH 2 StR 380/16 – Beschluss vom 15. Dezember 2016 (LG Bonn)

Adhäsionsverfahren (Feststellungsklage: Feststellungsinteresse, Geltendmachung von Schäden).

§ 403 StPO

Am für die Feststellungsklage im Adhäsionsverfahren erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt es, wenn der Adhäsionskläger bereits entstandene materielle und immaterielle Schäden nicht geltend macht und es sich aus seinem Vortrag nicht ergibt, warum er nicht in der Lage ist, diese Schäden zu beziffern.


Entscheidung

266. BGH 4 StR 530/16 – Beschluss vom 22. Dezember 2016 (LG Bochum)

Adhäsionsverfahren (unbedingte Antragstellung; Beginn der Verzinsung).

§ 403 StPO

1. Die bloße Ankündigung von Entschädigungsanträgen im Sinne des § 403 StPO in einem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann – selbst bei vollständiger Begründung derselben – die eigentliche Stellung der Anträge nicht ersetzen.

2. Auch die Verzinsung der Ansprüche beginnt erst mit dem Zeitpunkt der unbedingten Antragstellung.