HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2014
15. Jahrgang
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III. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

1015. BGH 1 StR 70/14 - Beschluss vom 4. September 2014 (LG Schwerin)

Brandstiftung (Anwendung auf eine Unterstellhalle: Carport); gerichtliche Hinweispflicht; Berücksichtigung prozessordnungsgemäß festgestellter aber nicht mehr verfolgter Sachverhaltsteile in der Strafzumessung.

§ 306 StGB; § 154a StPO; § 46 StGB; Art. 6 EMRK

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die vorgenommene Ausscheidung von Verfahrensstoff gemäß § 154a StPO nicht dazu, dass die mit ihm zusammenhängenden Tatsachen nicht (mehr) anhängig sind, deshalb aus der richterlichen Kognition ausscheiden und aus diesem Grund für die Urteilsfindung außer Betracht bleiben müssten; vielmehr ist das Tatgericht nicht gehindert, auch solchen Tatsachenstoff zu berücksichtigen, wenn er zumindest mittelbar für die Beurteilung von Tat oder Täter von Bedeutung ist (vgl. nur BGH wistra 1985, 153 mwN).

2. Es ist in diesem Fall aber erforderlich, einem möglichen Vertrauen des Angeklagten, der ausgeschiedene Verfahrensstoff könne nicht mehr im Rahmen der Strafzumessung zu seinem Nachteil verwertet werden, durch einen Hinweis entgegenzutreten.


Entscheidung

995. BGH 2 StR 20/14 - Urteil vom 23. Juli 2014 (LG Erfurt)

Erweiterter Verfall (Voraussetzungen)

§ 73d Abs. 1 StGB

Die Anordnung des (erweiterten) Verfalls wird nur dann unmöglich, wenn das für die Tat oder aus ihr Erlangte damit nicht mehr als solches „bei dem Angeklagten“ vorhanden wäre (vgl. BGH NStZ 2010, 85). Die strafprozessuale Sicherstellung von aus Drogengeschäften erlangten Kauferlösen als solche bewirkt nicht die Aufhebung der unmittelbaren Zuordnung von sichergestellten Geldern zum Täter. Auch die Einzahlung bei der Gerichtskasse führt diese Wirkung nicht herbei. Denn nach der maßgeblichen Anschauung des täglichen Lebens macht es keinen Unterschied, wenn eine bestimmte Banknote als vertretbare Sache durch einen gleichwertigen Anspruch auf den entsprechenden Geldbetrag gegen die Staatskasse ersetzt wird.


Entscheidung

1006. BGH 4 StR 314/14 - Beschluss vom 9. September 2014 (LG Münster)

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung.

§ 55 StGB; § 54 StGB

Da durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ein Angeklagter, dessen mehrere Straftaten aus irgendwelchen Gründen in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht bessergestellt werden soll, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst durchgeführten Verfahren, abgeurteilt worden wären, wird durch dessen Urteil eine Zäsur dahin gebildet, dass alle vor diesem Zeitpunkt begangenen Taten in die Gesamtstrafe einzubeziehen sind. Der Tatrichter, dem sich die Frage nachträglicher Gesamtstrafenbildung stellt, muss sich daher jeweils in die Lage des Richters versetzen, dessen Entscheidung für eine nachträgliche Einbeziehung in Betracht kommt. Alle Strafen für die vor jenem Urteil begangenen Taten – aber auch nur diese – sind auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen (st. Rspr).


Entscheidung

1042. BGH 3 StR 372/14 - Beschluss vom 16. September 2014 (LG Stade)

Anforderungen an die Anordnung der unbefristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (unzureichende Darlegung der zukünftigen Gefährlichkeit des Angeklagten); Schuldunfähigkeit aufgrund einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie.

§ 63 StGB; § 20 StGB

Die unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erfordert eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Dem tragen Ausführungen des Tatgerichts, wonach die Gefahr zwar nicht nur abstrakt bestehe, eine konkrete Wahrscheinlichkeitsprognose jedoch schwierig sei, nicht hinreichend Rechnung.