HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2014
15. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Widersprüchliche Tendenz in der Rechtsprechung des BGH zu § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB

Von Privatdozent und Rechtsanwalt Dr. Joachim Kretschmer, FU Berlin

Die PKS 2012 weist 21.571 Fälle der Brandstiftung auf. Die Mehrzahl der Fälle, und zwar 9.908, sind Fälle des § 306 StGB, während die schwere Brandstiftung nach § 306a StGB 2.879 Fälle aufweist. Jede Widersprüchlichkeit in der Rechtsanwendung durch die Strafrechtspflege bewirkt Unsicherheit und mindert das Vertrauen der Gesellschaft in die Rechtsordnung. Ein Beispiel für solche Widersprüchlichkeit zeigt der BGH im Brandstiftungsunrecht in der Anwendung des § 306a Abs.1 Nr. 1 StGB.

I. Widersprüchliches Verständnis in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB bei gemischt genutzten Gebäuden

"Das Inbrandsetzen eines Gebäudes ist nur dann vollendet, wenn Teile des Gebäudes, die für dessen Gebrauch bestimmend sind, so vom Feuer erfasst sind, dass ein Fortbrennen aus eigener Kraft möglich ist. … Das Landgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB bei einem gemischt genutzten Gebäude auch dadurch erfüllt werden kann, dass nur der nicht zu Wohnzwecken dienende Teil in Brand gesetzt wird, wenn dieser zu einem einheitlichen Gebäude gehört, das auch bewohnte Räume enthält. … Zur näheren baulichen Beschaffenheit, insbesondere der Verbindung beiden Baukörper und einer etwaigen Brandmauer, die unter Umständen das Übergreifen eines Feuers vom Anbau auf das bewohnte benachbarte Gebäude unmöglich gemacht hätte, ist den Urteilsgründen jedoch nichts zu entnehmen. Die Rechtsprechung hat angenommen, dass bei Anbauten ein einheitliches Gebäude etwa bei einem gemeinsamen Treppenhaus, einem gemeinsamen Flur oder ineinander übergehenden Räumen (mit Verbindungstüren und Maueröffnungen) angenommen werden kann."

Es ging in diesem Fall um das Inbrandsetzen einer Gaststätte, die sich in einem Anbau an einem Gebäudekomplex mit mehreren Wohnungen befand. Das Dach des Anbaus war die Terrasse des benachbarten Gebäudes und die Räumlichkeiten des Anbaus reichten in das benachbarte Gebäude hinein. Der BGH[1] lehnte ein vollendetes Inbrandsetzen ab, weil die mit der Wand verdübelte Spanplatte, die allein vom Feuer ergriffen war, kein für den Gebrauch des Gebäudes bestimmendes Teil war. Die Spanplatte entsprach eher einem Einrichtungsgegenstand.

"Aus dem auf das Wohnen bezogenen Schutzzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB folgt, dass die Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens eines Wohngebäudes bei einer Brandlegung in einem einheitlichen, teils gewerblich, teils als Wohnung genutzten Gebäude erst dann verwirklicht ist, wenn (zumindest) ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist. Allein der Umstand, dass das Feuer auf zu Wohnzwecken genutzte Teile des Gebäudes hätte übergreifen können, vermag die Annahme einer vollendeten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zu begründen."

Es ging in diesem Fall um das teilweise Zerstören durch Brandlegung eines Sonnenstudios, das sich mit anderen Geschäftslokalen im Erdgeschoss eines Gebäudes befand, in dessen Obergeschoss sich fünf Wohnungen befanden. Das Feuer, das Gebäudeteile nicht erfasste – daher kein vollendetes Inbrandsetzen -, führte dazu, dass Einrichtungen des Sonnenstudios verrußt und verkohlt und teilweise durch die Hitzeeinwirkung zerstört waren. Das Sonnenstudio war bis zu dessen Instandsetzung nicht nutzbar. Hätte sich aus der Brandlegung ein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwartender Vollbrand entwickelt, wäre mit einem Übergreifen des Feuers auf das Obergeschoss und einer Gefährdung der Bewohner zu rechnen gewesen. Der BGH[2] betont deutlich, dass der Umstand, dass das Feuer auf zu Wohnzwecken genutzte Teile des Gebäudes hätte übergreifen können, nichts am fehlenden Eintritt des in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB tatbestandlich vorausgesetzten Erfolgs ändert. Bei einem gemischt genutzten Gebäude erfordert nach Ansicht des BGH die Teilzerstörung, das sich diese auf eine zum Wohnen bestimmte abgeschlossene Untereinheit bezieht.

In diesen beiden Entscheidungen des BGH werden die Probleme und Rechtsfragen und deren widersprüchliche Lösung anschaulich. Der BGH legt das Inbrandsetzen eines gemischt genutzten Gebäudes anders aus als das teilweise Zerstören durch Brandlegung. Bei einem gemischt genutzten Gebäude genügt es dem BGH für eine vollendete schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn der gewerblich genutzte Gebäudeteil in Brand gesetzt ist und ein Übergreifen des Feuers auf den Wohnteil nicht ausgeschlossen ist. Entscheidend ist die abstrakte Gefahrenkomponente. Dagegen genügt es dem BGH für das teilweise Zerstören durch Brandlegung als Tatbestandsvariante nicht, wenn sich die Teilzerstörung

nur auf den gewerblich genutzten Gebäudeteil bezieht und ein Übergreifen des Feuers auf den Wohnteil nicht ausgeschlossen ist. In dieser Tatbestandsvariante verlangt der BGH für die Vollendung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, dass zumindest ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist. Entscheidend ist die Schädigungskomponente. Der Unterschied wird deutlich, wenn man im "Sonnenstudio-Fall" annimmt, dass das Feuer im Sonnenstudio tragende Wände und die Decke erfasst hätte. Dann wären bestimmende Teile des Gebäudes selbständig vom Feuer ergriffen und ein Übergreifen auf den Wohnteil wäre nicht ausgeschlossen. Der BGH würde jetzt eine Tatvollendung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB bejahen, weil bei gemischt genutzten Gebäuden das Inbrandsetzen des gewerblich genutzten Teils genügt, wenn eine Ausdehnung des Feuers auf den Wohnteil nicht ausgeschlossen ist. Überzeugt diese unterschiedliche Auslegung? Was sind die Gründe?

II. Begründung des BGH

Im "Sonnenstudio-Fall" begründet der BGH[3] seine Auslegung mit dem Schutzobjekt des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Schutzobjekt des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB sei jede Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen diene. Geschützt sei die Wohnstätte des Menschen als der örtliche Mittelpunkt menschlichen Lebens. Daher verlangt der BGH die teilweise Zerstörung durch Brandlegung eines Wohnteils. Bei der Tatbestandsvariante des Inbrandsetzens verlangt er gerade nicht, dass der Wohnteil in Brand gesetzt ist. In beiden Sachverhaltsvarianten war ein Umstand gleich: Es war nicht auszuschließen, dass sich das Feuer, wenn es sich zu einem Vollbrand entwickelte, vom Gewerbeteil auf den Wohnteil ausbreitet. Der entscheidende Umstand für die Rechtsprechung ist nun, ob es wenigstens zu einem Inbrandsetzen des Gewerbeteils kommt: Vollendung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, oder ob sich ein selbständiger Brand nicht entwickelt und der Gewerbeteil durch Brandlegung teilweise zerstört wird: keine Vollendung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern nur Versuch. Aber: Die Gefahr, die sich für den Wohnteil ergibt, ist doch die gleiche, oder?

"Nein", sagt der BGH[4] in einem anderen Fall: In einem im Erdgeschoss eines Gebäudes betriebenen Imbisslokal wurde an mehreren Stellen Feuer gelegt. Der Brand zerstörte das Inventar fast vollständig, wurde aber von der Feuerwehr gelöscht, bevor das Feuer Gebäudeteile so erfasste, dass sie selbständig weiter brennen konnten. Brandschäden, Rußablagerungen und Löschwasser machten die Räume des Lokals unbenutzbar. Wäre das Feuer später entdeckt worden, hätte es sich durch den Abluftschacht der Dunsthaube auf das gesamte Gebäude und auch auf die im zweiten Obergeschoss gelegenen Wohnungen ausbreiten können. Der BGH fragt in diesem "Imbiss-Fall" zutreffend vorrangig nach der Tatbestandsvariante des Inbrandsetzens. Das ist in der Rechtspraxis und in der Prüfung jedem zu empfehlen. Der BGH: "Allerdings genügt es für ein vollendetes Inbrandsetzen nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn in einem einheitlichen, teils gewerblich, teils zu Wohnzwecken genutzten Gebäude nur solche Gebäudeteile selbständig brennen, die für die gewerbliche Nutzung wesentlich sind, aber nicht auszuschließen ist, dass das Feuer auf Gebäudeteile übergreift, die für das Wohnen wesentlich sind. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB stellt als abstraktes Gefährdungsdelikt ein Handeln unter Strafe, das typischerweise das Leben von Personen gefährdet, die sich in einem Gebäude aufhalten; eine solche Gefahr besteht bereits dann, wenn "das Gebäude" brennt und der Brand sich ausweiten kann." Oder: Ein gemischt genutztes Gebäude brennt, wenn bereits der gewerbliche Teil brennt. Nach dem BGH ist das aber anders, wenn es durch die Brandlegung allein zu einer ganzen oder teilweisen Zerstörung dieser Räume kommt. Das führt auch dann nicht zu einer vollendeten schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, "wenn die Gefahr bestand, dass das Feuer auf den Wohnzwecken dienenden Teil des Gebäudes übergreift. Eine (teilweise) Zerstörung kann auf vielfältigen durch die Brandstiftung ausgelösten Umständen beruhen, etwa wie hier auf einer Rußentwicklung oder auf die Einwirkung von Löschwasser. Sie ist deshalb, wenn sie die gewerblichen Räume betrifft, nicht typischerweise mit einer Gefährdung der Personen verbunden, die sich in dem zu Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil aufhalten. Auf diesen Gebäudeteil bezogen liegt der Sachverhalt nicht anders als bei einer Brandlegung, deren Erfolg ausgeblieben ist." Oder: Ein gemischt genutztes Gebäude ist durch Brandlegung im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB erst dann teilweise zerstört, wenn zumindest ein Wohnteil teilweise zerstört ist.

Stellen wir uns die Situation vor: Der Täter gießt Benzin in einem Imbiss-Lokal aus und lässt den mitgebrachten 5-Literkannister zurück. Er zündet mehrere Brandherde an. Das Inventar verbrennt, es entwickeln sich Ruß, Qualm und Gase. Glutnester entstehen. Die Brandgefahr ist unberechenbar. Zum Glück kommt die Feuerwehr rechtzeitig, bevor sich ein Vollbrand im Imbiss entwickelt, der sich auf das Obergeschoss mit den Wohnungen ausbreiten konnte. Und das soll nicht gefährlich sein für die Bewohner? Oftmals ist es nur ein Zufall, ob sich ein Vollbrand entwickelt oder alles gut geht. Wenn der BGH sagt, dass eine abstrakte Gefahr im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB entsteht, wenn "das Gebäude" brennt und der Brand sich ausweiten kann, muss man dann nicht folgerichtig auch sagen, dass eine solche abstrakte Gefahr besteht, wenn "das Gebäude" teilweise durch Brandlegung zerstört ist und der Brand sich entwickeln und ausweiten kann?

III. Widerlegung des BGH

§ 306a Abs. 1 StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt.[5] Es bedarf daher für die Anwendung der Norm keiner konkreten Gefahr. "Du sollst nicht brandstiften", ist der Normbefehl, egal wie brandgefährlich das im Einzelfall ist. Die Weite des Normbefehls, die im Charakter des abstrakten Gefährdungsdelikts angelegt ist, wird durch die enge Auswahl der Tatobjekte beschränkt. Und damit ist § 306a Abs. 1 StGB das Grunddelikt der Brandstif-

tungsdelikte.[6] Die Qualifikationen der §§ 306b und 306c StGB knüpfen an den Grundtatbestand des § 306a StGB an. Dagegen handelt es sich bei § 306 StGB meines Erachtens um eine qualifizierte[7] – gegenüber §§ 303, 305 StGB – Sachbeschädigung, da die Norm im Gegensatz zu den typischen Brandstiftungsdelikten ein fremdes Tatobjekt erfordert. Der typischen Brandgefahr ist die Eigentumslage an sich egal. Wer dagegen in § 306 StGB auch das erhebliche Gefahrenelement betont, sieht das anders.[8] Der BGH[9] versteht § 306 StGB als Grundtatbestand. Der Streit zeigt sich im Konkurrenzverhältnis: Tateinheit zwischen § 306 und § 306a Abs. 1 StGB oder verdrängt § 306a Abs. 1 StGB den § 306 StGB? Mein Ergebnis ist klar: Tateinheit.[10]

Diese Rechtsnatur führt zu einer frühen Vollendung der Tathandlung des Inbrandsetzens. Ein Gebäude ist in Brand gesetzt, wenn zumindest Teile des Gebäudes, die für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlich sind, so vom Feuer erfasst werden, dass das Feuer aus eigener Kraft fortbrennen kann.[11] Als Beispiele mögen die Flurtreppe, eine Wohnungstür, der Zimmerfußboden oder ein Fensterrahmen gelten, ebenso die Zimmerwand, nicht aber die Tapete.[12] Bei gemischt genutzten Gebäuden ist die Tathandlung des Inbrandsetzens bereits vollendet, wenn ein Gebäudeteil in Brand gesetzt ist, der nicht zur Wohnung von Menschen dient, sofern sich das Feuer auf Grund der baulichen Beschaffenheit jedoch in den Wohnteil ausbreiten kann.[13] Es genügt ein teilweises Inbrandsetzen. Und das, obwohl der Wortlaut der Norm das so nicht sagt. Der Grund für diese weite Auslegung ist die Rechtsnatur des § 306a Abs. 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt. Daher gibt es im Brandstiftungsunrecht auch die tätige Reue (§ 306e StGB).

Die Tatbestandsvariante der Brandlegung ist schwieriger zu bestimmen. Diese Variante wurde 1998 mit dem 6. StrRG in die Brandstiftungsdelikte eingefügt. Grund war, dass bei gefährlichen Brandstiftungen infolge der zunehmenden Verwendung von feuerbeständigen Baustoffen und Bauteilen wesentliche Gebäudeteile gar nicht mehr in Brand geraten. Die vom Feuer ausgehende Ruß-, Gas-, Rauchentwicklung und die Hitze können aber vergleichbare Schadensfolgen und Gefahren für die Menschen haben. Ebenso kann der vom Täter verwendete Brennstoff explodieren. Daher gilt als Brandlegung jede Handlung, die auf das Verursachen eines Brandes gerichtet ist.[14] Der Wortlaut der Norm ist deutlich, wenn er eine Zerstörung "ganz oder teilweise" genügen lässt. Und in den obigen Fällen des Sonnenstudios und des Imbisslokals sind die gewerblichen Gebäudeteile bei dem gemischt genutzten Gebäude als Tatobjekt des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB teilweise zerstört, da der bestimmungsgemäße Gebrauch für einige Dauer nicht möglich ist. Wenn man auch einheitliche Gebäude, die teilweise zu Wohnzwecken und teilweise zu Gewerbezwecken genutzt werden, unter das Tatobjekt des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB subsumiert und so macht es die Rechtsprechung, ist es vom Wortlaut der Norm ohne weiteres eine teilweise Zerstörung des gemischt genutzten Gebäudes als einheitliches Gebäude, wenn allein der Gewerbeteil teilweise zerstört ist.[15] Wenn der BGH[16] im "Sonnenstudio-Fall" eine teilweise Zerstörung eines Wohn- und Geschäftsgebäudes dagegen nur bejahen will, "wenn (zumindest) ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist", ist das inkonsequent, wenn man ein gemischt genutztes Wohn- und Geschäftsgebäude als Ganzes als ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, unter § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB subsumiert. Geschützt ist das Gesamtgebäude in seiner wohnlichen und gewerblichen Benutzung.[17]

Und die abstrakte Gefahr, die § 306a Abs. 1 StGB, bekämpfen will, ist doch auch gegeben. Das sieht eigentlich auch der BGH.[18] Selbst wenn die Gefahr bestehe, dass das Feuer auf den Wohnzwecken dienenden Teil des Gebäudes übergreife, führe das nicht zu einer vollendeten schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn allein der gewerbliche Gebäudeteil durch die Brandlegung zerstört sei. Aber diese abstrakte Gefahr für den Wohnteil will § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB doch gerade bekämpfen. Die Gefahrenkomponente ist entscheidend. Durch die Tatbestandsvariante der Brandlegung sollen die Fälle erfasst werden, in denen die zerstörende oder gefährdende Wirkung des Tatmittels eingetreten ist, ohne dass es zum Brand des jeweiligen Tatobjekts kam.[19] Typisch sind demnach Verpuffungen des verwendeten Brandbeschleunigers sowie Rußablagerungen und Schäden durch das Löschwasser. Diese Umstände sind durch die gesetzgeberische Entscheidung, das Inbrandsetzen und das Zerstören durch Brandlegung als gleichwertige Tatbestandsvarianten zu erfassen, als abstrakt gefährlich für Leib und Leben von Menschen angesehen.[20] Es kann das Feuer sein, das abstrakt gefährlich für die Bewohner ist, diese abstrakte Gefahr kann sich auch durch Ruß- und Rauchentwicklung, Verpuffungen oder Explosionen ergeben. Es wird darauf hingewiesen, dass es typischer-

weise die durch Schwelbrand entstehenden Gase Kohlenmonoxid und Kohlendioxid sind, die zu Personenschäden führen.[21] Die Gefahren für die Bewohner von Wohnungen im Obergeschoss sind die gleichen, ob nun in einem reinen Wohngebäude die Wohnung im Erdgeschoss in Brand gesetzt wird oder durch Brandlegung teilweise zerstört wird oder ob es sich im Erdgeschoss um ein Sonnenstudio oder Imbisslokal handelt.

Eine einheitliche Auslegung innerhalb der beiden Tatbestandsvarianten in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist geboten. Demnach gilt für eine vollendete schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB: Ein wohnlich und gewerblich gemischt genutztes Gebäude ist bereits in Brand gesetzt, wenn für die bestimmungsgemäße Nutzung wesentliche Gebäudeteile des Gewerbeteils selbständig vom Feuer erfasst sind, und ein teilweises Zerstören durch Brandlegung liegt vor, wenn sich das teilweise Zerstören auf den Gewerbeteil bei einem gemischt genutzten Gebäude bezieht, und in beiden Varianten ein Übergreifen der durch das Inbrandsetzen oder durch die Brandlegung geschaffenen Gefahr auf den Wohnteil nicht ausgeschlossen ist. Das führt im "Sonnenstudio-Fall" und im "Imbiss-Fall" entgegen dem BGH zur Bejahung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB.[22] Einen Ausweg aus dem erheblichen Strafrahmen kann im Einzelfall § 306a Abs. 3 StGB bieten.

IV. Restriktive Auslegung in § 306a StGB

Anerkannt ist die restriktive Auslegung abstrakter Gefährdungsdelikte, die die Strafbarkeit in ein frühes Vorfeld verlagern. Diese Restriktion setzt teilweise bereits bei der Tathandlung mit Blick auf gemischt genutzte Gebäude an. In § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB muss der zur Wohnung dienende Teil selbst betroffen sein.[23] Das Feuer muss den Wohnbereich ergriffen haben. Ansonsten kommt lediglich ein Versuch in Betracht. Das überzeugt nicht. Diese sehr massive Einschränkung widerspricht dem Charakter des § 306a Abs. 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt. Wenn der Wohnteil vom Feuer erfasst ist oder wenn es dort durch die Brandlegung zur Explosion kommt oder sich gefährlicher Rauch entwickelt, besteht bereits eine Nähe zur konkreten Gefahr. Zugegebenermaßen gelangt auch diese restriktive Auslegung zu einem einheitlichen Verständnis beider Tatbestandsvarianten. Ein solch enges Verständnis erfreut in seiner beschuldigtenfreundlichen Tendenz die Strafverteidigung. Sie ist aber nicht das Verständnis der Rechtsprechung.

Im Hinblick auf die hohe Strafdrohung des § 306a StGB verlangt der BGH[24] für ein "teilweises Zerstören" eine Auswirkung "von einigem Gewicht". Das sei nur dann der Fall, wenn das Tatobjekt für eine nicht unbeträchtliche Zeit wenigstens für einzelne seiner Zweckbestimmungen unbrauchbar gemacht werde, ferner wenn ein für die ganze Sache nötiger Teil unbrauchbar werde oder wenn einzelne Bestandteile einer Sache, die für den selbständigen Gebrauch bestimmt und eingerichtet seien, vollständig vernichtet würden. Erforderlich ist stets ein Blick auf das spezifische Tatobjekt des § 306a Abs. 1 und § 306a Abs. 2 StGB. Für echte Wohngebäude nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ergibt sich daraus, dass zumindest eine Wohneinheit für eine beträchtliche Zeit nicht mehr benutzbar ist. Bloße Verschmutzungen durch den Rauch genügen eher nicht für ein teilweises Zerstören; erforderlich ist eine nachhaltige Verrußung, die umfangreiche Renovierungsarbeiten in den Wohnräumen erforderlich macht.[25] Bei einer Brandlegung in einem Mehrfamilienhaus setzt das Tatbestandsmerkmal des teilweisen Zerstörens voraus, dass zumindest eine Wohnung für eine beträchtliche Zeit zu Wohnzwecken nicht mehr benutzbar ist, die Unbenutzbarkeit eines einzelnen Zimmers genügt nicht – die Täter hatten Feuerwerkskörper in ein Kinderzimmer geworfen, das durch den Brand erheblich beschädigt wurde.[26] Wer macht denn so was? Die Entscheidung ist Teil einer vielfältigen Einzelfallkasuistik. So ist nach dem BGH[27] auch eine nur für Stunden unterbrochene Stromversorgung eines Mehrfamilienhauses für eine teilweise Zerstörung durch Brandlegung nicht ausreichend. Für ein Gebäude nach § 306a Abs. 2 i.V.m. § 306 StGB – auf die Fremdheit kommt es bei dem Verweis auf die Tatobjekte bekanntlich[28] nicht an -, das zugleich ein Wohngebäude nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist, müssen zur Vollendung daher nicht unbedingt Wohnräume von der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung betroffen sein. Es genügt demnach auch, wenn ein anderer funktionaler Gebäudeteil für nicht unerhebliche Zeit nicht bestimmungsgemäß gebraucht werden kann.[29] Aber im Unterschied zu § 306a Abs. 1 StGB ist § 306a Abs. 2 StGB ein konkretes Gefährdungsdelikt. Daher muss die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen als typische Folge der Brandlegung wie Rauch- und Rußentwicklung hinzukommen.

Daneben bleibt es bei der teleologischen Reduktion der Norm aus BGHSt 26, 121.[30] Der BGH zeigt Sympathie mit der Ansicht, dass § 306a Abs. 1 Nr. 1 – damals noch § 306 Nr. 2 – StGB in Fällen nicht anwendbar ist, in denen eine Gefährdung von Menschenleben nach der tatsächlichen Lage absolut ausgeschlossen ist. Der Täter müsse sich durch absolut zuverlässige lückenlose Maßnahmen vergewissert haben, dass die verbotene Gefähr-

dung mit Sicherheit nicht eintreten könne: "Das ist aber nur bei kleinen, insbesondere bei einräumigen Hütten oder Häuschen möglich, bei denen auf einen Blick übersehbar ist, dass sich Menschen dort nicht aufhalten können." Das hat der BGH in den konkreten Einzelfällen aber stets abgelehnt. Kennen Sie einen einschlägigen Fall?

V. Fazit

Es war das Ziel des 6. StrRG, Strafvorschriften zu ändern, zu ergänzen und neu zu fassen, um den Strafschutz zu verbessern und die Rechtsanwendung zu erleichtern.[31] Dass das gelungen ist, kann man bezweifeln. Aber es ist der BGH selbst, der innerhalb des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB in seinen widersprüchlichen Anforderungen an das Inbrandsetzen und das teilweise Zerstören durch Brandlegung bei gemischt genutzten Gebäuden zur Unsicherheit in der Rechtsanwendung beiträgt. Das muss und darf nicht sein.


[1] BGH BeckRS 2001, 30224485.

[2] BGH HRRS 2011 Nr. 667 = NStZ 2012, 214.

[3] Ebenso BGH HRRS 2012 Nr. 147 = NStZ-RR 2012, 309.

[4] BGH HRRS 2011 Nr. 156 = ZIS 2010, 445.

[5] So BGH HRRS 2011 Nr. 354 = StraFo 2011, 194; BeckOK/Norouzi, StGB (Stand: 22.7.2013), § 306a Rn 4; Koranyi JA 2014, 241, 247; MüKo-StGB/Radtke, StGB, 2. Aufl. (2014), § 306a Rn 3; Piel StV 2012, 502; Rengier Strafrecht BT II, 14. Aufl. (2013), § 40 Rn 2.

[6] So Fischer, StGB 61. Aufl. (2014), § 306 Rn 1 und § 306a Rn 1; Sch./Sch./Heine/Bosch, StGB, 29. Aufl. (2014), § 306a Rn 1.

[7] So auch Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. (2011), § 306 Rn 1; Piel StV 2012, 502.

[8] So AnwK-StGB/Börner, StGB (2011), § 306 Rn 1; Kraatz JuS 2012, 691; zur Gemeingefährlichkeit des § 306 StGB siehe Klesczewski HRRS 2013, 465.

[9] BGH NJW 2001, 765; zustimmend Hagemeier/Radtke NStZ 2008, 198, 207.

[10] So auch Sch./Sch./Heine/Bosch (Fn. 6), § 306 Rn 24; für Verdrängung: BGH NJW 2001, 765; AnwK-StGB/Börner (Fn. 8), § 306 Rn 53; Klesczewski HRRS 2013, 465, 472.

[11] Siehe BGH HRRS 2012 Nr. 147 = NStZ-RR 2012, 309; BGH HRRS 2009 Nr. 688 = NStZ 2010, 151; BGH NStZ 1981, 220; Jahn JuS 2007, 484; Rengier (Fn. 5), § 40 Rn 7; Satzger JK 2/2013 StGB § 306a/18.

[12] Siehe BGH NStZ 1981, 220.

[13] So BGH HRRS 2012 Nr. 147 = NStZ-RR 2012, 309; BGH HRRS 2007 Nr. 111 = StV 2007, 299; Fischer (Fn. 6), § 306a Rn 5a; Lackner/Kühl, StGB (Fn. 7), § 306a Rn 2; Rengier (Fn. 5), § 40 Rn 25; Satzger JK 2/2013 StGB § 306a/18.

[14] Siehe Rengier (Fn. 5) § 40 Rn 15; SSW/Wolters, StGB (2009), § 306 Rn 15.

[15] So Bachmann/Goeck ZIS 2010, 445.

[16] BGH HRRS 2011 Nr. 667 = NStZ 2012, 214; ebenso BGH HRRS 2012 Nr. 147 = NStZ-RR 2012, 309.

[17] So Piel StV 2012, 502, 508.

[18] BGH HRRS 2011 Nr. 156 = ZIS 2010, 445.

[19] Siehe Bachmann/Goeck ZIS 2010, 445; Piel StV 2012, 502, 506.

[20] So Bachmann/Goeck ZIS 2010, 445.

[21] Siehe Piel StV 2012, 502, 506.

[22] So auch Piel StV 2012, 502, 508; kritisch zum BGH auch BeckOK-StGB/Norouzi (Fn. 5), § 306a Rn 13 ff.

[23] So AnwK-StGB/Börner (Fn. 8), § 306a Rn 20; Koranyi JA 2014, 241, 247; Hagemeier/Radtke NStZ 2008, 198, 200; MüKo-StGB/Radtke (Fn. 5), § 306a Rn 37; Sch./Sch./Heine/Bosch (Fn. 6), § 306a Rn 11; SSW/Wolters (Fn. 14), § 306a Rn 17.

[24] BGH HRRS 2011 Nr. 354 = StraFo 2011, 194; ebenso BGH HRRS 2012 Nr. 161 = NStZ 2012, 215; BGH HRRS 2012 Nr. 147 = NStZ-RR 2012, 309; zustimmend Bachmann/Goeck ZIS 2010, 445; Jahn JuS 2007, 484; Piel StV 2012, 502, 508; Rengier (Fn. 5), § 40 Rn 14; Satzger JK 2/2013 StGB § 306a/18.

[25] So BGH HRRS 2012 Nr. 147 = NStZ-RR 2012, 309.

[26] So BGH HRRS 2009 Nr. 688 = NStZ 2010, 151.

[27] BGH HRRS 2007 Nr. 111 = NStZ 2007, 270; dazu Hagemeier/Radtke NStZ 2008, 198, 200.

[28] Siehe BGH NStZ-RR 2000, 209; SSW/Wolters (Fn. 14), § 306a Rn 27.

[29] Siehe BGH HRRS 2012 Nr. 147 = NStZ-RR 2012, 309.

[30] Siehe auch Koranyi JA 2014, 241, 247; Piel StV 2012, 502, 503; eher ablehnend Rengier (Fn. 5), § 40 Rn 29 ff.; insgesamt zum Problem MüKo-StGB/Radtke (Fn. 5), § 306a Rn 39 ff.

[31] BT Drs. 13/8587, S. 1.